Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Aufmacher 2 1. Dezember 2025

Später Prozess: Kaum Aufklärung zu erwarten
von Claudia Wangerin

Ohne U-Haft keine Eile: 14 Jahre nach Bekanntwerden der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), die lange Zeit als Trio geframed wurde, aber wohl doch ein größeres Netzwerk war, steht seit dem 6.November eine mutmaßliche Unterstützerin vor dem Oberlandesgericht Dresden. Susann Eminger aus Zwickau soll der 2018 in München verurteilten Rechtsterroristin Beate Zschäpe mehrmals ihre Identität geliehen haben, nachdem Zschäpe 1998 mit den Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt untergetaucht war.

Heute werden ihnen zehn überwiegend rassistisch motivierte Morde und drei Sprengstoffanschläge mit mehreren Verletzten zugeordnet. Darunter ein 1999 in Nürnberg verübter Anschlag, der sich erst während des Münchner NSU-Prozesses als Werk der Gruppe herausstellte. Dem damals geschädigten Serkan Y. kam bei der Lichtbildvorlage Susann Eminger bekannt vor – er ist im aktuellen Prozess aber nicht als Nebenkläger zugelassen.
Nach dem mutmaßlichen Doppel-Suizid von Mundlos und Böhnhardt im November 2011 war Zschäpe nach Lesart der Bundesanwaltschaft die einzige Überlebende des NSU. Vier Mitangeklagte, darunter der Ehemann von Susann Eminger, galten nur als Unterstützer.
André Eminger stellt sich heute als Szeneaussteiger dar. Wer den fünfjährigen Prozess in München beobachtet hat, könnte darüber laut und bitter auflachen. Während der gesamten Hauptverhandlung präsentierte sich der heute 46jährige Eminger als stolzer Hardcore-Nazi, grinste, wenn Opferangehörige weinten, und trug gewaltverherrlichende Motive auf der Kleidung – etwa Schlagringe oder eine Person mit Maschinengewehr. Als einziger der fünf Angeklagten schwieg Eminger bis zuletzt zu den konkreten Tatvorwürfen, kokettierte aber nonverbal damit, kein moralisches Problem mit dem NSU-Terror zu haben. Verurteilt wurde er zu zweieinhalb Jahren Haft.
Unklar blieb, ob auch V-Leute des Verfassungsschutzes auf der Anklagebank saßen, denn im nahen Umfeld des mutmaßlichen NSU-Kerntrios hatten sie sich getummelt. Die Verfassungsschutzämter hatten in diesem Kontext viel zu verbergen – Gedächtnisstörungen schienen bei deren Mitarbeitern eine Epidemie zu sein, wenn man ihnen nicht unterstellen will, im Zeugenstand Falschaussagen im Akkord getätigt zu haben.
Im Bundesamt für Verfassungsschutz waren wenige Tage nach Bekanntwerden des NSU zahlreiche Akten über V-Leute aus der NSU-Brutstätte Thüringer Heimatschutz geschreddert worden. In München waren es die Anwältinnen und Anwälte der Nebenklage, die hier immer wieder nachhakten. Gut für den Inlandsgeheimdienst, dass es im aktuellen Prozess keine Nebenkläger gibt.

Claudia Wangerin ist eine freie Journalistin

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