Wie rechte Netzwerke die Arbeitswelt unterwandern
von Andreas Buderus
Es beginnt oft unscheinbar: ein Gespräch in der Teeküche, ein Spruch am Schwarzen Brett, ein Kollege, der meint: »Man wird ja wohl noch sagen dürfen …« Doch was harmlos wirkt, entpuppt sich schnell als Teil einer durchdachten Strategie: Die Neue Rechte versucht, Einfluss auf Betriebe und Betriebsräte zu nehmen – nicht lautstark mit Parolen, sondern leise und beharrlich, mit Präsenz und Penetration. Ihr Ziel: ideologische Hegemonie im Arbeitsalltag.
Bereits 1998 formulierte die NPD im »Stavenhagener Strategiepapier« ein »Drei-Säulen-Modell«: Kampf um Straße, Köpfe und Parlamente. 2004 kam die vierte Säule hinzu: der »organisierte Wille« – insbesondere in Betrieben und Gewerkschaften. Inzwischen verfolgen Akteure der Neuen Rechten diese Strategie mit Nachdruck. Der Betrieb soll zur Keimzelle autoritärer Normalisierung werden – als vermeintlich »unpolitischer« Ort, an dem rechte Deutungen Fuß fassen.
Die AfD wird noch immer häufig als Protestpartei der Abgehängten gesehen. Doch längst ist sie im Zentrum der Gesellschaft angekommen – auch in der Arbeitswelt. Bei der Bundestagswahl 2025 wählten 38 Prozent der Arbeiter die AfD; bei Landtagswahlen in Ostdeutschland waren es sogar über 40 Prozent. Besonders stark ist die Partei bei 25- bis 44jährigen – der klassischen Zielgruppe gewerkschaftlicher Organisierung.
Autoritärer Konsens im Betrieb
Die AfD muss dafür keine starken betrieblichen Strukturen aufbauen. Ihr Erfolg speist sich aus dem Frust vieler Beschäftigter über Bürokratien, mangelnde Mitsprache und politische Entfremdung.
Der rechte Konsens entsteht von innen: in Belegschaften, die sich gegen »Gender-Gaga«, Migration oder politische Korrektheit wenden. Dabei verknüpfen rechte Gruppen reale Sorgen – etwa über schlechte Tarifverträge oder Arbeitsdruck – mit rassistischen Erzählungen und autoritären Lösungsfantasien, reden von »geheimen Eliten« und »Steuerung von oben«.
Seit 2014 entstanden innerhalb der AfD mehrere sog. Arbeitnehmerorganisationen, etwa »Arbeitnehmer in der AfD« oder »Alternative öffentlicher Dienst«. Flankiert wurden diese Strukturen durch Vorfeldorganisationen wie »Ein Prozent« und rechte Medien wie Compact. Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer proklamierte auf einer Konferenz des neurechten Magazins nach den Wahlerfolgen der AfD 2017, nun sei der Moment gekommen, »den Wind, der durch Deutschland weht, in die Betriebe (zu) tragen«. Besonders aktiv ist die Pseudogewerkschaft »Zentrum Automobil« (ZA), gegründet vom Ex-Neonazi Oliver Hilburger. Seit 2022 agitiert »Zentrum« nicht nur in der Autoindustrie, sondern auch im Pflegebereich, im öffentlichen Dienst und in Dienstleistungsbranchen.
Der rechte Zugriff auf die betriebliche Mitbestimmung erfolgt über mehrere Wege: durch eigene Listen bei Betriebsratswahlen, durch Kandidaturen auf Listen rechter Splittergewerkschaften wie der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) oder durch vermeintlich unabhängige Kandidaten. Diese vermeiden offene AfD-Zuordnung, setzen auf Einzelfallhilfe und präsentieren sich als pragmatische Kümmerer. Ihre Agenda bleibt jedoch eindeutig: antidemokratisch, gewerkschaftsfeindlich und nationalistisch.
Unter Namen wie »Bündnis freier Betriebsräte«, »Team Klartext« oder »CGM – Bündnis 2025« treten rechte Gruppen bei Betriebsratswahlen an. 2025 zog etwa in Rüsselsheim der ehemalige ZA-Vorstand Horst Schmitt über die CGM-Liste in den Betriebsrat ein. Das Ziel: demokratische Mitbestimmung durch autoritäre Ordnungsvorstellungen zu ersetzen. Die Rechte inszeniert sich dabei als neue Stimme der Basis – ohne dabei je strukturell etwas zu verbessern. Denn das Ziel ist nicht soziale Gerechtigkeit, sondern ideologische Hegemonie. Die soziale Frage wird regressiv, völkisch und antiemanzipatorisch beantwortet – mit dem Ziel, den Ansatz kollektiver Gegenmacht in Abrede zu stellen, der Lächerlichkeit preiszugeben und, wo (betrieblich) vorhanden, zu schwächen oder zu zerstören.
