Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Europa 14. April 2025

von Eric Toussaint

Schulden sind ein Instrument in den Händen der Gläubiger, um unter anderem auf Staaten Druck auszuüben. Wer sind die Gläubiger der Ukraine? Wie groß ist ihre Bedeutung? Was fordern sie als Gegenleistung für ihre Kredite? Welche Rolle spielt die Europäische Union? Warum steht die Integration der Ukraine in die Europäische Union im Widerspruch zu den Interessen des ukrainischen Volkes? Was geschieht mit den eingefrorenen russischen Vermögenswerten? Warum sollen der Ukraine die Schulden erlassen werden? Warum will Selenskyj keinen Schuldenerlass? Welche Alternativen gibt es zur derzeitigen Verschuldung?

Wie haben sich die ukrainischen Schulden seit dem Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 entwickelt?

Die ukrainische interne und ausländische Staatsverschuldung stieg von Anfang 2022 bis Ende November 2024 um 60 Prozent. Sie belief sich vor der Invasion auf knapp 100 Milliarden US-Dollar und erreichte Ende 2024 fast 160 Mrd. USD, wovon 45 Mrd. USD auf die interne Staatsverschuldung entfielen.[i] Die Gläubiger, bei denen die ukrainische Verschuldung am stärksten gestiegen ist, sind in dieser Reihenfolge: die Europäische Union, die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF). Weitere Informationen zu den Schulden der Ukraine vor 2022 sind in dem Kasten zu finden.

Der in zwei Jahren angehäufte Schuldenberg bei der Europäischen Union

Die Schulden der Ukraine bei der Europäischen Union haben sich mehr als verachtfacht und sind von 5 Milliarden Anfang 2022 auf jetzt 43 Milliarden US-Dollar gestiegen. Und wenn man die Schulden der Ukraine bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) hinzurechnet, sind es 47 Milliarden.

Dies ist ein erster Punkt, der hervorgehoben werden muss: Die Finanzhilfe der EU erfolgt in Form von Darlehen und nicht in Form von Zuschüssen. Infolgedessen häuft die EU Forderungen an, die immer weiter steigen: Dies verleiht ihr eine erhebliche Macht, um Druck auf die Behörden in Kiew auszuüben. Die Kreditpolitik der EU ist pervers: Die Rückzahlungen werden erst in einigen Jahren beginnen. Im Gegenzug für die Kredite verlangt die EU von der Ukraine, dass sie ihre Gesetzgebung an die Anforderungen der europäischen Verträge anpasst, die alle den Privatsektor begünstigen, die Öffnung der Vergabe öffentlicher Aufträge für die private Konkurrenz… Die großen europäischen Privatunternehmen sind scharf auf die Gewinne, die sie aus einer Integration der Ukraine in den großen europäischen Markt ziehen können, während das Land in einer sehr schwachen Position sein wird und es sehr große Aufträge für den Wiederaufbau geben wird.

