Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

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31. März 2025

Polnische  Presseschau 227 vom 23.3.2025

Liebe Leserinnen und Leser!

Es geht um Demokratie, also Rechte der Frauen, über die Hysterie der Kriegstreiber, Deutschland und um die Verehrer Trumps, die Sekretärin von Kaczy?ski, die er direkt vom Ministerrat der PRL übernommen hat und die Angst der Bischöfe um ihren Ruf

Starke Frauen und orientierungslose Männer                                      Przeglad, 24.3.2025

„Wenn es um die Rechte der Frauen und das politische Narrativ geht, so geht es Rückwärts!“

Die Zeitung sprach mit der Philosophin und Feministin Magdalena Sroda. Zur Gleichberechtigung in Polen meint sie: „Wenn es um die Frauenrechte und das politische Narrativ geht, gehen wir rückwärts. Denn in der Tat hat ein solches Recht auf Abtreibung weniger mit der Abtreibung selbst zu tun, sondern vielmehr mit der Haltung des Staates gegenüber der Frau.

Behandelt er Frauen als mündige und vollwertige Bürger, ist es offensichtlich, dass sie in einem solchen Staat über ihren eigenen Körper entscheiden können, über ihre eigene Mutterschaft usw. Oder behandelt der Staat die Frauen als unterentwickelte, infantile Menschen, die ständig kontrolliert werden müssen – viele Priester und Abgeordnete sind dieser Auffassung, Frauen würden, sobald sie schwanger werden, sofort zur Abtreibung rennen und das bedeute, dass etwas mit ihnen nicht stimmt. Einfach gesagt, es ist nicht demokratisch.“

Alles, was mit Fortschritt und Gleichheit zu tun hat und was gegen eine patriarchalische, auf Hierarchie basierende Kultur verstößt, wird gefürchtet.

In der Polnischen Volksrepublik gab es das Recht auf Abtreibung, wurde den Mädchen in der Kita nicht eingetrichtert, sie hätten sich auf Mutterschaft und Haushalt vorbereiten, sondern dem Mädchen wurde gesagt: Du kannst alles werden, sogar Kosmonautin. Natürlich gab es da auch viele Defizite.

Die Transformation war eine Zeit der Ent-Emanzipation und der „Evangelisierung“, aber nicht im Sinne Jesu,  sondern nach der Art Konstantins (im 4. Jh. wurde Christentum unter Kaiser Konstantin Staatsreligion); es ging nicht um Nächstenliebe, sondern um Besitz und Mammon. Die Kirche verlangte eine Herrschaft über die Seelen, um einen vollen Geldbeutel zu haben. Und sie bekam sie. Die Machthaber übertrugen ihr die Rechte der Frauen, und dazu noch verschiedene wirtschaftliche Privilegien, ohne sich darum weiter zu kümmern. So ist die Kirche die einzige Institution, die sich außerhalb des staatlichen Rechts sieht.

Dabei waren es die Frauen, die während der Transformation Polen aufgebaut haben in kleinen und mittleren Unternehmen. Frauen gehen auf die Straße und kämpfen für demokratische Rechte, sie laufen nicht den Populisten nach, bilden sich weiter. Männer sind statistisch gesehen deutlich weniger gebildet, trinken mehr, kümmern sich nicht um ihre Gesundheit, haben ein kürzeres Leben und sind auf private Ambitionen ausgerichtet.

Frauen denken seit hundert Jahren über ihre Rolle nach,  Männer sind geistig stehengeblieben auf ihrer Stelle als Häuptlinge, Priester, Chefs, Väter oder das so genannte fünfte Rad am Wagen, d.h. der Ernährer.

Der Kongress der Frauen hat 100 Postulate aufgestellt. Die drei wichtigsten sind: gleiches Geld für die gleiche Arbeit; entsprechend der EU-Direktive 40 Prozent Frauen in Führungspositionen; paritätische Besetzung der Wahllisten. Über drei Viertel im Parlament sind Männer, wohl nicht wegen ihrer höheren Kompetenz.

Kriegshysterie Russland – und Deutschland?

Kommentar des Chefredakteurs Jerzy Domanski

Przeglad, 17.3.2025

Als Nation sind wir gefangen zwischen einem schwindenden Restpazifismus und einer galoppierenden militärischer Hysterie. So sehe ich den Stimmungszustand der Polen nach der Propagandabehandlung, die uns die Politiker zuteil werden ließen. Von der Rechten bis zur Linken. Mit Ausnahmen, die man ohne Schwierigkeiten zählen kann. Es ist offensichtlich, dass wir als Kollektiv gerne dorthin gehen, wohin wir geführt werden. Obwohl es allgemein bekannt ist, dass Hysterie wenig mit Klugheit zu tun hat. Und noch weniger mit Besonnenheit.

Aber vielleicht betrachte ich diese Kriegsstimmungen zu hart. Denn es ist schwer, ihnen nicht zu erliegen, wenn wir seit Wochen rund um die Uhr von Sicherheit hören. Und von der Bedrohung durch einen Krieg, der direkt vor unserer Haustür steht. Die Worte Sicherheit und Bedrohung werden im Wechsel benutzt, um die Menschen um die rot-weiße Fahne zu scharren. Das heißt, um die politische Macht.

Ich werde zunehmend nicht nur nach der Gefahr eines Krieges gefragt, sondern auch, wann Russland uns angreifen wird. Wenn ich daran denke, dass die Russen seit drei Jahren nicht in der Lage sind, Charkiw zu erobern, lässt die Angst nach. Natürlich gibt es nichts, was die Russen in Bezug auf Charkiw nicht tun könnten. Vor allem ist uns der Frieden nicht für immer gegeben. Deshalb ist es möglich und notwendig, das Land und die Menschen auf jedes Szenario vorzubereiten…?Es bestand bei der Transformation keine Notwendigkeit, alles zu zerschlagen, was in Sachen Verteidigung in Polen getan wurde; wir wären jetzt in einer besseren Position. Und da alles aus Dummheit auf Null gesetzt wurde, einschließlich sinnvoller Lösungen, werden wir nun zu ihnen zurückkehren.?Aber wer ist kompetent genug, um dies klug, umsichtig und effektiv zu tun? In welchem Zustand die Kader der Politiker und des Militärs sind, kann jeder sehen. In die Ernennungen durch Macierewicz, durch Duda und Blaszczak habe ich kein Vertrauen, denn zum größten Teil war es nicht die Qualifikation, die über Beförderung entschied, sondern Politik und reine Vetternwirtschaft.?Der größte und lauteste Chor konzentriert sich auf die Bedrohung durch Russland. So ist es einfacher, denn man reitet auf der Welle. Aber was ist mit Deutschland? Unser rechter Flügel, mutig unterstützt von anderen Parteien, hat Deutschland gezwungen, seine Rüstungsausgaben radikal zu erhöhen. Diese Beträge sind enorm. Ein Vielfaches unserer Ausgaben. Seine militärische Macht baut Deutschland unter anderem auf Druck der PiS. Das ist der größte Fehler, den man in der internationalen Politik hätte machen können.

Auf lange Sicht ist diese kurzsichtige Politik der Vorbote ernster Probleme. Jahrzehntelang haben wir uns gegen revisionistische Tendenzen und die Militarisierung Deutschlands gewehrt.?Bis die Partei Recht und Gerechtigkeit kam und das, was irgendwie funktionierte, zunichte machte.?Die Geschichte wird Kaczy?ski  zur Rechenschaft ziehen. Und nun?

Polen-Deutschland: eine gemeinsame Angelegenheit!

Przeglad, 17.3.2025

Es lohnt sich, auf die deutschen Erfahrungen zurückzugreifen, um zu wissen, wie man sich gegen  Amerikaner wehrt.?Natürlich sollen wir die Geschichte mit den Deutschen nicht vergessen. Aber dazu gehört nicht nur die mit den Preußen und die Verbrechen der Nazis. Denn über Deutschland kam die europäische Kultur nach Polen und die polnische Westgrenze war die friedlichste über Jahrhunderte. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass gerade Deutschland nach 1989 an der Seite Polens stand auf dem Weg in die EU.

Gerade jetzt nach den Wahlen in Deutschland müsste das Gefühl der Gemeinsamkeit noch stärker sein. Bei ihnen ist die zweitstärkste Kraft die AfD und bei uns haben PiS und Konferderacja fast die Hälfte der Stimmen. Diese Parteien sind gegen die EU und können sich auf die Unterstützung der neuen US Administration freuen. Das Vorgehen der AfD ist vorsichtig, aber es ist auch gegen Polen gerichtet, spricht die AfD doch über die ehemalige DDR als "Mitteldeutschland"; Ostdeutschland liegt für sie in einem Drittel Polens.

Das ist die rechte Internationale. Wer Trump, Vance und Musk unterstützt, unterstützt auch Putin. Aber auch ohne den russischen Faktor untergraben sie, gewollt oder ungewollt, die territoriale Integrität und damit die Unabhängigkeit Polens.

Noch ist nicht klar, wie stark sich die US-Administration in den Wahlkampf in Polen einmischen wird, der in zweieinhalb bzw. drei Monaten stattfinden wird. Einen Vorgeschmack gab es bereits: Der polnische Außenminister Radek Sikorski (seine Ehefrau ist die US-Amerikanerin Anne Applebaum, Historikerin, Autorin, die es wagt, sich sehr kritisch zu Trump&Co zu äußern) wurde von seinem amerikanischen Amtskollegen auf das Gröbste beleidigt und auch von Elon Musk attackiert.

Die Deutschen haben den Tsunami aus den USA aufgehalten, beide Opponenten – Scholz und Merz – sprechen mit einer Stimme und schließen eine Zusammenarbeit mit der AfD aus. Die Erfahrungen der Deutschen sollten wir nutzen, um uns vor den Amerikanern zu schützen.

Was sind das für Zeiten, dass wir uns Gedanken machen müssen, wie wir uns den Amerikanern gegenüber zur Wehr setzen. Schauen wir auf Deutschland. Da kommt z.B. der deutsche Staatspräsident am Tag der Wahlen in Deutschland nach Polen, um an der Trauerfeier für Marian Turski teilzunehmen, ein KZ-Überlebender, der aktiv die Geschichte des Judentums und des Holocaust in Erinnerung rief. Er war dort das einzige Staatsoberhaupt und stand nur still an der Seite. Solange solche Leute in Deutschland an der Regierung sind, können wir uns sicher fühlen. Sofern man sich überhaupt in dieser instabilen Welt heute sicher sein kann.

Polnische Rechte investiert in Trump                                                      Polityka, 18.3.2025

Trump hat immer Recht, wünscht Polen alles Gute und wird es nie im Stich lassen. Und wenn etwas den eisernen Regeln widerspricht, sucht die PiS nach einem Weg, um den Glauben an die Unfehlbarkeit und das Wohlwollen des Inhabers des Weißen Hauses wieder zu festigen.

Um die teils widersprüchlichen Ansichten der PiS zu Trump wahrzunehmen, solle nicht die Logik zu Hilfe genommen werden, denn damit hat die Verehrung Trumps durch die Rechten nichts zu tun.

Der Präsidentschaftskandidat der PiS Karol Nawrocki erklärt, Trump würde sich nur verteidigen „vor der Anti-Amerikanischen Rebellion“, „dem Protektionismus von Tusk und anderen Eliten der EU gegenüber den USA“, „dem Aufstellen einer EU-Armee“, dem Gendern, dem Klima. Dann muss der US-Präsident als Führer der größten Weltmacht auf seinen Schultern „die ganze Architektur der Sicherheit und Diplomatie der Welt tragen".

Und Grönland? Der Abgeordnete Sasin (PiS): „Eine Annexion kann sich auch auf eine demokratische Weise abspielen, in dem die Bevölkerung ihr Votum abgibt."

Eine recht innovative These. Statt zu klagen sollten Polen dem Genie Trump vertrauen.

„Der rechthaberische Teil der polnischen Rechten kneift die Augen zusammen, schläft und hat Angst davor, in der neuen Realität aufzuwachen. Mehr noch, ein großer Teil von ihr macht daraus eine Ideologie“, warnte Piotr Skwiecinski, ein Anhänger der Rechten, kürzlich in der Dziennik Gazeta Prawna. Und ein anderer ihm nahestehender schrieb: „Der Kult um den amerikanischen Chef, der die Russen möglicherweise näher an die polnische Grenze bringen könnte, lässt sich nur schlecht erklären."

Pani Barbara und die Geheimnisse des Jaroslaw Kaczynski

Przeglad, 24.3.2025

An Frau Barbara kam niemand vorbei, ohne ihre Zustimmung gelangte niemand zum Präses. Der Autor des Artikels beschreibt, wie er Barbara Skrzypek kennenlernte, die schon im Jahre 2000 mit Kaczy?ski zusammenarbeitete.

Damals war Kaczynski noch recht unbekannt. Allerdings tat er sich damit hervor, dass er ein verbissener Antikommunist war und sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Kommunisten aus den öffentlichen Ämtern zu verbannen. Frau Barbara hat von 1980 bis 1989 im Amt des Ministerrates gearbeitet, u.a. auch in einer als geheim eingestuften Abteilung. Sie kannte also viele Geheimnisse der Regierung, die über ihren Tisch gingen.

Als Skrzypek den Posten bekam, war sie gerade einmal 21 Jahre alt. Da stellt sich natürlich die Frage, welche Unterstützer hatte sie, um in diesem Alter solch eine herausragende Stellung zu erhalten. Zudem wohnte sie in einer Elite-Siedlung in Warschau, dort war die damalige Politprominenz versammelt. Als Chef des Ministerrats hat Jaruzelski, als er im Februar 1981 Regierungschef wurde, seinen Vertrauten und Vertreter im Verteidigungsministerium, Janiszewski, ernannt. Er war der direkte Chef von Frau Barbara.

Als 2007 die PiS die Justiz übernahm, wurde ein Prozess gegen die Personen geführt, die verantwortlich für die Einführung des Kriegsrechts waren. Auf der Anklagebank fehlte Janiszewski. Nach Auffassung des Staatsanwaltschaft lebte er nicht mehr – allerdings starb er erst 2016! Jaruzelski hat im Prozess ausgesagt, dass Janiszewski in einer Villa bei Warschau lebt. Einer der Richter, die darauf nicht reagiert haben, wurde später dazu ernannt, Richter zu disziplinieren, die sich nicht an den politischen Vorgaben der PiS orientierten.

Am 22.12.1990 wurde Lech Kaczynski Präsident und sieben Tage später wurde sein Zwilling zum Chef der Kanzlei des Präsidenten ernannt. Er übernahm also die Stelle von Janiszewski und damit auch das lebende Inventar. Dabei wurde einer von ihnen sein Stellvertreter.

Ein Stasi-Mann, der seinerzeit in Kaczy?nski eine große Gefahr für den Staat sah, wurde von ihm für den Staatsschutz eingestellt. Es mag den Eindruck von Wahnsinn erwecken, aber Kaczynski ist nicht wahnsinnig, sondern berechnend. Er hatte nicht nur die Leute in der Hand, sondern durch sie kam er auch an einige Tortenstücke des Zentralkomitees.

Skrzypek hat am 12.März als Zeugin bei der Staatsanwaltschaft ausgesagt. Dabei wurde sie von einem Anwalt der Kanzlei begleitet, die über die Jahre die PiS vertreten hat. Am Samstag, dem 15. März, starb sie an Herzinfarkt. Nun hat Kaczynski das Narrativ in Umlauf gebracht, die Staatsanwaltschaft hätte Druck ausgeübt, aber … sie hatte einen Rechtsanwalt zur Seite und sie hatte vor und nach der Zeugenaussage eine Unterredung mit Kaczynski.

Übrigens: Die größte Feierlichkeit in der PiS-Zentrale war nicht der Geburtstag von Kaczynski, sondern der Namenstag von Frau Barbara, ohne Unterlass fuhren Limousinen vor mit Ministern, Abgeordneten und Chefs von staatlichen Institutionen und Betrieben mit einem Strauß Rosen und Konfekt.

Bischöfe fürchten um Ruf der Kirche                                      https://studioopinii.pl/, 8.3.2025

Seit einigen Tagen wird in den polnischen Medien ein schockierendes Dokument diskutiert, das aus bischöflichen Kreisen in Polen durchgesickert ist. Es handelt sich um eine interne Stellungnahme von Kirchenjuristen, die aus Sorge um das Wohl der Kirche dafür plädieren, die Idee der Einrichtung einer unabhängigen Kommission zur Untersuchung pädophiler Verbrechen durch katholische Geistliche zu blockieren.

Nun haben die Krankheit von Papst Franziskus und das bevorstehende neue Konklave bei den polnischen Bischöfen die Hoffnung auf eine Rückkehr zu den guten alten Zeiten geweckt, als das Augenmerk des Vatikans auf den Bischöfen und dem Klerus lag und nicht auf irgendwelchen benachteiligten Menschen. Außerdem sollte man sich fragen, ob sich jemand freiwillig einer Überprüfung unterziehen würde, wenn er sein ganzes Leben lang davon überzeugt war, dass das, was er tat, richtig war und er den guten Namen der Institution, der er mit Hingabe diente, verteidigt habe.

Eine letzte Bemerkung: Die polnischen Bischöfe sind die Kinder einer polnischen Gesellschaft, die das Gesetz seit Jahrhunderten als ein Geschenk des Himmels betrachtet und äußerst wirksame Strategien entwickelt hat, um es zu umgehen oder als ein Instrument zum Schutz der Interessen der eigenen Gruppe zu betrachten. Politiker und lokale Regierungsbeamte verhalten sich ähnlich. Wenn es einen Unterschied gibt, dann ist es der, dass die Bischöfe eine theologische Rechtfertigung für ihre Praktiken hinzufügen. Bislang hat das gut funktioniert und sie kamen erfolgreich damit durch. Schließlich ist nicht ausgeschlossen, dass diese Ära zu Ende geht. Deshalb werden die Bischöfe, wie Tschenstochau, ihre verlorenen Positionen bis zum Ende verteidigen.

31. März 2025

POLNISCHE  PRESSESCHAU 226 vom 9.3.2025

Beschämend – Appell ehemaliger polnischer Präsidenten

studioopinii.pl/, 3.3.2025

Der beste Kommentar zum Eklat mit dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten im Weißen Haus am Freitag war der missglückte Skiausflug des letzteren. Medienberichten zufolge wurde J.D. Vance bei seiner Ankunft im Skigebiet Waitsfield im Bundesstaat Vermont mit folgenden Schildern begrüßt: „Trump dient Putin“, “Vance ist ein Verräter. Geh zum Skifahren nach Russland“, oder „Vance ist eine Schande für die Nation“.

Wie wir erfahren, haben Vance und seine Familie ihren Aufenthalt in Vermont abgebrochen und beschlossen, an einen unbekannten Ort in den Urlaub zu fahren. Und das zu Recht. Vielleicht hat er sich als gläubiger Katholik in eine Einsiedelei zurückgezogen, um über seinen unglücklichen Monat im Amt nachzudenken. Zuerst machte er sich in München zum Narren, indem er nicht sehr kluge Tiraden gegen die europäischen Demokratien hielt und vage Werte anpries, während er Papst Johannes Paul II. beschwor.

Das Werben der Politiker von Recht und Gerechtigkeit für Donald Trump entlarvt ihre politische Kurzsichtigkeit, ja sogar ihre Dummheit und moralische Oberflächlichkeit, ganz zu schweigen von ihrer mangelnden Solidarität mit unserem Nachbarn. Könnte es sein, dass sie auf das unwürdige Verhalten der Sanacja-Regierung (1926-1939) anspielen, die unter Ausnutzung der Hitler-Aggression zwischen dem 2. und dem 11. Oktober 1938 das Olsaland [Landkreis Teschen, Schlesien] besetzt hat, was Präsident Lech Kaczynski als einziger verurteilt hat? Jetzt braucht ein beschämtes Amerika unsere Unterstützung, um die verbale Aggression und Unhöflichkeit des Trump-Vance-Duos entschieden zu verurteilen.

Ein besonderer Appell von Oppositionellen aus der Zeit der Polnischen Volksrepublik ging an Donald Trump. Er ist von 40 politischen Gefangenen aus der kommunistischen Ära verfasst, darunter die ehemaligen Präsidenten Lech Walesa und Bronislaw Komorowski. Sie zeigen sich schockiert über die Art und Weise, wie der US-Präsident Wolodymyr Selenskyj behandelt hat. „Die Atmosphäre im Oval Office während dieses Gesprächs erinnerte uns an die Atmosphäre, die wir von den Verhören durch den Staatssicherheitsdienst in Erinnerung haben“, heißt es. Hier Auszüge aus ihrem Brief:

Sehr geehrter Herr Präsident!

mit Bestürzung und Abscheu haben wir die Berichterstattung über Ihr Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj verfolgt. Wir finden Ihre Erwartung, Respekt und Dankbarkeit für die materielle Unterstützung zu zeigen, die die Vereinigten Staaten der Ukraine im Kampf gegen Russland gewährt haben, beleidigend. Dankbarkeit gebührt den heldenhaften ukrainischen Soldaten, die ihr Blut zur Verteidigung der Werte der freien Welt vergossen haben. Sie sind es, die seit mehr als elf Jahren an der Front im Namen dieser Werte und der Unabhängigkeit ihres Heimatlandes sterben, das von Putins Russland angegriffen wird.

Wir verstehen nicht, wie der Führer eines Landes, das das Symbol der freien Welt ist, dies nicht sehen kann.

Unsere Bestürzung rührte auch daher, dass die Atmosphäre im Oval Office während dieses Gesprächs uns an diejenige erinnerte, die wir von den Verhören durch den Sicherheitsdienst und aus den Gerichtssälen der kommunistischen Gerichte in guter Erinnerung haben. Die von der allmächtigen kommunistischen politischen Polizei beauftragten Staatsanwälte und Richter erklärten uns ebenfalls, dass sie alle Trümpfe in der Hand hielten und wir keine hätten. Sie verlangten, dass wir unsere Aktivitäten einstellen mit dem Argument, dass Tausende von unschuldigen Menschen wegen uns leiden würden. Sie beraubten uns unserer Freiheiten und Bürgerrechte, weil wir uns weigerten, mit den Behörden zusammenzuarbeiten und uns ihnen gegenüber erkenntlich zu zeigen. Wir sind schockiert, dass Sie Präsident Wolodymyr Selenskyj auf ähnliche Weise behandelt haben…

Wir fordern die Vereinigten Staaten auf, die Garantien einzuhalten, die sie gemeinsam mit dem Vereinigten Königreich im Budapester Memorandum von 1994 gegeben haben, das ausdrücklich die Verpflichtung enthielt, die Unverletzlichkeit der ukrainischen Grenzen zu verteidigen, wenn die Ukraine im Gegenzug ihr Atomwaffenarsenal abgibt. Diese Garantien sind bedingungslos: Es gibt kein Wort darüber, dass diese Hilfe als wirtschaftlicher Austausch zu betrachten ist.

Die Woche des orangefarbenen Chefs

OKO.press, 8.3.2025

Ein Phänomen, das die etablierte Ordnung der Dinge und Angelegenheiten auf den Kopf stellt. Ein Ereignis, das schweren Stress verursacht und unsere Lebensstrategien und -routinen in Frage stellt. So erleben wir einen Schock: „Wie kann dieser Trump so etwas sagen, das ist unmöglich.“ Leugnung: „Das ist doch sicher eine bewusste Strategie und alles wird schon wieder in Ordnung kommen.“ Wut: „Warum unternimmt niemand etwas gegen diesen mit Selbstbräuner beschmierten Clown?“ Dann kommt die Verhandlungsphase: „Ok, für andere war Trump vielleicht eine Katastrophe, aber immerhin mag er Polen, also sollten wir mit ihm auskommen.“ Dann kommt die Depression: „Da kann man nichts machen, alles ist verloren, es wird Krieg geben und Russland wird uns angreifen.“ Dann kommt die Bewährungsprobe:„Hey, vielleicht können wir ohne den Schutzschirm Amerikas leben, vielleicht kann sich Europa selbst verteidigen?“ Und wenn alles gut geht, steht am Ende die Akzeptanz: „Wir kennen unsere Stärken und Schwächen, wir haben einen Plan, wie wir weitermachen können, und wir fangen an, ihn umzusetzen.“

Wir haben diese Phasen im Fall der Covid-19-Pandemie durchlaufen, wir haben sie nach Russlands umfassender Aggression gegen die Ukraine und Putins nuklearen Drohungen gegen Europa durchlaufen. Wir machen sie auch heute durch, wenn unsere gesamte soziale mentale Landschaft, die wir mindestens seit den 1980er Jahren mühsam aufgebaut haben – eine Landkarte mit einem Labyrinth von Straßen und Wegen, die immer zu den Vereinigten Staaten als der letzten Stufe von Wohlstand und Sicherheit führten – in wenigen Wochen schmerzhaft veraltet ist.

Wir durchlaufen die Phasen der gesellschaftlichen Trauer um die alte Weltordnung ziemlich schnell, wir sind derzeit irgendwo zwischen deprimiert und gereizt, wir sind immer weniger besorgt über Trumps nächste Exzesse, wir denken immer mehr darüber nach, was als nächstes passieren könnte.

Glaubte PiS, Trump würde ihnen Macht schenken?

OKO.press, 8.3.2025

Erst in dieser Woche wies Mateusz Morawiecki in einem Interview mit dem Radiosender RMF auf die „gigantischen Fehler“ des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hin, während er Trumps politische Linie vehement verteidigte. Die Abgeordnete für Recht und Gerechtigkeit, Teresa Pamula, meinte, Selenskyj sei ein Diktator und Wladimir Putin dürfe nicht um der Friedensverhandlungen willen beleidigt werden. Und der Abgeordnete Jacek Ozdoba teilte mit Genugtuung einen Beitrag von Mario Nawfal zur Verteidigung des wegen Veruntreuung inhaftierten PiS-Abgeordneten Dariusz Matecki.

Derselbe Nawfal, der, wie Anna Mierzynska in OKO.press treffend beschrieb, ein Protegé von Elon Musk und ein ausgesprochener Russophiler ist, der russische Medienschmeichler zitiert, hat Sputnik ein Interview gegeben und träumt davon, dass die USA und Russland Verbündete sind.