Ideologie der Betriebsgemeinschaft
Dabei knüpfen rechte Akteure an eine lange ideologische Tradition an: die Idee der »Betriebsgemeinschaft«. Schon die Nazis versuchten, mit ihrer Betriebszellenorganisation soziale Konflikte zugunsten einer völkischen Einheit zu übertünchen. Heute wird das Narrativ vom »ehrlichen Arbeiter« bemüht, der sich angeblich gegen übergriffige Gewerkschaften, »linksgrüne Utopien« und Diversity wehren muss. Tarifverträge gelten als überflüssig, Streiks als schädlich für den »Betriebsfrieden«.
Diese Denkweise ist anschlussfähig für viele Unternehmen: Rechte Betriebsräte greifen die Kapitalinteressen nicht an, sondern richten sich gegen Mitbestimmung und gewerkschaftliche Strukturen. Die Betriebsräte der AfD-Familie präsentieren sich als Bewahrer des Standorts und nutzen betriebliche Unsicherheit, um autoritäre Lösungen als »alternativlos« zu verkaufen.
Der DGB hat diese Entwicklung früh erkannt – aber kaum darauf reagiert. Bereits 2000 stellte eine DGB-Kommission fest, dass rassistische und autoritäre Einstellungen auch unter Gewerkschaftsmitgliedern verbreitet sind. Doch statt daraus Konsequenzen zu ziehen, dominierte in den Folgejahren die Orientierung auf Sozialpartnerschaft, Mitgliederverwaltung und politische Neutralität.
Rolle der Gewerkschaften
Tarifpolitik wurde technokratisiert, politische Bildung vernachlässigt. In der Praxis bedeutete das Friedenspflicht statt Konfliktfähigkeit, Service statt Organisierung, Symbolpolitik statt Substanz. Die Folge ist ein Vakuum, das rechte Akteure füllen – nicht mit besseren Konzepten, sondern mit emotionalen Erzählungen und Ressentiments.
Das gilt auch für den von vielen Gewerkschaften mitgetragenen Rüstungskeynesianismus. Oliver Hilburger kann sich vor diesem Hintergrund als antimilitaristischer und friedensorientierter Gewerkschafter aufführen: Es sei zynisch, den von Arbeitsplatzverlust bedrohten Arbeitern »Rüstungsarbeitsplätze in Deutschland als Kompensation für aus eigenen Fehlern verlorengegangene Arbeitsplätze schmackhaft (zu) machen … Zynisch zum einen, weil das keine Botschaft ist, die der Menschheit was bringt, und zynisch ist es, weil die Menschen, die dann dort arbeiten … auch ihre Söhne in den Krieg schicken müssen. Und deswegen bin ich zutiefst überzeugt davon, dass die Gewerkschaft vom Grundsatz her sich für den Frieden einsetzen muss«, so Hilburger auf einer Pressekonferenz zur Gründung des »Zentrum«-Regionalbüros Nordwest am 24.April dieses Jahres.
Um der rechten Offensive entgegenzutreten braucht es eine strategische Neuausrichtung der Gewerkschaften: politische Bildung, klassenorientierte Tarifpolitik, konsequente Abgrenzung nach rechts und eine konsequente Antikriegspolitik. Vor allem aber braucht es ein neues Selbstverständnis: nicht als neutrale Dienstleister, sondern als aktive soziale Bewegung, die die Betriebe wieder zu Orten der Solidarität macht.
Die rechte Unterwanderung geschieht nicht zufällig. Sie folgt einem Plan – und sie wird weitergehen, wenn ihr nicht entschlossen begegnet wird. Die Betriebsratswahlen im Frühjahr 2026 werden deshalb ein Lackmustest für gewerkschaftliche Mobilisierungsfähigkeit, Verteidigung des Streiksrechts, Solidarität mit Kolleg:innen mit und ohne deutschen Pass und Verteidigung der Tarifbindung werden.
Gekürzte und bearbeitete Version des Beitrags »Im Maschinenraum der Reaktion. Die AfD, die Arbeit und der Betrieb« vom 27.Mai 2025, auf der Seite: https://gewerkschaftsforum.de/.
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