Rechtspopulismus und Islamismus
Heidegger, Jünger und andere geben ideologische Orientierung
von Gerhard Klas
Marc Thörner: Rechtspopulismus und Dschihad. Hamburg: Edition Nautilus, 2021. 184 S., 16 Euro
Marc Thörner ist Buchautor und berichtet seit mehr als zwanzig Jahren für die ARD-Anstalten aus dem Maghreb, den Golfstaaten, Syrien, Irak, Afghanistan und Pakistan. Er hat sich eine Expertise erarbeitet, die sich auch in seiner neuesten Veröffentlichung, Rechtspopulismus und Dschihad wiederfindet.
weiterlesenAnspruch auf Gegenmacht
In sozialen Netzwerken versuchen alternative Rechte, ein neues kollektives Bewusstsein zu schaffen
von Gerhard Klas
Simon Strick: Rechte Gefühle. Affekte und Strategien des digitalen Faschismus
Bielefeld: transcript, 2021. 480 S., 34 Euro
Das Buch könnte «angesichts vergangener und gegenwärtiger rechtsterroristischer Anschläge, aber auch alltäglicher rassistischer, sexistischer wie antisemitischer Gewalt, aktueller nicht sein».
weiterlesenBuchtipp: Recht gegen rechts – Report 2020
Hrsg. Nele Austermann u.a., Frankfurt/M.: S.Fischer, 2020
von Leni Klaaß
Ob Polen oder Ungarn – dort wo rechte Regierungen an der Macht sind, wird die Unabhängigkeit der Justiz eingeschränkt. Aber auch in Deutschland lässt der Aufschwung rechter Politik die Rechtsprechung nicht unberührt.
weiterlesenThüringen: Konservative rechts außen
Das braune Herz Deutschlands?
von Paul Wellsow*
Am 5.Februar 2020 wurde im Thüringer Landtag Thomas Kemmerich mit den Stimmen von AfD, CDU und FDP zum Ministerpräsidenten gewählt. Erstmals kam der Regierungschef eines Landes mit den Stimmen der teils faschistischen AfD an die Macht. Inzwischen ist klar, dass die Entscheidung kein Zufall war. Auch wenn vorab keine Verhandlungen geführt wurden, hat es offenbar Absprachen gegeben. In den Fraktionen von AfD, CDU und FDP war das Szenario bekannt, die Folgen wurden in Kauf genommen.
Die Vorgänge lösten ein politisches Erdbeben aus. Während der Stuhl des FDP-Bundesvorsitzenden kurzzeitig wackelte taumelt die CDU nach dem Rücktritt von Kramp-Karrenbauer als Bundesvorsitzende, kopflos vor sich hin, geteilt in ost- und westdeutsche Flügel, die selbst noch in weitere Strömungen zerfallen. Nun strauchelt auch die letzte große Volkspartei und hat ihren Kern als übergreifende bürgerlich-konservative bis rechte Sammlungspartei verloren.
Im Schatten der Bundespolitik segelte die Thüringer CDU ein knappes Vierteljahrhundert unter dem Radar der bundesweiten Aufmerksamkeit. Von 1990 bis 2014 hatte sie hier regiert – teils allein, teils in Koalitionen. Die Konservativen und Thüringen, das schien lange Zeit eins. Das Land war ihr Eigentum, sie quasi eine Staatspartei. 1999 gewann sie noch 51 Prozent der Stimmen. Zwar fiel das Land alle paar Jahre durch Skandale auf: verlorene Festplatten beim Verfassungsschutz, dubiose Personalentscheidungen, selbstherrliches Agieren des «schwarzen Filzes»… Doch das konnte das Selbstbewusstsein der regierenden Partei nicht erschüttern.
Das Ende der CDU als Staatspartei wurde spätestens mit der Wahl 2004 eingeläutet. 2003 hatte Ministerpräsident Bernhard Vogel sein Amt an den farblosen Dieter Althaus übergeben, dem es nicht gelang, die widerstreitenden Interessen in der Partei auszutarieren. 2004 verlor sie acht Prozentpunkte (auf 43 Prozent) und stürzte 2009 – nach Althaus’ Skiunfall und der Übergabe seines Amtes an Christine Lieberknecht – weiter ab auf 31,2 Prozent. Parallel dazu verbesserte die PDS und später DIE LINKE ihre Ergebnisse kontinuierlich bei jeder Landtagswahl. Nun wurden der CDU ihre Grenzen deutlich. Sie wurde nervös, machte Fehler, und auch die Öffentlichkeit tolerierte immer seltener ihr Gebaren.
Rechte CDU
Außerhalb des Freistaats ist die untergründig einflussreiche, rechte Strömung in der Thüringer CDU selten sichtbar. Zwar wurden im Zuge der Ermittlugnen gegen den NSU das Agieren des Geheimdienstes, das Wegschauen der Politik in den 90er Jahren und die hegemoniale Extremismustheorie als Grundlage staatlichen Handelns kritisch beleuchtet. Auch dass es 2014 Gespräche zwischen CDU und AfD gab, um die Wahl Bodo Ramelows zum Ministerpräsidenten zu verhindern, wurde wahrgenommen – doch offenbar nur als singuläres Ereignis. Gleiches gilt für die etablierte kommunale Zusammenarbeit der CDU mit der AfD, über die bundesweit im September 2019 berichtetet wurde.