Das wirft die Frage auf: Ist die Partei Recht und Gerechtigkeit völlig verrückt geworden? Verstehen Recht und Gerechtigkeit nicht, in welche Richtung die Politik des US-Präsidenten geht?

Nun, unsere Hypothese ist, dass die PiS alles perfekt versteht.

Das Geheimnis der Fixierung von „Recht und Gerechtigkeit“ auf Donald Trump ist einfach. Sie basiert – wie immer, wenn es um die Strategien der Partei von Jaroslaw Kaczynski geht – auf Ressentiments. In diesem speziellen Fall auf einer logisch kohärenten Erklärung, warum es nicht Präsident Kaczynski war, der trotz seiner Genialität die Grundlagen des politischen Systems Polens nach 1989 geschaffen hat, und warum er 2023 die Macht verloren hat.

Diese Erklärung beruht auf der aufrichtigen und tief verwurzelten Überlegung, dass die so genannten liberalen Eliten Polen 30 Jahre lang regierten, weil sie einfach, nun ja, den Deutschen dienten. Und wenn das der Fall ist, dann eröffnet sich heute für die Partei Recht und Gerechtigkeit die Gelegenheit, einen – leichtfertig ausgedrückt – „umgekehrten Michnik“ zu machen. Das heißt, die nächsten 30 Jahre zu regieren und den Amerikanern zu dienen. Die PiS wird nicht von ihrem Weg abweichen: Sie hat alles in Trump investiert und auf seiner Schirmherrschaft ruhen all ihre Hoffnungen auf eine Rückkehr an die Macht.

Kaczynski mit Trump wieder an die Macht

Przeglad, 3.3.2025

Nachdem die PiS die Wahlen verloren hatte, haben ihre Politiker alles dafür getan, um die neue Regierung vor der EU anzuschwärzen. Sie sei nicht demokratisch, rechtlos, würde die Opposition unterdrücken, diese hätte keinen Zugang zu Medien, seit 35 Jahren gäbe es wieder politische Gefangene. Bald merkten sie, dass sie keiner anhören wollte. Aber da erschien ein Licht am Horizont, ihr viel geliebter ehemaliger Präsident Trump stellte sich wieder zu Wahl.

Über seinen Wahlsieg war Duda am glücklichsten. Schon im April 2024, noch während des Wahlkampfs, besuchte er Trump im Trump Tower. Seinen Minister im Präsidialamt, Marcin Mastalerek, ließ er gleich in Washington, damit er einen regelmäßigen Kontakt zu Trumps Leuten unterhält und Duda regelmäßig berichtet. Mastalerek organisierte nicht nur Treffen mit Duda, sondern auch das Treffen der Rechtspopulisten bei der CPAC in Budapest 2024. Dort trat auch Morawiecki auf, der seinem Freund Viktor Orbán dankte, dass er dies Treffen organisiert habe. Bei diesem Treffen der Rechtspopulisten CPAC im Februar konnte Morawiecki seine Flügel ausbreiten. Er bestätigte dabei die Aussagen von Vance in München und beklagte den Angriff auf die Redefreiheit, Verfolgung der Opposition und Verhaftung von Oppositionellen: „...genauso wie Vice-Präsident J.D. Vance in München sagte, dies geschieht in meinem Vaterland, ist das Demokratie?“

Dominik Tarczynski, EU-Abgeordneter, setzte dem eine Krone auf. Er hat mit dem Wahlstab von Trump zusammengearbeitet. Er sollte die Sache auf den Punkt bringen, warum der Sieg von Trump wichtig für Polen, ja für Europa sei. Tarczynski nahm auch an Wahlveranstaltungen an der Seite von Trump teil.

„Ich kann Ihnen verraten, dass der Stab von Donald Trump das gesamte Material mit negativen Aussagen über ihn durch den Außenminister Sikorski, seine Frau Anne Applebaum (US-Amerikanerinn, lebt in Polen) und auch anderen Politiker, wie Donald Tusk, das sie über ihn verbreitet haben, von mir erhalten haben. So können wir die Gewissheit haben, dass die Zusammenarbeit mit dieser polnischen Regierung sehr belastet sein wird!“

PSL: Immer weiter nach rechts

wolnelewo.pl, 06.03. 2025

Der Vize-Premier und Vorsitzende der Volkspartei (PSL) Kosinak-Kamysz attackierte wieder die Geflüchteten aus der Ukraine.

„Es herrscht Ernüchterung, wenn man sieht, wie Hunderttausende oder vielleicht Millionen junger Ukrainer mit den besten Autos durch Europa fahren und ihre Wochenenden in 5-Sterne-Hotels verbringen. Diese Frustration existiert, ich habe keine Angst, das zu sagen“, sagte er auf dem Europäischen Forum der Kommunalverwaltungen.

Das sind die legendären Flüchtlinge, die gleichzeitig Sozialhilfe beziehen, den Polen in Supermärkten die Arbeitsplätze „stehlen“ und sich dann, vermutlich für diese Knete, in Luxushotels aufhalten und die besten Autos fahren. Wir kennen dieses Narrativ auswendig aus einer bestimmten dunklen Periode der deutschen Geschichte, nur war die Zielscheibe dieser Tiraden eine andere Gruppe.

Ich erinnere Sie daran, dass dies nicht von einem Aktivisten der ultrarechten Konföderation gesagt wird, sondern vom stellvertretenden Premierminister einer angeblich „aufgeklärten“ Regierung. Sie säen seit langem die hässlichste nationalistische Propaganda aus, mit minimalem Widerstand von ihren freundlichen Medien.

Passivität ist Duldung. Die polnische politische Szene ist seit langem so weit wie möglich nach rechts gerückt. Das geht so weit, dass in unserem Land die linke Mitte eigentlich die Arbeit der „extremen Linken“ macht. Und jetzt wird dieser Prozess nur noch schlimmer, und es gibt sogar einen Schub in Richtung der rechten Wand. Ich weiß nicht, wie sie alle noch an diese Mauer passen. Der Wettbewerb um die Gunst der Konföderation beschleunigt dies nur. Und es zeigt, was diese Leute im Kopf haben.

Dariusz Zalega, Publizist und Historiker, schreibt: »Ich bin angewidert von der größten Abschiebung von Ausländern aus Polen. Irgendwie haben Trzaskowskis (Präsidentschaftskandidat der Bürger Plattform PO) schwachsinnige „Spindoktoren“ nicht gemerkt, dass dies ein gefundenes Fressen für die Konföderation ist, und dass es auf sie zurückfallen wird. Eine Show also, die nicht nur menschlich abstoßend, sondern auch kontraproduktiv ist – und die schlimmsten Klischees in einer ohnehin schon zerrissenen Gesellschaft verstärkt. Es ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass der Liberalismus an der Weichsel direkt ins autoritäre Stadium übergegangen ist – und nur knapp an einem gewissen Progressivismus vorbeischrammt. Null Werte.

Der Arbeitsmarkt bricht ein

wolnelewo.pl, 21.2.2025

Nach Angaben des Zentralen Statistikamtes (CSO) sank die Beschäftigung in polnischen Unternehmen im Januar 2025 um 0,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, was einem Verlust von 61.000 Arbeitsplätzen entspricht. Dies ist der stärkste Rückgang seit März 2021.

Die stärksten Beschäftigungsrückgänge wurden im Handel und in der Fahrzeugreparatur sowie in der Industrie, im Verkehr, in der Lagerverwaltung und in der Verwaltung sowie bei den Hilfstätigkeiten verzeichnet. Auch im Bereich Bergbau und Abbau von Steinen und Erden kam es zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten.

Viele große Arbeitgeber haben Pläne für Massenentlassungen angekündigt. So hat beispielsweise der Schweizer Finanzriese UBS den Abbau von 1200 Stellen in Polen und die Schließung seiner Warschauer Niederlassung angekündigt.

Seit Anfang 2025 ist in Polen eine Zunahme von Massenentlassungen in verschiedenen Wirtschaftszweigen zu verzeichnen. Laut der 'ManpowerGroup Employment Outlook Survey' planen rund 19 Prozent der Arbeitgeber in diesem Jahr einen Stellenabbau.

Die Gründe für die Entlassungen sind unterschiedlich. Zum Teil sind sie das Ergebnis jahrelanger Vernachlässigung und von Managementfehlern, andere der zunehmende Druck durch fortschreitende Automatisierung und Offshoring (Verlagerung der Produktion in andere Länder).

Die Politiker haben vor allem von der unvermeidlichen und immer weiter fortschreitenden Automatisierung keine Ahnung. Der Kapitalismus wandelt sich, und sie sind geistig noch im neunzehnten Jahrhundert stecken geblieben. Die Kosten dieser Prozesse werden natürlich hauptsächlich auf die Welt der Arbeit und die Bedürftigen abgewälzt.

31. März 2025

POLNISCHE PRESSESCHAU 225 vom 23.2.2025

Hat sich wohl nicht viel geändert in Polen: Abtreibung, Umwelt, Geflüchtete als Gefahr?, Linke am Niedergang, Trump, Polen, Ukraine und Duda gestern bei Trump, „geächtete Soldaten“ und raffgieriger Bischof

Wegen Zusendung der Abtreibungspille verurteilt

OKO.press.pl, 13.2.2025

Im Jahr 2023 wurde Justyna Wydrzynska zu acht Monaten Freiheitsentzug in Form gemeinnütziger Arbeit verurteilt, weil sie einer Frau, deren Schwangerschaft während der Pandemie ihre Gesundheit und möglicherweise ihr Leben bedrohte, Abtreibungspillen zugeschickt hatte. Am Tag nach der Verurteilung wurde die Richterin Agnieszka Brygidyr-Dorosz befördert. Anna, der Wydrzynska die Pillen geschickt hatte, nahm sie letztlich nicht ein, weil ihr Partner die Polizei rief, die die Pillen beschlagnahmte. Anna beendete ihre Schwangerschaft mit einem Foley-Katheter, sagte sieOKO.press.

Nun wurde das Urteil aufgehoben. Justyna Wydrzynska äußerte sich zu dem Fall. Sie wies darauf hin, dass sie das Urteil des Berufungsgerichts nicht als großen Erfolg empfinde, da der Fall an das Gericht der ersten Instanz zurückgehe und das ganze Verfahren von vorne beginnen werde. Sie betonte wie immer, dass sie weiterhin bei Abtreibungen helfen werde.

Natalia Broniarczyk vom Aborcyjny (=Abtreibung)DreamTeam erinnerte daran, dass die derzeitige Regierung versprochen habe, die Abtreibungshilfe zu entkriminalisieren und den Schwangerschaftsabbruch zu legalisieren, doch aus den Ankündigungen sei nichts geworden. Sie appellierte an die Behörden, ihnen zu erlauben, ihre Arbeit zu tun, ohne ein Strafverfahren befürchten zu müssen. "Das Absurde an dieser Situation ist, dass ein Fremder entscheiden muss, ob Justyna etwas falsch gemacht hat oder nicht. Und die Frau, der Justyna geholfen hat, sagt: ›Sie hat das Richtige getan. Es gibt hier keine geschädigte Person. Dieses Gesetz ist unmenschlich.’«

Zerstörung der Natur durch Grenzsicherung am Bug

OKO.press, 14.2.2025

Die Sicherungsmaßnahmen an der Grenze zu Weißrussland entlang des Bug haben zu einer weitreichenden Zerstörung des Ökosystems des Flusses geführt – einschließlich der durch polnisches und EU-Recht geschützten Gebiete. Der Staatliche Rat für Umweltschutz stellt die Frage nach einer strafrechtlichen Verantwortung.

»Ein wirksamer Naturschutz und die Erhaltung funktionaler Ökosysteme, die eine Anpassung an den gegenwärtigen Klimawandel ermöglichen – wie das Tal des Bug – sind wichtige Elemente zur Gewährleistung der nationalen Sicherheit und sollten ebenfalls zu den strategischen Prioritäten der polnischen Regierung gehören", heißt es in der Stellungnahme.

Zweitens wirft der Beirat der Regierungskoalition vor, unreflektiert die verfassungsrechtlich bedenklichen Bestimmungen des Sondergesetzes zu verabschieden, das so formuliert wurde, dass man sich fragt, ob es nicht nur einzelne Gesetze – Wasserrecht, Umweltrecht und andere –, sondern pauschal alle Umweltgesetze ausschließt. Es verstößt auch gegen internationale Übereinkommen, die von Polen ratifiziert wurden. Dabei handelt es sich in erster Linie um das Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer Lebensräume (die so genannte Berner Konvention) sowie die Aarhus-Konvention, die der Zivilgesellschaft einen effektiven Zugang zu den Gerichten in Bezug auf umweltrelevante Projekte garantiert.

Erhöhte Gefahr durch Verbrechen von Ausländern?

OKO.press, 15.2.2025

Politiker verschiedener Couleur beschwören die Gefahr von zunehmenden Verbrechen durch Ausländer. Stimmt das?

Nach der Veröffentlichung derGazeta Wyborcza über georgische Banden, die auf Warschauer Straßen ihr Unwesen treiben, kehrte das Thema Ausländerkriminalität in die öffentliche Debatte zurück. Und schnell wurde es nicht nur zum Gegenstand legitimer staatlicher Intervention, sondern auch zu einer politischen Auseinandersetzung, die mit ausländerfeindlichen Tönen gespickt war.

Premierminister Donald Tusk hat die Innen- und Justizminister angewiesen, „einen Plan für eine sofortige Reaktion auf die organisierte Kriminalität von Ausländern“ zu erstellen. Der Leiter des Ministeriums für Inneres und Verwaltung, Tomasz Siemoniak, erklärte auf einer Pressekonferenz mit Rafa? Trzaskowski, dem Bürgermeister von Warschau und Kandidaten der Bürgerlichen Koalition für die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen, seine Bereitschaft zum Kampf. „Wir können nicht zulassen, dass organisierte kriminelle Gruppen, die aus Ausländern bestehen, die öffentliche Ordnung stören und die Sicherheit bedrohen“, sagte er.

Die Daten des Polizeipräsidiums des Landes zeigen, dass die Polizei im Jahr 2024 16.437 Ausländer festgenommen hat, die in Polen gegen das Gesetz verstoßen haben. Das sind 857 Fälle weniger als im Vorjahr. Nominal ist die Zahl der Straftaten im Laufe der Zeit gestiegen. Im Jahr 2015 nahm die Polizei 2530 Personen fest, im Jahr 2019 waren es 7774, die höchste Zahl wurde im Jahr 2023 erreicht – 17.294.

In dieser Zeit hat sich allerdings auch die Zahl der Ausländer in Polen erhöht, mindestens um das Zehnfache. Ende 2015 betrug die Zahl der amtlich gemeldeten Ausländer 184.200, im Jahr 2024 bereits 1,2 Millionen. Die tatsächliche Zahl der Migranten in Polen wird heute auf 2,5 Millionen geschätzt. Und das bedeutet, dassder Prozentsatz der Straftäter in dieser Gruppe bei etwa 0,65 Prozent liegt.

„Aber das ist kein Wunder. Wir leben in einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft, unter den Ausländern wird es auch Menschen geben, die gegen das Gesetz verstoßen. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass dieser Prozentsatz der Kriminalität sowohl im Vergleich zu den polnischen Bürgern als auch im Vergleich zu Europa gering ist“, fügt die Expertin hinzu.

„Wenn wir die Ausländer im allgemeinen betrachten, finden wir unter den häufigsten Straftaten neben Alkohol am Steuer: gefälschte Dokumente, Drogendelikte, Schlägereien und Prügeleien, Verkehrsunfälle, Diebstahl und Einbruch, Betrug“, zählt die Expertin auf.

In Warschau leben etwa 5000 Menschen in der georgischen Diaspora, und die Zahl der Straftaten, an denen diese Gruppe beteiligt war, belief sich auf 532 (das ist 1/5 aller von Ausländern in der Hauptstadt begangenen Straftaten). 90 Personen wurden im Zusammenhang mit schwersten Straftaten (Raubüberfälle, einschließlich gewalttätiger Übergriffe) festgenommen. Weitere 78 Personen wurden sexueller Straftaten verdächtigt.

Das Problem (aber auch die Reaktion der Dienststellen) zeigt sich auch in der Abschiebungsstatistik. Aus den Daten des Grenzschutzes geht hervor, dass im vergangenen Jahr insgesamt 8540 Ausländer aus Polen abgeschoben wurden. 2589 Entscheidungen, das Hoheitsgebiet der Republik Polen zu verlassen, betrafen Georgier. Rafal Trzaskowski gibt die Zahl von 1082 „Deportierten“ bei Treffen mit Wählern an.

Es sei daran erinnert, dass die Verpflichtung, Polen zu verlassen, für jeden gilt, der gegen das Gesetz verstößt, wobei es sich nicht unbedingt um ein Verbrechen handeln muss, sondern meistens um den illegalen Aufenthalt im Land oder die Aufnahme einer illegalen Arbeit.

„Diebstähle und Raubüberfälle sind nicht alles, denn die Gruppen aus dem Osten zeichnen sich durch hohe Brutalität aus. Häufiger wenden sie Gewalt an (...), zum Beispiel Raubüberfälle in einer Wohnung mit Brandstiftung oder Misshandlung von Menschen, um an wertvolle Dinge zu gelangen“, erklärt General Rapacki, ehemaliger Polizeichef Polens.

Inoffiziell räumt der Dienst selbst ein, dass der Kampf gegen dieses gewalttätigste Verbrechen von Ausländern eine große Herausforderung darstellt, da es für den rechten Flügel ein Leichtes ist, bestimmte Fälle für eine einwanderungsfeindliche Rhetorik zu nutzen.

„Es ist problematisch, dass Ausländer als Instrument in einem politischen Kampf benutzt werden. Diese Ausländer kommen hierher, um zu arbeiten. Es gibt ganz einfach Sektoren der Wirtschaft, in denen wir ohne Ausländer heute nicht funktionieren könnten. Wir sprechen hier insbesondere über das Baugewerbe, die Landwirtschaft oder den Dienstleistungssektor.«

„Wenn Politiker auf eine Baustelle gingen, würden sie wahrscheinlich Arbeiter aus Bangladesch, Nepal oder Pakistan sehen. Ich würde all jenen, die heute Angst vor Migranten haben, raten, auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren: Wir sind bereits ein multiethnisches Land, und daran wird sich nichts ändern. Ohne Ausländer wird es hier keine Entwicklung geben, sondern Stillstand“, kommentiert Professor Irena Rzepli?ska.

Die Linke – eine kleine Partei mit wenig Unterstützern

Przeglad, 17.2.2025

Die Umfragewerte für die linken Kandidat:innen zu den Präsidentschaftswahlen sind nicht „rühmlich“. Magdalena Biejat, die aus Razem hervorging, kommt auf 2-4 Prozent, Adrian Zandberg, der Gründer von Razem, auf 1-2 Prozent, Piotr Szumlewicz unter 1 Prozent. Ob sie jeweils zugelassen werden, hängt davon ab, ob sie 100.000 Unterschriften erhalten. Die Prognosen für die Linke sind fatal. Über die Krise wird seit Monaten berichtet. An Wählern würde es nicht mangeln, erklären doch 15-20 Prozent der Polen, dass sie linke Auffassungen haben. Aber zu den „linken“ Parteien haben sie kein Vertrauen. Das geht seit Jahren so.

Die Neue Linke (ehemalige SLD) wird von W. Czarzasty geführt und das Parteistatut garantiert, dass er nicht abgesetzt werden kann. Vielmehr darf er jeden, der ihm nicht passt, aus der Partei ausschließen. Die Neue Linke hat immer wieder andere Parteien aufgenommen, wie Wiosna/Frühling von Biedron, um genug Wähler zusammenzubekommen. An der Regierung hat sie sich „gewandelt“ und Biedron hat es vorgezogen, nach Brüssel zu gehen. Im Europaparlament ist es bequemer und lukrativer.

Die Neue Linke zerlegt sich von Wahl zu Wahl. Hatte sie 2019 noch 2,3 Millionen (12,56 Prozent) Wähler, waren es 2023 noch 1,8 Millionen (8,61 Prozent) , 911.000 bei Kommunalwahlen im April 2024 und 741.000 (6,3 Prozent) bei den Europawahlen. Die alten SLD-Kader sterben aus und die Jugend? Unter den 18-29jährigen ist die neoliberale Konferderacja die populärste Partei und erst nach KO, Polska 2050 und PiS kommt die Linke.

Bei der Konferderacja kommen immer wieder neue Gruppierungen dazu. Dagegen wird bei der Neuen Linken jede neue Gruppe, die sich unabhängig vom Führer bildet, als eine Gefahr gesehen. Die Anträge, die Linke stellen, sind bedeutungslos, dafür die Skandale ihrer Regierungsmitglieder umso populärer. Da fährt der stellvertretende Justizminister in Familienurlaub mit dem Dienstwagen und bezahlt nicht einmal das Benzin aus eigener Tasche. Die Staatsanwaltschaft in Kielce überprüft die Nutzung des Dienstwagens des Vize-Außenministers aus der Neuen Linken. Die Ministerin für Gleichberechtigung aus der Neuen Linken sollte sich für die Frauen einsetzen: nichts ist passiert. Jetzt kam heraus, dass sie entgegen ihren Angaben auf der Webseite des Parlamentes keinen Magister hat. Ihre Erklärung: Sie habe sich geirrt.

Dabei hat die Neue Linke vor den Wahlen erklärt, dass sie imstande sei zu regieren. Doch sie hat keines ihrer Versprechen eingehalten: nicht das Versprechen, sich der Abtreibungsthematik zugunsten der Frauen anzunehmen, noch bezahlbare Wohnungen zu schaffen. Der Minister für Hochschulen, ein Ingenieur und Mann des Chefs Czarzasty, hat soviel Schaden angerichtet, dass er gehen musste. Sein Nachfolger – auch ein Mann von Czarzasty – ist ein Spezialist für die Herstellung von Milchpulver. Sicherlich gäbe es genügend professionelle Anwärter auf das Amt, aber die Ministerien werden als eine Form von Belohnung und Bereicherung von treuen Parteisoldaten gesehen.

Daher ist es verständlich, dass Razem aus dem Club der Neuen Linken austrat und in die Opposition ging. Sie hofften, damit Wähler zu gewinnen. Aber nun will sich Zandberg mit Biejat, die Razem verlassen hat, bei den Präsidentschaftswahlen messen. Sie verrechnen sich wohl, denn bei ihnen geht es nur noch darum, wer wem zuerst ein Bein stellt.

Trump, die USA, die EU, Polen und Kiew

OKO.press, 16.2.2025

Wie der Fernsehsender NBC am Samstag, dem 15. Februar berichtete, hat die Trump-Administration von der ukrainischen Regierung verlangt, sie solle 50 Prozent der in der Ukraine gelegenen Seltenen Erden an die Vereinigten Staaten abtreten, als Entschädigung für die geleistete finanzielle und militärische Hilfe. Zur Entschädigung soll Trumps Gesandter in Kiew vorgeschlagen haben, dass die USA im Gegenzug hypothetisch bereit wären, ihre Truppen zum Schutz dieses US-Eigentums auf ukrainisches Gebiet zu entsenden.

(Przeglad, 24.2.: Diese 500 Milliarden Dollar sind mehr als die japanischen und deutschen Reparationen nach dem Zweiten Weltkrieg an die Alliierten zusammengenommen.)

Umso interessanter sind die Worte von Staatspräsident Andrzej Duda, der nach einem Treffen mit dem US-Außenminister Hegseth in Warschau der Nation mitteilte, er sei „zutiefst davon überzeugt“, dass Fort Trump in Polen gebaut werden wird. Leider hat Duda nicht klargestellt, welche 50 Prozent von Polen im Gegenzug an die Vereinigten Staaten abgetreten werden sollen.

Als am Mittwoch die Nachricht von Trumps „fruchtbarem Gespräch“ mit Putin die Runde machte, das zu einem Frieden auf Kosten der Ukraine führen soll, gab es nur eine historische Assoziation: einen Schwarz-Weiß-Film, in dem der britische Premierminister Neville Chamberlain auf dem Londoner Flughafen in idiotischer Manier einen Zettel mit dem Abkommen zeigt, das er in München mit Adolf Hitler geschlossen hatte. Am 30.September 1938 verkündete Chamberlain den „Frieden für unsere Zeit“, weniger als ein Jahr später begann der Zweite Weltkrieg. Natürlich hinken die Vergleiche.

Duda an Selenskyj: Ruhe bewahren – mit Trump zusammenarbeiten

OKO.press, 22.2.2025

Dieser Präsident wie auch seine PiS-Partei haben die Präsidentschaft von Trump bejubelt. Duda trifft sich am 22.Februar mit Trump im Weißen Haus, ganz stolz als einer der Auserwählten.

Duda erklärt Selenskyj, nur mit den USA werde ein Frieden möglich sein, und er glaubt Trump, dass dieser einen aufrichtigen Willen und Verantwortung für einen stabilen Frieden besitzt. Es stellt sich die Frage, ob Duda nach den letzten Äußerungen von Trump über Selenskyj zu naiv ist.

Andererseits könnte Duda das Gefühl haben, dass nur ein öffentliches Kompliment an Trump und ein Appell an sein Verantwortungsbewusstsein für die internationale Ordnung die USA von der Zusammenarbeit mit Wladimir Putin abbringen kann. In ähnlicher Weise hat der ukrainische Präsident über die derzeitigen US-Behörden geschrieben, in der Hoffnung, die Beziehungen zu verbessern.

Duda trifft Trump

polnische Medien, 22./23.2.2025

Präsident Andrzej Duda ist zu einem Treffen mit US-Präsident Donald Trump in die USA gereist. Nach PAP-Informationen soll das Treffen am 22.2. um 13:30 Uhr Ortszeit (19:30 Uhr in Polen) am Rande der Conservative Political Action Conference (CPAC) stattfinden, die seit Donnerstag läuft und auf der unter anderem bereits Elon Musk und der argentinische Präsident Javier Millei zu Gast waren. Donald Trump wird heute (22.2.) auf der Konferenz eine Rede halten.

