Nordostsyrien
Der vergessene Krieg
von Svenja Borgschulte
Ungestört führt die Türkei ihren bereits vierten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Nordostsyrien, der im vergangenen Oktober eskalierte. Das Schweigen des Westens ist ohrenbetäubend. Ein kritischer Blick auf die Zerstörung einer Region, für die auch Deutschland eine Verantwortung trägt.
weiterlesenTima Kurdi: Der Junge am Strand. Geschichte einer Familie auf der Flucht
Hamburg: Assoziation A, 2020. 256 S., 19,80 Euro
von Albrecht Kieser
Er ruht sich aus, dieser Junge am Strand. Zwei oder drei Jahre mag er alt sein, die blaue kurze Hose, die er trägt, und das rote T-Shirt prahlen mit ihren Farben. Den Kopf hat er weggedreht vom Betrachter. Er ruht sich aus, er ist erschöpft vom Sterben auf dem Meer. Der Tod hat ihn an Land gespült, nahe des türkischen Badeorts Bodrum. Er hat seine Flucht vor dem IS beendet.
weiterlesenSyrien: Eine Katastrophe bahnt sich an
Das Assad-Regime setzt mit Hilfe von Corona seinen Krieg gegen die Bevölkerung fort
von Harald Etzbach
Es gebe in Syrien keine Infektionen mit dem Coronavirus, hat das Assad-Regime lange Zeit behauptet. Trotzdem wurden Mitte März eine Reihe von «präventiven» Maßnahmen ergriffen, darunter Schulschließungen, die Absage von Sport- und Kulturveranstaltungen und Einschränkungen oder Schließungen in der Verwaltung.
weiterlesenFlucht ohne Ausweg
Millionen Menschen werden gerade aus Idlib vertrieben
von Harald Etzbach
Es ist die größte Vertreibungswelle seit dem Zweiten Weltkrieg. Nach neuesten Angaben sind seit dem 1.Dezember – dem Beginn einer neuen Großoffensive des Assad-Regimes und seiner russischen und iranischen Verbündeten – mehr als eine Million Menschen im Nordwesten Syriens, in der Provinz Idlib und im Westen der Provinz Aleppo, auf der Flucht.
weiterlesenTeile und Herrsche
Im Syrienkonflikt präsentiert sich die neue Ordnungsmacht Russland als «ehrlicher Makler»
von Nick Brauns
Am 30.September 2015 gab der Sprecher des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation bekannt, dass Russland der Bitte der syrischen Regierung um militärische Unterstützung nachgekommen sei. Es folgten massive Luftschläge gegen den sog. Islamischen Staat (IS), aber auch gegen andere gegen Damaskus kämpfende Milizen.
weiterlesenSyrien: Idlib steht unter dreifachem Beschuss…
…und niemand schaut hin
von Harald Etzbach
Die militärische Offensive der Türkei Anfang Oktober hat Syrien wieder einmal eine Zeitlang in den Fokus der internationalen Aufmerksamkeit gerückt. Weltweit fanden größere Demonstrationen gegen die türkische Aggression statt, auch Mainstreammedien berichteten umfassend.
Dies steht in auffallendem Kontrast zu dem Schweigen und der Nichtbeachtung eines anderen syrischen Dramas, das sich seit mittlerweile sieben Monaten ein paar hundert Kilometer weiter westlich abspielt: der systematische Vernichtungsfeldzug des syrischen Regimes und Russlands mit beinahe täglichen Artillerie- und Bomberangriffen in der Provinz Idlib im Nordwesten des Landes.
Krieg um Rojava, Kampf um die Türkei
Der Verrat der USA zwingt die Autonomieverwaltung zum Bündnis mit Damaskus
von Nick Brauns
Am 9.Oktober begann der schon lange von der türkischen Staatsführung angedrohte Angriffskrieg auf die als Rojava bekannte Selbstverwaltungsregion im Norden und Osten Syriens. Vorangegangen war die Erklärung von US-Präsident Donald Trump, die in Nordsyrien offiziell zum Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) stationierten US-Soldaten abzuziehen, um einen Zusammenstoß der beiden NATO-Partner zu verhindern.
weiterlesenDie Quadratur des Kreises
Trotz der Einigung zwischen den USA und der Türkei bleibt die Gefahr eines Krieges gegen Rojava hoch
von Nick Brauns
Der sog. Sicherheitsmechanismus, den die USA und die Türkei in Nordsyrien vereinbart haben, steht auf höchst unsicherem Grund.
