500 Jahre Bauernkrieg, Teil 6
von Angela Klein
Die Protagonisten der Aufstände der Jahre 1524–1526 bezeichneten sie nicht als Krieg, das war die Zuschreibung der Gegenseite. Sie sprachen vom »Aufstand des gemeinen Mannes«. Das bezeichnete alle, in Stadt und Land, die einer Herrschaft untertan waren, jedoch nicht Mägde und Knechte, fahrendes Volk und Söldner.
Der gemeine Mann hatte Haus und Hof. Dies ging durchaus mit Verpflichtungen verschiedener Art gegenüber der Herrschaft einher, implizierte aber zugleich Freizügigkeit und freie Verfügung über das eigene Hab und Gut. Die meisten waren Freizinser, also Freie, die jährlich einen Zinspfenning zahlten als Zeichen der Zugehörigkeit zur Herrschaft.
Die große gesellschaftliche Umwälzung, die im 15. und 16. Jahrhundert vor sich ging, bestand nun darin, dass diese Freizinser zu Leibeigenen gemacht wurden – auf verschiedene Art, aber immer mit Druck und Gewalt.
Leibeigenschaft gab es nicht nur unter den Bauern, auch viele Bürger in landesherrlichen Städten hatten diesen Status. (Nur in den Reichsstädten gehörte die Freiheit zu den Statusrechten von Bürgern.) Sie bezeichnete die Bindung an den Herrn mit Habe, Leib und Seele, die Einschränkung der Verfügungsgewalt über das Eigen: den Besitz, den Nachlass, die Arbeitskraft, die Freizügigkeit, die Heirat.
Ein Freizinser beim Kloster Kempten wurde bei Strafe des Kerkers und des Einzugs der gesamten Habe gezwungen, sich mit Frau und Kind urkundlich als leibeigen zu verschreiben. Heiratete ein Eigenmann eine Freizinserin, musste diese sich ebenfalls unter Androhung oder Anwendung von Gewalt und Einzug des gesamten Besitzes in die Leibeigenschaft verschreiben. Vielfach verlangten die Leibherren oft sog. »Masseneide«, bei denen sich die Leibeigenen eines Dorfes verpflichteten, nicht ohne Erlaubnis wegzuziehen.
Leibeigenschaft war auch der Rechtstitel, um sich ihr Hab und Gut anzueignen. Bei jedem Todesfall forderte das Kloster Kempten die Hälfte des Nachlasses, für die Kinder blieb dann nichts mehr übrig.
Ehen zwischen Leibeigenen aus verschiedenen Herrschaftsbereichen oder unter Nichtstandesgleichen waren entweder verboten oder wurden mit hohen Abgaben belegt, um eine Abwanderung zu verhindern.
Schließlich diente die Leibeigenschaft auch dazu, Herrschaft territorial zu festigen und ein Recht des Herrschers an seinen Untertanen durchzusetzen.
»Fryheit« war die zentrale Losung der aufständischen Bauern. Damit waren nicht politische Freiheiten gemeint, die es auf dem Land eh nicht gab, sondern die Abschaffung der Leibeigenschaft und die Wiederherstellung der freien Verfügungsgewalt über ihr Eigen.
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