Nikodem Racho? war für die Organisation des Besuchs von Andrzej Duda in den Vereinigten Staaten verantwortlich. Der Bruder des TV-Republika-Moderators (PiS TV) wurde am 3.Februar zum stellvertretenden Leiter des Büros für internationale Politik ernannt. Zuvor war er Sprecher der polnischen Botschaft in den USA, wurde aber von Rados?aw Sikorski entlassen. Mitarbeitern der Kanzlei von Duda war es nicht gelungen, einen Besuch zu verabreden.

Die Kameras des PiS TV zeigten jeden Schritt von Duda, auch wie er nervös auf dem Gang 90 Minuten auf und ab ging, bis Trump verspätet aus dem Weißen Haus eintraf. So blieben von der anberaumten halben Stunde knappe 10 Minuten für ein Gespräch. Duda war entzückt, zumal Trump ihn dann bei seiner Rede vor dem Kongress lobend erwähnte. Zudem hatte Trump ihm versichert, dass Polen einer seiner wichtigsten Partner sei.

Dafür hagelt es Spott in den „sozialen“ Medien und es fehlte nicht an Stimmen, die diese Haltung von Donald Trump als respektlos gegenüber Polen bezeichneten. "Es gibt nichts zu lachen. Lassen Sie uns ernsthaft sein, denn die Situation wird wirklich ernst", sagte Donald Tusk.

Wie Gewerkschafter Trump unterstützen – oder wie man den Fuchs in den Hühnerstall lässt

Dariusz Zalega auf Facebook 22.2.2025

Auf den Webseiten von Solidarnosc oder Sierpien/August 80 (!) kann man immer wieder Material finden, das Trumps „guten Wandel“ („Rückkehr zur Normalität“) preist. Wie können Gewerkschafter gewerkschaftsfeindliche Politiker unterstützen?

1. Die Basis der Gewerkschaften besteht aus Männern bis 50 Jahre. Diejenigen, die der Rechten näher stehen, sind bei weitem das furchtsamste Element unserer Gesellschaft. Sie fürchten sich an jeder Ecke vor Gender, Flüchtlingen, Greta, der schwarzen Meerjungfrau von Netflix, dem Monster mit 56,5 Geschlechtern und denen, die Polen zerstören wollen. Sie wissen alles darüber, weil es im Internet steht und sich die Nachrichten analog verbreiten. So leben sie in ständiger Anspannung und Aufregung. Denn der Feind lauert überall…

2) Wenn eine Partei ankündigt, dass sie das Arbeitsrecht, die soziale Sicherheit, die Gewerkschaftsrechte einschränken oder alles privatisieren will – natürlich im Interesse der Reichsten – wer würde sie wählen? Da diese Parteien aber entweder von den Besitzern des Internets selbst oder von internetkundigen Studenten unterstützt werden, brummen die Computer vor Informationen, um die Emotionen von Punkt 1 zu nähren. In dieser Situation werden die zu Beginn von Punkt 2 genannten Themen völlig in den Hintergrund gedrängt.

Man könnte es Stockholm-Syndrom nennen, aber ich würde solchen Gewerkschaftern, oder besser gesagt den Verantwortlichen für die Webseiten dieser Gewerkschaften, eher einen Darwin-Preis verleihen.?

PS: Und zum Thema Rückkehr zur Normalität: Wenn wir ins 19. Jahrhundert zurückgehen würden, wäre ein 12-Stunden-Arbeitstag normal, im 17.Jahrhundert war es normal, dem Gutsherrn die Hand zu küssen, usw., usw. Normalität hat mehr als nur einen Namen? Wie auch immer, sehen Trump und Musk „normal“ aus?

Mythos der „geächteten Soldaten“

Przeglad, 24.2.2025

Am 1.März wird der Nationale Gedenktag der „Geächteten Soldaten“ in Polen begangen. Es handelt sich dabei um Soldaten, die einen brutalen sinnlosen Kampf gegen die Regierung nach dem Krieg geführt haben. Diese Regierung wurde nicht nur durch Stalin, auch durch Churchill und Roosevelt/Truman eingesetzt. Das vergessen die rechten Geschichtsverdreher der PiS. Damals war nicht abzusehen, wie Polen entwickeln würde nach den Vernichtungen durch den Krieg, die vielen Opfer und die Verschiebung der Grenzen.

Dem Kampf gegen die Regierung schloss sich auch die polnischeRegierung in London an. Der Kandidat der PiS zum Amt des Präsidenten wird sicherlich voll des Lobes sein für die Geächteten.

Was ist aber mit den Millionen von Polen, die damals nicht in den Wald gingen, um ihre Landsleute umzubringen? Sondern sich daranmachten, Polen wieder aufzubauen, die Ruinen wegzuräumen? Waren es Hörige von Stalin? Es waren doch Patrioten, die nicht auf den 3. Weltkrieg hofften, sondern ihre Bataillone auflösten und sich an die Arbeit, ans Studieren machten.

Die Intelligenz, die es geschafft hatte zu überleben, hatte die Wahl, das „Lublin-Polen“ als neue Besatzung oder als Chance zum Wiederaufbau des nationalen Lebens zu betrachten.

(„Auf dem Feld pflügt der Traktor, inmitten von Wiesen und Feldern reift ein mächtiges Polen durch unsere Hände heran. Ein Haus entsteht hier, ein Haus entsteht dort und die Busse rasen auf den Schienen“, haben wir in der Schule gesungen, bis wir ausreisen durften, und haben monatlich paar Groschen für den Wiederaufbau Warschaus gespendet – nk)

Pfarrer aus Koszalin verklagt Bischof vor Gericht

Polityka, 18.2.2025

Während eines erweiterten Studiums kam Pfarrer Siwinski aus Koszalin auf die Idee, ein „Haus ohne Grenzen“ zu errichten, um Menschen in Not egal welchen Glaubens zu helfen. Sein damaliger Bischof verlangte, dafür einen Verein zu gründen, damit im Notfall nicht die Kirche für Forderungen aufkommen musste. Jetzt steht der Verein finanziell sehr gut da, dank der Spenden und der Einnahmen durch die Bäckerei, sie besitzt sogar Immobilien. Das weckt nun Begehrlichkeiten beim jetzigen Bischof. Er möchte, dass alles der Diözese überschrieben wird. Dazu müsste der Verein zustimmen. Der Bischof versucht, Leute aus dem Vorstand zu manipulieren. Dazu verbreitet er Lügen, Verleumdungen und  Manipulationen und erklärt den Pfarrer zu einem psychisch Kranken, weil er sich weigert ihm zu gehorchen.

1. März 2025

Menschlichkeit am Pranger

Fünf Flüchtlingshelfer stehen in Polen vor Gericht
dokumentiert

In Hajnowka, im nordöstlichen Zipfel Polens nahe dem Bialowierza-Urwald, fand am 28.Januar vor dem Bezirksgericht die erste Anhörung im Prozess gegen fünf Aktivisten statt. Sie sind angeklagt »Beihilfe zum rechtswidrigen Aufenthalt auf dem Hoheitsgebiet der Republik Polen« geleistet zu haben.

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10. Februar 2025

POLNISCHE PRESSESCHAU 224 vom 8.2.2025

Mit dem Einmarsch der Roten Armee wurde Auschwitz befreit und die Überlebenden gerettet.

Neben diesem Befreiungsschlag gab es aber auch Tragödien. Es begann eine große Umsiedlungsaktion. Polnische Bürger aus dem Osten Polens wurden in die „wiedergewonnen“ Gebiete umgesiedelt. In seinem Buch „Odrzania“, Oderland, geht R.Rokita aus Gliwice dem Schicksal der Umgesiedelten nach, die sich zumindest in der ersten Generation fremd fühlten in der Region, die sie nun bewohnten. Das ging über Jahre so. In Breslau/Wroclaw kam erst mit der Oderflut 1997 ein Wir-Gefühl auf. Die Zeche für den verbrecherischen Krieg zahlten vor allen Dingen die deutschen Bewohner dieser Gebiete, die vertrieben oder polonisiert wurden.

Piotr Pytlakowski hat über die unangenehme Geschichte im Polen der Nachkriegszeit ein Buch geschrieben. „Ihre Mütter, unsere Väter“ erzählt von 5-8jährigen Kindern, deren Müttern von den Vätern ihrer polnischen Kameraden Leid angetan wurde.

Zu Zeiten der PZPR und der PiS waren solche Themen nicht opportun.

Vor 80 Jahren ereignete sich die oberschlesische Tragödie

von Jan Dziadul in Polityka, 28.1.2025

Die Rote Armee verschonte niemanden – weder Polen, noch Schlesier noch Deutsche

Im Januar jährte sich zum 80.Mal der Einmarsch der Roten Armee in Schlesien. Der Senat und der Sejm der Republik Polen verabschiedeten Resolutionen zum Gedenken an die damit verbundene oberschlesische Tragödie.

Die oberschlesische Tragödie – dieser Name tauchte vor etwa 30 Jahren dank der deutschen Minderheit und der schlesischen Verbände im öffentlichen und historischen Raum auf. Der Begriff ist umfassend: Er beschreibt alles, was in Oberschlesien im Januar 1945 nach dem Einmarsch der sowjetischen Armee geschah. Prof. Adam Dziurok von der Kardinal-Stefan-Wyszynski-Universität in Warschau gab im Sunday Visitor folgende Einschätzung der Ereignisse:

„Die oberschlesische Tragödie wird definiert als die Repression gegen die unschuldige Zivilbevölkerung Oberschlesiens nach dem Ende der Frontkämpfe, die hauptsächlich aus Gründen der Nationalität durchgeführt wurden. Dazu gehörten nicht nur die Deportationen in den Osten, sondern auch Verbrechen, die hier von Soldaten der Roten Armee begangen wurden, wie Raubüberfälle und Massenvergewaltigungen. Dazu gehörte auch die unrechtmäßige Unterbringung von Zivilisten in Lagern durch die polnischen kommunistischen Behörden.« Und auch die Plünderung von Industriebetrieben. Als klar war, dass ganz Schlesien an Polen fallen würde und die Deutschen in den Westen vertrieben werden, kam es vor allem zu Deportationen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion.

Etwa 50.000 Männer im Alter von 17 bis 50 Jahren wurden interniert und deportiert, darunter 25.000 Bergleute, die in Bergwerken, vor allem im Donbass und in Kasachstan, arbeiten sollten: Metallurgen, Eisenbahner, Mechaniker aus Rüstungsbetrieben – hochrangige Spezialisten. Fast 30 Prozent der Deportierten kehrten nicht in ihr Heimatland zurück.

Der 2022 verstorbene Historiker der Schlesischen Universität, Professor Zygmunt Wozniczka, Autor des Buches Represje na Gornym Slasku po 1945 [Repressionen in Oberschlesien nach 1945], behauptete, die Zahl der Deportierten habe bis April 1945 bis zu 93.000 betragen, was durch sowjetische Quellen bestätigt würde. Seiner Meinung nach wurde jeder mitgenommen: Deutsche, Schlesier und Polen. Unter den Deportierten war ironischerweise auch der Grafiker Pawel Steller, der das Ende Februar 1945 in Kattowitz enthüllte Denkmal für die Dankbarkeit der Polen gegenüber der Roten Armee entworfen hatte. Das Denkmal stand auf den Ruinen eines Obelisken, der zum Gedenken an Wehrmachtsoldaten errichtet worden war, und sein Autor kehrte erst Ende 1946 aus Sibirien zurück.

Andere Historiker bestreiten die Zahl von mehr als 90.000 Deportierten kaum, beziehen sie aber nicht nur auf die Oberschlesier, sondern auf alle aus dem polnischen Staatsgebiet Deportierten.

Die oberschlesische Tragödie ist auch die Form der Zwangsarbeitslager, die auf der Infrastruktur des ehemaligen nationalsozialistischen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau und seines Netzes von Nebenlagern, von denen es in Oberschlesien mehr als 40 gab, errichtet wurden. Es gab sie in der Nähe von Bergwerken, Stahlwerken und Rüstungsbetrieben. Unter der Leitung des NKWD und des Ministeriums für öffentliche Sicherheit dienten sie auch als Umschlagplätze für Deutsche auf dem Weg in den Westen und als Sammelstellen vor den Deportationen in den Osten. Die neu gestalteten Konzentrationslager, die dieses Mal von Russen und Polen verwaltet wurden, forderten Tausende von Opfern.

Im Lager „Zgoda“ in Swietochlowice – dem schlimmsten Lager, in dem Salomon Morel (polnischer Jude und Kriegsverbrecher, floh 1992 nach Israel) der Herr über Leben und Tod war – starben zwischen Februar und der Liquidierung im Oktober 1945 1855 Häftlinge an Typhus, Erschöpfung, Folter durch die Geheimpolizei. Verzweiflung. Keine Hoffnung. Selbstmorde an stromführenden Drähten.

Auschwitz nach Auschwitz? – „Man darf solche Vergleiche nicht anstellen“, protestiert Dr. Piotr Setkiewicz, Leiter des Forschungszentrums des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau in Oswiecim. „Nach dem Krieg wurden grausame Taten begangen, man kann gemeinsame Elemente im Funktionieren beider Lager finden, aber niemand hat die Liquidierung ganzer Völker geplant! Die Wachen raubten den Häftlingen Medikamente und Lebensmittel, verkauften sie, tauschten sie gegen Wodka, aber die mörderischen Tendenzen lagen in den Menschen, nicht in der staatlichen Politik.

In diesen Januartagen des Jahres 1945 konnte es wohl nicht anders sein... Es war das siebte Kriegsjahr für die Polen, das fünfte für die Russen. Die zerstörerische Gier nach Rache. Darin lagen die Wurzeln der oberschlesischen Tragödie. Die Erinnerung an die Besatzung war noch lebendig. Die Erinnerung kennt keinen Schlaf...

Zu Beginn des Jahres 1941 hatte die Oberschlesier das Schicksal der Deutschen Volksliste erreicht – eine obligatorische Erklärung zur Staatsangehörigkeit. Die vor dem Krieg aktiven Deutschen wurden in die Kategorie I eingeordnet (120.000), die politisch passiven (250.000) in die Kategorie II. Diese beiden Gruppen erhielten die volle deutsche Staatsbürgerschaft. Mehr als eine Million schlesische Autochthone, die mit der deutschen Kultur verbunden waren, aber eine slawische Sprache sprachen, wurden der Kategorie III zugeordnet – sie erhielten je nach ihrer „rassischen Einstufung“ eine begrenzte Staatsbürgerschaft. Die Kategorie IV umfasste 60.000 polonisierte Personen deutscher Herkunft. Mehr als 90 Prozent der Vorkriegsbewohner Polnisch-Schlesiens standen auf der Volksliste. Im vom Dritten Reich annektierten polnischen Schlesien kursierte ein Spruch: „Wenn du dich nicht einträgst, bist du selbst schuld, / denn sie werden dich bald nach Auschwitz schicken, / und wenn du dich einträgst, du alter Esel, / schickt Hitler dich an die Ostfront.«

Das war die Entscheidung, die Schlesiern übrigblieb. Aber die Rote Armee, die in Oberschlesien einmarschierte, anerkannte diese Einteilungen nicht. Jenseits der Grenze waren alle deutsch. Die brutalen Aktionen wurden durch die sowjetische Propaganda gefördert. Prof. Zygmunt Wozniczka wies darauf hin, dass Marschall Georgi Schukow vor der Januaroffensive einen Befehl mit dem Titel „Tod den Deutschen“ herausgab, in dem er die Soldaten aufforderte, sich „an Hitlers Kannibalen“ zu rächen. Endlich konnten sie ihrem Hass freien Lauf lassen. Und ihren unterdrückten Begierden. Nur wenige, vielleicht nur die Befehlshaber, wussten, dass Teile Oberschlesiens auch von Polen bewohnt waren.

Das Ausmaß der oberschlesischen Tragödie war auch das Ergebnis eines NKWD-Befehls vor der Offensive im Januar 1945 „...über die Säuberung des rückwärtigen Teils der vorrückenden Front von feindlichen Elementen“, erlassen von Lavrenty Beria. Er ordnete die Verhaftung aller waffenfähigen Deutschen an. Diejenigen, die in der Wehrmacht und in paramilitärischen Organisationen dienten, wurden in Separationslager oder sofort per Zug in die Sowjetunion geschickt. Andere kamen in Arbeitslager. Der NKWD unterhielt unter anderem ein solches Lager in Toszek bei Gliwice. Dort wurden Deutsche, Volksdeutsche und unsichere Personen, die den Russen feindlich gesinnt waren, festgehalten. Zwischen Mai und November 1945 starben hier etwa 3300 Häftlinge. Zu dieser Zeit galt in Toszek die Moskauer Zeit, und es führten breite Wege zum Lager…

Nach dem Übergang der Front gehörte die gesamte Autorität im polnischen Vorkriegsschlesien und an den Grenzen des Dritten Reiches den sowjetischen Kriegskommandanten. Mit ihnen hatte die Verwaltung der Provisorischen Regierung der Polnischen Republik wenig zu schaffen. Im ehemaligen deutschen Oberschlesien, in Gleiwitz, Zabrze, Beuthen, Oppelner Schlesien und weiter westlich, regierten die Russen mit Hilfe des kommunistischen Komitees Freies Deutschland und der überlebenden deutschen Verwaltungsstruktur. Der Status von Schlesien war trotz der versprochenen Angliederung an Polen ungewiss. Sogenannte deutsche Antifaschisten, die von Moskau entsandt wurden, leiteten die Demontage von Industriebetrieben und schickten alles, auch die Arbeiter, in die UdSSR. In Beuthen (Bytom) wurde das Stahlwerk Bobrek demontiert, in Miechowice (Miechowitz) das modernste Kraftwerk des Dritten Reiches, in Gleiwitz (Gliwice) wurden Rüstungs- und Maschinenbaubetriebe geplündert, in Kedzierzyn die Blachownia (Blechfabrik) und in Oswiecim Produktionsanlagen für synthetisches Benzin demontiert. Die polnischen Verwaltung musste dann feststellen, dass die Produktion in einigen Industriezweigen im Vergleich zum Kriegsende um 50-70 Prozent zurückgegangen war.

Russisch und Deutsch waren die offiziellen Sprachen. In Gleiwitz verfügten die deutschen Kommunisten über eine eigene Polizei, gaben Zeitungen heraus und unterdrückten mit stillschweigender Billigung der Russen die im Entstehen begriffene polnische Regierung. Die Lage in diesem Teil Schlesiens begann sich erst nach der Potsdamer Konferenz (Ende Juli, Anfang August 1945) zu normalisieren, auf der die Großen Drei, Truman, Stalin und Churchill die polnische Westgrenze an der Oder und der Lausitzer Neiße bestätigten. Nach der Potsdamer Erklärung begannen die Aktivisten des Komitees Freies Deutschland, sich in die sowjetische Besatzungszone zurückzuziehen, das Komitee selbst wurde Anfang November 1945 aufgelöst. Prof. Wozniczka wagte die Behauptung, Oberschlesien sei für die sowjetische Verwaltung und die deutschen Kommunisten eine Generalprobe für die Gründung der DDR gewesen.

Der Verlauf der oberschlesischen Tragödie wurde durch frühere Ereignisse geprägt. Auf dem Treffen der Großen Drei in Jalta im Februar 1945 wurde vereinbart, deutsche Arbeitskräfte zum Wiederaufbau der Wirtschaft der UdSSR als Reparationsleistung einzusetzen. Die USA und das Vereinigte Königreich erklärten sich damit einverstanden, dass Stalin einen Teil der Reparationen in Form von Sachleistungen erhielt. Prof. Malgorzata Ruchniewicz von der Universität Wroclaw bezeichnete diese Lösung im „Historischen Ratgeber“ der Polityka („Die Geschichte Schlesiens“) als „lebende Kriegsbeute“.

Noch am Tag dieser Entscheidung erschienen in Oberschlesien Aushänge, in denen Männer zwischen 17 und 50 Jahren aufgefordert wurden, sich wegen Kriegsschäden an der Front zu melden. Viele sollten in der polnischen Armee landen, aber das war eine Lüge. Da es an Freiwilligen mangelte, wurden Razzien durchgeführt – in Häusern und auf der Straße. An den Toren wurden ganze Schichten von Bergleuten und Stahlarbeitern festgehalten, wie in der Bobrek-Mine – sie wurden in Nebenlager geschickt und dann, wenn genug zusammengekommen waren, um einen Zug zu füllen, auf Viehwaggons verladen. Gen Osten.

Die oberschlesische Tragödie war auch der Erlass unseres PKWN (Polnisches Komitee der Nationalen Befreiung) vom November 1944 über die Anwendung von Schutzmaßnahmen gegen Verräter an der polnischen Nation, vor allem gegen Volksdeutsche. Ab Mai 1945 trat ein Gesetz über den Ausschluss feindlicher Elemente aus der polnischen Gesellschaft in Kraft, und im Juli erließ der Woiwode von Schlesien-Dabrowa, Aleksander Zawadzki, ein Aufenthaltsverbot für Menschen deutscher Nationalität in der Woiwodschaft. Die öffentliche Aufforderung zur Auslieferung der untergetauchten Deutschen öffnete den Delikten und Missbräuchen im Zusammenhang mit der Nationalität Tür und Tor.

1944 bestand die Hälfte der Beschäftigten in der oberschlesischen Industrie aus Zwangsarbeitern und etwa 40.000 Auschwitz-Häftlingen. Diese Industrie, die unter sowjetische Kontrolle geraten war, musste über Nacht die Produktion aufnehmen, um den Kriegsbedarf der UdSSR zu decken. Ohne sklavische Arbeitskräfte wäre dies nicht möglich gewesen. Das Zentrale Arbeitslager in Jaworzno, eine ehemalige Außenstelle von Auschwitz, versorgte die Bergwerke und Kraftwerke. Das Zentrale Arbeitslager diente in der Nachkriegszeit denselben Zwecken. Von den Zehntausenden Häftlingen, die Jaworzno im Laufe der Jahre durchliefen – Deutsche, Volksdeutsche, Ukrainer, Polen (darunter Mitglieder des Unabhängigen Untergrunds) – starben fast 7000. Nach der Liquidierung des Lagers Zgoda in Swietochlowice übernahm Salomon Morel die Leitung in Jaworzno und der Tod folgte.

Bereits im April 1945 setzte sich der Zentralvorstand der Kohleindustrie für die deportierten Bergleute ein. Es mangelte an Arbeitskräften und Fachleuten, und die PPR (Polnischer Partei der Arbeit – Vorläufer der PZPR, Polnische Vereinigte Arbeiterpartei) forderte eine Steigerung der Kohleproduktion. Briefe gingen an die sowjetischen Befehlshaber in Polen und nach Moskau. Auf dem Mai-Plenum des Zentralkomitees der PPR wagte Aleksander Zawadzki, Mitglied der obersten Parteibehörde, seine Stimme zu erheben: Das Zentralkomitee sollte sich gegen die Deportationen aussprechen. Diese Haltung gelangte in das Bewusstsein der Sowjetunion und der Roten Armee. Die Menschen in Schlesien waren einst „begeistert“, nun waren sie entschieden feindselig, sie fluchten. Die Deportationen sollten aufhören.

Salomon Morel intervenierte bei Stalin. Die Deportierten sollten zurückgeschickt werden, wenn die Soldaten der Roten Armee demobilisiert wurden. Die Deportationen wurden mit der Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 eingestellt, aber nur die Kränksten und Ausgemergeltsten wurden nach Polen zurückgeschickt. Daran änderte sich erst etwas, als in Warschau ein für Moskau günstiges Kohlelieferabkommen unterzeichnet wurde, das ohne qualifizierte Bergleute nur schwer zu erfüllen gewesen wäre.

Eine im Sommer vom stellvertretenden Woiwoden Jerzy Zietek eingesetzte Kommission unternahm ebenfalls Schritte zur Befreiung der deportierten Bergleute auf der Grundlage einer zu diesem Zweck erstellten Volkszählung. Professor Ryszard Kaczmarek berichtet in seiner „Geschichte Oberschlesiens“, dass bis Dezember 1949 5603 Deportierte über die Repatriierungskommission in Moskau ins Land zurückgekehrt waren, der Zählung nach aber nur 1645.

Zietek versuchte auch, das Schicksal der Autochthonen vor Ort zu mildern. In Auschwitz-Birkenau gab es zwei NKWD-Lager: eins für Kriegsgefangene und eins für Personen, die der Kollaboration mit dem Dritten Reich beschuldigt wurden. Zwanzigtausend Kriegsgefangene und viertausend Zivilisten wurden von dort in die UdSSR deportiert. Aus einem UB (Geheimdienst)-Lager für Volksdeutsche aus Schlesien und der Region der Beskiden wurde ein Brief an Zietek geschmuggelt, in dem er um Hilfe gebeten wurde, da die meisten der Gefangenen sich nicht als Volksverräter fühlten. „Eine Kommission kam, um diejenigen, die sich während des Krieges schlecht verhalten hatten, von denen zu trennen, die es nicht getan hatten“, sagt Dr. Setkiewicz. „Tausende von Schlesiern wurden freigelassen.“

Dies war einer von vielen Versuchen von Staatsanwälten und Richtern, das rechtswidrige Vorgehen von NKWD und UB zu durchbrechen. Bei der anschließenden nationalen Überprüfung, die sich über Jahre hinzog, wurden 800.000 Einwohner Oberschlesiens als Polen anerkannt. Das Kriterium der Volksliste wurde durch eine Bewertung des Verhaltens während des Krieges ersetzt.

Mich quält die Frage: Welche Rolle spielte der Faktor Rache, die Vergeltung der Nachkriegszeit, bei der oberschlesischen Tragödie? Ich habe diese Frage einmal an Professor Adam Dziurok gestellt: „Das Element der blinden Rache muss berücksichtigt werden, aber sein Ausmaß entspricht nicht dem, was in den Nazilagern geschah. Die Volksmacht verfügte nicht über die Kader, um die Herausforderungen der Umsiedlung und der Kriegsführung zu bewältigen. Aus Kommandanten und Wachleuten wurden Leute, die direkt von der Razzia kamen. Oft aus den Sphären des Lumpenproletariats.«

Dr. Piotr Setkiewicz räumt auch ein Element der Vergeltung in den ersten Nachkriegsmonaten ein: „Aber ihr Ausmaß war angesichts des mehrjährigen Alptraums des Krieges und des ungeheuren Leids erstaunlich gering“, stellt er fest.