Vor Ort ist die Nähe von Teilen der Konservativen zur «Neuen Rechten» hingegen seit Jahren bekannt und taugt kaum noch zur Skandalisierung – sie ist normal geworden: Interviews in der Jungen Freiheit, Revanchismus in Organisationen der «Vertriebenen», ein Beitrag des neurechten Vordenkers Karlheinz Weißmann in der Publikation eines damals CDU-geführten Ministeriums oder Vorträge von Rechten bei der CDU – all das wundert in Thüringen niemanden.
All das wurde regelmäßig dokumentiert: 2001 im Buch Das braune Herz Deutschlands? Rechtsextremismus in Thüringen; 2009 im Schwarzbuch CDU-Herrschaft in Thüringen der Linksfraktion, mit Anfragen im Parlament oder in antifaschistischen Zeitschriften wie der rechte rand.
Krause, Hahn…
Anhand zweier Personalentscheidungen lässt sich exemplarisch zeigen, wie fest verwurzelt der rechte Flügel in der Thüringer CDU ist.
2008 schlug Ministerpräsident Althaus vor, Peter Krause zum neuen Kultusminister zu machen. Der war in den 90er Jahren Redakteur der Jungen Freiheit und hatte auch für andere Blätter der extremen Rechten geschrieben. Von seiner Vergangenheit hatte er sich nie politisch distanziert, sondern nur um Ausreden bemüht. Ein breites gesellschaftliches Bündnis verhinderte schließlich seine Ernennung. Als Kultusminister wäre er unter anderem für die Gedenkstätte des KZ Buchenwald zuständig gewesen.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag wurde Krause gut versorgt. Er ist heute Direktor von «Schloss Ettersburg». Dort lädt er gerne Referenten von rechts außen ein, unter anderem Thilo Sarrazin oder Karlheinz Weißmann.
Wenige Tage vor der Wahl Kemmerichs stellte der einflussreiche CDU-Funktionär Karl-Eckhard Hahn in einem Artikel «Überlegungen zur Entscheidungsfindung im 7.Thüringer Landtag» an und kam im Kern zum Ergebnis, dass die mögliche Wahl eines FDP-Kandidaten mit Stimmen der AfD zu akzeptieren wäre. Mit Hahn sitzt seit vielen Jahren ein rechter Vordenker an zentralen Stellen in der CDU. Jahrelang war er Sprecher der Landtagsfraktion. Hahn kommt aus der völkisch geprägten Studentenverbindung «Deutsche Gildenschaft», für die er bis heute aktiv ist. Er war in den 80er Jahren Redakteur des rechten Blättchens Phoenix und schrieb für rechte Zeitschriften wie Criticón, Etappe, Ostpreußenblatt und Zeitenwende sowie Anfang der 90er Jahre Beiträge in Büchern der Neuen Rechten. 2013 machte ihn die damalige Ministerpräsidentin Lieberknecht zum Regierungssprecher. Seit 1992 war er stets ein einflussreicher Mitarbeiter an ihrer Seite.
Kontinuität
Nach dem Rücktritt Mohrings erklärte der Bundestagsabgeordnete Christian Hirte seine Kandidatur als neuer Landesvorsitzender. Die Personalie erstaunt. Denn er hatte Kemmerich gleich nach seiner Wahl gratuliert. Kanzlerin Merkel forderte daraufhin den bis dahin Ostbeauftragten der Bundesregierung zum Rücktritt auf. Bislang ist er der einzige Kandidat für das Amt, selbst der Fraktionsvorsitzende Mario Vogt, der zum liberalen Flügel zählt, unterstützt ihn. Seine Wahl zum neuen CDU-Landesvorsitzenden wäre ein deutliches Zeichen der Partei, dass sie sich ausdrücklich zu dieser Richtungsentscheidung bekennt.
Nur einen Tag bevor der Verfassungsschutz den «Flügel», die völkische Strömung des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke, zum «Verdachtsfall» erklärte, sagte Hirte der Südthüringer Zeitung, er tue sich «schwer», Höcke einen Faschisten zu nennen. Das nennt man rechte Kontinuität.
* Der Autor ist Geschäftsführer der Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen.
30 Jahre nach Öffnung der Mauer
Wer ist das Volk?
von Ingo Schmidt
Tausende gingen im Herbst 1989 gegen die Parteiherrschaft in der DDR auf die Straße. Eine Herrschaft, die sich auf die Interessen des werktätigen Volkes berief, dieses durch Bespitzelung und Bevormundung aber beständig gegen sich aufbrachte. Kein Wunder, das der Slogan «Wir sind das Volk» weit über den Kreis der Montagsdemonstrationen hinaus Anklang fand.
weiterlesenGenug ist genug
Österreichs unheilige Allianz mit den Rechtspopulisten ist Geschichte
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Wird es nach dem Erdbeben, das die gesamte politische Landschaft Österreichs von den Niederungen des Burgenlands bis zu den Hochalpen Vorarlbergs derzeit erfasst hat, auch nachhaltige Konsequenzen geben?
Das ist die Gretchenfrage, die derzeit die österreichische Innenpolitik ebenso beschäftigt wie Beobachter im benachbarten Deutschland, die bei der Aufdeckung des größten Politskandals der Zweiten Republik eine große, um nicht zu sagen kameraführende, Rolle gespielt haben. weiterlesen
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«Die AfD ist eine Partei aus der Retorte, gezeugt vom großen Geld», wusste der heutige Vorsitzende der Freien Wähler und Superminister Bayerns, Hubert Aiwanger, schon 2016.
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