Die Schulden der Ukraine vor der russischen Invasion
Als die Ukraine nach der Auflösung der Sowjetunion unabhängig wurde, hatte sie keine Schulden. Vor allem ab 1994 begann die Ukraine, sich insbesondere beim IWF und der Weltbank zu verschulden. In den letzten 30 Jahren hat die Ukraine 14 Kreditvereinbarungen mit dem IWF unterzeichnet. Bei jedem Abkommen verlangte der IWF eine Verschärfung der neoliberalen Politik, die sich negativ auf die Lebensbedingungen der Bevölkerung auswirkte, mit einer Verschlechterung der öffentlichen Dienstleistungen, Privatisierungen, Kürzungen der Reallöhne und Sozialleistungen usw. Die Ukraine wurde wie andere osteuropäische Länder einer Reihe von Schocktherapien unterzogen, die von lokalen Oligarchen und ausländischen Unternehmen genutzt wurden, um sich zu bereichern. Die Korruption hat sehr ernste Ausmaße angenommen.
Im Fall der Ukraine kann man die Rolle der IWF- und Weltbank-Kredite leicht erkennen, da die Ukraine vorher keine Auslandsschulden hatte bevor diese ins Spiel kamen. Um die ukrainischen Behörden davon zu überzeugen, die vom IWF und der Weltbank gewünschte Politik umzusetzen, gewährten die beiden Institutionen von 1994 bis 1999 umfangreiche Kredite und verschoben den Beginn der Rückzahlungen, die erst ab 2000 eine echte Belastung für den Staatshaushalt darstellten. Aber ab diesem Zeitpunkt musste die Ukraine sehr große Anstrengungen unternehmen, um die Rückzahlungen zu stemmen. Zwischen 2000 und 2007 zahlte die Ukraine 4 Milliarden US-Dollar zurück, während sie nur 700 Millionen US-Dollar an neuen Krediten erhielt. Nach dem Ausbruch der großen nordatlantischen Finanzkrise 2007-2008 und ihren depressiven Auswirkungen auf die Weltwirtschaft erhielt die Ukraine bis 2011 eine Flut von neuen Krediten. Erneut wurden die Rückzahlungen verschoben. Zwischen 2008 und 2010 erhielt sie 14,3 Milliarden neue Kredite vom IWF und zahlte nur 800 Millionen zurück. Ab 2011 verlangten der IWF und die WB jedoch enorme Rückzahlungen (10 Milliarden Rückzahlungen in den drei Jahren zwischen 2011 und 2013). Um die geforderten Zahlungen leisten zu können, kürzte die Regierung die Sozialausgaben ein wenig mehr, nahm auch Kredite bei Russland auf und dies alles führte zu großer sozialer Unzufriedenheit, die die verschiedenen Faktoren förderte, die die großen Massenprotesten auf dem Maidan-Platz in Kiew im Februar 2014 auslösten. Die Proteste führten zum Sturz des pro-russischen Präsidenten Viktor Janukowytsch. Der Konflikt zwischen der Ukraine und Putins Russland, das im März 2014 die Krim annektierte, verschärfte sich. Danach stellten der IWF und die WB den neuen prowestlichen Regierungen an der Spitze der Ukraine erneut große Beträge zur Verfügung und es gab eine weitere Runde von Privatisierungen. Ab Ende 2015 stellte die Ukraine die Rückzahlung ihrer Schulden bei Russland ein (siehe meine Äußerungen dazu aus dem Jahr 2022: https://www.cadtm.org/Pourquoi-annuler-la-dette-de-l-Ukraine). Der IWF verlieh 11 Milliarden in zwei Jahren, die Schulden der Ukraine bei ihm verdoppelten sich. Dadurch erhöhte sich erneut die Möglichkeit dieses Gläubigers, Druck auf die Kiewer Regierung auszuüben, die zwischen 2017 und 2021 große Anstrengungen zur Rückzahlung unternehmen musste.[ii]

Welche anderen Gläubiger gibt es außer der Europäischen Union?

Die Schulden der Ukraine bei der Weltbank haben sich mit einem Anstieg von 6,2 Milliarden auf 20 Milliarden US-Dollar mehr als verdreifacht.

Die Schulden der Ukraine beim IWF sind zwischen Anfang 2022 und Ende November 2024 von 14 auf 17,6 Milliarden US-Dollar gestiegen. Es ist wichtig zu betonen, dass sowohl der IWF als auch die Weltbank trotz des Krieges auf Rückzahlungen bestehen. Der IWF erhebt darüber hinaus missbräuchliche Zinssätze von bis zu 8 %. Die Ukraine hat dem IWF 2,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 zurückgezahlt, 3,4 Milliarden US-Dollar im, Jahr 2023 und 3,1 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022. Also fast 9 Milliarden Rückzahlungen, die der IWF in drei Jahren Krieg auf Kosten der Ukrainer:innen eingetrieben hat!

Man könnte auch Kanada hinzufügen, bei dem die Ukraine vor 2022 keine Schulden hatte, während sie sich Ende 2024 auf 5,25 Milliarden US-Dollar beliefen.

Die Schulden bei den USA sind gleich null, da Washington der Ukraine lieber Geld schenkt, als es ihr zu leihen. Da Washington die Politik des IWF und der Weltbank dominiert, können die USA jedoch den Druck ausüben, den sie wollen. Die Ukraine ist ohnehin so abhängig von Waffen aus den USA, dass Washington in der Lage ist, die Politik der Regierung Selenskyj in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Für die Schulden bei Russland sind die Zahlungen seit 2015 ausgesetzt, sie belaufen sich auf 0,6 Mrd. USD und haben sich nicht verändert.