?Die erste und wichtigste Ursache der oberschlesischen Tragödie war der Krieg selbst: Oberschlesien gehörte zum Dritten Reich. Es hatte das Konzentrationslager Auschwitz vor der Haustür. Es bleibt eine offene Frage, ob es möglich gewesen wäre, die Abrechnung zu mildern, die Rache zu zivilisieren.

In die Fremde über den Bug Richtung Oder

Przeglad, 10.2.2025

„Die Rückkehrer von jenseits des Bug sind ein grundlegender Faktor in der Besiedlung der ‚wiedergewonnen Gebiete‘. Denn ihr Rückweg ist abgeschnitten, wodurch sie sich sehr gut einbürgern lassen“, wurde in den vierziger Jahren festgestellt.

Um in den Westen zu gelangen, müssen sie zwei Grenzen überwinden, zunächst ist es die neue Ostgrenze Polens. Wie nach Polen einreisen, sind sie doch nicht aus Polen ausgereist… Dann heißt es, sie wären in Polen, aber da ist nichts anders, und dann noch die polnische Westgrenze, aber die gibt es nicht mehr. Sie werden ins Nirgendwo losgeschickt, sie sollen sich bei der Verwaltung melden, aber wohin sollen sie in dem unbekannten und zerstörten Land? Dann kommen sie nach Pi?a, das noch kurz vorher Schneidemühl hieß, hart umkämpft war und somit stark zerstört ist – nur 10 Prozent der Häuser stehen noch. Da stehen die Leute mit ihrem Passierschein und wissen nicht wohin in der Fremde. Eigentlich sollen sie sich bei einem Regierungsbeamten melden, aber in dieser zerstörten Stadt? Der Zug fährt weiter, wo sie aussteigen, ist meist dem Zufall überlassen.

Alles ist ihnen fremd, diese Leere nach den Deutschen, die Gegend, die Häuser und Straßen sind anders und sogar die Menschen sprechen ihren eignen Dialekt. Wie soll eine einheitliche Nation geschaffen werden, wenn nicht alle die gleiche polnische Sprache sprechen? Ihre Erinnerung an die Heimat ist das eine, da hat sich viel verändert, wie sie später erfahren. Und so ist es auch dort, wo sie jetzt wohnen. Heimat wird es erst viel später für ihre Nachkommen.

Die Besiedlung der wiedergewonnen Gebiete war für die Vertriebenen jenseits des Bug die einzige Offerte. Auch Menschen aus anderen Teilen Polens wurden mit großen Versprechungen, wie eigenes Ackerland mit dazu gehöriger Technik und gesellschaftlichen Aufstieg dahin gelockt. Auf Plakaten waren kleine Holzhäuschen zu sehen von denen aus der Bauer in Richtung eines massiven gemauerten Hauses in der Nähe von Wroclaw zieht. Die verlassenen Gebiete sollten ja besiedelt werden.

Es wurde versucht Menschen in Gruppen von einer Stadt bzw. einem Kreis zusammen an einem wiedergewonnen Ort anzusiedeln, damit sich sich dort besser assimilieren.

In den sich bildenden Siedlungsgemeinschaften bedeutet die Tatsache, dass sich jemand verletzt fühlt nicht, dass er mit anderen mitfühlt, die sich ebenfalls verletzt fühlen, wir – sie – die anderen. Konflikte brechen an der Linie zwischen Alteingesessenen und „Umsiedlern“ auf. Vorurteile sind langlebig und vernebeln auch eigene positive Erfahrungen. Aber auch unter den Umsiedlern gibt es Vorurteile gegenüber denen, die wiederum aus anderen Gegenden Polens als der eigenen kommen.

1. Februar 2025

›Wir verteidigen unsere Bequemlichkeit‹


Warum liberale Demokraten rechtsextreme Forderungen übernehmen
Interview mit Agnieszka Holland

Der polnische Regierungschef ­Donald Tusk ist der erste Regierungschef in der EU, der offen die Abschaffung des Asylrechts gefordert hat. Darin geht er weiter als sein Amtsvorgänger Kaczynski.
Das polnische Onlineportal Oko.press hat am 6.Oktober 2024 die polnische Regisseurin und Filmautorin Agnieszka Holland zu dem Thema interviewt. Für ihren jüngsten Film, Green Border, hatte Holland beim Filmfestival von Gdynia den Goldenen Löwen bekommen.

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14. Oktober 2024

POLNISCHE PRESSESCHAU 217 vom 6.10.2024

In dieser Ausgabe gebe ich in Auszügen ein Interview wieder, dassOKO.press mitAgnieszka Holland, der polnischen Regisseurin und Filmautorin veröffentlicht hat, es ist, denke ich, nicht nur in Hinblick auf die polnische Politik interessant. Aber was Polen anbelangt, zeigt es ihre Enttäuschung über die Regierung Tusk. ?

Regisseurin Agnieszka Holland über „Die grüne Grenze“:

„Europa verteidigt seinen Komfort, indem die Liberalen eine faschistoide Agenda übernehmen, das bedeutet aber nicht, dass sie mit ihnen die Wahlen gewinnen!“

– ein Gespräch mitOKO.press.pl am 6.10.2024

OKO.press:Der Goldene Löwe fürGreen Border (er lief bei uns unter dem englischen Titel) beim Filmfestival in Gdynia ist eine Auszeichnung, die mit Bitterkeit verbunden ist. Der Koalition vom 15.Oktober ist es nicht nur nicht gelungen, die Pushbacks abzuschaffen, die Sie in dem Film in allen drastischen Details darstellen, sie hat auch noch mit Unterstützung der Partei Recht und Gerechtigkeit ein umstrittenes Gesetz erlassen, das die Dienste von der Haftung für den unsachgemäßen Gebrauch von Waffen an der Grenze befreit.

Agnieszka Holland: Der Begriff „umstrittenes Gesetz“ ist ein Euphemismus, für mich schafft es einen Präzedenzfall. Eine solche Regelung ist bisher in keinem Land der Europäischen Union eingeführt worden, obwohl sie in der Praxis bereits geduldet wird. Verschiedene nationale Grenzschützer töten de facto Flüchtlinge oder Einwanderer, aber niemand hat dies bisher legalisiert. Die Regierung Tusk ist sozusagen die Vorhut.

Die KO (Bürgerkoalition, zuvor PO, Bürgerplattform) beschuldigt gleichzeitig die Partei Recht und Gerechtigkeit, im Rahmen des Skandals um die Visaerteilung 300.000 Migranten aus Afrika und Asien nach Polen gelassen zu haben. Warum macht sich die liberale Regierung die feindliche Rhetorik über Einwanderung der Rechten zu eigen?

Heutzutage wird die Migration für alle Probleme der Demokratie verantwortlich gemacht. Die Politiker denken weder über ihre Ursachen nach noch darüber, wie sie die europäischen Gesellschaften weniger belasten können. Es wird nichts getan, um der Migrationskrise auf eine Weise zu begegnen, die mit den elementaren Menschenrechten vereinbar ist.

Stattdessen wird die Figur des Feindes – des Fremden, der uns bedroht – konstruiert. Und das ist sehr wirkungsvoll. Denn damit lassen sich alle gesellschaftlichen Ängste auf einen Nenner bringen: Migranten sind schuld an unseren Problemen. Die gegenwärtigen wie die zukünftigen. Die Figur des Sündenbocks ist so alt wie die Welt, aber es waren die Totalitarismen des 20. Jahrhunderts, die diese Idee zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausweiteten. Die Erfahrung des Holocausts hat Europa eine Zeit lang geimpft, aber der Impfstoff wirkt nicht mehr.

OKO.press:Es ist nicht das erste Mal, dass Sie Ihre Enttäuschung über die Politik von Donald Tusk zum Ausdruck bringen.??Agnieszka Holland:Enttäuschung? Ich empfinde Bestürzung. Ich habe nicht erwartet, dass Donald Tusk sich idealistisch für Flüchtlinge einsetzt. Schon während der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 konnte man seine Haltung zu dieser humanitären Herausforderung beobachten. Immerhin war er ein Jahr zuvor Präsident des Europäischen Rates geworden und gehörte zu den europäischen Politikern, die mit dem türkischen Präsidenten Recep Erdogan ein Abkommen zur Auslagerung des Problems ausgehandelt haben.

OKO.press:Dann verkündete Tusk, dass „die Tage der illegalen Einwanderung nach Europa vorbei sind“. Hatte er Unrecht?

?Agnieszka Holland:Dieses Abkommen war bis zu einem gewissen Grad wirksam, was die Türkei betraf, spätere Abkommen nach diesem Vorbild mit gescheiterten Staaten wie Libyen oder Diktaturen wie Tunesien haben nicht funktioniert. Das heißt, sie haben so gewirkt, dass die Menschen doppelt gelitten haben.

Auf jeden Fall war klar, dass Tusk nicht mit Angela Merkels herzlichem Reflex einverstanden war, Deutschland für Migranten zu öffnen, auf diese Art von Empathie kann man in Zukunft nicht zählen. Natürlich hat er im Wahlkampf 2023 in einem ganz anderen Ton gesprochen als jetzt. In diesem Sinne ist es eine Enttäuschung.

OKO.press:Der FilmGrüne Grenze wurde sowohl als Spielfilm als auch als politisches Plädoyer für eine Änderung der Migrationspolitik aufgenommen. Es hat nicht funktioniert.

Agnieszka Holland:Grüne Grenze ist für mich mehr als ein Film. Wir haben versucht, ihn so ausgewogen und fair wie möglich zu gestalten und vor allem eine menschliche Perspektive einzunehmen.

Ich habe keine revolutionäre Veränderung erwartet, aber ich dachte, dass es dennoch eine Lockerung der Regeln geben würde, zumindest für Menschen aus schwachen Gruppen, wie Kinder, Frauen, ältere Menschen, Kranke. Und so sah es in den ersten Monaten auch aus. Sogar der Grenzschutz wurde gelockert, ich denke vor allem aus Angst vor der Reaktion der neuen Führung.

Alles änderte sich vor den Europawahlen, als die Regierung Tusk mangels anderer Wahlargumente begann, das Thema Migration in ähnlicher Weise zu nutzen wie die PiS. Und das ist sogar noch gefährlicher, denn diese Rhetorik ist von Zynismus und Heuchelei durchzogen, es werden Worte des Mitleids gesprochen und Krokodilstränen vergossen, während gleichzeitig die Dienste zur Gewaltanwendung aufgefordert werden. Nachdem die PiS alle Möglichkeiten für echte Reformen blockiert und vermint hat, wurde klar, dass Migranten und Grenzschutz für die Regierung politisches Gold sind.

OKO.press:Kann die KO wirklich, indem sie die PiS noch überbietet, der extremen Rechten die Stirn bieten?

Agnieszka Holland:Ich denke, sie glauben tatsächlich, wie andere europäische Eliten auch, dass man sich mit der Migration befassen müsse, weil sie die Ursache für den Anstieg der Unterstützung für die extreme Rechte und die daraus resultierende Bedrohung der europäischen Demokratie sei. Natürlich ist dies der Grund, aber auch die Hilflosigkeit der demokratischen Eliten angesichts anderer Probleme –  wirtschaftlicher, sozialer und klimatischer Art – ist ein Grund.

Die Tatsache, dass die Liberalen jetzt die faschistische Agenda übernehmen, bedeutet nicht, dass sie die Faschisten besiegen werden. Im Gegenteil, sie bringen die Faschisten mit ihrer Agenda in den politischen Mainstream.

Ich empfinde dies daher als Zynismus und eine Konzentration auf kurzfristige Gewinne. Tusk ist schließlich Historiker, er sollte sich die 1930er Jahre anschauen und sehen, wie diese Art von Strategie für die sogenannten Demokraten und für die Welt endet.

OKO.press:Der polnische Premierminister ist damit nicht allein: Andere europäische Regierungschefs konkurrieren in ähnlicher Weise mit der extremen Rechten. Olaf Scholz führte im September 2024 Grenzkontrollen in Deutschland ein, kurz nachdem die AfD die Wahl in Thüringen gewonnen hatte.

Agnieszka Holland:Rennt er mit ihnen um die Wette? Nun, genau. Aber wer ist für die Wähler glaubwürdiger? Die AfD oder Scholz? Wer ist für die französischen Wähler glaubwürdiger? Macron, der vor anderthalb Jahren diese Art von Programm angenommen hat, oder Marine Le Pen? Die Situation ist in Italien, den Niederlanden und Schweden ähnlich.

Österreich hat den Rubikon bereits überschritten: Die einwanderungsfeindliche, rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) hat die Wahlen dort gewonnen. Österreich ist ein Sonderfall, weil es dort schon lange neofaschistische Episoden gibt. Aber es ist derselbe Trend.

OKO.press:Ich habe mir drei Ihrer Filme erneut angesehen, die das Thema der Konfrontation des Menschen mit der Grausamkeit der Geschichte teilen. Es handelt sich umEuropa, Europa, die Geschichte eines jungen jüdischen Mannes, der den Krieg überlebt, indem er sich zunächst als sowjetischer Kommunist und dann als deutscher Nazi ausgibt;In Darkness, die Geschichte von Lemberger Juden, die während der Besatzung von einem polnischen Kleinkriminellen gerettet werden; und der neueste FilmGrüne Grenze. Man sieht sich diese Filme an, als ob sie alle heute spielen würden. Was ist es, das den Menschen dazu bringt, immer wieder in denselben Trott zurückzufallen: andere zu verleumden, zu töten?

Agnieszka Holland:Das ist eine philosophische Frage über die menschliche Natur, auf die ich keine Antwort habe. Ich betrachte sie eher pragmatisch. Ich habe den Eindruck, dass der Mensch sowohl zum Bösen als auch zum Guten fähig ist. Und dass dies weitgehend durch die Umstände und vor allem durch das Verhalten der Autoritätspersonen bestimmt wird. Vieles hängt von deren Einstellung ab.

Das zeigt sich sehr deutlich in dem zweibändigen Werk von Prof. Barbara Engelking und Prof. Jan Grabowski "Dalej jest noc. (Es ist weiterhin Nacht.) Das Schicksal der Juden in ausgewählten Bezirken des besetzten Polen". Die Autoren haben das Schicksal der Juden in der dritten Phase des Holocaust, als die Ghettos aufgelöst wurden und die Juden bei ihren Nachbarn Schutz suchten, gründlich untersucht. Ich interessierte mich besonders für Ungarn, da der größte Teil der Familie meines Vaters dort starb.

Nach den Erkenntnissen von Engelking und Grabowski starben zwei von drei Juden, die im Rahmen der Operation Reinhard gerettet wurden, durch die Hand von Polen oder unter deren Mitwirkung.

?Interessant sind die Unterschiede in den Zahlen: In einigen Bezirken überlebte einer von zwanzig, in anderen einer von zwölfhundert. Es stellte sich heraus, dass dort, wo mehr gerettet wurden, es zum Beispiel einen Priester oder einen Lehrer gab, der den Leuten sagte, das dürften sie es nicht tun. Also jemand, der als lokale Autorität fungierte. Und das hat funktioniert.

Dasselbe Phänomen, nur umgekehrt, haben wir 2015 erlebt. Kaczynski machte einen schnellen propagandistischen Rundumschlag und sprach über die Parasiten, die Migranten angeblich mitbringen. Und innerhalb weniger Monate sank die Unterstützung für die Aufnahme von Flüchtlingen [Quelle: Centre for the Study of Prejudice] und die Unterstützung für die Anwendung verschiedener Formen von Gewalt gegen sie stieg.

Etwas Ähnliches geschah auch mit Donald Tusk, als er im Juni 2024, während der Europawahlen, nach dem Tod eines an der Grenze verwundeten polnischen Soldaten die Propagandamaschine in Gang setzte. Plötzlich wurde deutlich, dass ein Gesetz, das den Diensten eine Lizenz zum Töten gibt, von mehr als 85 Prozent der Polen unterstützt wird.

OKO.press:Auch die Unterstützung für Pushback hat sich verändert, wie eine Ipsos-Umfrage fürOKO.press undTOK FM zeigt: von 52 Prozent im Herbst 2022 auf 67 Prozent im Juni 2024. Sind die Demokraten gescheitert?

Agnieszka Holland:Die demokratischen Eliten sind auf bestimmte Werte ausgerichtet. Deshalb wählt eine bestimmte Spezies von Bürgern die Demokraten. Die Menschen wollen glauben, dass die Abkehr der demokratischen Machthabern von den Werten, die sie predigen, einen ernsthaften Grund haben muss, daher der Verweis auf Sicherheitsbedrohungen. In einer solchen Situation nehmen die Menschen bereitwillig Meinungen an, die sie vorher nicht teilten. Dies umso mehr, als es für sie bequem ist und sie von Verantwortung, Schuld und kognitiver Dissonanz befreit.

OKO.press:Tusk kann jedoch nicht für alles verantwortlich gemacht werden. Die faschistischen Banden, die Flüchtlinge angreifen, werden von anderen Kräften angetrieben.

Agnieszka Holland:Ja, natürlich. Obwohl ihre aggressiven und offen rassistischen Aktivitäten mit der Regierungsrhetorik des Europawahlkampfes, dem Tod eines polnischen Soldaten und der damit einhergehenden Einführung einer neuen Pufferzone an der Grenze, dem Gesetz über den straffreien Waffengebrauch und der Tendenz zur Kriminalisierung oder Diskreditierung von Aktivisten, die sich für Geflüchtete einsetzen, zusammenfielen. Rechtsextreme Kreise haben erneut einen Freibrief für rassistische Gewalt erhalten.

Wie Marek Edelman sagte, gibt es in der menschlichen Natur zwar ein mehr oder weniger symmetrisches Potenzial für Gut und Böse, aber es ist viel schwieriger, das Potenzial für das Gute zu aktivieren als das Potenzial für das Böse. Und es bedarf keiner großen Anstrengung, dies zu tun. Kaczy?skis Parasiten oder des jetzigen Verteidigungsministers Kosiniak-Kamysz' Ansicht, dass es sich nicht um Flüchtlinge, sondern um organisierte Gruppen handelt, die Soldaten angreifen, eine Art Horden, keine Menschen, sind keine besonders ausgefallenen Methoden, oder? Aber sie haben funktioniert.

OKO.press:Diese Sprache wird bereits von einem großen Teil der Politiker gesprochen. Andere Stimmen sind kaum noch zu hören. Sind wir zum Populismus verdammt?

Agnieszka Holland:Im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsproblem befindet sich Europa in einer Situation, in der es seine Bequemlichkeit verteidigt. Ein großer Zustrom kultureller und sozialer Fremder kann für viele unangenehm sein, er bedeutet, dass sie ihr Leben ändern müssen, etwas aufgeben müssen, um Platz für andere zu schaffen. Wir verteidigen also eigentlich unsere Bequemlichkeit.

Die Situation an der polnisch-weißrussischen Grenze ist natürlich komplizierter, denn jenseits dieser Grenze befinden sich Lukaschenko und Putin. Hier gibt es eine echte Bedrohung. Diese Bedrohung geht jedoch nicht von den Flüchtlingen aus, auch nicht von denen mit Stöcken und Steinen. Die Bedrohung ist die Leichtigkeit, mit der sie von den belorussischen oder russischen Behörden manipuliert werden können.

Das Problem ist, dass die polnischen Behörden Lukaschenko nicht daran hindern, sowohl die Zahl als auch die Zusammensetzung der Menschen, die die Grenze überschreiten, zu manipulieren. Schließlich können diese Gruppen sowohl von Tschetschenen als auch von Hamaskämpfern, von Wagnerianern und gewöhnlichen Kriminellen infiltriert werden. Die polnische Regierung hat hierüber keine Kontrolle.

Außerdem sind die wirtschaftlichen Beziehungen zu Weißrussland immer noch nicht abgebrochen, wir erhalten dieses Regime sogar noch weitgehend. Die Politik der polnischen Regierung, die gegenüber Flüchtlingen eskaliert, führt nicht zu einer Deeskalation.

Ein weiteres Problem ist die immer weiter verbreitete Akzeptanz von Gewalt in der Welt, die fehlende Achtung sowohl internationaler Konventionen als auch grundlegender moralischer Werte. Wenn wir uns anschauen, was in Saudi-Arabien mit den Flüchtlingen aus Äthiopien geschieht, oder was Russland in der ersten Phase des Krieges in der Ukraine getan hat, den verbrecherischen Angriff der Hamas am 7. Oktober letzten Jahres oder die blutige Vergeltung Israels im Gazastreifen, können wir sehen, dass diese Zustimmung weit verbreitet und enorm ist.

OKO.press:Sie haben mit Kasia Adamik und Magdalena Lazarkiewicz die SerieEkipa über eine fiktive Gruppe von Politikern gedreht, die nach einer Regierungskrise in Polen die Macht übernehmen. Wie würde der Premierminister der Serie, Konstanty Turski, ein Wirtschaftswissenschaftler aus Zamosc, auf die heutige Krise reagieren, wenn Sie eine weitere Staffel drehen würden?

Agnieszka Holland:Leider würde unser Premierminister wahrscheinlich der heutige Donald Tusk werden, wenn wir realistisch sein wollen.

Was mir auffiel, war nicht einmal die Tatsache, dass Tusk anfing, mit Blaszczak (Verteidigungsminister in der Morawiecki-Regierung) zu sprechen, sondern wie eifrig sein gesamtes politisches Lager begann, ihm nachzueifern, als ob es einer Mutter folgte. Einschließlich Adam Bodnar (Justizminister), der, wie ich höre, in noch größeren Schwierigkeiten steckt, weil ihm die apokalyptische Aufgabe zugefallen ist, den Augias-Stall ohne jedes Werkzeug zu reinigen. Diese Art von Unterwürfigkeit wäre in unserer SerieEkipa unmöglich.

Konformismus, Angst vor der eigenen Meinung– all das ist zu einem immanenten Merkmal unserer Gesellschaft geworden. Es fällt schwer, dies allein der Justiz anzulasten, auch wenn sie es in gewisser Weise in Gang gesetzt hat. Heute sind Opportunismus und Klientelismus einfach alltäglich geworden. Das gilt nicht nur für Politiker, sondern auch für die Filmwelt. Wäre diese Bürgerplattform stilvoller gewesen, wäre die menschliche Qualität dieser Politiker größer gewesen, hätten sie nicht nur den Aspekt der Zivilisation, sondern auch den der Axiologie vergessen, wäre es möglich, dass wir heute nicht in einem solchen Schlamassel stecken. Aber, offen gesagt, das ist in ganz Europa passiert. Das Böse muss seine Zeit haben.

OKO.press:Sehen Sie denn keine Kraft, die sich dem entgegenstellen könnte? Um sich eine andere Agenda, eine andere politische Realität vorzustellen?

Agnieszka Holland:Abgesehen von anarchistischen Individuen wie meinen Helden vonGrüne Grenze oder– ich weiß nicht – den frühen Christen aus den Höhlen, sehe ich niemanden, der so ist.

Das hängt auch mit der Tatsache zusammen, dass die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, global sind und unmöglich im Maßstab eines einzelnen Landes gelöst werden können, geschweige denn in einer Amtszeit. Anstatt sie zu lösen, geben Politiker falsche populistische oder demagogische Lösungen vor. Ich sehe keinen wirklichen Versuch ihrerseits, die Klima- oder die Flüchtlingskrise zu bewältigen. Beide erfordern enorme Anstrengungen, Ressourcen, intellektuelle Arbeit und kollektives, staatenübergreifendes Handeln. Daran mangelt es.

Es scheint, dass populistische Parteien wie die Partei Recht und Gerechtigkeit sich konsequent und beharrlich um ihre Wähler kümmern, während demokratisch orientierte Parteien sich überhaupt nicht um sie kümmern. Stattdessen versuchen sie, ihre Gegner für sich zu gewinnen, die sie niemals für sich gewinnen können, weil sie für diese nicht glaubwürdig sind.

OKO.press:Haben Sie nicht das Gefühl, dass diese Krise des Glaubens an die Zukunft, des Glaubens an den Aufbau einer besseren Welt, auch durch den moralischen Verfall der Kirche verschärft wurde?

?Agnieszka Holland:Die Kirche hat schon lange ihre Daseinsberechtigung verloren. Sie kann zwar noch Gemeindemitglieder dazu bringen, auf Drängen ihres Pfarrers einen rechten Politiker zu wählen, aber das ist auch schon das Ende. Ich sehe keine andere Wirkungskraft.

OKO.press:Dann gibt es die Kirchen, unter denen sich Aufmärsche rassistischer Banden in Bewegung setzen, um Migranten zu verprügeln, wie im September in  Zyrardow geschehen.

?Agnieszka Holland:Das ist nichts Neues, alle Pogrome begannen bei einer Kirche. Meiner Meinung nach ist die polnische katholische Kirche keine christliche Kirche. Natürlich gibt es unter den Kirchenmännern Einzelne, die den Mut haben, im Sinne des Evangeliums zu sprechen und zu handeln. So zum Beispiel Bischof Krzysztof Zadarko von Koszalin, der Flüchtlinge und Migranten als moderne Samariter bezeichnet und sagt, man solle Brücken zu ihnen bauen. Übrigens hat er seine Gemeindemitglieder aufgefordert, sich meinen Film anzusehen. Da ist Schwester Margaret Chmielewska, die auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise sagte, sie sei nicht damit einverstanden, dass Menschen wie Müll behandelt werden, den man auf den Hof des Nachbarn fegt. Da ist Pater Wojciech Lemanski, der sich um das jüdische Erbe kümmert....

OKO.press:Bischof Hoser bestrafte ihn dafür, indem er ihn von seinen priesterlichen Aufgaben entband und ihm verbot, in den Medien zu sprechen.

Agnieszka Holland:Ich fürchte, dass diese Institution im Allgemeinen durch und durch faul ist und keine Werte hervorbringen kann.

OKO.press:Jetzt ein Film über Kafka?

Agnieszka Holland:Kafka ist für mich eine Erholung nach dem letzten anstrengenden Jahr. Auf die Premiere vonGrüne Grenze folgte eine Achterbahnfahrt von Siegen und noch nie dagewesenen Anfeindungen, vor allem von Seiten der Politiker. Vor allem von Politikern– ich glaube nicht, dass es seit März '68 einen derartig orchestrierten Angriff auf Künstler gegeben hat.

