Sonderbriefmarke: Frauen in der Widerstandsbewegung
von Kai Böhne
Anfang Mai 2025 meldete Radio Slovakia International*, die slowakische Post habe eine Sonderbriefmarke zum Thema »Frauen in der antifaschistischen Widerstandsbewegung« herausgegeben. Auf dem 2,70-Euro-Wert seien Porträts von Chaviva Reickova (1914–1944), Dalma Spitzerova, geb. Holanova (1925–2021) und Marina Paulinyova (1897–1945) im Profil abgebildet.
Auf deutschen Druck hatte sich die Slowakei 1939 aus der Tschechoslowakei gelöst. Doch die proklamierte Souveränität war eine Illusion. Unter Führung des katholischen Priesters Jozef Tiso entstand ein autoritärer Marionettenstaat Nazideutschlands. Das klerikale Regime kollaborierte aktiv mit dem Plan, Juden in den Osten zu deportieren. Bis kurz vor Kriegsende stand die slowakische Führung eng an der Seite von Nazideutschland und billigte die Deportation von 60.000 slowakischen Juden.
Ende August 1944 begann in Banska Bystrica der slowakische Nationalaufstand als bewaffnete Erhebung, die sich sowohl gegen die im August 1944 begonnene deutsche Besatzung der Slowakei als auch gegen das Regime Tiso und dessen Bindung an das Deutsche Reich richtete. Die Aufständischen standen in Verbindung mit der tschechoslowakischen Exilregierung in London. Getragen wurde der Aufstand von Teilen der slowakischen Armee, in- und ausländischen Partisanen sowie Freiwilligen verschiedener Nationalitäten.
Die unterschiedlichen Regionen des Aufstandes und die verschiedenen Gruppierungen waren untereinander wenig koordiniert. Dies führte zu seiner schnellen Beendigung durch die deutsche Wehrmacht. Ende Oktober 1944 wurde die Revolte von deutschen Truppen und ihren slowakischen Helfern niedergeschlagen. Die verbliebenen Aufständischen kämpften bis zum Kriegsende 1945 als Partisanenbewegung im Untergrund weiter.
Die drei auf der Briefmarke geehrten Antifaschistinnen werden für ihren Einsatz im Rahmen des slowakische Nationalaufstands ausgezeichnet. In einer Pressemitteilung der slowakischen Post betont der Historiker Lukas Volentier, dass nicht nur Männer mit der Waffe in der Hand gegen die faschistische Besatzung kämpften. »Auch viele Frauen schlossen sich der antifaschistischen Widerstandsbewegung an«, ohne ihre Tatkraft und Entschlossenheit »hätte die Widerstandsbewegung kaum funktionieren können«.
Die junge Chaviva Reickova, erste von links auf der Marke, hatte sich der sozialistisch-zionistischen Jugendorganisation Hashomer Hatzair in der Region um Banska Bystrica angeschlossen. 1939 emigrierte sie mit ihrem Mann nach Palästina, wo sie in einem Kibbuz lebte. 1942 trat Reickova dem Palmach, einer paramilitärisch jüdischen Elitetruppe bei und ließ sich in Palästina zur Funkerin und Fallschirmspringerin ausbilden, um in die Slowakei zurückzukehren und dort bei der Rettung von Juden zu helfen und britische und amerikanische Truppen im Kampf gegen die Nationalsozialisten zu unterstützen. Per Fallschirm sprang sie mit einer Luftlandeeinheit über der Slowakei ab. Dort bildete sie eine Partisaneneinheit aus, mit der sie sich in die Berge zurückzog. Nach ihrer Gefangennahme wurde sie am 20. November zusammen mit ihren Mitkämpfern getötet.
Die mittlere Frau auf der Marke, Dalma Spitzerova, verbrachte ihre Kindheit in Liptovsky Mikulas. Nachdem im Frühjahr 1942 die Transporte in die Vernichtungslager begannen, verließ sie auf Drängen ihres Vaters allein die Slowakei und fuhr mit dem Zug nach Budapest. Als sie dort aufflog, wurde sie zwei Jahre in einem Lager in Novaky, im Westen der Slowakei interniert. Nach der Befreiung des Lagers schloss sie sich dem slowakischen Nationalaufstand an und arbeitete in der Presseabteilung der Partisanenbewegung. Nur wenige Wochen vor der Befreiung wurden ihr Bruder und beide Eltern von den Nazis ermordet. Nach dem Krieg machte Spitzerova eine Schauspielkarriere. Sie wurde 95 Jahre alt.
Als Marina Paulinyova, rechts auf der Marke, acht Jahre alt war, wanderte ihre Familie aus wirtschaftlichen Gründen in die USA aus. In der Zwischenkriegszeit lebte Paulínyova abwechselnd in der Tschechoslowakei und in den USA. Paulínyova arbeitete als Journalistin, Diplomatin und Krankenpflegerin. In Bratislava entging sie bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nur knapp der Verhaftung. Sie reiste nach London, wo die tschechoslowakische Exilregierung ihren Sitz hatte. In Großbritannien organisierte sie beim Roten Kreuz Hilfsmaßnahmen für tschechoslowakische Kriegsgefangene in deutschen Lagern. Im Oktober 1945 starb sie bei einem Flugzeugabsturz.
*Radio Slovakia International ist der im Januar 1993 gegründete Auslandsdienst des Slowakischen Rundfunks. Bis Dezember 2019 sendete er auf Kurzwelle, ist heute aber nur noch über Satellit und per Internet zu empfangen.
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