Die Auslandsschulden der Ukraine bei privaten Gläubigern

Die Schulden der Ukraine in Form von Staatsanleihen auf den Finanzmärkten, die von Investmentfonds wie BlackRock oder großen Banken erworben wurden, gingen etwas zurück, von 20 Milliarden auf 18,2 Mrd. USD. Der Bestand wurde also ein wenig reduziert, aber die Position der Gläubiger wurde durch die in der zweiten Jahreshälfte 2024 erfolgte Umschuldung konsolidiert.[iii] Die privaten Gläubiger stimmten zu, die alten Wertpapiere, für die seit Juli 2022 die Zahlungen ausgesetzt waren, gegen neue auszutauschen, die einen geringeren Wert haben, aber saftige Zinsen abwerfen werden, weil ihre Zinssätze höher sind als die der alten. Letztendlich waren die privaten Gläubiger die Gewinner der Verhandlungen, da die ukrainischen Wertpapiere vor den Verhandlungen 70 % ihres Wertes verloren hatten. Auf dem sekundären Schuldenmarkt waren sie zu 30 % ihres ursprünglichen Wertes verkauft worden.

Ukrainische Auslandsschulden belaufen sich auf fast 115 Milliarden US-Dollar

Seit Beginn der Invasion der Ukraine im Februar 2022 hat sich die Auslandsverschuldung von 56 Milliarden US-Dollar auf 115 Milliarden USD mehr als verdoppelt.

Die Auslandsschulden der Ukraine in Höhe von etwas mehr als 115 Mrd. USD verteilen sich wie folgt: knapp 50 Mrd. USD bei der EU, 20 Mrd. USD bei der Weltbank, 18 Mrd. USD bei dem IWF, 5,2 Mrd. USD bei Kanada, 1 Mrd. USD bei Japan und 20 Mrd. USD bei privaten Gläubigern auf den Finanzmärkten.

In Prozent: Bei den Auslandsschulden der Ukraine entfallen auf die EU über 45 %, auf die Weltbank und den IWF zusammen knapp 35 %, auf Kanada und Japan rund 5 %, auf ausländische private Gläubiger (die hauptsächlich ukrainische Staatsanleihen halten, die im September 2024 umstrukturiert wurden) rund 15 %.

Quelle: Berechnungen des Autors auf Grundlage der Website des ukrainischen Finanzministeriums (Ende 2024). Illustration erstellt von CADTM.

Was ist die Konsequenz daraus, dass die Europäische Union, die Weltbank und der IWF die Hauptgläubiger sind?

Im Gegenzug zu den Krediten der Europäischen Union, des IWF und der Weltbank hat die ukrainische Regierung 325 Auflagen und Empfehlungen akzeptiert.

Wie das ukrainische Finanzministerium auf seiner Webseite schreibt, sind diese 325 Auflagen und Empfehlungen in einer Liste von Reformen und Maßnahmen zusammengefasst, zu denen sich die Ukraine verpflichtet hat, um finanzielle Unterstützung von den internationalen Partnern zu erhalten.[iv]

Den Gläubigern geht es darum, die Umsetzung der neoliberalen Politik, die seit über 30 Jahren betrieben wird, zu vertiefen.

Zur Überwachung der Umsetzung dieser Konditionalitäten und Empfehlungen wurden 531 Indikatoren festgelegt. Wenn die Ukraine den Zeitplan und die Liste der Reformen nicht einhält, können die Partner – allen voran die Weltbank, der IWF und die Europäische Union – die Gewährung der Kredite, die das Land benötigt, aussetzen oder verschieben. Diese drei Institutionen überprüfen ständig die Umsetzung und die Verschärfung der neoliberalen Politik, die von ihnen gefordert und die von der neoliberalen Regierung Selenskyj unterstützt wird.

2024 einigten sich die EU, die USA und die anderen G7-Mitglieder auf einen neuen Hilfsplan für die Ukraine. In diesem Rahmen verabschiedete die EU einen Plan mit einem Volumen von bis zu 50 Milliarden Euro für den Zeitraum 2024 bis 2027. Der angenommene Plan sieht vor, dass bis Ende 2027 insgesamt 38,27 Milliarden ausgezahlt werden. Der größte Teil (33 Milliarden, d. h. 85 %) besteht aus Schulden, die zurückgezahlt werden müssen. Der Anteil der Zuschüsse beträgt nur 5,27 Milliarden Euro, d. h. 15 %. Der Anteil der Zuschüsse entspricht wahrscheinlich dem von der Europäischen Kommission beschlagnahmten Betrag aus den Einnahmen aus russischen Vermögenswerten, die hauptsächlich in Brüssel eingefroren wurden (siehe weiter unten den Abschnitt zu eingefrorenen russischen Vermögenswerten). Im Laufe des Jahres 2024 wurden 12,4 Milliarden überwiesen. Und wie die Europäische Kommission in einem Bericht feststellt, der im Oktober 2024 veröffentlicht wurde:

Der Großteil der Mittel (…) wird in den Staatshaushalt fließen, unter der Voraussetzung, dass die Bedingungen des Ukraine-Plans, der das Reform- und Investitionsprogramm für das Land festlegt, erfüllt werden.[v]

Der sogenannte „Ukraine-Plan“, der sich auf den Zeitraum 2024 bis 2027 bezieht, ist in einem 331 Seiten umfassenden Dokument festgehalten. Es ist von der Europäischen Kommission zusammengestellt worden. Die Umsetzung des Plans, der eine Vielzahl von Maßnahmen enthält, zu deren Umsetzung sich die ukrainische Regierung verpflichtet hat, wird laufend überwacht. Wie die Europäische Kommission es ausdrückt:

Die Hilfe ist der Erfüllung von Anforderungen untergeordnet, die sich auf wesentliche Elemente beziehen, wie:
– makrofinanzielle Stabilität, Haushaltsüberwachung und Verwaltung der öffentlichen Finanzen,
– sektorale und strukturelle Reformen und Investitionen (die für den Beitritt zur EU erforderlich sind).[vi]

Die ukrainische Regierung musste einen Koordinator ernennen, der als Ansprechpartner für die Europäische Kommission fungiert und wichtige Befugnisse hat, um die Einhaltung des im Plan vorgesehenen Zeitplans durchzusetzen.

Für die die effektive Umsetzung des ukrainischen Plans ist der nationale Koordinator zuständig. Der Koordinator fungiert als einzige Kontaktstelle für die Europäische Kommission in Bezug auf die Überwachung (…).[vii]

Der Koordinator wird die Umsetzung des Plans auf monatlicher Basis überwachen, um die erreichten Fortschritte zu bewerten.
Die Regierung wird ein Verfahren zur Überwachung der Umsetzung des Plans genehmigen (Verfahren), das für alle an der Umsetzung des Plans beteiligten Behörden verbindlich sein wird.[viii]

Es kann nicht oft genug gesagt werden, dass man keine Illusionen darüber verbreiten sollte, was der Prozess der Integration der Ukraine in die EU bedeutet.

Es sei daran erinnert, dass in den europäischen Verträgen, die bindend sind, die Achtung und Förderung sozialer Rechte nicht enthalten sind. Diese wurden in nationalen Rahmen hart erkämpft und finden sich nicht in den europäischen Verträgen wieder, die, im Gegenteil, die Konkurrenz zwischen den arbeitenden Klassen der verschiedenen Mitgliedsländer der Union fördern. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Der gesetzliche Mindestlohn liegt in Bulgarien bei 477 Euro pro Monat (brutto), während er in Luxemburg mit 2 571 Euro fünfmal so hoch ist.

Die Auflagen der EU-Verträge betreffen die Öffnung der nationalen Märkte für den unbegrenzten Wettbewerb, den Zugang von privaten Initiativen zu öffentlichen Dienstleistungen, die Liberalisierung des Energiemarktes, die Begrenzung des Defizits der öffentlichen Finanzen, das Verhältnis zwischen Staatsverschuldung und BIP usw. Es gibt keinerlei Vorgaben für die soziale Absicherung, keinen gesetzlichen Mindestlohn, keine Auflagen oder Konvergenz im Steuerbereich (dadurch können Steueroasen innerhalb der EU von sehr niedrigen Steuersätzen auf Gewinne profitieren wie z. B. Irland oder das Großherzogtum Luxemburg, um nur einige zu nennen), keine starken Umweltauflagen, keinen Schutz des öffentlichen Eigentums, …

Ein Großteil der ukrainischen Bevölkerung hat große Hoffnungen in die Aussicht auf eine EU-Integration, die als Garantie für bessere Lebensbedingungen, höhere Löhne, soziale Rechte, Korruptionsbekämpfung usw. dargestellt wird. Das ist eine große Illusion und Mystifizierung.

Im Namen der Aussicht auf die europäische Integration[ix] wird in der Ukraine noch mehr privatisiert werden, insbesondere das staatliche Unternehmen für Energieerzeugung und -verteilung. Außerdem soll noch mehr Ackerland an ausländische Agrarkonzerne verkauft werden.