Es war ein psychologisch schwieriges Jahr, und ein Film über Kafka ist eine Art Flucht. Kafka ist mir seit meiner frühen Jugend wie ein Bruder nahegestanden. Unter anderem wegen ihm habe ich beschlossen, in Prag zu studieren. Jetzt fühle ich mich stark genug, um zu versuchen, ihn aus dem Stapel der Interpretationen herauszuholen und ihm als Person zu begegnen. Daher auch der TitelFranz – nichtKafka. Kafka ist eine Marke geworden, jeder macht mit ihm, was er will.

28. August 2024

POLNISCHE PRESSESCHAU 216 vom 20.8.2024

Liebe Leserinnen und Leser, ?es gibt Linke, die was für die Menschen tun, aber auch nur an LGBT interessiert sind. Wie konservativ sind die Polen und was weiß Tusk über die Sprengung in der Ostsee? Duda behindert weiter das Regieren. Auch der polnische Minister für Kriegstüchtigkeit hat sein Pläne für die Schulen. Und die Fische sterben tonnenweise und diese Berichte werden immer grauenvoller. ?

Der Bürgermeister von Wloclawek tut, worüber andere nur reden

Polityka, 20.8.2024

Krzysztof Kukucki hat die 35-Stunden-Woche im Rathaus eingeführt und unterstützt den Kampf gegen die unbezahlten Praktika, die vielen Studenten drohen. Vor allen Dingen baut er Sozialwohnungen in Wloclawek und dies soll bald zum Projekt für ganz Polen werden. Die verkürzte Arbeitszeit in den Ämtern hat natürlich nicht zur Folge, dass die Öffnungszeiten verkürzt werden.

Von Beginn seiner politischen Laufbahn an tritt er für den Bau bezahlbarer Wohnungen ein. Als Vorsitzender des Stadtrates und ab 2019 Vertreter des Bürgermeisters sah er es als seine Aufgabe an, sich um den Wohnungsbau zu kümmern. Inzwischen sind 432 bezahlbare Wohnungen fertig geworden, 800 Bewerber gab es.

Bei den Parlamentswahlen im Oktober 2023 gewann er für die Neue Linke einen Posten im Senat und im Januar 2024 wurde er zum Staatssekretär im Ministerium für Entwicklung und Technologie berufen. Dort hat er sich um Investitionen für den kommunalen Wohnungsbau und Sanierungen stark gemacht. Er hat ein Gesetz dem Ministerrat vorgelegt, nachdem jährlich 5 Milliarden für den Bau bzw. die Renovierung von 20.000 kommunalen bezahlbaren Wohnungen bereitgestellt werden sollen. Im April stellte er sich zur Wahl als Bürgermeister und gewann. Darüber sind nicht nur seine Anhänger aus der Neuen Linken froh. „Unser Schatz in der Kommunalverwaltung“ sagt der linke Aktivist ohne Ironie. Kukuckis Kollegen beschreiben ihn als konfliktfrei, zielstrebig, effizient und Lokalpatriot. „Er hat keine Feinde. Er macht Karriere damit, unsere Forderungen durchzusetzen. Das verschafft ihm Respekt in der Zentrale“, erklärt ein Parteimitglied. Es ist schwierig, ihn einer bestimmten Fraktion zuzuordnen. Unsere Gesprächspartner überzeugen uns, dass er mit allen auskommen kann.

Worauf sind Polen stolz und worauf nicht?                                            

Przeglad, 12.8.2024

Das kommentiert der stellvertretende Chefredakteur Robert Walenciak. Dabei geht er von einer Umfrage aus, die die Zeitung Rzeczpospolita zu historischen Ereignissen Polens in Auftrag gegeben hat. Auf de letzten Platz landete der Warschauer Aufstand mit 3,3 Prozent. Dieses Ereignis war an letzter Stelle angegeben. Und das zu Recht. Der Aufstand war eine militärische und politische Niederlage, es wurden keine Ziele erreicht. Mit der Ankündigung des Ausbruchs haben die Anführer einen grundlegenden Mangel an Kompetenz demonstriert. Warschau wurde zerstört, und 180-200.000 seiner Einwohner wurden ermordet. Worauf soll man da noch stolz sein?

Gleichzeitig zeigte die Umfrage, wie resistent die Polen gegen Propaganda sind, wie sie -– im Gegensatz zur Welt der Medien und der Politik – in der Lage sind, bei Verstand zu bleiben.

Der Warschauer Aufstand ist schließlich einer der Eckpfeiler des Solidarnosc-Lagers und der polnischen Rechten. Die Erinnerung an ihn, seinen "Erfolg" und seine "Botschaft" legitimiert die polnische Rechte. Lech Kaczynski baute sein Museum im Stil von Disneyland. Jedes Jahr werden wir mit einem kitschigen popkulturellen Bonbon und falschen Bild von diesen Ereignissen überschwemmt.

Ja, die Menschen unterliegen nicht jeder Propaganda, da mag Duda noch so oft den Geist des Warschauer Aufstandes beschwören. Er gehört also zu den 3,3 Prozent der Polen, die darauf stolz sind, oder er versteht gar nichts.

Worauf sind also die meisten Polen stolz? Auf die Unabhängigkeit 1918, der Wahl von Wojtyla zum Papst und den Beitritt zur EU und zur NATO. Wobei die kirchlich Gebundenen natürlich stolz auf „ihren“ Papst sind, die aus dem demokratischen Lager wiederum sind stolz auf den Beitritt zur EU und NATO.

Das zeigt, wie geteilt Polen ist. Aber es zeigt auch, dass die Polen ihre eigene Identität, ihre eigenen Bestrebungen und eine nüchterne Sicht der Realität haben.

Ihre Einschätzung der polnischen Geschichte, einschließlich der in der IBRIS-Umfrage nicht erwähnten Ereignisse, unterscheidet sich von dem, was von den großen Medien propagiert wird. Sie sind resistent gegen Belehrungen. Es ist anders als in den Zeitungen und im Fernsehen. Man könnte sogar den Eindruck gewinnen, dass die gehobenen Medien der dümmste Teil der polnischen Realität sind. Es lohnt sich, dies in Erinnerung zu behalten.

12,5 Tonnen toter Fische aus Oderzulauf bei Gliwice                        

OKO.press.pl, 10.8.2024

Tote Fische wurden sowohl in Dzierzno Duze als auch im Gleiwitzer Kanal beobachtet. Die Konzentration von Goldalgen pro Liter Wasser ist weiterhin hoch. "Das Herausfischen der Fische geht weiter – diese Situation wird wahrscheinlich noch einige Tage andauern", teilte der schlesische Woiwode Marek Wojcik während des Briefings am Freitag (9.8.) mit. Er erklärte, dass die Goldalge – dieselbe Alge, die 2022 die Katastrophe in der Oder verursachte – in Dzierzno Duze im Bezirk Gliwice immer noch in großen Mengen vorhanden ist. Während die Alge gedeiht, setzt sie Giftstoffe frei, die zum Tod der Fische führen. Ihre Leichen werden seit Anfang der Woche aus Dzierzno und dem angrenzenden Abschnitt des Gleiwitzer Kanals gefischt.

Experten bekräftigen, dass die Oder-Katastrophe seit 2022 ununterbrochen anhält. Tote Fische im Gleiwitzer Kanal wurden dieses Jahr bereits im Februar herausgefischt. Eine so tragische Situation wie am Dzierzno wurde 2024 jedoch noch nicht beobachtet.

Bei Untersuchungen des Dzierzno-Wassers im Zentralen Forschungslabor der Hauptinspektion für Umweltschutz wurden 100 Millionen Zellen von Goldalgen pro Liter festgestellt. Dies ist eine sehr hohe Konzentration, die jedoch während der Umweltkatastrophe im Gleiwitzer Kanal im Jahr 2022 bis zu dreimal höher war.

"Die gute Nachricht ist, dass wir im vierten Abschnitt des Gleiwitzer Kanals kein Fischsterben mehr beobachten und deshalb davon ausgehen, dass das Gift dort schon seit einigen Tagen nicht mehr vorhanden ist", so der Woiwode.

Sowohl der Fluss Klodnica, dessen Wasser Dzierzno Duze speist, als auch der Gleiwitzer Kanal münden bei Kedzierzyn-Kozle in die Oder. Bislang wurden jedoch keine toten Fische in der Oder beobachtet.

Ein Sondergesetz war eines der Themen eines Treffens in der schlesischen Woiwodschaftsverwaltung am Freitag, dem 9. August. An dem Treffen nahm der stellvertretende Infrastrukturminister Przemyslaw Koperski teil.

"Das heutige Treffen ist nicht nur eine Analyse der Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, sondern vor allem eine Gelegenheit, konkrete und wirksame Maßnahmen zu entwickeln, die das Gleichgewicht der Wasserökosysteme des Gleiwitzer Kanals und der Oder wiederherstellen werden", so Koperski. Das Ministerium berichtet, dass zu den Empfehlungen auch Maßnahmen zur Minimierung der Versalzung durch Grubenwasser sowie Revitalisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen gehörten. Die Bedeutung der Wasserüberwachung wurde hervorgehoben.

Inzwischen häufen sich die Horrormeldungen über tote Fische in diesem Gebiet. Innerhalb der vergangenen zwei Wochen haben polnische Behörden insgesamt 77 Tonnen verendeter Fische aus dem Gleiwitzer Kanal und dem Stausee Dzierzno Duze geborgen. Das Umweltministerium sprach von einer lokalen Umweltkatastrophe. (Berliner Zeitung, 20.8.24)

Nach dem Fund von Tonnen verendeter Fische in Nebengewässern der Oder versuchen polnische Behörden, die Blüte der giftigen Goldalge mit Chemie einzudämmen. In den vergangenen Tagen sei an einer Stelle des mit der Oder verbundenen Gleiwitzer Kanals kontrolliert Wasserstoffperoxid eingeleitet worden, teilte das Klima- und Umweltschutzministeriums in Warschau mit. „Einem vorläufigen Bericht zufolge zerstörte der Versuch mit Wasserstoffperoxid die Zellen der Goldalge und führte zu einer Reduzierung dieser Alge mit einer Effizienz von 90 bis 99,9 Prozent.“

Buchstabe und Geist eines Gesetzes                                                

studioopinii.pl, 9.8.2024

Kommentar von Zbigniew Szczypinski:

In der polnischen Politik wird es immer schlimmer, jeder Tag bringt neue Ereignisse, neue Grenzen werden überschritten, wichtige Entscheidungen werden getroffen, die vom offenen Krieg auf den Gipfeln der Macht zeugen.

Die Tatsache, dass Andrzej Duda, immer noch Präsident, sich über die Entscheidungen des Sejm und des Senats hinweggesetzt und den Bericht des Nationalen Rates für Rundfunk und Fernsehen akzeptiert und ihm damit das Recht gegeben hat, mit seinem Vorsitzenden, der sich selbst als Taliban der Partei Recht und Gerechtigkeit bezeichnet, weiterzuarbeiten, wie man an den Entscheidungen, die er in Bezug auf die polnischen Medien getroffen hat, sehen kann, kann man nicht so schnell und einfach vergessen.

Der noch amtierende Präsident Andrzej Duda befindet sich im offenen Krieg mit der Regierung von Donald Tusk und der Regierungskoalition. Er schreibt sich das Recht zu, seine eigene Außenpolitik zu betreiben, und verstößt damit gegen die polnische Verfassung, in der unmissverständlich festgelegt ist, dass die Außenpolitik von der Regierung betrieben wird. Andrzej Duda, immer noch Präsident, glaubt, dass er derjenige ist, der entscheidet, wer Botschafter, Richter oder Professor werden kann und wer nicht – denn er ist derjenige, der diese Ernennungen im Präsidentenpalast vergibt.

Er vergibt, aber er entscheidet nicht, aber das ist für Andrzej Duda, immer noch Präsident, zu schwer zu verstehen.

Was muss noch passieren, um das Drama um den noch amtierenden Präsidenten Andrzej Duda zu beenden? Oder, wie die "Eichhörnchen" berichten, wird das passieren, weil der Präsident aller Präsidenten, Jaroslaw Kaczynski, es verlangt? Der will angeblich seine Amtszeit verkürzen, um einen Präsidentschaftswahlkampf für seinen Kandidaten zu führen, solange die PiS noch das Geld und die Unterstützung ihrer eisernen Wählerschaft hat. Wie lange er die noch haben wird, weiß niemand.

Der Fall Andrzej Duda, immer noch Präsident, der schlechteste Präsident in der Geschichte der Dritten Republik, zeigt, wie viel Schaden ein einzelner Mann anrichten kann, ein Mann, dessen Ego umgekehrt proportional zu seinen Qualifikationen ist – als ich diese Verfassung in die Wege leitete, hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass ein solcher Fall eintreten könnte. Ein so kleiner Mann in einem so wichtigen Amt. Ich erinnere mich auch daran, dass es Donald Tusk war, der sagte, dass es bei der Präsidentschaft nur darum geht, den Kronleuchter zu bewachen – der Fall von Andrzej Duda, immer noch Präsident, zeigt, dass das nicht ganz stimmt.

Es ist an der Zeit, zu sagen: GENUG! Es ist an der Zeit, der eklatanten Verhöhnung des elementaren Anstands ein Ende zu setzen und so zu handeln, dass von der Idee bis zum Ergebnis nicht Jahre, sondern Tage oder Wochen vergehen – so viel, und nur so viel, wie die Bestimmungen der Gesetzbücher und der Geist des Gesetzes zulassen. Wenn es Schlupflöcher in den Akten gibt, dann soll der Geist des Gesetzes sprechen, und der Gerechtigkeit wird Genüge getan werden.

Wie konservativ denken Polen                                                                  

Polityka, 13.8.2024

Die Regierenden berufen sich bei Fragen der Verhütung, Scheidung, Schwangerschaftsabbruch und sexuelle Minderheiten immer auf die konservative Denkweise ihrer Landsleute. Polityka hat diesbezügliche Umfragen in Auftrag gegeben, zumal diese Fragen bald im Sejm zur Beratung kommen.

•    Wen soll die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruch betreffen: alle Beteiligten 38%; nur Verwandte 11%; muss immer bestraft werden 26%; 25% schwer zu sagen

•    Eine Korrektur des Geschlechts darf nur bei den über 18jährigen erlaubt sein 63%; auch bei den unter 18 jährigen 11%; schwer zu sagen 26%

•    Für das uneingeschränkte Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch bis zur 12.Woche der Frau sind 45%; sollte grundsätzlich verboten werden 14%; für eine Legalisierung wie vor 2020 (bei Gefahr für Leben und Gesundheit der Mutter) 27%; schwer zu sagen 14%

•      Gleichgeschlechtliche Paare dürfen Kinder adoptieren 24%; nur die Kinder vom Partner/in 24%; grundsätzlich keine Adoption 40%; schwer zu sagen 12%

•    Dürfen gleichgeschlechtliche Paare im Standesamt feierlich die Ehe schließen? JA 60%; NEIN 30%

•    Dürfen sie den gleichen Namen tragen: JA 62%, NEIN 25%

•    Dürfen über 15jährige ohne Wissen der Eltern die Pille danach erwerben? JA 41%; NEIN 50%

Ferien zu Hause?                                                                                     

Przeglad, 19.8.2024

Nach einigen Erhebungen ist davon auszugehen, dass knapp die Hälfte der Kinder und Jugendlichen ihre Ferien zu Hause verbringen. Es gibt so manche, die immer bessere Hotels und Ferienanlagen benutzen. So manche ziehen das Mittelmeer vor, weil sie dort bei einem Aufenthalt von 14 Tagen billiger wegkommen als bei 11 Tagen an der polnischen Ostsee. Wenn sich der Trend verstärkt, den Urlaub im Ausland zu verbringen, könnte es an die Substanz der eigenen Tourismusbranche gehen. Die finanziell besser gestellten Kinder und Jugendlichen verbringen ihren Ferien mit der Familie. Zur Zeit der Volksrepublik sind die Massen von Kindern und Jugendlichen durch verschiedene Organisationen mit Gleichaltrigen in den Urlaub gefahren. Jetzt gibt es solche Angebote nicht mehr. Sogar die Kirche, die viel Geld hat, hat diesbezüglich ihr Angebot minimiert.

Viel wird über die Krise gesprochen, ja auch über den Niedergang der Linken. Solange die sich nicht darum bemüht, dass möglichst viele Kinder ihre Ferien außerhalb der eigenen vier Wände verbringen können, wird sie von vielen Menschen als solche nicht wahrgenommen, sondern als eine Partei, die sich ausschließlich für die Rechte der LGBT-Gemeinschaft einsetzt. So wird sie damit rechnen müssen, dass sie immer weniger unterstützt wird.

Tusk und die Sprengung von Nordstream 1+2                                 

OKO.press.pl, 17.8.2024

Tusk sendet ein klares Signal über die „sozialen“ Medien an Deutschland: „An alle Initiatoren und Beteiligten von Nord Stream 1 und 2: Alles, was Sie heute tun sollten, ist, sich zu entschuldigen und zu schweigen.“

Hat Polen geholfen? Offiziell leugnen alle Parteien, die beschuldigt werden, an der Operation beteiligt gewesen zu sein, oder verweigern jeden Kommentar. Unter dem Gesichtspunkt der internationalen Beziehungen ist dies ein heikles Thema. Die Sabotage trifft natürlich Russland – das mit dem Verkauf von Erdgas nach Europa Geld verdient –, aber auch Deutschland, weil unsere westlichen Nachbarn auf diese Weise mit dem für ihre Wirtschaft wichtigen Gas versorgt wurden. Eine mögliche Beihilfe oder Duldung der Sabotage seitens von Polen könnte die polnisch-deutschen Beziehungen beeinträchtigen. Tatsächlich heißt es in dem Artikel des Wall Street Journals, dass Polen einen geheimen Haftbefehl gegen einen der Hauptverdächtigen bei der Sabotage ignoriert hat. Diese Person soll sich bereits in der Ukraine befinden.

Der Auftritt von Tusk wird in Deutschland sicherlich wahrgenommen werden. Der Ministerpräsident macht hier deutlich, dass der Schlag gegen die Russen wichtiger ist als deutsche Wirtschaftsinteressen. Mit einem solchen Standpunkt zeigt Tusk auch seine Position auf der innenpolitischen Bühne. Im Jahr 2010 sagte er als Ministerpräsident, dass der Bau und Betrieb der Nord-Stream-Gaspipeline im Interesse Polens liege.

„Die wichtigste Aufgabe für die polnische Regierung sind nicht ideologische Kriege mit einem Land, sondern die Sicherung der polnischen Haushalte mit einer nachhaltigen Gasversorgung für viele Jahre“, sagte er damals.

Das war allerdings vor 2014. Heute wäre eine ähnliche Position in Polen inakzeptabel, und der Premierminister zeigt, dass er seine Meinung geändert hat.

Patriotische Bildung der Kinder und Jugend                                               

Oko.press.pl, 19.8.2024

oder wie Kosiniak-Kamysz (Verteidigungsminister) und die PSL die polnische Bildung ausstatten wollen.

Die PSL verhält sich wie die PiS. Unter Missachtung der Pläne des Bildungsministeriums und der Stimmen von Experten legt sie einen Gesetzentwurf zur patriotischen Erziehung vor. Darin gibt sie nicht nur die Orte an, die die Schüler obligatorisch besuchen sollen, sondern verwirft auch die Idee der Zivilgesellschaft, eine nationale Bildungskommission einzurichten.

Der Vorsitzende der Polnischen Volkspartei (PSL), Wladyslaw Kosiniak-Kamysz, nutzte die staatlichen Feierlichkeiten zum Tag der polnischen Armee und kündigte an, dass seine Partei einen Gesetzentwurf zur patriotischen Erziehung vorlegen werde. Auf der Website der PSL ist zu lesen, dass das Projekt „bahnbrechend“ sei und die Partei einen umfassenden Plan für die junge Generation habe, die „dem Einfluss der Globalisierung, der Desinformation und der Aushöhlung der traditionellen nationalen Werte ausgesetzt“ sei. Ausflüge zu historischen Stätten sollen das wichtigste Instrument zur Förderung patriotischer Haltungen sein.

Auch der ehemalige Bildungsminister Przemyslaw Czarnek hatte sich die Stärkung der nationalen Identität so vorgestellt. Für das unter der PiS-Regierung eingeführte Programm „Lernen Sie Polen kennen“ mussten sich die Schulen selbst bewerben. Auf der Liste der empfohlenen Sehenswürdigkeiten standen damals unter anderem: das Museum des Familienhauses des Heiligen Vaters Johannes Paul II. in Wadowice, das Kloster der Karmeliterinnen in Sosnowiec, Jasna Gora in Czestochowa, das Caritas-Zentrum in Myczkowce, die Gedenkstätte für die Opfer des Zweiten Weltkriegs in Piasnica und sogar Goszczanow, das Heimatdorf von Minister Czarnek. Das Interesse war groß, aber die katholischen Schulen hatten im Programm der PiS Vorrang. Zehn Prozent aller Schüler und Schülerinnen kamen in den Genuss der Förderung.

Die PSL schlägt in einem bereits vorgelegten Gesetzentwurf vor, dass die Besuche allgemein und obligatorisch sein sollen. Ein wenig nach dem Vorbild Israels, wo jeder Schulabgänger nach dem Besuch von Holocaust-Gedenkstätten die Schule verlässt. Die PSL-Politiker schlagen vor, dass dies in Polen der Fall sein sollte: Das Wawel-Schloss, das Königsschloss in Warschau, das Europäische Solidaritätszentrum, das Museum des Warschauer Aufstands, das POLIN-Museum für die Geschichte der polnischen Juden, das polnische Armeemuseum, das Kopernikus-Wissenschaftszentrum, das Museum Auschwitz-Birkenau, das Europäische Solidaritätszentrum und das Museum Stutthof.

Politische Arroganz der PSL, denn man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die PSL offene Türen einrennt und versucht, sich in den Augen der konservativen Wählerschaft zu profilieren, ohne dabei unbedingt die Pläne des Ministeriums für nationale Bildung oder die Stimmen der Bildungsgemeinschaft zu berücksichtigen. Der Leiter des Verteidigungsministeriums betonte, dass diese Initiative „gegen niemanden gerichtet ist“.

„Die PSL hat das Recht, das zu betonen, was ihr auf dem Herzen liegt“, sagte Wladyslaw Kosiniak-Kamysz.

Obwohl PSL-Politiker von einer Entpolitisierung und Sozialisierung der Bildung sprechen, unterscheiden sie sich kaum von ihren PiS-Vorgängern. Außerdem schlagen sie, ohne die Bildungseinrichtungen zu konsultieren, Lösungen vor, die vor allem dem politischen Gewinn dienen. Veränderungen im Bildungswesen brauchen keine Dekrete und populistischen Slogans, sondern eine umfassende Diagnose, Dialog und Zeit.

Menschen aus dem Niemandsland                                                           

Przeglad, 19.8.2024

Die Tragödie der Menschen, die auf den Staatsgütern (PGR) in der PRL beschäftigt waren, liegt darin, dass sie nirgends dazu gehörten und somit eigentlich unsichtbar waren. Weder waren sie Dörfler, noch Städter, weder Bauern noch Arbeiter. Jetzt erschien ein interessantes Buch, das sich damit auseinander setzt. Die Staatsgüter entstanden nach dem 2.Weltkrieg auf den verlassenen Höfen deutscher Junker und Großgrundbesitzer. Die Landarbeiter kamen als Vertriebene aus dem Osten Polens. Sie bildeten eine soziale Struktur, arbeiteten in ihren entsprechenden Bereichen. Sie waren Landarbeiter und konnten keine Landwirte sein. Aber so stellte sich das die III. Polnische Republik nach 1990 vor. Es verkamen die Güter, aber auch die Menschen. Wie sollte auch ein Landarbeiter, der zum Beispiel bisher Kühe gemolken oder den Traktor repariert hat, mit einem Mal die Initiative für ein Aufbau eines landwirtschaftlichen Unternehmens übernehmen? Wissen und Kompetenzen fehlten. Sie wurden von der Mazowiecki-Regierung allein gelassen und auch die späteren Regierungen kümmerten sich nicht um sie. Dabei gehörten einst zu den PGR 18,5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Während der Polnischen Volksrepublik gab es individuelle Bauern, die Regierung hat zwar immer wieder versucht, ihnen das Leben schwer zu machen, aber zu landwirtschaftlichen Genossenschaften, wie in der DDR, waren sie nicht zu bewegen.

28. August 2024

POLNISCHE PRESSESCHAU 215 vom 4.8.2024

Über die Schwierigkeiten, ein rechtsstaatlich funktionierendes Land aufzubauen. Und immer wieder über den Präsidenten, der im Dienste der PiS steht und widerrechtlich handelt. Das historisch widersprüchliche Verhältnis zwischen der Ukraine und Polen und das Regime an der belorussischen Grenze – ganz wie zu PiS-Zeiten.

Die Regierung muss den Stall ausmisten                                                     

Przeglad, 5.8.2024

Die Wähler erwarten von der Regierung, dass sie mit all den Ungerechtigkeiten, Ungereimtheiten und dem Machtmissbrauch der PiS-Regierung aufräumt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zieht. Allerdings scheint es vielen Politikern der neuen Regierung nicht darum zu gehen:

Holownia, der Parlamentsvorsitzende und Chef von Polska 2050 ist der Auffassung, dass etwas Neues getan werden muss, in die Zukunft geschaut werden muss und gibt dazu schwammige Erklärungen von sich:

•      Die Menschen interessierten andere Dinge, vor allen Dingen müssten sich die Politiker um die Daseinsvorsorge kümmern.

•      Die Abrechnung werde zu einer langweiligen Serie, die den Regierenden keine Popularität einbringe.

•      Im Gegenteil, die Kommissionen machten sich lächerlich, weil sie oft im Chaos endeten. Kaum eine Anklage gehe an die Staatsanwaltschaft und dann flüchte der Vorsitzende noch nach Brüssel ins EU-Parlament.

