Ökosozialismus hält Einzug im Bundestag – Die Würde des Hauses sucht man weiterhin
von Violetta Bock
Kassel, Berlin, Juni 2025: auch von nahem betrachtet gleichen die Abläufe im Bundestag einem Schauspiel, besonders wichtig ist das Antlitz des Hohen Hauses. Bundestagspräsidentin Klöckner verweist in der einen Woche einen Abgeordneten der Linken wegen Tragens einer Baskenmütze aus dem Plenarsaal, in der nächsten wegen eines T-Shirt mit der Aufschrift »Palestine«. Die Regenbogenflagge soll am Christopher Street Day nicht über dem Reichstagsgebäude wehen und die queere Gruppe der Bundestagsverwaltung darf sich nicht als solche am CSD beteiligen aus Gründen der »politischen Neutralität«.
Politische Neutralität aus Sicht der CDU wird zur Maskerade der Würde eines Hohen Hauses. Doch manchmal fallen die Masken. Im Fall von CDU-Fraktionschef Jens Spahn sogar wortwörtlich. Das Geld zahlt schließlich der Steuerzahler, Auswirkungen für ihn: bislang keine. Kanzler Merz spricht von »Drecksarbeit«, wenn Israel den Iran angreift und Trump unberechenbar die Eskalation weitertreibt. Das Völkerrecht darf fallen – solange die Krawatte sitzt. Innenminister Dobrindt, dem schon bei der Maut EU-Recht egal war, setzt seinen Kurs fort.
Diesmal trifft es nicht nur die Finanzen, sondern Familien. Trotz unanfechtbarer Eilentscheidung hält er an der Zurückweisung Asylsuchender an den Grenzen fest. Der Familiennachzug wird als nächstes ausgesetzt. Die Mehrheit erhält er dafür von der SPD – alle Abgeordneten erhalten eine kräftige Diätenerhöhung. Die Beschäftigten mit Mindestlohn warten derweil weiter auf Erhöhung. Und vielen weiteren wird bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen gepredigt, sie müssten den Gürtel enger schnallen. Wie war das mit Anstand?
Nehmen wir Abstand von den täglichen Grausamkeiten und wenden uns etwas Erfreulichem zu. Die Bundestagsfraktion der Linken hat im Juni die Arbeitsgemeinschaft »Ökosozialismus« als ständiges Gremium gegründet. Ziel ist, sich nicht in einzelnen Ausschüssen zu verlieren und vom parlamentarischen Sog mitgerissen und vereinzelt zu werden. Stattdessen will die AG mit derzeit 15 Abgeordneten aus unterschiedlichen Ausschüssen Brücken schlagen und Perspektiven entwickeln.
Die Klimakatastrophe durchdringt alle Lebensbereiche und die Ursache liegt im kapitalistischen System. Mit einem ökosozialistischen Ansatz wird dem Angriff auf unsere Lebensgrundlagen umfassend begegnet. Die Klimabewegung stagniert derweil. Nach Kohle und Energie hat sich der Fokus auf Verkehr verlagert, vom Kampf gegen den Autobahnausbau hin zu besseren Arbeitsbedingungen für Busfahrer:innen.
An Industriestandorten wachsen praktische Ansätze ausgehend von der Produktion und mit Blick auf Konversion. Warum also nicht in der Fläche den Fokus auf Wohnen? Der Gebäudesektor ist klimarelevant und die Wohnungskrise akut. Der Umbau und energetische Sanierungen sind gesellschaftlich notwendig, doch die Kosten werden bislang einseitig von den Mieter:innen getragen. Das geht anders.
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