In Bezug auf die Warnung weiter oben wenden einige Linke ein, die ukrainische Regierung sei ohnehin neoliberal und würde auch ohne die EU die von der EU gewünschte Politik umzusetzen versuchen.

Sicherlich ist die derzeitige Regierung neoliberal, aber die Integrationsabkommen mit der EU geben denjenigen, die die neoliberale Politik immer weiter vertiefen wollen, zusätzliche Zwangsmittel in die Hand. Die Ukraine unterzeichnet Memoranden mit der EU, die den Stellenwert internationaler Verträge haben, und die EU befindet sich in einer Position der Stärke, da sie Gläubigerin der Ukraine ist. Und sie wird es immer mehr sein, denn die neuen Kredite werden den Schuldenbestand der Ukraine bei der EU weiter erhöhen. Angenommen, bei künftigen Wahlen kommen eines Tages linke Kräfte an die Regierung, dann werden sie mit den von der vorherigen Regierung akzeptierten Zwängen konfrontiert. Der Spielraum für einen Bruch mit der neoliberalen Politik wird sehr begrenzt sein, sie wird in einen direkten Konflikt mit der EU treten und die Verträge missachten müssen. Es sei daran erinnert, dass auch alle von dem IWF und der Weltbank gewährten Kredite an die Bedingung geknüpft sind, dass die Ukraine die (Gegen-) Reformen fortsetzt, die für ihre Integration in die EU notwendig sind.

Wir rufen die ukrainische und internationale Linke daher auf, keine Illusionen über angebliche Wohltaten zu verbreiten, die mit der Integration der Ukraine in die EU verbunden wären. Das ukrainische Volk muss über die Risiken und Nachteile informiert werden, die damit verbundenen snd. Natürlich muss es das Recht haben, sich für den Beitritt zur EU auszusprechen, aber die Linke hat die Pflicht, über die negativen Folgen davon aufzuklären.

Entgegen einer innerhalb der westlichen Linken verbreiteten falschen Vorstellung stimmt es nicht, dass die ukrainische Wirtschaft bereits vollständig an neoliberale Prinzipien angepasst ist und dass die Integration in die EU daher nicht viele weiteren Privatisierungen mit sich bringen würde. Der Teil der Wirtschaft, der noch nicht privatisiert ist oder noch nicht dem freien und unbegrenzten Wettbewerb unterliegt, ist bedeutend, wie der folgende Kasten zeigt.

Beispiele für die Absicht der Europäischen Kommission, die Deregulierung zugunsten des Privatsektors und die Privatisierungen zu verstärken. Auszüge aus dem im Oktober veröffentlichten Bericht der Kommission