•      Es gebe eine Kluft zwischen den Versprechen vor der Wahl einerseits und die Ratlosigkeit und das Unvermögen der Gremien danach.

•      Die Vorwürfe gegenüber der PiS und den Ziobristen würden äußerst unprofessionell formuliert, wodurch diese sich als Opfer von Verfolgungen präsentieren könnten.

•      Die PiS tue alles dafür, die Aufklärung ihrer Untaten zu unterbinden oder zumindest als einen Akt darzustellen, der nicht die Gerechtigkeit, sondern Rache im Sinn hat.

•      Die Abrechnung würde die Atmosphäre im Land vergiften, in solch einem Klima wäre das Regieren erschwert.

Also haben wir uns alle wieder lieb?

Nun, es muss auch in Betracht gezogen werden, dass die Koalition selbst viele Probleme hat, sie ist sich in vielen Punkten uneins und nicht in der Lage sich zu einigen. Sie möchten in aller Ruhe regieren, ist auf Auseinandersetzungen nicht vorbereitet.

Acht Jahre PiS-Regierung mit Ziobro als Justizminister und Generalstaatsanwalt haben einen Justizapparat hinterlassen, der auf Hörigkeit gegenüber der Politik ausgerichtet ist. Da nützt es wenig, einige führende Köpfe auszutauschen. Zumal die Fähigkeiten der Staatsanwaltschaften, Beweise sicherzustellen, um auch ein Strafverfahren einleiten zu können, schwach ausgeprägt ist. Es gibt jedoch eine lange Liste von Vergehen der PiS-Regierung, die es abzuarbeiten gilt, und es tauchen immer wieder neue Verdachtsfälle auf, wo weitere Gelder veruntreut wurden.

Was blockiert die Aufarbeitung der PiS-Regierung?

•      Die Politiker versprechen eine schnelle Bearbeitung der Fälle und führen dadurch die Bevölkerung in die Irre, denn eine gründliche Bearbeitung durch die Gerichte braucht Zeit.

•      Ganz problematisch ist die Situation in den Staatsanwaltschaften, die nicht vollständig durch die neue Regierung erneuert wurden und so die Aufarbeitung blockieren.

•      Die neue Regierung kann nicht unbedingt auf die Loyalität der Beamten zählen, die sich unsicher sind, welchem Herren sie dienen sollen.

•      Vor allen Dingen blockiert der Präsident. Ihm wurden keine Gesetzesentwürfe vorgelegt, die das Recht klarer fassen würden, weil allen klar ist, dass er dem nie zustimmen würde – das zieht sich bis hin zum Verfassungsgericht, das widerrechtlich im Amt ist.

•      Es braucht viele Experten, die die widerrechtlichen Taten der alten Regierung untersuchen, und dafür braucht es Zeit.

•      Viele kompetente Fachleute, die von der PiS entlassen wurden, haben neue Jobs und wollen nicht zurück.

•      In den Zeiten der PiS entwickelte sich eine Form der gegenseitigen Abhängigkeiten, in die auch Politiker der ehemaligen Opposition verquickt waren. Sie möchten wohl nicht, dass deren Verwandte, die aus diesem Grund und nicht wegen ihrer Kompetenz einen Posten erhielten, diesen wieder aufgeben müssen.

Bei der Abrechnung geht es nicht um einen Kampf gegen die PiS, sondern um einen Kampf um Polen, ein Polen auf das jeder stolz sein kann. Das sieht Tusk wohl auch so, aber so manche in seiner Regierung möchten nur ihre Ruhe haben.

Heuchelei Hand in Hand mit Unverschämtheit                                    

Przeglad, 22.7.2024

Die Polen sind sehr unterschiedlich. Auch in ihrer Einstellung zum Diebstahl. Millionen unserer Landsleute hängen folgender Ansicht über PiS-Politiker an: Sie stehlen, aber sie teilen untereinander.?Mit dieser Einstellung zu Dieben ist es abwärts gegangen – bis hinunter auf die lokalen Strukturen. Der Gute oder zumindest der Annehmbare ist derjenige, von dem etwas auf die unteren Ebenen der Hierarchie herabrieselt. Die Akzeptanz solcher Haltungen ruiniert die elementaren Prinzipien des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Zwei Amtsperioden Kaczynskis haben die Beziehungen zwischen den Menschen zerstört. Und sie haben an den Grundfesten der staatlichen Institutionen gerüttelt. Aus weiß ist schwarz geworden und umgekehrt. Begriffe wie Recht und Gerechtigkeit wurden lächerlich gemacht, ihrer Ernsthaftigkeit beraubt. Es überrascht nicht, dass es an der Zeit ist, die Verantwortlichen für die Verwüstung des Staates zur Rechenschaft zu ziehen.

Es ist klar, dass die Wählerschaft der neuen Regierung effektive Maßnahmen erwartet, die das, was darniederliegt, auf die Beine stellen sollen. Um diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die das Gesetz zur Lachnummer gemacht haben, nun ja, das lässt sich leicht schreiben. Aber im wirklichen Leben ist eine solche gigantische Aufräumarbeit sehr schwierig. Erstens ist die Regierung eine Koalitionsregierung, infolgedessen sind viele Positionen an die Parteien wegen der Parität gegangen, nicht wegen ihrer Kompetenz.

Zweitens: Die alte Regierung hatte acht Jahre Zeit, sich zu etablieren und ihre parteipolitischen und gesellschaftlichen Interessen durchzusetzen. Es gibt immer noch Tausende von Kandidaten der Vereinigten Rechten.  Die meisten haben zwei linke Hände, um eine Arbeit zu erledigen. Und wenig Interessen etwas zu tun – bis sie hinausgeworfen werden. Die politischen Vertreter dieser Armee von Marodeuren sehen wir im Fernsehen und in anderen Medien. Es ist Jahrzehnte her, dass es in Polen so viele Menschen gab, die immer nur lügen. Dabei zucken sie nicht einmal mit der Wimper, denn es ist ihnen von den Experten für Manipulation beigebracht worden.

Aus vielen Beispielen wissen wir: Selbst wenn sie an der Hand gepackt werden, sagen sie, dass es nicht ihre Hand ist.

Die Affäre der Verhaftung des ehemaligen stellvertretenden Ministers Romanowski ist eine Bestätigung für die Entschlossenheit, mit der diese Kreise die Rechenschaftspflicht hinauszögern. Seit Jahren bewerfen sie die schlimmsten und dümmsten europäischen Institutionen mit den schlimmsten und dümmsten Anschuldigungen. Wenn es brenzlig wurde, versteckten sie sich unter dem europäischen Schirm. Heuchelei und Anmaßung sind die Markenzeichen der Politiker des souveränen Polens. Sie wissen, dass die Vorwürfe gegen sie sehr ernst sind, obwohl die Maschinerie der Abrechnung gerade erst begonnen hat. Am Horizont, der sich schnell nähert, sind bereits Gefängnisgitter zu sehen. Die Schuldigen müssen hinter Schloss und Riegel gebracht werden, damit sich die Politiker noch lange an diese Lektion erinnern.

Heuchelei und Frechheit gehen Hand in Hand. Sagt: Jerzy Domanski

Kampf um diplomatische Vertretungen                                                  

Przeglad, 29.7.2024

In den acht Jahren hatte die PiS die Möglichkeit, ihren Leuten lukrative Posten als Botschafter oder auch auf einer niedrigeren Ebene in aller Welt zu zuschanzen, so haben nur 45 ausgebildete Diplomaten die 103 polnische Vertretungen besetzt. Sikorski, der neue Außenminister, hatte die Hoffnung, dass er sich mit dem Präsidenten verständigt. Aber dieser hat nicht einmal die Nominierung von 40 Berufsdiplomaten unterschrieben, die die freien Stellen besetzen sollen und die durch die entsprechenden Gremien des Parlamentes bestätigt wurden.

Im Gegenteil, Duda verteidigt sogar Botschafter, die recht fragwürdige Aktivitäten ausgeübt haben sollen. So der Botschafter bei der NATO, Tomasz Szatkowski. Da es mit Duda zu keiner Verständigung kam, hat Tusk nun das Parlament informiert, dass während der Zeit der PiS-Regierung der Militärische Abschirmdienst Szatkowski vorwarf, mit Dokumenten nicht sorgsam umzugehen, Kontakte mit ausländischen Diensten zu unterhalten und sich unrechtmäßig Eigentum erworben zu haben. Duda wusste es und hat ihn gedeckt. Jetzt wurde ein Verfahren gegen Szatkowski eröffnet, damit er keinen Zugang mehr zu Informationen hat.

Auch in diesem Bereich ist Duda der Verteidiger der PiS-Leute und es wird auch hier keine Verständigung möglich sein, solange er Präsident ist.

Und natürlich möchte Tusk z.B. in den USA einen Botschafter haben, dem er vertraut und der nicht die Geschäfte für Duda (dem Freund von Trump) führt, so wie es bis jetzt der Fall ist.

RAZEM stellt Bedingungen an die Vereinigte Linke                                

Polityka, 17.7.2024

Die Linke Razem hat trotz ihrer nicht messbaren Unterstützung in den Umfragen begonnen, Bedingungen für den Verbleib in der parlamentarischen Koalition des Regierungslagers zu stellen. In der Regierung war sie von Anfang an nicht dabei. Worum geht es bei diesem Spiel und was könnte es am Ende sein?

Im Juni fand der Nationalrat der Linken Razem statt. Es hieß, sie würde der Neuen Linken – also SLD und Wiosna – ein Ultimatum stellen. Bisher ist dort keines eingegangen. Razem ist damit unzufrieden, dass die Neue Linke Vorhaben der PSL zwar unterstützt, aber von dieser wiederum keine Unterstützung erhält. Sie, die ein Drittel der linken Abgeordneten stellen, erwarten, dass diese konsequent ihre Grundsätze im Parlament vertreten und sich mit mehr Bewusstsein Tusk in den Weg stellen. Sonst wird die Linke mit ihren Forderungen unsichtbar und die Wähler:innen werden sie ganz aus den Augen verlieren. Dabei stellt sich immer auch wieder die Frage, ob es zu einem Bruch kommt. Beobachter sind sich da nicht sicher, ob die einen und anderen Linken noch eine parlamentarische Zukunft haben würden.

Verbrechen an der polnischen Bevölkerung in Wolyn                            

Przeglad, 15.7.2024

In Kiew wissen sie, dass sie von Polen alles bekommen, was sie sich nur wünschen. Also müssen sie sich auf gar keine Kompromisse einlassen, auch nicht in Bezug auf die tragische Geschichte. Die Angst vor Russland ist in Polens Eliten so groß, dass sie über alles andere hinweggehen. Einige Vordenker haben die Doktrin postuliert, dass Polen, egal wie auch immer die Lage ist, gute Beziehungen zu seinen östlichen Nachbarn, die zwischen Polen und Russland liegen, haben muss.

Aber das Volk sieht es anders. Es sieht nicht ein, dass den Ukrainern grenzenlos Hilfe geleistet wird, während  diese nicht einmal bereit sind, die Opfer von Wolyn exhumieren zu lassen, um ihnen eine ehrenhafte Grabstätte zu geben. Denkmäler für die Opfer gibt es in der heutigen Ukraine nicht, aber Denkmäler für die Täter, wie Bandera und andere Mörder, die mit den Nazis kollaborierten.

Wann immer die polnische Seite ihren Anteil an Schuld an den verbrecherischen Auseinandersetzungen in Galizien bekannte und Asche auf sein Haupt streute, war die Ukraine nicht bereit dazu. Im Gegenteil, sie haben aggressiv auf die gesellschaftlichen Kräfte in Polen reagiert, die gegen die Glorifizierung der besonders verbrecherischen Gestalten des OUN/UPA protestierten, weil diese ukrainischen Politiker zugleich deren Verbrechen negiert haben.

Das Umfeld von Bandera hat bereits während ihrer Emigration einen falschen Mythos um die OUN/UPA aufgebaut, sie als eine Unabhängigkeitsbewegung dargestellt und dies dann in den neunziger Jahren als ein Narrativ in der Ukraine etabliert.

Der Chefredakteur von Przeglad überschreibt seinen Kommentar: "Eine Geopolitik, erbaut auf Lügen". Was ihn stört, ist das Tempo, in dem die Verbrecher Bandera und andere in der Ukraine zu Nationalhelden gekürt wurden. In der Ukraine leben noch solche Mörder, und sie können ruhig schlafen. Sie können sich ihre eigenen Denkmäler aufstellen. Aber eine Exhumierung der Opfer oder gar Gedenken und Gedenkstätten für diese gibt es nicht. Und die polnischen Politiker hat es nicht gestört und stört es nicht.

Es ist völlig unverständlich, dass so etwas möglich ist. Die bestialisch ermordeten Bauern werden vergessen, dabei wäre es wichtig, sich mit der Ukraine sich auseinanderzusetzen. Jan Niewinski, der damals Offizier der Polnischen Armee war, sagte: „Nicht die Ukrainer haben die Verbrechen an den Polen zugelassen, es war die OUN/UPA, die neben etwa 150.000 Polen auch 80.000 ihrer eigenen Landsleute ermordet hat!“

Zahl der minderjährige Migranten steigt                                            

OKO.press, 3.8.2024

Wenn sie nicht hinter den Zaun geschoben werden, landen sie in den Rädchen eines ineffizienten Systems.?Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Migranten an der polnisch-weißrussischen Grenze steigt. Der Grenzschutz arbeitet nur ungern mit Anwälten zusammen, die Gerichte sind nicht auf die Bearbeitung von Jugendrechtsfällen vorbereitet, es mangelt an Mitarbeitern und an Plätzen in Kinderheimen.

Aufgrund der großen Zahl alleinstehender minderjähriger Migranten, die seit Anfang April dieses Jahres in Polen ankommen, sind die Betreuungseinrichtungen überfüllt. Bewachte Zentren für Ausländer (SOC) und Einrichtungen des Grenzschutzes halten die Minderjährigen fest, weil sie sie nirgendwo hinschicken können.?Es kommt vor, dass der Grenzschutz die Minderjährigen ins Kinderheim bringt, sie dort zurücklässt und wegfährt. Wenn mehr Menschen an der Grenze ankommen, ist es daher wahrscheinlich, dass die Beamten die jungen Migranten über den Zaun werfen, weil sie wissen, dass sie sie nirgendwo unterbringen können.

Dies wird von Aktivisten und Juristen behauptet. Die Grenzschutzgruppe registrierte allein im Juni 66 Personen, die nach Weißrussland zurückgeschickt wurden, darunter mehrere Frauen und mehrere unbegleitete Minderjährige, obwohl sie erklärtermaßen Schutz suchen wollten.

Ein Sprecher des Grenzschutzhauptquartiers teilte mir mit, dass der Grenzschutz von Anfang dieses Jahres bis zum 30.Juni 243 Minderjährige (56 Mädchen und 187 Jungen) festgenommen hat, die illegal die Grenze nach Polen überschritten hatten.

In der Grenzschutzeinheit von Podlasie, wo die meisten illegalen Grenzübertritte Minderjähriger von Weißrussland nach Polen stattfinden, wurden 190 Tests zur Bestimmung des Knochenalters durchgeführt, die in 39 Fällen Minderjährigkeit bestätigten.

Nach Angaben des Ombudsmannes haben vier Minderjährige einen Antrag auf Schutz gestellt. Trotz wiederholter Nachfragen habe ich keine Antwort darauf erhalten, wie viele dieser Personen unbegleitete Minderjährige waren.

Bei der Festnahme eines unbegleiteten Minderjährigen, der die Grenze illegal überquert hat, muss der Grenzschutz das Gericht ersuchen, den Minderjährigen in einer Interventionseinrichtung oder in einem bewachten Zentrum für SOC-Ausländer unterzubringen (Artikel 397 des Ausländergesetzes 2013).

"Ist ein festgenommener Minderjähriger unter 15 Jahren alt, muss er in eine Interventionseinrichtung gebracht werden. Ist er oder sie über 15 Jahre alt, stellt aber einen Antrag auf Schutz, sollte er oder sie ebenfalls in eine solche Einrichtung gebracht werden. Personen zwischen 15 und 18 Jahren können für die Dauer des so genannten Rückführungsverfahrens, d.h. für die Dauer der Abschiebung, in einem SOC untergebracht werden", erklärt Agnieszka Matejczuk, Anwältin der Vereinigung für juristische Intervention (SiP).

Sejm lobt die Professionalität der Grenzer                                                 

wolnelewo.pl, 26.7.2024

"Der Sejm der Republik Polen spricht den Soldaten der polnischen Armee und den Offizieren des Grenzschutzes, der Polizei und der Sonderdienste, die mit Hingabe, unter schwierigen Dienstbedingungen und getrennt von ihren Familien ihren Dienst an den östlichen Grenzen der Republik Polen verrichten, seine tiefste Wertschätzung und Dankbarkeit aus."

Der Sejm "drückt auch seine Anerkennung für die zahlreichen Basisinitiativen von Bürgern, Schulen und NGOs aus, die soziale Solidaritätsaktionen mit Soldaten und Offizieren organisiert haben." Es wurde also den verstärkten "echten Polen" gedankt. Kein Wort über humanitäre Organisationen.

Mit "Ja" stimmte auch die parlamentarische Linke, abgesehen von der Vertretung der Partei Gemeinsam/Razem, die die Sitzung verließ. Die Rechte bedankte sich bei der Neuen Linken für ihre "staatsfreundliche Haltung". Dies ist nur ein weiteres Beispiel dafür, dass die Linke heute im wesentlichen ein Staatswesen ist und nichts anderes. Der Staat macht Dinge, also sind diese Dinge gut, wie die Knüppel der Polizei und die uniformierten Dienste.

Gleichzeitig wurden in dieser Woche zwei Berichte von humanitären und Menschenrechtsorganisationen veröffentlicht, die diese "Professionalität der Dienste" und des Staates detailliert und in ihrer ganzen Skrupellosigkeit beschreiben.

"Trotz der Kritik von Menschenrechtsorganisationen und vernichtender Rechtsgutachten wird die Praxis der Zurückdrängung von Migranten beim Überschreiten der Grenze zwischen Belarus und Polen, die mindestens bis Anfang August 2021 zurückreicht, bis heute fortgesetzt.“

Allein im Jahr 2023 haben wir im Rahmen unserer Überwachungstätigkeit Informationen über 2800 Abschiebungen von Polen nach Weißrussland erfasst, die insgesamt 1775 irreguläre Migranten betrafen. 1682 wurden nach dem Regierungswechsel gemeldet – vom 13.12.2023 bis jetzt [zum 31.5.2024]", heißt es in dem Bericht. "Wir haben hier nur einen Krieg: die Migranten und wir. Die Politik des Pushbacks und die Gewalt der Dienste an der polnisch-weißrussischen Grenze", heißt es weiter. Der Bericht wurde von der We Are Monitoring Association in Zusammenarbeit mit der Helsinki Stiftung für Menschenrechte, der Gruppe "Grenze" und anderen Organisationen erstellt wurde.

Die Einschätzung ist vernichtend für die neue Regierung: "Äußerungen von Politikern der derzeit regierenden KO-Dritter-Weg-Links-Koalition haben bereits eine Richtung eingeschlagen, die sich mit der Linie von Recht und Gerechtigkeit während der Wahlkampfzeit deckt."

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22. Juli 2024

POLNISCHE  PRESSESCHAU 214 vom 12.07.2024

* Der Sejm hat heute die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs abgelehnt

* Chaos an der Oder; Führungsschwäche bei Tusk?; Duda Kumpel von Trump?; Klima/Kohle; Wahlen zum EU Parlament

* Im Anhang: Übersicht über polnischen Parteien und Verbänden wird auf Wunsch erweitert und jeweils als Anhang dabei

Die öffentliche Debatte in Polen über Migration und Flüchtlinge ist ein schlechter Scherz. Anstatt sich auf die Ernsthaftigkeit der Klimakrise vorzubereiten und darüber nachzudenken, wie unsere Realität mit der Migration aussehen wird, diskutieren wir in unserem Land über eine Mauer an der polnisch-weißrussischen Grenze.

Schreibt das linkskatholische https://magazynkontakt.pl/ am 05.07 2024

„Steht an der Seite der Familien und Mütter"                                                               OKO.press, 7.7.2024

Die PiS-Regierung hatte Gesetze erlassen, die den Schwangerschaftsabbruch rigoros unter Strafe stellten und das medizinische Personal in eine Zwangssituation brachten, weil ein Schwangerschaftsabbruchs bzw. das Entfernen des Föten in medizinischer Notlage in jeder Form strafrechtlich geahndet werden konnte. Es kam zu dramatischen Situationen. In Folge dessen starben schwangere Frauen, weil ihnen der Fötus trotz Lebensgefahr nicht entfernt wurde.  Eine der wichtigsten Forderungen an die neue Regierung war, diese Gesetze außer Kraft zu setzen. Das war auch einer der Gründe, warum gerade viele Frauen zur Wahl gingen.

Die Gesetze zu ändern ist nicht möglich, solange der PiS-Präsident Duda noch amtiert. Deswegen geht es darum, Verordnungen zu erlassen, die nicht das Votum des Präsidenten erfordern. Jedoch muss den Koalitionären von vornherein klar gewesen sein, dass es Schwierigkeiten mit der Mehrheit im Parlament geben wird. Denn das Bündnis TD (Dritter Weg) fühlt sic, vereinfacht gesagt, an die Vorgaben der polnisch-katholischen Kirche gebunden.

So entstand eine Gruppe, die einen Kompromissentwurf ausgearbeitet hat.

"Es handelt sich um einen Kompromissentwurf, der abgeschwächt wurde und nicht alle Forderungen der feministischen Organisationen erfüllt, obwohl er einen kleinen Schritt nach vorne zum Schutz der Frauen darstellt", schreibt sie in ihrem Appell. „Sie, liebe Abgeordnete, haben die große Chance, eine dramatische Realität zu verändern. Stellen Sie sich auf die Seite der Familien, der Mütter, der Töchter, der Partner und der Ehemänner und stimmen Sie für das Projekt der Entkriminalisierung", appelliert die Große Koalition für Gleichheit und Wahlfreiheit an die Partei "Dritten Weg". Es war von vornherein klar, dass dieses Projekt innerhalb der Koalition strittig sein wird. Die Stimmen der KO und der Linken reichen nicht für eine Mehrheit.

Es geht es darum, in folgenden Fällen die Kriminalisierung aufzuheben:

  • Für Personen, die bei einem Schwangerschaftsabbruch helfen.
  • Für den Abbruch der Schwangerschaft einer anderen Person, wenn der Beginn der Schwangerschaft weniger als 12 Wochen zurückliegt.
  • Für den Abbruch einer Schwangerschaft durch einen Arzt, eine Krankenschwester oder eine Hebamme, wenn der Abbruch der Schwangerschaft die Folge eines medizinischen Eingriffs ist, der notwendig ist, um eine Gefahr für die Gesundheit oder das Leben der schwangeren Frau abzuwenden.
  • Wenn pränatale Tests oder andere medizinische Hinweise auf eine hohe Wahrscheinlichkeit schwerer und irreversibler Defekte des Fötus oder eine unheilbare, lebensbedrohliche Krankheit hinweisen.

Die Verordnung zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs

bekam im Parlament, dem Sejm am 12. Juli 2024 keine Mehrheit!

215 Abgeordnete stimmten dafür und 218 dagegen, 2 Enthaltungen. Die Koalition „15. Oktober“, also alle Parteien die zum Sieg gegen die PiS angetreten waren, hatten versprochen,  sich gegen die durch die PiS verschärfte Gesetzgebung bei Schwangerschaftsabbruch zu wenden. 32 derer Abgeordnete haben nicht dafür gestimmt, darunter allein 24 der PSL. OKO.press.pl führt alle ihre Namen auf.

Chaos an der Oder                                                               

https://oko.press, 3.7.2024

Abwässer aus Bergwerken, Goldalgensterben und keine Änderungen der PiS-Spekulationen

Das Infrastrukturministerium hat noch immer keine Vorschläge zur Änderung des schädlichen Oder-Spekulationsgesetzes vorgelegt. Das Klimaministerium erwägt, den Vertrag mit dem Institut für Binnenfischerei, das das Projekt durchführt, zu ändern oder zu kündigen.

  • Die Goldalge begann im Juni, vor allem in den Stauseen und Altarmen der Oder Giftstoffe abzusondern. Aus dem Dabie-See in Szczecin wurden insgesamt 1.600 Kilogramm tote Fische entfernt, und der Woiwode von Westpommern räumte ein, dass die Goldalge die Hauptursache für ihr Sterben gewesen sein könnte.
  • In der Zwischenzeit wird an einer Änderung des von der Partei "Recht und Gerechtigkeit" verabschiedeten Gesetzes über die Spezifizierung der Oder gearbeitet – das Projekt fällt in den Zuständigkeitsbereich des Infrastrukturministeriums, das seine Vorschläge auf der letzten Sitzung der parlamentarischen Gruppe für die Renaturierung der Oder im Juni vorlegen sollte. Es hat diese Präsentation jedoch abgesagt.
  • Bei Wody Polskie haben wir erfahren, dass in der neuen Fassung des Gesetzes über die Spekulation mit der Oder auf den Bau der Lubiaz- und Scinawa-Stufen verzichtet wird.
  • Die Oder muss überwacht werden. Bislang wurden nur 30 der 800 geplanten Messstationen für die Wasserqualität gebaut. Das Projekt wurde auf Eis gelegt. Auftragnehmer ist nach der Entscheidung der früheren Klimaministerin Anna Moskwa das Institut für Binnenfischerei. Die neue Leitung des Ministeriums sagte: "Wir haben eine Reihe von Zweifeln an den Bestimmungen dieses Vertrages."

"Wir begrüßen die Initiative des Umweltministeriums, mit den Bergbauunternehmen Gespräche über die Reduzierung der Salzeinleitungen in die Flüsse aufzunehmen", kommentiert Jacek Engel von der Stiftung Greenmind. Er fügt hinzu: "Gleichzeitig verstehen wir nicht, warum die Novellierung des Oderstaugesetzes in der Regierungsarbeit nicht die gebührende Priorität erhält. Ministerpräsident Tusk kann, wenn er will, seine Minister zur Ordnung rufen, in diesem Fall tut er es nicht."

