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Aufmacher Widerstand 1. September 2025

Gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht braucht es ein breites Bündnis

von Christoph Tophoven

Die Bundesregierung plant, die Bundeswehr zur stärksten Armee Europas auszubauen und künftig bis zu 225 Milliarden Euro jährlich bereitzustellen. Die größte Hürde dafür: das Personal. Derzeit dienen rund 183.000 Soldatinnen und Soldaten – Ziel sind 260.000. Trotz kostspieliger Werbekampagnen konnte im vergangenen Jahr die Zahl der Soldatinnen und Soldaten nicht in erwünschten Umfang erhöht werden.

Nach den Plänen von Verteidigungsminister Pistorius sollen ab dem Geburtsjahrgang 2008 Männer verpflichtend und Frauen freiwillig einen Fragebogen ausfüllen. Abgefragt werden persönliche Daten sowie die Bereitschaft, zur Bundeswehr zu gehen. Damit hofft die Regierung, genügend Freiwillige zu finden. Bleiben die Bewerberzahlen niedrig, kann die Bundestagsmehrheit die Wehrpflicht beschließen.

Die Befragung und eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht dienen der Militarisierung der Gesellschaft. Mit ihr erhält der Staat Zugriff auf eine ganze Generation – und kann militärisches Denken und Handeln fest verankern. Das ist ein entscheidender Schritt hin zur angestrebten „Kriegstüchtigkeit“ und zur Bereitschaft, die Bundeswehr auch in weltweiten Konflikten einzusetzen. Eine aufgerüstete stärkste Armee Europas wird nicht ungenutzt bleiben.

Bündnis gegen Wehrpflicht aufbauen

Die geplante Wiedereinführung wird nicht stillschweigend hingenommen. Es gibt einige Kampagnen: Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) startete im vergangenen Jahr nach Bekanntwerden des Gesetzentwurfs der Ampelkoalition zur Wiedereinführung der Wehrpflicht die Kampagne „Ohne mich“.

Im Juni dieses Jahres fand ein bundesweiter Kongress zu Kriegsdienstverweigerung statt, ein Ziel des Kongresses war, das umfangreiche Wissen älterer Generationen über Kriegsdienstverweigerung an jüngere weiterzugeben.

Im ganzen Land entstehen Initiativen wie „Eltern gegen Wehrpflicht“, „Nein zur Wehrpflicht“ oder „Komitees gegen Wehrpflicht“. Die Initiative „nie-wieder-krieg“ macht den Auftakt mit bundesweiten Demonstrationen am 3. Oktober in Berlin und Stuttgart. So wie der SDS, der Studierendenverband der Linken, der auch eine Kampagne starten will.

Das ist gut – doch einzeln verpufft die Wirkung. Notwendig ist jetzt eine gemeinsame Bewegung – ein gemeinsamer Aufruf, unter dem sich alle Gruppen vereinen, würde die Schlagkraft deutlich erhöhen. Zentrale und dezentrale Aktionen sollten zusammen geplant und koordiniert werden.

Zunächst muss der Fragebogen juristische überprüft werden – insbesondere in Hinblick auf Datenschutz und Datensicherheit. Wer hat Zugriff auf die Daten? Welche Nachteile drohen, wenn man sich ausdrücklich gegen die Bundeswehr ausspricht?

Die Ergebnisse sollten dann genutzt werden, um Kritik und Bedenken in die Öffentlichkeit zu tragen. Natürlich sind auch Schritte zu überdenken, wie der Prozess verlangsamt, das Ausfüllen und Versenden der Fragebögen gezielt verzögert werden kann.

Ebenso sollte an ein Einreichen von Musterklagen gegen den Fragebogen gedacht werden. Aber auch Tipps, wie man sich für die Bundeswehr möglichst unattraktiv machen kann – falls man das will – sind hilfreich.

Der Schwerpunkt der DFG-VK-Kampagne liegt aktuell auf dem Aufbau eines Beratungsnetzes für Kriegsdienstverweigerer. In regelmäßigen bundesweiten Zoommeetings wird ein Austausch über Beratungspraxis angeboten.

Zivildienst darf kein Lückenbüßer sein

Der nächste Schritt ab 2027 ist eine verpflichtende Musterung aller jungen Männer. Danach ist mit der Einführung der Wehrpflicht zu rechnen – bis dahin sind Kasernen instand gesetzt, stehen Ausbilder bereit.

Das Bündnis gegen die Wehrpflicht muss bis dahin deutlich wachsen. Die öffentliche Debatte sollte klar vom Widerstand gegen den Zwangsdienst geprägt sein. Auch die Folgen für den Arbeitsmarkt eines gesamten Jahrgangs müssen thematisiert werden.

Das Thema Wehrpflicht ist mit anderen Schwerpunkten der Friedensbewegung zu verknüpfen, Eltern potenziell Wehrpflichtiger brauchen eine Stimme. Schüler könnten Schulstreiks – ähnlich wie bei Fridays for Future – organisieren.

Mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht droht auch ein neuer Zivildienst. Zivildienstleistende dürfen nicht schlechter gestellt werden als Soldatinnen und Soldaten – weder bei der Bezahlung noch bei der Dienstzeit.

Der Zivildienst darf nicht als billige Arbeitskraftreserve missbraucht werden, um Personalengpässe in Pflege, Sozialwesen oder anderen Bereichen zu überbrücken – und schon gar nicht, um Einsparungen aus einem überdimensionierten Verteidigungshaushalt im Sozialbereich zu kompensieren. Unser Ziel: Wenn schon ein Zivildienst, dann nur fair bezahlt – und niemals als Ersatz für dringend benötigtes Fachpersonal.

Wehrpflicht? Ziviler Ungehorsam!

Kommt die Wehrpflicht, braucht es zivilen Ungehorsam:

  • Einberufungen ignorieren, passiven Widerstand leisten.
  • Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung darf nicht eingeschränkt oder erschwert werden.
  • Ein breites Netz an Beratungsstellen ist erforderlich. Erfahrungen – etwa von der Evangelischen Kirche oder der DFG-VK – sollten jetzt schon weitergegeben werden.
  • Das schützt nicht nur die Einzelnen vor militärischer Willkür, es ist auch ein Beitrag gegen die Militarisierung der Gesellschaft. Die Zahl der Verweigerer wird ein Gradmesser für die Stärke des Widerstands – und dafür, wie weit die »Kriegstüchtigkeit« tatsächlich umgesetzt werden kann.

Christoph Tophoven ist Mitglied im Sprecherkreis der DFG-VK Köln
https://ohnemich.dfg-vk.de/

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