Im Bericht der Kommission befindet sich im Kapitel „Unternehmen und Industriepolitik“ folgende Passage:
„Im September 2024 wurde außerdem eine neue Version des Aktionsplans zur Deregulierung verabschiedet, die Maßnahmen zur dynamischen Deregulierung und zur Verbesserung des Unternehmensumfelds im Einklang mit dem Ukraine-Plan vorsieht. Die Empfehlungen der Kommission aus dem letzten Jahr wurden weitgehend umgesetzt. Im kommenden Jahr sollte die Ukraine insbesondere
– gemäß dem Ukraine-Plan die Deregulierung und Digitalisierung von Genehmigungsverfahren fortsetzen, um das Unternehmensumfeld und das Investitionsklima in der Ukraine weiter zu verbessern;
– Maßnahmen zur Förderung des Privatsektors und der industriellen Entwicklung umsetzen, (…) und Anreize unterstützen, um ausländische Direktinvestitionen anzuziehen“.[x]
Im Kapitel „Verkehrspolitik“ findet sich die Deregulierung und Privatisierung der Eisenbahnen, die es privaten EU-Unternehmen in Zukunft ermöglichen soll, auf dem Gebiet der Ukraine zu operieren. „Die Empfehlungen der Kommission aus dem letzten Jahr wurden nur teilweise umgesetzt und behalten ihre Gültigkeit. Im kommenden Jahr sollte die Ukraine insbesondere
das Gesetz über den Eisenbahnverkehr verabschieden, das einen institutionellen und rechtlichen Rahmen für einen wettbewerbsfähigen Eisenbahnmarkt schafft, der den EU-Standards entspricht“.[xi]
Im Kapitel „Energie“ betont die Kommission die Notwendigkeit, den Energiesektor zu liberalisieren, während die Regierung zur Bewältigung der Kriegssituation das Monopol des öffentlichen Sektors in diesem Sektor stärken musste – zum deutlichen Missfallen der EU.
In dem Kapitel „Umwelt und Klimawandel“ mahnt die Europäische Kommission an, es sei notwendig, einen Markt für Kohlenstoff und Verschmutzungsrechte zu entwickeln:
„Fortschritte in Richtung eines wirksamen CO2-Preismechanismus durch die Wiederaufnahme der obligatorischen Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung von Treibhausgasemissionen und die Annahme des Aktionsplans für die Einrichtung eines nationalen Emissionshandelssystems.“[xii]
Die Kommission stellt fest, dass der Anteil des öffentlichen Sektors in Anbetracht der Kriegswirtschaft nach wie vor hoch ist und sogar zugenommen hat: „Der Fußabdruck des Staates in der Wirtschaft bleibt hoch. Im Jahr 2023 machte der öffentliche Sektor 22 % der Bruttowertschöpfung aus, gegenüber 6 % im Jahr 2021, und der Anteil des gesamten Staatshaushalts stieg auf fast 42 % des BIP, gegenüber knapp 40 % im Jahr 2022.“[xiii]
Die Kommission besteht darauf, dass die Rolle des Staates in der Wirtschaft reduziert werden muss, und empfiehlt beschleunigte Privatisierungen, da der Staat immer noch an vielen Unternehmen beteiligt ist. „Staatliche Unternehmen spielten weiterhin eine wichtige Rolle in der Wirtschaft; das Portfolio des ukrainischen Staates umfasste mehr als 3.000 von ihnen. Im Rahmen des Ukraine-Plans hat die Regierung eine Reihe von Reformen eingeleitet, um den Einfluss des Staates in der Wirtschaft zu verringern (…). Im Jahr 2023 beliefen sich die jährlichen Privatisierungserlöse auf 108 Millionen Euro (0,05 % des BIP), ein absoluter Rekord. Trotzdem beschränkte sich die Privatisierung auf kleine Eigentums- und Produktionsvermögen; 2023 und 2024 gab es keine groß angelegten Privatisierungsmaßnahmen. Die Regierung plant jedoch, diese wieder aufzunehmen, sobald die Bedingungen es erlauben.“[xiv]
Die Kommission bedauert außerdem, dass der Staat angesichts des Missmanagements der Privatbankiers seine Beteiligung am Bankensektor erhöhen musste. „Der Marktanteil der staatlichen Banken ist in Folge der Verstaatlichung der Sense Bank im Juli 2024 auf 53,6 % im Jahr 2023 gestiegen. Derzeit wird ein neuer Vorstand ausgewählt, und es sind mindestens sechs Mitglieder erforderlich, damit der Vorstand seine Arbeit aufnehmen kann. Das Gesetz über die Privatisierung staatlicher Banken wurde verabschiedet, was den Abbau des Staatseigentums in diesem Sektor beschleunigen dürfte. Das Finanzministerium sollte einen international anerkannten Finanzberater ernennen, um den Verkauf von zwei systemrelevanten staatlichen Banken vorzubereiten, nämlich der Sense Bank und der Ukrgasbank, die 4 % bzw. 6 % der gesamten Vermögenswerte ausmachen.“[xv]
Ein Zeichen für dieses Missmanagement der Banken und die Wirtschaftskrise ist die hohe Zahl der Bankkredite, die seit mehr als drei Monaten im Zahlungsverzug sind; sie betrug im Februar 2024 36,8 %.

Wie hoch ist derzeit der Betrag, der für die Rückzahlung der Schulden aufgewendet wird?

Im August 2024 entsprach der Betrag, der für die Rückzahlung der Staatsschulden aufgewendet wird (50 Milliarden Hryvna, die ukrainische Währung), fast den Sozial- und Gesundheitsausgaben (siehe die Informationen auf dem von USAID finanzierten und damit ganz klar neoliberalen und prowestlichen Webseite).[xvi]

Was geschieht mit den russischen Vermögenswerten, die von den traditionellen imperialistischen Mächten eingefroren wurden?