Führungsschwäche von Tusk?                                                                  

Polityka, 10.7.2024

Unerwartet und zum ersten Mal seit dem Sturz der Regierung von Recht und Gerechtigkeit gab es einen landesweiten Medienprotest von fast 400 Redaktionen. Der Chefredakteur: „Ich möchte Sie daran erinnern, dass es um das Gesetz über das Urheberrecht in der digitalen Welt geht, das gerade vom Sejm verabschiedet wurde. Dabei handelt es sich um die verspätete Umsetzung einer Richtlinie im polnischen Recht, die bereits in allen EU-Ländern in Kraft ist. Darin werden globale Technologieriesen wie Google und Facebook aufgefordert, Urhebern und Medien, deren Produktionen sie zum Aufbau ihrer eigenen Reichweite, ihres Internetverkehrs und ihrer Werbeeinnahmen nutzen, eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Die EU hat sich in diesen Bereich eingemischt, weil das Machtungleichgewicht zwischen den hauptsächlich in den USA ansässigen BigTechs und den zersplitterten europäischen Inhaltsproduzenten so gigantisch ist, dass eine solche Entschädigung nur kollektiv und mit harten rechtlichen Mitteln durchgesetzt werden kann.“

Die polnische "Kreativbranche" erwartete vom Staat, dass er sich auf ihre Seite stellt, indem er unter anderem die Rolle des Vermittlers im Falle eines langwierigen Streits mit BigTechs über fällige Lizenzgebühren übernimmt. Diese Forderung wurde, wie viele andere, vom Sejm völlig ignoriert, der fast einstimmig einen vagen, zahnlosen Gesetzentwurf absegnete. Dass die Partei Recht und Gerechtigkeit gegen die Interessen der unabhängigen polnischen Medien und Künstler handelte, ist nicht überraschend, da sie dies während ihrer gesamten Regierungszeit immer wieder getan hat. Aber dass die demokratische Koalition dasselbe tun würde, noch dazu mit einer großen Portion Arroganz, hat für Empörung gesorgt. Daher auch der Protestslogan: "Politiker! Bringt die polnischen Medien nicht um!" Nach den Erklärungen der Politiker zu urteilen, ist nun eine Änderung des Gesetzes zu erwarten, und Ministerpräsident Tusk hat die Organisatoren der Aktion persönlich zu Konsultationen eingeladen. Die Form, in der er dies tat, ist jedoch interessant.

Bei einer so starken Dominanz des Premierministers über die Regierung und die Koalition wird der "Umgang mit Tusk" zu einer ernsthaften Herausforderung und einem Problem für die noch junge Regierung: Der Premierminister ist nicht in der Lage, alle Entscheidungen zu treffen und zu kontrollieren (wie man zum Beispiel an dem unnötigen Konflikt über das Urheberrecht sehen kann) und sie dennoch zu vermitteln. In sechs Monaten wird Polen die rotierende Präsidentschaft der Europäischen Union übernehmen; dies könnte mit der Übernahme der US-Regierung durch Donald Trump zusammenfallen. Angesichts der politischen Schwäche der deutschen Regierung ist es Donald Tusk, der neben Präsident Emanuel Macron der natürliche Anführer der Union in der Konfrontation mit Russland sein wird. Dies wird eine existenzielle Priorität für Europa und für uns sein. Die Koalition in ihrer jetzigen, premierzentrierten Form braucht (wahrscheinlich schon nach den Sommerferien und der Sommerhitze) einen organisatorischen, personellen und programmatischen Reset. Der Ministerpräsident selbst muss entlastet sein und sich entlasten wollen.

Andrzej Duda, der "Beschwörer" von Donald Trump                           

Polityka, 10.7.2024

Dudas Rolle bei Trump könnte wichtig werden. Trump hat Vertrauen in ihn als Politiker der nationalistischen Rechten. Wird er sich den polnischen Argumenten gegenüber Russland anschließen?
Während des NATO-Gipfels in Washington gab Präsident Andrzej Duda am Dienstag dem konservativen Fernsehsender Fox News ein Interview. Vor den Zuschauern des bei der Rechten beliebten Senders erläuterte er den polnischen Standpunkt zum Krieg in der Ukraine. Er betonte die Notwendigkeit, die US-Hilfe für Kiew und die Politik der Eindämmung der russischen Aggression fortzusetzen, unabhängig davon, wer im Weißen Haus im Amt ist.

Duda erinnerte daran, dass er als Staatschef mit drei amerikanischen Präsidenten an Fragen der internationalen Sicherheit gearbeitet habe: Barack Obama, Donald Trump und Joe Biden. Auf die Frage, ob er über Bidens aktuelle Probleme besorgt sei, antwortete er ausweichend. Das Wichtigste sei, dass die NATO und die US-Politik stabil und konsequent seien, um die russische Aggression abzuschrecken, und er begrüße die Präsenz der US-Truppen in Polen.

Auf die Frage nach Trump betonte er, dass er ein "sehr gutes Verhältnis zu ihm auf persönlicher Ebene" habe. Duda traf sich mit ihm im Mai in New York. Trump überhäufte ihn danach mit Komplimenten und nannte ihn seinen Freund.

Kaczynskis PiS macht Verbrecher zum Märtyrer                                    

Polityka, 10.7.2024

Es gab einen Fond, der den Opfern von Verbrechen zugute kommen sollte. Dieser stand dem damaligen Justizminister zur Verfügung. Es war auch bekannt, dass sein Ministerium die Gelder für andere Zwecke verwendet hat.

Jetzt ist ein Priester in Untersuchungshaft, der sich einen Namen als Exorzist, also Teufelsaustreiber, gemacht und Gelder veruntreut hat. Die Vorwürfe sind so schwerwiegend, dass die Staatsanwaltschaft wegen Verdunklungsgefahr seine Untersuchungshaft verlängert hat. Und schon sieht Kaczynski ein Opfer der Unrechtsjustiz der jetzigen Regierung und bringt seine Anhänger auf die Straße. Endlich hat er wieder ein Opfer, für das er seine Scharen mobilisieren kann.

Nichts Neues unter der Sonne, aber eine Schande. Anhänger der Partei von Jaros?aw Kaczynski versammelten sich am Dienstagnachmittag vor dem Sejm und protestierten unter dem Motto "Solidarität mit Pater Olszewski". Sie forderten die Freilassung des Geistlichen, der von der Staatsanwaltschaft wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder und Geldwäsche angeklagt ist.

Neben Michal Olszewski, dem Leiter der Profeto-Stiftung, wurden mehrere weitere Personen festgenommen. Sie werden verdächtigt, viele Millionen PLN aus dem Justizfonds illegal auf die Konten von Personen und Unternehmen überwiesen zu haben, die mit dem Bau des "Archipelago" in Verbindung stehen. Ziel der Investition ist es offiziell, den Geschädigten zu helfen, aber in dem Gebäude, das gerade errichtet wird, wurden moderne RTV-Studios im Stil von "Vater Rydzyks Reich" eingerichtet.

Programm zur Erreichung der Klimaziele                                           

OKO.press.pl, 11.7.2024

Die Regierung war von der EU aufgefordert worden ihre Klimaziele offenzulegen. Die PiS-Regierung hat darauf nicht reagiert. Hier ist der Plan der jetzigen Regierung, die bis 2030 die Steinkohleförderung auf die Hälfte herunterfahren will.

Heute haben wir 16 GW Steinkohle- und 8 GW Braunkohlekraftwerke im System. Im Jahr 2030 wird die Steinkohlekapazität 11 GW erreichen, die Braunkohle 6-7 GW. Dann wird sich der Rückgang beschleunigen: 2035 werden nur noch 6-7 GW an Steinkohlekraftwerken übrig sein, Braunkohle nur noch 3,5 GW. Dafür soll die Windkraft auf 25 GW und Fotovoltaik auf 38 GW anwachsen und 2040 auf 44 bzw. 46 GW – mit einem Aus für Kohle (?).

Die neuen Prognosen bedeuten, dass in fünf Jahren nur noch einige der besten Bergwerke übrig sein werden. Die übrigen müssen geschlossen werden, da sich die Kosten für ihre Erhaltung bei fehlender Nachfrage nach Kohle auf 20-30 Mrd. PLN pro Jahr belaufen werden.

Diese Daten sind den zuständigen Ministern bekannt. Wahrscheinlich sind sie auch den Gewerkschaftern bekannt. So sprach Boguslaw Zietek, der Leiter der Gewerkschaftszentrale „Sierpien 80“, kürzlich von einem Programm zum freiwilligen Ausstieg aus dem Bergbau, wobei er allerdings nicht sagte, ob dies mit Bergwerksschließungen verbunden sein würde.

In einem Interview am 18.6.2024 bei TVP 3 Katowice sagte er: "Die neuen, vom Klima- und Umweltministerium entwickelten Kohlequalitätsstandards werden nicht nur den polnischen Bergbau ruinieren, sondern auch den Staatshaushalt stark belasten.“

Des weiteren sagte Boguslaw Zietek: „Kaczynski sprach schon 2022 davon, dass die schlesische Steinkohle von minderer Qualität sei, und kürzlich sagte die Ministerin für Industrie, Marzena Czarnecka unsere Kohle sei Abfall. Sie ging offensichtlich, wie die Klimaministerin Paulina Hennig-Kloska, von der Qualität der russischen Kohle aus. Diese Haltung öffnet die Tore für russische Kohle, denn unsere Kohle reicht nicht an die Standards heran. Die vier Millionen Haushalte, die mit Kohle heizen, müssten dann russische Kohle kaufen, die viel teurer sein wird… oder sie werden wieder Abfälle zum heizen nehmen. Dem Staatshaushalt werden darüber hinaus 3-4 Milliarden verloren gehen, wenn die polnische Kohle nicht gefördert wird oder auf den Markt kommt.“ Boguslaw Zietek beklagt, dass in Polen wie in den anderen Ländern der EU die Umweltminister das Sagen haben und nicht die Wirtschaftsminister.

Wahlen zum EU Parlament

Dariusz Zalega, Historiker und Autor, schreibt: „Ein kurzer Kommentar zum Abschneiden der Linken bei den Europawahlen. Es fehlte eine klare Botschaft (und sie wurde durch die Ideen von Biedron von der Wiosna noch lächerlicher gemacht), die Kampagne war schwach, die Spitzenkandidaten waren größtenteils schlecht und es ist schwierig, eine potenzielle Wählerschaft auf diese Weise zu mobilisieren. Wiosna erwies sich als Sargnagel für eine solche Linkspartei. Mit der Mitte-Links-Ausrichtung der KO in moralischen Fragen (ja, aber vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Europa, und es ist klar, dass sie nur für die Öffentlichkeit ist) ist es schwierig, auf demselben Feld zu gewinnen. Es ist auch erwähnenswert, dass beispielsweise die Wählerschaft der Konföderation stärker mobilisiert ist, weil sie ihr ganzes Universum aufgebaut hat. Nun, die Klassenkultur, die es einmal gab, hat sich in der Massenkultur bereits verflüchtigt, aber die Menschen suchen immer noch nach Identifikation (weil es gut ist, zu einer Gruppe zu gehören). Das ist alles traurig, aber letztlich war es auch im XIX. Jahrhundert nicht einfach, denn die Gesellschaft verändert sich. Die Linke der Zukunft, wenn sie überlebt, wird ganz anders sein, aber sie hat die gleiche Aufgabe: die Menschen ins Zentrum zu bringen.“

Maciej Konieczny, Parlamentarier der Partei RAZEM, schreibt: „Ein ungewöhnlich intensiver Wahlkampfmarathon endet für mich mit einer schmerzhaften Niederlage. Die linke Liste in der Woiwodschaft Schlesien hat entgegen den berechtigten Erwartungen kein Abgeordnetenmandat errungen. Das ist eine klare und schmerzliche Niederlage, für die ich als Listenführer die Hauptverantwortung trage. Die Arbeit war nicht getan.

Ich habe nicht vor, nach einfachen Ausreden zu suchen; zugegeben, die Konkurrenten hatten ein Vielfaches ihres Budgets, aber die fantastische Kampagne von Dorota Kolarska von der Krakauer Razem hat gezeigt, dass dies kein unüberwindbares Hindernis ist. Und erst recht nicht für eine erfahrene und anerkannte Politikerin.

Die 61.653 Menschen, die für unsere Liste gestimmt haben, sind zu Recht enttäuscht, dass ihre Wahl nicht zu einer Vertretung der Linken im Europaparlament geführt hat. Ich danke Ihnen für Ihre Stimmen und entschuldige mich dafür, dass wir nicht das erwartete Ergebnis erzielt haben.
Ich möchte mich von ganzem Herzen bei den Mitgliedern von Razem aus der ganzen Provinz bedanken, die mich in diesem kurzen und für uns alle unerwarteten Wahlkampf tapfer unterstützt haben. Ich möchte Ewa Surowiec und Magdalena Madzi dafür danken, dass sie sich entschlossen haben, bei dieser Wahl zu kandidieren und eine wirklich beachtliche Anzahl von Stimmen für die Linke zu gewinnen. Es ist mir eine große Freude und Ehre, mit Ihnen zusammenarbeiten zu dürfen. Es tut mir leid, dass ich euer Engagement und euren Enthusiasmus nicht in einen Wahlerfolg ummünzen konnte.
Verlieren tut weh. Ich bedaure sehr, dass Razem nicht im Europäischen Parlament vertreten sein wird. Es bleibt, die Ärmel hochzukrempeln, sich wieder an die Arbeit im polnischen Sejm und in Schlesien zu machen und dafür zu kämpfen, Ihr Vertrauen zurückzugewinnen. An Arbeit mangelt es dem Land gewiss nicht.

Maciej ist meiner Meinung nach einer der wenigen Linken bei den Linken. Dies ist seiner Haltung (nicht nur weil er mit geballter erhobener Faust die Eidesformel im Parlament spricht) und auch seinen Einlassungen und Veröffentlichungen zu entnehmen. Schade, dass es so wenig Linke bei den Linken gibt. Wie sagte neulich ein Arbeiter: „Die kümmern sich nur um Gendern und um die Gemeinschaft der LGBT, aber die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung haben auch sie nicht im Blick!“

Anhang:

Parteien und Verbände in Polen

KO Koalicja Obywatelska – Bürgerliche Koalition – ging aus der PO, Bürger-Plattform, hervor

ist EU-freundlich, liberal

Mit 157 Abgeordneten im Parlament

TD Trzecia Droga – Der Dritte Weg – ein Bündnis von

1. PL2050, Polen 2050: katholisch-konservativ geprägt, liberal, offen

2. PSL, Polskie Stronnictwo Ludowe entstand 1990 als „Bauernpartei“ (spielte oft das Zünglein an der Waage), pro EU, christlich konservativ, für Marktwirtschaft

mit 65 Abgeordneten im Parlament

Nowa Lewica, ein Zweckbündnis von

1. SLD - alte Nachfolgerin der Vereinigten Polnischen Arbeiterpartei; Sojusz Lewicy Demokratycznej – Bündnis der Demokratischen Linken

2. Wiosna – (deutsch Frühling), eine progressive und pro-europäische politische Partei in Polen. Vorsitzender und Mitgründer der Partei ist der frühere Sejm-Abgeordnete und ehemalige Bürgermeister von Slupsk, Robert Biedron.

3. Razem (Gemeinsam) wurde 2015 gegründet, bis zur letzten Wahl selbstständig, pro EU, sozialdemokratisch, Wohlfahrtstaat

mit 26 Sitzen im Parlament

ZP Zjednoczona Prawica – Vereinigte Rechte

besteht aus

PiS, Recht und Gerechtigkeit

eine nationalkonservative Partei, die katholische und soziale Werte betont und sich für die Souveränität Polens einsetzt.

Suwerenna Polska, einst Solidarna Polska des Zbigniew Ziobro, vor allem antideutsch und anti-EU

aktuell mit 194 Abgeordneten im Parlament vertreten

Konfederacja

eine rechte Partei, die aktuell mit 18 Abgeordneten im Parlament vertreten ist.

Konfederacja ist eine konservative Koalition, die nationale Souveränität, traditionelle Werte und wirtschaftlichen Liberalismus betont.

10. Juni 2024

POLNISCHE PRESSESCHAU 213 vom 8.6.2024

Geflüchtete von der einen in die andere Hölle gejagt OKO.press, 2.6.2024

Wir haben bereits von Donald Tusk gehört, dass die Grenze nicht von Flüchtlingen, sondern von Migranten erzwungen wird und dass wir es in „80 von 100 Fällen mit organisierten Gruppen junger Männer zwischen 18 und 30 Jahren zu tun haben, die sehr aggressiv sind." In der Tat ist bekannt, dass die überwiegende Mehrheit derjenigen, die versuchen, die polnisch-weißrussische Grenze zu überqueren, Männer und häufiger Wirtschaftsmigranten sind, die ein besseres Leben suchen, als Menschen, die vor einem Krieg fliehen. Im Gegensatz dazu ist das Konstrukt des „aggressiven jungen Migranten aus Afrika und dem Nahen Osten“ eine typische Geschichte, die mit stereotypen Vorurteilen spielt.

Genau die gleichen Akkorde wurden von der Regierung für Recht und Gerechtigkeit angeschlagen. Diese Melodie erlaubt es den Machthabern, der Frage auszuweichen, was mit der Minderheit ist, die nicht männlich und nicht gewalttätig ist und sicherlich Hilfe braucht.

In dieser Woche gab es auch das bekannte Bild einer Pressekonferenz von 2021-23 mit wichtigen Politikern in „Arbeitskleidung“ (nur Sakkos und Hemden, keine Krawatten) vor einem Hintergrund von uniformierten Dienstleistern. Eine Mauer aus Uniformen, wie man sie kennt. Wir hatten auch die Ankündigung der so genannten Pufferzone, die eine etwas angenehmer vermarktete Wiederholung der geschlossenen Zone aus der PiS-Ära ist.

Am Mittwochmorgen, dem 29.Mai, sollte die Grenzzone laut Tusk „etwa 200 Meter“ sein, aber am Abend stellte sich heraus, dass sie mehrere Kilometer sein würde. Und sie wird auf der Grundlage des von der PiS am 17.November 2021 geänderten Gesetzes über den staatlichen Grenzschutz eingeführt werden. Damals stimmten KO, die Linke und Polen 2050 gegen die Änderung, während sich die PSL der Stimme enthielt.

Wie eine No-Go-Zone im Umkreis von wenigen Kilometern um die Grenze dazu beitragen soll, Migranten fernzuhalten, war während der Zeit von "Recht und Gerechtigkeit" nicht klar und ist auch heute nicht ganz klar. Wie im Jahr 2021 geht es in erster Linie darum, den Medien und humanitären Organisationen den Zugang zur Grenze zu erschweren, den Diensten die Hände zu lockern, damit sie nicht zu sehr durch das Gesetz eingeschränkt werden, und die Öffentlichkeit wissen zu lassen, dass die Regierung auf der Hut ist, kompakt ist und keinen aggressiven dunkelhäutigen Moslem durchlassen wird.

Der Mehrheit der Öffentlichkeit wird dies sicherlich gefallen, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass es hier in erster Linie um einwanderungsfeindlichen Populismus vor den Wahlen geht und nicht um einen echten Schutz der polnischen Frauen und Männer vor einer möglichen Bedrohung.

Tag des Kindes an der Grenze: "Ich stehe am weißrussischen Grenzzaun, können Sie mir helfen?" Migrantenkinder sitzen auf dem Weg fest, sie können nicht aus Weißrussland herauskommen, sie werden gepusht. Sie landen in Waisenhäusern und psychiatrischen Kliniken. Sie werden ausgebeutet. Polnische Aktivisten versuchen aus der Ferne, sie zu retten.

„Die Kinder an der Grenze haben nichts, manchmal nicht einmal einen Kamm, geschweige denn Winterstiefel", sagt Karolina. „Wir helfen, weil es den Einrichtungen an Mitteln und Personal fehlt. Einige Waisenhäuser tun ihr Bestes, andere sind mit mehr Herzblut bei der Sache. Einige machen sich nicht einmal die Mühe, einen Dolmetscher zur Verfügung zu stellen, obwohl die Kinder manchmal nur Paschtu, Dari oder Somali sprechen." Also suchen wir nach Dolmetschern vor Ort oder per Telefon.

Die Afrikaner hatten Probleme mit ihrem Magen, sie waren es nicht gewohnt, zweimal am Tag Weißbrot zu essen. Die Aktivistinnen kauften ihnen Rindfleisch, Grieß und Gemüse, um für sich selbst zu kochen. Das Waisenhaus warf den Frauen vor, sie zu verwöhnen.

„Ich habe den Eindruck, dass einige Einrichtungen nur darauf warten, dass diese Kinder weglaufen, dass jemand sie mitnimmt", sagt Karolina. „Und es passiert, dass sie verschwinden. Meistens sind es Jungen, aber auch Mädchen. Da sie das Land und das System nicht kennen, können sie leicht Opfer von Menschenhändlern werden."

Viele Frauen und junge Mädchen werden vergewaltigt. Die Mädchen haben Angst zu offenbaren, wenn sie schwanger wurden, weil dies in ihrem Kulturkreis eine große Schande ist. Ein weiteres von vielen Problemen, auf das die Helfer ihr Augenmerk richten müssen.

Die Machtübernahme in Polen durch die Regierung von Donald Tusk hat die Situation in den Wäldern an der weißrussischen Grenze nicht verändert. Pushbacks, also unrechtmäßige Abschiebungen von Flüchtlingen nach Weißrussland, gehen weiter. Allein vom 13.Dezember 2023 bis zum 15.Januar 2024 wurden 93 Personen an der Grenze zurückgewiesen, obwohl sie ihre Absicht erklärt hatten, in Polen internationalen Schutz zu beantragen.

Soldaten feuerten an der Grenze OKO.press, 6.6.2024

Onet.pl hat den Fall von drei Soldaten aufgedeckt, die im März von der
Militärpolizei festgenommen wurden, nachdem sie sogenannte Warnschüsse in Richtung einer Gruppe von etwa 50 Männern abgegeben hatten. Nach der Veröffentlichung brach ein politischer Streit aus. Der Chef des Verteidigungsministeriums und Premierminister Donald Tusk meldeten sich zu Wort.

Donald Tusk hat Justizminister Adam Bodnar und den stellvertretenden Premierminister und Leiter des Verteidigungsministeriums Wladyslaw Kosiniak-Kamysz am Freitagmorgen zu einem Treffen vorgeladen, berichtet der TVN-Sender „Fakty“.

„Ich denke, der Premierminister möchte ganz einfach über den Fall sprechen um zu sehen, was wir herausfinden konnten“, antwortete Adam Bodnar auf die Frage, ob er tatsächlich von Donald Tusk vorgeladen worden sei. Das Treffen ist für acht Uhr morgens angesetzt.

Es geht um die Ereignisse vom März 2024: „Die Militärpolizei hat drei Soldaten festgenommen, die Warnschüsse in Richtung der anrückenden Flüchtlinge abgegeben haben. Die Staatsanwaltschaft hat zwei von ihnen wegen Amtsüberschreitung und Gefährdung des Lebens anderer angeklagt."

Die Öffentlichkeit erfuhr von dem Vorfall erst nach der Veröffentlichung von Onet.pl vom 5.Juni 2024: „In der Armee kocht es über. Die Offiziere sprechen von einer Schande für die Uniform und einer Erniedrigung der Würde eines Soldaten", schrieb der Onet-Journalist Marcin Wyrwal.

Sowohl der Justizminister als auch der Verteidigungsminister nahmen am Donnerstag in Interviews mit Journalisten Bezug auf den Fall. Wie sich herausstellte, war der Leiter des Verteidigungsministeriums, Wladyslaw Kosiniak-Kamysz, über den Vorfall informiert. Während einer Pressekonferenz am Donnerstag, dem 6.Juni, sagte der Leiter des Verteidigungsministeriums: "Es wurde nichts verheimlicht. Es handelt sich um eine operative Untersuchung. Ich bin nicht befugt, darüber zu informieren." Er fügte hinzu: „Was die Art und Weise der Festnahme selbst betrifft, so ist sie für mich entsetzlich." Allerdings habe er „keine Informationen über die Art und Weise der Festnahme“.

Kosiniak-Kamysz sagte außerdem: „Es kommt wie immer, wenn man eine Situation erklären muss. Ich glaube zutiefst an unsere Soldaten, und dieser Glaube wird nie verloren gehen. Er wies darauf hin, dass polnische Soldaten allein im Mai rund 700 Mal an der Grenze von der Schusswaffe Gebrauch gemacht haben.

Nach Ansicht des Justizministers ist die Situation besonders, weil der stellvertretende Generalstaatsanwalt, der für militärische Angelegenheiten zuständig ist, sowohl dem Generalstaatsanwalt als auch dem Leiter des Verteidigungsministeriums unterstellt ist. „Ich denke, dass dies die Frage der Funktionsweise der Militärstaatsanwaltschaft im allgemeinen sein wird“. sagte Adam Bodnar auf einer Pressekonferenz am Donnerstag.

Der Justizminister sagte, er würde es gerne sehen, wenn die Soldaten „automatisch“ und ein Korps von Anwälten dem Militär zugeordnet würden.

Es sei daran erinnert, dass Ende März und Anfang April die Zahl der Menschen, die versuchten, die polnisch-weißrussische Grenze zu überqueren, stark gestiegen ist, wie wir unter anderem aus Informationen von an der Grenze tätigen Hilfsorganisationen wissen. Nach Informationen von OKO.press, die wir vom Grenzschutz erhalten haben, hat der Grenzschutz in der Zeit vom 1.Januar bis wahrscheinlich Mitte Mai (Information vom 21.Mai) 5700 „bis zur Grenzlinie eskortiert“.

Die Grenzschutzeinheit in Podlasie berichtet, dass am Mittwoch und Donnerstag (5. und 6.Juni) 380 Personen versucht haben, die polnisch-weißrussische Grenze zu überqueren. "Weitere Personen wurden wegen Beihilfe festgenommen. Bei einem der Angriffe auf polnische Patrouillen setzten die Beamten Schreckschusswaffen ein. Es wurden Äste, Steine und zerbrochene Flaschen in Richtung der polnischen Patrouillen geworfen und Schüsse aus Steinschleudern abgegeben", heißt es in dem Kommuniqué.
Nach dem Einsatz von Waffen durch die polnischen Dienste zogen sich die Personen, die versuchten, die Grenze zu überqueren, weit nach Belarus zurück.