Am zweiten Septemberwochenende fand erstmals eine gemeinsame Patrouillenfahrt von US-Soldaten und türkischen Militärs im Norden Syriens nahe der Stadt Tall Abyad statt. Es folgten gemeinsame Aufklärungsflüge mit Helikoptern über dem auch als Rojava bekannten Selbstverwaltungsgebiet.
«Die Patrouillen waren bei der autonomen Selbstverwaltung bereits im Vorfeld angemeldet worden und sind Teil des Abkommens, das die internationale Koalition geschlossen hat, um den Krieg fernzuhalten und die Stabilität in den Grenzgebieten zu sichern», erklärte das Militärbüro der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien im Anschluss.
Die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) einschließlich der von Ankara als terroristisch angesehenen kurdischen Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ hatten sich zuvor mit ihren schweren Waffen fünf Kilometer von der Grenze zur Türkei zurückgezogen und Befestigungsanlagen abgerissen. Die Kontrolle über das Grenzgebiet übernahmen stattdessen lokale Militärräte in Kooperation mit US-Truppen. All dies geschah im Rahmen eines «Sicherheitsmechanismus», auf den sich die NATO-Partner USA und Türkei unter indirekter Einbeziehung der SDF zuvor geeinigt hatten.
Widerstreitende Interessen
Noch Anfang August schien ein türkischer Einmarsch in das nordsyrische Selbstverwaltungsgebiet unmittelbar bevorzustehen. Die türkische Regierung forderte eine 30 Kilometer tiefe «Sicherheitszone» entlang der 380 Kilometer langen Grenzlinie östlich des Euphrat. Eine solche Besatzungszone würde alle kurdischen Siedlungsgebiete und die meisten größeren Städte der Region umfassen. Ankara will dort einen Teil der 3,5 Millionen in der Türkei lebenden syrischen Flüchtlinge ansiedeln, was einen massiven demografischen Wandel zulasten der kurdischen Bevölkerung bedeuten würde.
Ein Einmarsch in das Selbstverwaltungsgebiet in Nordsyrien hätte das durch Ankaras Kauf russischer S400-Luftabwehrraketen schon angespannte Verhältnis zwischen den NATO-Mächten USA und Türkei weiter eskalieren lassen. Doch auf der jährlichen Sitzung des Obersten Militärrats der Türkei am 1.August hatte Verteidigungsminister Hulusi Akar angeordnet, diejenigen Generäle, die eine Kooperation mit den USA ablehnen, in den vorzeitigen Ruhestand zu schicken.
Nachdem die NATO-Kontrolle über den Generalstab auf diese Weise wieder vollständig hergestellt war, einigten sich Vertreter des türkischen und des US-Militärs auf die Bildung eines gemeinsamen Operationszentrums in der Stadt Sanliurfa zur Umsetzung der von Ankara geforderten «Sicherheitszone». Konkret vereinbart wurde bislang allerdings nur der eingangs beschriebene «Sicherheitsmechanismus».
Dies bot der türkischen Führung zwar die Chance, den angekündigten Angriff auf Nordsyrien ohne Gesichtsverlust erst einmal zurückzustellen. Allerdings ist der «Sicherheitsmechanismus» weitgehend symbolischer Natur. Denn er ermöglicht zwar der türkischen Armee, alle paar Wochen bei gemeinsamen Patrouillen mit den US-Streitkräften in Nordsyrien Flagge zu zeigen.
Doch Ankara ist nicht verborgen geblieben, dass es sich bei den Militärräten, die nun anstelle von SDF und YPG/YPJ die Kontrolle über das Grenzgebiet ausüben, lediglich um eine föderale Neustrukturierung der Verteidigungskräfte der Selbstverwaltungsregion handelt.
Die Militärräte
Mit der Bildung der aus örtlichen Kräften gebildeten Militärräte wurde bereits im Mai begonnen, nachdem zuvor der letzte vom sog. Islamischen Staat kontrollierte Ort Baghouz im Osten Syriens befreit werden konnte. Waren für die Befreiung der vom IS besetzten Gebiete und Städte noch große mobile Truppenverbände notwendig, so erfordert der Kampf gegen die nun zum Guerillakrieg mit Anschlägen, Morden und Sabotageaktionen übergegangenen IS-Zellen im Untergrund eine Stärkung lokaler Sicherheitsstrukturen der ortsansässigen und ortskundigen Bevölkerung.