Im Rahmen der Sanktionen, die seit der Invasion im Februar 2022 verhängt wurden, haben die G7-Mächte russische Vermögenswerte in Höhe von rund 300 Milliarden US-Dollar eingefroren. Der Gegenwert von fast 260 Milliarden Euro in Form von Bargeld und Wertpapieren wie Aktien und Anleihen ist bei Euroclear untergebracht, einem privaten Finanzinstitut mit Sitz in Brüssel, das sich mit der Abwicklung internationaler Wertpapiere befasst. In den USA sind russische Vermögenswerte im Wert von etwa 5 Milliarden US-Dollar eingefroren.

2024 beschlossen die G7 die russischen Vermögenswerte nicht zu enteignen, sondern sie weiter eingefroren zu halten. Auf der Grundlage der in Europa, hauptsächlich in Brüssel, eingefrorenen russischen Vermögenswerte hat die EU einen Mechanismus zur Ausgabe von Schuldtiteln „zugunsten“ der Ukraine geschaffen. Die russischen Vermögenswerte werden als Sicherheit für große Investmentfonds und Großbanken, die Wertpapiere dieser Anleihe kaufen würden, genutzt. Das von der EU geliehene Geld wird der Ukraine dann hauptsächlich in Form von Schulden ausgezahlt, die die Ukraine an die EU zurückzahlen muss.

Die EU macht ein sehr gutes Geschäft, da sie den Finanzmärkten den Kredit (den sie selbst ausgibt) mit den Einnahmen zurückzahlen wird, die Euroclear und andere mit den eingefrorenen, aber auf den Märkten angelegten russischen Vermögenswerten erzielen. Schätzungen zufolge belaufen sich die Einnahmen aus den Anlagen mit eingefrorenen russischen Guthaben jährlich auf etwa 5 Milliarden Euro.

Kurzum handelt es sich um einen Kredit, der die EU nichts kostet. Er ermöglicht es der EU großzügig zu erscheinen, indem sie der Ukraine Kredite gewährt, wodurch deren Schulden bei ihr steigen und sich ihre Position als Gläubiger der Ukraine verstärkt. Die Pensionsfonds und Großbanken, die Wertpapiere kaufen, um der Ukraine zu helfen, werden aus den Erträgen der russischen Vermögenswerte, die auf den Märkten angelegt sind, vergütet.

Europäische Privatbanken setzen ihre Geschäfte in Russland trotz Sanktionen fort

Man muss auch wissen, dass mehrere europäische Privatbanken, darunter die österreichische Raiffeisen-Bank, die Deutsche Bank und Commerzbank, die italienischen Banken Unicredit und Intesa Sanpaolo, ihre Geschäfte in der Russischen Föderation weiter betrieben haben. Trotz der Sanktionen haben sie ihre Gewinne in diesem Land seit dem Beginn der Invasion in der Ukraine vervierfacht. Im März/April 2024 zahlten sie 800 Millionen Euro Gewinnsteuern an den russischen Staat, ohne dass die europäischen Regierungen etwas unternommen hätten. Siehe die Enthüllungen der Financial Times vom 28. April 2024.[xvii]

Ich hatte keine Zeit für weitere Recherchen, es ist aber auffällig, dass die österreichische Privatbank Raiffeisen, die wie erwähnt trotz der Sanktionen weiter in Russland tätig ist (siehe ihre russische Webseite) gleichzeitig auch in der Ukraine aktiv (siehe ihre ukrainische Webseite) und einer der 11 offiziellen „Primary Dealer“ der Schuldtitel ist, die der ukrainische Staat auf den Finanzmärkten verkauft. Siehe die Liste der 11 Banken, die zum Erwerb ukrainischer Wertpapiere bestimmt wurden, auf der Webseite der ukrainischen Regierung.[xviii] Die Raiffeisen Bank ist Gläubigerin sowohl von Russland als auch der Ukraine und macht trotz der gegen Russland gerichteten Sanktionen, an die sich das Unternehmen eigentlich halten müsse, Geschäfte in Russland.

Warum muss die Forderung nach einem Schuldenerlass für die Ukraine unterstützt werden?

Es ist wichtig zu wissen, dass die Regierung Selenskyj keinen Schuldenerlass für die Ukraine anstrebt. Als perfekter Neoliberaler ist er davon überzeugt, dass die Ukraine gegenüber privaten Gläubigern unbedingt glaubwürdig sein muss.