Reinlassen oder Schießen - Heuchelei an der Grenze Przeglad, 10.6.2024

Vorneweg sei eines angemerkt: Die hohen Offiziere und Generäle entstammen ebenso wie der zuständige Militärstaatsanwalt der „Kaderschmiede“ der PiS und letzterer dem ehemaligen Justizminister Ziobro. Ihre Funktion erhielten sie nicht wegen ihrer Qualifikation, sondern wegen ihrer Loyalität zu diesen. Darin zeigt sich jetzt das ganze Dilemma. Leider ist auch Tusk darum bemüht, die Festung Europa an der belorussischen Grenze zu stabilisieren.

Jetzt ist ein Soldat einer Panzereinheit an einer Stichverletzung gestorben. Er versuchte mit einem Brustschild und dem eigenem Leib den Zugang nach Polen zu blockieren, als Migranten einen Durchbruch versuchten. Dabei wurde ein Täter überrascht, der einen Arm bereits durch den Zaun gesteckt hatte und den Stich setzte. Die Tat lässt sich nicht aufklären, da die Migranten nach Belarus abgeschoben wurden. Es könnte nämlich auch ein Fluchthelfer, evtl. ein Tschetschene gewesen sein, die unter der Migranten auf Geheiß von Belarus agieren.

Es stellt sich auch die Frage, ob es eine gute Idee ist, Panzersoldaten an die Grenze zu stellen, die sicherlich keine diesbezügliche Ausbildung haben. Es sieht ganz so aus, dass die Leute der alten Regierung hier im Grenzbereich die Muskeln gegenüber der neuen Regierung spielen lassen. Es ist zu erwarten, dass die Situation immer schlimmer wird… auf Kosten der Migranten.

Im Mai wurden 700 Schüsse an der Grenze abgegeben, 2346 Pushbacks gab es im April. Offiziell wurde 56 Personen beerdigt, die an der Grenze den Tod fanden und wie viele Tote wurden nicht gefunden?

R. Walenciak schreibt: Wir, eine Nation von Migranten, denken wir noch an die Übergangslager 1980 in Deutschland, in Österreich und Italien? Warum sind wir nicht in der Lage, mit den Menschen, die vor Krieg, Hunger und Elend fliehen, menschlich umzugehen?

Prof. HANNA MACHINSKA, Juristin und Hochschullehrerin, Doktor der Rechtswissenschaften, fragt:

Hat sich nach dem 15.Oktober etwas an der Grenze geändert?Das waren unsere Hoffnungen, dass sich viel ändern würde. Dass die neue Regierung von Maßnahmen absehen würde, die einfach unvereinbar sind mit dem Völkerrecht, sehr grausam gegenüber Migranten und Flüchtlingen. Schließlich sind diese Menschen zum größten Teil von Orten geflohen, an denen es anhaltende Kriegskonflikte gibt. Aus Somalia, aus dem Kongo, Syrien, Afghanistan... Wir hatten Hoffnung, aber leider hat sich nichts geändert. Nichts hat sich geändert. Mehr noch, wir sehen die Intensität der gefährlichen Rhetorik, dass die Grenzbeamten die Opfer sein sollen.

Am 4. Juni dJ. fand ein Spaziergang von Bürgern im Grenzgebiet von Bialowieza statt. Sie wollten damit zeigen, dass sie sich das Naturschutzgebiet nicht nehmen lassen wollen, um es als Grenzschutzgebiet zu deklarieren und zu sperren.

Collegium Humanum, Moskau und die PZPR OKO.press, 5.6.2024

Rektor Pawel C. war Mitglied einer pro-russischen Gruppe [OKO.press Recherche].

Neues Thema im Fall des Collegium Humanum (CH). Die Universität arbeitete mit der Putin-Akademie in Moskau und mit der Schule des belorussischen Kommunikationsministeriums zusammen. Der Rektor von CH, Pawel C., wurde an der russischen Universität in Krasnodar ausgezeichnet. Und in Polen wurde er mit pro-russischen Aktivisten in Verbindung gebracht.

Es handelt sich um eine große Gruppe ehemaliger PZPR-Aktivisten, die noch heute aktiv sind und offiziell mit der russischen Botschaft in Polen und mit der zum russischen Außenministerium gehörenden russischen Bundesagentur zusammenarbeiten. Eine der Personen, mit denen der Rektor des Collegium Humanum, Pawe? C., jahrelang zu tun hatte, war Henryk Bednarski. Er war der kürzlich verstorbene ehemalige Bildungsminister der PZPR-Regierung, ein Absolvent der Höheren Parteischule in Moskau und Sekretär des Zentralkomitees der PZPR. Pawel C. gab mit ihm eine Zeitschrift heraus und war in seinem Verein aktiv.

Collegium Humanum ist eine private Universität in Warschau, gegen die derzeit ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren läuft. Ende Februar wurden sieben Personen festgenommen, darunter der Rektor Pawel C. Die Anschuldigungen gegen sie stehen im Zusammenhang mit einer organisierten kriminellen Gruppe, die angeblich von Pawel C. angeführt wird.

Im Zusammenhang mit unseren Erkenntnissen über die russischen und weißrussischen Verbindungen des Collegium Humanum ist die Information auf dem Onet-Portal, dass sich unter den Absolventen dieser Hochschule nicht nur polnische Politiker, sondern auch Offiziere der polnischen Armee, darunter aktive Generäle, befinden, noch beunruhigender.

Es handelt sich um insgesamt 37 Soldaten, darunter Offiziere höchsten Ranges: General Marek Sokolowski, amtierender Oberbefehlshaber, General Slawomir Owczarek vom Generalkommando, General Ryszard Parafianowicz vom Einsatzkommando oder General Andrzej Jakubczyk, Chef im Internationalen Militärstab im NATO-Hauptquartier in Brüssel.

Dies Collegium Humanum war die Kaderschmiede der PiS und brachte „Qualifikationen“ mit fragwürdigen Ergebnissen und auf eine fragwürdige Art zustande.

Nationaler Rat für Rundfunk und Fernsehen gegen Demokratie Przeglad, 3.6.2024

Diesem Rat steht immer noch der PiS-Mann Maciej Swirski vor. Seine Position nutzt er aus, um den Umbau der Propagandamaschine der PiS zu einem demokratischen Medium zu behindern. So verweigert er die notwendigen Finanzen. Dadurch sind diese Anstalten nicht in der Lage, den Angestellten die Löhne zu zahlen. Noch sind die einzelnen Anstalten im Umbruch und werden rechtlich neu registriert, aber dies will Swirski nicht wahrhaben. Der Minister für Kultur und Nationales Erbe, Bartlomiej Sienkiewicz, musste drastische Maßnahmen ergreifen, um die Pis-sionisten und Propagandisten loszuwerden. Swirski übt Zensur bei den Beiträgen in den ihm unterstellten Medien und hat auch schon eine Strafe von einer halben Million PLN für eine Meldung verhängt, wobei er sich als Quelle für seine Version auf die PiS-Zentrale berief… Auch andere Veröffentlichungen, die der PiS gegen den Strich gingen oder sich kritisch mit ihr auseinandersetzten, soweit dies überhaupt möglich war, wurden bestraft.

Maciej Swirski hat nicht reagiert, als die PIS-Medien die Opposition, LGBT-Gemeinschaften, Umweltschützer, Richter und all jene, die die Partei Recht und Gerechtigkeit als ihre Feinde betrachtete, attackierten.

Wird Daniel Obajtek, Kaczynskis Liebling, je verurteilt? Przeglad, 10.6.2024

Persönlich werde ich es nicht vergessen, wie mein ehemaliger Freund Erzbischof Wiktor Skworc sich bei ihm im vollen Ornat von der Kanzel aus bedankt hat, dass er die regionale Presse aus „deutscher Hand“ wieder zu Polen gebracht hat… und somit diese keine Kritik mehr übte. Nicht nur ich war empört.

Bisher wurden alle seine Machenschaften und kriminellen Geschäfte von der PiS gedeckt bzw. Verfahren nicht zugelassen. Angefangen bei Kaczynski selbst, Ziobro, den PiS-Parlamentariern, und natürlich hat der Präsident ihn geschützt. Vielleicht gewährt er auch ihm Asyl im Präsidentenpalast!?

Jetzt sollte er vor der Kommission des Parlamentes zur sog. Visa-Affäre aussagen. Er kam nicht, sondern gab einen Tag vorher bekannt, er würde sich dort nicht wie ein Affe im Zirkus vorführen lassen. Es geht um den Bau eines großen petrochemischen Werkes in Plock. Obajtek hat mit dem stellvertretenden Außenminister Möglichkeiten ausgehandelt, wie die Visapflicht für Ausländer zu umgehen sei. Dabei ging es ihm um ausländische Arbeiter für dieses Werk.

Weiterhin geht es um verschiedene krumme Geschäfte und Korruption auf seinen verschiedenen Geschäftsebenen. Dazu gehören natürlich immer loyale Anhänger von Kaczy?ski und Konsorten.

10. Juni 2024

POLNISCHE PRESSESCHAU 212 vom 25.05.2024

Wer tritt in die Fußstapfen von Duda?                                                                               Polityka, 21.5.2024

Adam Michnik, der gestern den Preis des polnischen PEN-Clubs erhielt, erzählte einen Witz, den er von einem Freund gehört hatte: "Was ist der Unterschied zwischen Szwejk und Präsident Andrzej Duda? Nun, der Unterschied ist folgender: Szwejk war klug, gerissen und nicht dumm, aber er gab vor, ein Idiot zu sein. Präsident Duda hingegen... hat nie in der österreichischen Armee gedient."

Ein Jahr vor dem Ende der Amtszeit des derzeitigen Präsidenten will jeder seine Schuhe anprobieren, um sich als künftiges Staatsoberhaupt zu präsentieren. Premierminister Donald Tusk sprach wie der oberste Chef der Streitkräfte vor der Armee auf dem Krakauer Marktplatz, wo er das Nationale Programm für Abschreckung und Verteidigung – Tarcza Wschod, Schirm Ost (beeindruckend, aber kompliziert, laut Marek Swierczynski) – ankündigte. Der Präsident des Sejm, Szymon Holownia, machte bei der Feier der Marschallgarde eine ebenso würdige Figur; darüber hinaus trat er in diesen Tagen auch in einer Popversion auf – als Protagonist eines Treffens über die Verfassung auf einer Buchmesse im Nationalstadion. Eine große Schar von Fans stand Schlange, um ein Autogramm des Redenschreibers zu erhalten.

Bei all diesen Bemühungen sollte man daran denken, nicht zu weit zu gehen. Der schmerzlich erfahrene Premierminister weiß das am besten: Im Präsidentschaftswahlkampf 2005 hängten seine Mitarbeiter im ganzen Land Plakate mit dem etwas übertriebenen Slogan "Präsident Tusk" auf. Aber wer weiß, vielleicht war es gerade die prestigeträchtige Wahlniederlage, die damals nötig war – denn sie hat Tusk als einen starken Mann aufgebaut. Und vielleicht ist das auch für Ho?ownia noch nötig.

Pushbacks mit einem Lächeln                                                                  Przeglad, 22.4.2024

Die Pushbacks von Tusk sind übertrieben, aber notwendig, die der PiS waren ungeheuerlich und ekelerregend.

„Um 10.30h haben die Grenzbehörden von Bialowieza eine Frau entdeckt, die sofortige medizinische Hilfe benötigte.“ Sie fanden heraus, dass es sich um eine Eritreerin aus Äthiopien handelte, die kurz zuvor in aller Einsamkeit eine Tochter im Grenzgebiet geboren hat. Sie wurden nicht wieder zurückgedrängt, ihr wurde Hilfe in Polen zuteil. Am 15.April haben die Grenzbehörden 74 Menschen, die illegal die Grenze überschritten, geholfen. Also sind die Grenzer jetzt Retter und Sanitäter?

Es dauerte nicht lange, bis die Aktivistinnen und Aktivisten der Gruppe „Egala“ die Fakten über die Erlebnisse der Frau zusammen hatten. Im vergangenem Monat ist die hochschwangere Frau zweimal von den Grenzern nach Belarus zurückgepuscht worden. Die Frau Major Katarzyna Zdanowicz, Sprecherin der Grenztruppe, sagte: „Die Frau war allein mit dem Kind. Wir sind dabei herauszufinden, in welchen Verhältnissen die Geburt stattfand und auf welche Weise sie mit dem Kind nach Polen kam.“ Die Gruppe kann es erklären: „in dunkler Nacht, bei niedriger Temperatur, unter freien Himmel auf nackter Erde, ohne Betreuung, ohne was.“ Aber wenn das Mädchen in Polen zur Welt kam, hat sie vielleicht das Glück und wird Polin…

Das polnischen Gericht hat Pushbacks als illegal bezeichnet. Aber diese Regierung scheint in der Klemme zu sein. Schließlich ist da Schengen, die Festung Europa, na und die vielen Gelder, die von der EU fließen sollen, denn diese Gelder schaffen es nicht allein über die Grenze.

Krise an der Grenze zu Belarus dauert fort                                            Przeglad, 27.5.2024

Es gab mal einen Film von Agnieszka Holland, „Die grüne Grenze“, die Menschen waren berührt, schockiert und wollten und konnten nicht glauben, was in ihrem Land passiert. Hat sich was geändert? Es gibt eine neue Regierung. Und sonst?

Die belorussische Seite treibt weiter Menschen, die vor Krieg, Tod und Elend flüchten, nach Polen in Richtung Westen. Und Polen hat das Problem, obwohl es, wo es nur konnte, die Grenzanlagen befestigt hat. Aber die Verzweiflung scheut weder Mauer noch Stacheldraht. Wie wilde Tiere irren die Menschen  hungernd frierend durch die Heide von Bialowieza. Wenn sie erwischt werden, werden sie von den Sicherheitsorganen auf brutale Weise nach Belarus zurückgetrieben, wo sie wieder geprügelt und nach Polen getrieben werden. Pushbacks sind nicht nur unmenschlich, sie sind auch eine ordinäre Rechtsbrechung. Aber für diese Verletzung des Gesetzes gibt es die Genehmigung von oben.

Die örtliche Bevölkerung reagiert im allgemeinen feindselig gegenüber diesen Menschen. Aber es gibt auch Ausnahmen, wie den 17jährigen Mateusz. Mit ihm geht ein Reporter in den Wald auf der Suche nach Hilfsbedürftigen. Und da sitzen sie, verängstigt, fragend, hoffend? Ein Mann hat eitrige Füße, die Schuhe sind auseinandergefallen. Ohne Hilfe waren in ähnlichen Fällen schon Amputationen notwendig. Mateusz zieht Socken und Schuhe aus, steht barfuß da und gibt sie dem Mann, wie selbstverständlich. Kann sich jemand solch eine Reaktion von einem Bischof oder einem Funktionär der Linken vorstellen!?

Die Zeit drängt, sie müssen eine Vollmacht und einen Asylantrag unterschreiben. Jetzt können die Grenzer gerufen werden, die dann den amtlichen Gang im Asylverfahren zulassen müssen. Mateusz und der Reporter begleiten sie noch zur Unterkunft und hoffen, dass das Verfahren eingeleitet wird.

Es gibt in diesem Gebiet römisch-katholische und orthodoxe Priester – ob sie das Gleichnis Jesu vom barmherzigen Samariter kennen?

Mateusz wird von der Mutter unterstützt, früher auch von der Oma, aber ihr hat jemand den Floh ins Ohr gesetzt, dass sie dadurch die 13. und 14. Rente verlieren würde. Seine Schwester hatte auch geholfen, aber schließlich will sie weiter Freundinnen und Freunde haben. 

Zwei Tage später steht die Polizei bei Mateusz vor der Tür. Ein Nachbar hatte der Polizei gemeldet, dass Mateusz Geflüchtete zu Hause verstecken würde...

Krankenschwestern von Regierung wieder allein gelassen                   Przeglad, 22.4.2024

Es hat sich in Polen wohl nicht viel oder gar nichts im Gesundheitswesen geändert. Sehen Sie sich diesen Film von 2007 an. Damals führte Dorota Gardias die Gewerkschaft der Krankenschwestern und Hebammen OPZZPiP, dann war es Iwona Borchulska und jetzt Krystyna Ptok, alles keine Funktionärinnen, sondern Aktivistinnen, die sich mit aller Kraft und vielen Ideen für ihre Rechte eingesetzt haben. Umso betrüblicher, dass sich nicht viel geändert hat. Alle drei Frauen waren im Ausland und auch in Deutschland und haben versucht, solidarische Bande zu knüpfen, u.a. bei Verdi – es gab ernüchternd wenig Interesse.

Sehen Sie sich den Film an, den ich übersetzt habe:

https://de.labournet.tv/video/6386/weisses-staedtchen

Im November hat bei der ersten Sitzung des Sejm Krystyna Ptok einen Bürgerantrag eingebracht, bei dem es um den Mindestlohn im Gesundheitswesen geht. Es geht darum, dass das Personal entsprechend der Qualifikation bezahlt wird. Die Arbeitgeber fühlen sich nicht daran gebunden, obwohl die Qualifizierten sofort ihre neuen Fähigkeiten einsetzen. „132 Tage sind seit der ersten Lesung vergangen, man will uns wohl an der Nase herum führen und tut nichts!“, schreibt Krystyna Ptok, die das Projekt eingebracht hatte, „wir fühlen uns ein weiteres Mal nicht ernst genommen und betrogen!… Sie – Herr Premier – sagten, dass Polen seit Jahren eine öffentliche Debatte nicht geführt hat... und wir glaubten, dass die Zeit gekommen sei, um darüber zu reden. Kein Dialog, keine öffentliche Diskussion findet darüber statt!“

Im Gesundheitswesen gibt es ein großes Loch in der Generation. Von 239.000 Krankenschwestern sind über 90.000 über 60 Jahre alt. In der nächsten Dekade erreichen 93.000 das Rentenalter. „In diesem Tempo erhalten wir keinen Nachwuchs, wenn es auch scheinbar viele Studenten gibt. Die wenigsten Absolventen bleiben im Beruf und nur 10 Prozent von ihnen gehen in das öffentliche Gesundheitssystem!“, schreibt Krystyna. „Vor den Wahlen wurde uns Unterstützung angeboten und die damalige Opposition hat unser Projekt unterstützt." An Tusk gewandt sagt sie: „Ihrem Vorgänger haben sie vorgeworfen, dass er sich nicht mit uns traf und nicht bereit zum Dialog war. Werden Sie sich ähnlich wie Morawiecki erst nach einer verlorenen Wahl für unsere Angelegenheiten interessieren?“

Vom Gesundheitsministerium erfahren sie, dass dafür 2024 kein Geld vorhanden ist.

Die Krankenschwestern verbergen ihr Bedauern nicht: „Wir haben die Politiker ernst genommen, wir haben einen Gesetzesentwurf entworfen, eine inhaltliche Begründung erstellt und eine Folgenabschätzung durchgeführt. Wir sind nicht auf die Straße gegangen, wir haben nicht auf Erpressung gesetzt. Doch leider, wurden wir erneut ignoriert – nach den Wahlen haben die Politiker ihre eigenen Versprechen zurückgenommen."

Das Fischsterben in der Oder geht weiter                                                   Polityka, 15.5.2024

„Wir hatten Zeit, uns vorzubereiten. Wir haben letztes Jahr und im Februar dieses Jahres Alarm geschlagen, als die ersten toten Fische auftauchten“, sagen die Wissenschaftler. Sie sind sich nicht einig über die Ursache des Problems, aber in einem Punkt sind sie sich einig: Die Zeit arbeitet gegen die Oder. Das Fischsterben ist bereits im Gange.

Aus dem Gleiwitzer Kanal wurden vom 29.April bis zum 6.Mai 1,5 Tonnen toter Fisch gefischt. Die Temperatur lag in diesen Tagen nach den Daten des Instituts für Meteorologie und Wasserwirtschaft stellenweise um 7 °C über dem langjährigen Durchschnitt. Hohe Temperaturen, niedrige Wasserstände und ein erhöhter Salzgehalt gehörten zu den Ursachen der Katastrophe an der Oder vor zwei Jahren, die durch die so genannte "Goldalge" verursacht wurde, die unter günstigen Bedingungen gedeiht und die Lebewesen im Fluss tötet.

Prof. Andrzej Woznica, Direktor des Schlesischen Wasserzentrums an der Schlesischen Universität in Kattowitz sagt: „Das Problem ist nicht so einfach. Seit 2022 wird die Alge Prymnesuum parvum für das Fischsterben verantwortlich gemacht. Und in der Tat werden Algen sehr häufig damit in Verbindung gebracht, aber wir haben keine klare Antwort darauf, wie dieses Phänomen ausgelöst wird. Die große Menge an Algenzellen gibt es ständig, während das Massenfischsterben nur von Zeit zu Zeit auftritt“.

Dr. Bogdan Wziatek von der Universität von Ermland und Masuren verhehlte in einem Interview mit dem Portal Opole360 nicht, dass die nach der Katastrophe von 2022 durchgeführte Überwachung des Gleiwitzer Kanals das Problem nicht löst. Die Beamten der Kommunikationsabteilung geben die Anzahl der Goldalgen in einem Liter Wasser an, während das Hauptproblem darin besteht, dass die Fische sterben. Daher der Vorschlag, sie zu fangen und in weniger salzhaltige Stauseen umzusiedeln. Barrieren, die die Fischwanderung verhindern, wie die, die gerade in der Nähe der ehemaligen Werft am Oder-Altarm in Januszkowice errichtet wurde, wären ebenfalls eine Lösung. Im September 2023 reichte eine Gruppe von Parlamentariern eine Interpellation an das Infrastruktur- und das Landwirtschaftsministerium zu diesem Thema ein. Die Antwort fiel kurz aus: Der Fang ist schwierig und die Überlebensrate der Fische ist gering.

Dr. Wziatek hat eine Petition an Premierminister Donald Tusk geschrieben, die Sie hier lesen können: "Die Fische müssen dort draußen nicht sterben. Es gibt wirksame Lösungen, wie das Einfangen und Umsiedeln an einen sicheren Ort, der frei von Goldalgen ist. Solche Maßnahmen haben bei einer ähnlichen Krise in England gut funktioniert, wo fast 500.000 Fische gerettet werden konnten. (...) In einer Krisensituation ist ein schnelles, wirksames Handeln der Behörden entscheidend. Das Fehlen von Entscheidungen und die Trägheit, die wir in diesem Fall beobachten, werden zu einer Katastrophe führen. Wir fordern eine schnelle Reaktion und die Umsetzung von Maßnahmen! Die Menschen haben dieses Schicksal herbeigeführt und es ist höchste Zeit, dass sie die Verantwortung dafür übernehmen, Herr Premierminister!".

So griffen die Leute von Ziobra zu                                                           Polityka, 24.5.2024

Dem NIK-Bericht (Oberste Kontrollinstanz) zufolge wurden unter Zbigniew Ziobra nur 34 Prozent der Mittel aus dem Justizfonds für die direkte Unterstützung von Opfern und 4 Prozent für die Unterstützung ehemaliger Häftlinge nach der Haft ausgegeben. Der größte Teil, 56 Prozent, ging an die allgemeinen Ziele seiner Partei „Souveränes Polen“, einschließlich der Förderung des Fonds selbst und der Partei, der Propaganda in den mit Zuschüssen finanzierten Medien und der Wahlkampfmittel für seine Leute.

Dieses Abgrasen in die Parteibäuche auf Kosten der Opfer von Verbrechen (Häftlinge und ihre Familien werden nicht erwähnt) wird in den Medien als Beweis für die Unmoral des im Ministerium von Ziobra praktizierten Verfahrens angeführt.

Aber noch unmoralischer ist die Tatsache, dass die Füllung dieser "Schatzkammer des Souveränen Polens" durch die Parteipropaganda einer Gruppe gefördert wurde, die eine ständige Verschärfung des Gesetzes forderte: Verlängerung der Strafen, Zwang zur Arbeit für die Gefangenen, deren Verdienst diesen Fonds fütterte, und Erhöhung der Geldstrafen und Rückerstattungen, die u.a. kleine Ladenbesitzer in den Ruin trieb.

Eine weitere, nicht nur pathologische, sondern auch moralisch abstoßende Praxis war die materielle Unterstützung der Partei durch nicht mehr festgelegte Wettbewerbe, sondern durch Anti-Wettbewerbe. Tomasz Mraz, der reumütige Leiter der für den Justizfonds zuständigen Abteilung im Ministerium von Ziobro, sprach darüber am Mittwoch während der Sitzung der parlamentarischen Gruppe für die Abrechnung von Recht und Gerechtigkeit. Zuerst gab es den Begünstigten und dann den Wettbewerb. Ist dies Material für die strafrechtliche Verantwortung des Chefs von „Souveränes Polen“ ausreichend? Offenbar hat Ziobro selbst nichts unterschrieben, aber Mraz hat Aufzeichnungen seiner Gespräche (obwohl wir nicht wissen, was darauf zu sehen ist). Was Ziobro betrifft, so liegt ein Vorwurf auf der Hand: unsachgemäße Überwachung der ihm anvertrauten Mittel. Die Tatsache, dass er diese Aufsicht an seine Kollegen abgetreten hat – wie er zu sagen pflegt –, entbindet ihn nicht von der Verantwortung dafür, wie sie ihre Aufgaben erfüllen.

Für Deutschland                                                                                      Przeglad, 27.5.2024

Politiker von Recht und Gerechtigkeit behaupten, Polen sei ein deutsch-russisches Kondominium, das von Donald Tusk regiert wird. Sie verschweigen, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Berlin für uns sehr profitabel ist. In Polen gibt es 9500 deutsche Unternehmen, die 450.000 Beschäftigte haben. Die Tiraden rechtsgerichteter Politiker haben sich nicht in wirtschaftliche Beziehungen umgesetzt.?Deutschland ist seit Jahren der wichtigste Handelspartner Polens. Und Berlin zählt auf Polen... und Polen auf Berlin.