Die Bildung der an die örtlichen Volksräte angebundenen Militärräte, die ihre eigenen Kommandanten und Kommandantinnen wählen, entspricht zudem der Forderung des Vordenkers der kurdischen Freiheitsbewegung, Abdullah Öcalan, wonach jede selbstverwaltete Einheit in der Lage sein muss, sich auch selbst zu verteidigen. Diese Ideologie des auf multiethnischer rätedemokratischer Selbstverwaltung beruhenden Demokratischen Konföderalismus ist es, die von Ankara als terroristisch angesehen wird, egal ob ihre Träger in Nordsyrien Kurden, Araber, Assyrer oder Turkmenen sind.
Entsprechend unzufrieden zeigte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit der Umsetzung der «Sicherheitszone». «Es scheint ganz so, als ob unser Verbündeter nach einer Sicherheitszone für die terroristische Organisation und nicht für uns trachtet», klagte Erdogan, und «dass das, was die USA wollen und das was wir wollen, nicht dasselbe ist».
Was die USA wollen, ist dabei in erster Linie eine Stabilisierung in Nordsyrien, um ein Wiederaufleben des IS zu verhindern und zugleich den Einfluss des syrischen Regimes und seiner iranischen und russischen Unterstützer zurückzudrängen.
Der Versuch der US-Regierung, dies mit dem Schutzbedürfnis ihrer lediglich taktischen kurdischen Verbündeten in Nordsyrien einerseits, dem Interesse ihres strategischen NATO-Partners Türkei nach Zerschlagung des «kurdischen Terrorkorridors» andererseits unter einen Hut zu bringen, gestaltet sich mithin als der unmögliche Versuch einer Quadratur des Kreises.
Die Gefahr, dass die USA dem Drängen der türkischen Regierung nachgeben und einen begrenzten türkischen Einmarsch in das Selbstverwaltungsgebiet zulassen, um im Gegenzug die Türkei wieder aus dem russischen Orbit herauszuziehen, ist real und die Gefahr eines Krieges gegen Rojava somit keineswegs gebannt.
Sollte die Sicherheitsvereinbarung mit Ankara scheitern und die USA sich gar aus Syrien zurückziehen, würden die SDF eher ein Abkommen mit dem Assad-Regime und dessen Schutzmacht Russland schließen, als unter türkischer Besatzung zu leben, erklärte der SDF-Oberkommandierende Mazlum Kobani. Er brachte damit eine andere Option ins Spiel, die bislang allerdings an dem Beharren der Regierung in Damaskus auf vollständiger Unterwerfung der Selbstverwaltungsregion gescheitert ist.
Zwischen Skylla und Charybdis
Die autonome Selbstverwaltung in Nordsyrien steht nach dem Sieg
über den IS am Wendepunkt
von Nick Brauns
Nach der griechischen Mythologie muss Odysseus sein Schiff in der Meerenge von Messina zwischen dem menschenfressenden Ungeheuer Skylla zu seiner Linken und dem Strudel Charybdis zu seiner Rechten sicher hindurchsteuern. Gleich dem antiken Helden ist es den Kurden in acht Jahren des Krieges und Bürgerkrieges in Syrien gelungen, gestützt auf die eigene Kraft, aber unter geschickter Ausnutzung der Widersprüche der verschiedenen regionalen und internationalen Akteure, einen eigenen Weg zu gehen. weiterlesen
Zwangsehe mit Hindernissen
Das Erdogan-Putin-Abkommen zu Idlib
von Serdar Kazak
Das Sotschi-Abkommen zwischen Putin und Erdogan über Idlib ist bekannt: In der Stadt am Schwarzen Meer einigten sich der russische und der türkische Staatspräsident am 17.September darauf, bis zum 15.Oktober rund um die letzte Rebellenhochburg Idlib eine entmilitarisierte Zone zu schaffen und Idlib nicht zu bombardieren. weiterlesen
Viele kleine Gefechte tun es auch
Das syrische Militär will in Idlib «den ganzen Weg gehen»
von Harald Etzbach
Weitgehend unbeachtet von der westlichen und auch linken Öffentlichkeit demonstrierten in den letzten Wochen Zehntausende Menschen in der syrischen Provinz Idlib gegen die Pläne des Assad-Regimes und Russlands, dieses letzte nicht vom Regime kontrollierte Gebiet zurückzuerobern. Allein in Idlib-Stadt waren trotz unmittelbarer Bedrohung durch Angriffe der syrischen und russischen Luftwaffe etwa 25000 Menschen auf der Straße. weiterlesen
Legt ihnen das Handwerk!
NATO-Staaten zündeln in Syrien
von ISO Berlin
Am 14.April haben die USA, Großbritannien und Frankreich Ziele in Syrien mit Marschflugkörpern angegriffen. Diese Angriffe ohne UNO-Mandat sind völkerrechtswidrig. weiterlesen