Anstatt zu versuchen, die Kriegs- und Wiederaufbauanstrengungen zu finanzieren, indem er die ukrainischen Großkapitalisten, ihre Unternehmen, die ausländische Unternehmen usf. zur Kasse zu bitten, zieht er es vor, wie von dem IWF und der Weltbank empfohlen, der Arbeiterklasse ein Maximum an Steuern und Abgaben zahlen zu lassen. Die hohen Einkommen werden verschont, das Vermögen der Reichsten wird nicht belastet. Ganz zu schweigen davon, dass die Reichen es hinbekommen, sich den Kämpfen und der Armee zu entziehen, und dass sie Reichtum anhäufen, während die Arbeiterklasse enorme Opfer bringen.

Die andere Möglichkeit, die die Regierung Selenskyj zur Finanzierung des Haushalts nutzt, ist die Aufnahme von Krediten. Sie nimmt Kredite auf dem Binnenmarkt auf, insbesondere von Oligarchenbanken und Reichen, die interne Staatsschuldtitel kaufen, die 2024 mit bis zu 16,5 % verzinst werden.[xix] Die Inflationsrate lag 2024 bei 10 bis 11 %. Der Leitzins der Zentralbank lag bei 13,5 %.[xx]

Die Schulden, die die Ukraine vor der russischen Invasion im Februar 2022 angehäuft hatte, waren illegitim und schändlich, da sie für eine harte neoliberale Politik verwendet wurden, die eindeutig gegen die Interessen der Bevölkerung gerichtet war. Darüber hinaus hatten sie die enorme Bereicherung einer privilegierten Minderheit begünstigt, die sich ehemals öffentliches Eigentum angeeignet hatte. Die Gläubiger, d. h. vor allem der IWF, die Weltbank, Oligarchen und Investmentfonds, wussten sehr wohl, dass das Geld, das sie verliehen, nicht dem öffentlichen Interesse diente.

Seit Beginn des Krieges ist, wie bereits erwähnt, die Europäische Union zum größten Gläubiger geworden, indem sie ihre Forderungen an die Ukraine um das Achtfache erhöhte, die Weltbank hat ihre Kredite um das Dreifache erhöht und auch der IWF hat seine Kredite aufgestockt. Diese Gläubiger nutzen ihre Kredite, um der Bevölkerung eine verschärfte neoliberale Politik aufzuzwingen. Die neuen Schulden, die die Ukraine auf diese Weise angehäuft hat, sind daher ebenfalls illegitim und schändlich. Es ist wichtig, dass sie gestrichen/abgeschrieben werden, damit den Gläubigern ihre Druckmittel entzogen werden und sie aufhören, sich auf Kosten des ukrainischen Volkes zu bereichern. Wenn die Ukraine und ihr Volk ihre Souveränität zurückerobern wollen, müssen sie sich vom Joch der Gläubiger befreien, die in ihrem eigenen Interesse und gegen die Interessen des ukrainischen Volkes handeln.

Der Widerstand gegen die Invasion und die Bemühungen um Wiederaufbau könnten anders als durch Schulden finanziert werden, indem man einerseits eine Politik der nicht rückzahlbaren Zuschüsse betreibt und andererseits gegen diejenigen vorgeht, die den Krieg ausnutzen, um sich zu bereichern.

Weitere notwendige und mögliche Maßnahmen, um den Widerstand gegen die Invasion und den Wiederaufbau zu finanzieren, neben dem notwendigen Erlass der ukrainischen Schulden

Zur Finanzierung des Widerstands und des Wiederaufbaus der Ukraine habe ich in einem Artikel vom Mai 2024[xxi] neben dem Schuldenerlass folgende Vorschläge formuliert:

„Es sollte auch das Vermögen der Oligarchen beschlagnahmt werden, die von der Aggression gegen die Ukraine profitieren, sowohl das der russischen als auch das der ukrainischen Oligarchen, die von der Situation profitieren. Auf diese Weise könnten erhebliche Beträge zusammenkommen, um den Widerstand des ukrainischen Volkes und den Wiederaufbau des Landes zu finanzieren.

Zu beachten ist, dass eine Steuer in Höhe der zusätzlichen Gewinne, die Rüstungsunternehmen im Rahmen dieses und generell anderer Kriege erzielen, die Neigung dieser Unternehmen, sich über die Fortsetzung des Krieges zu freuen und zu ihm beizutragen, einschränken würde, da sie nicht direkt davon profitieren würden.

Die Maßnahmen zur Beschlagnahmung des Eigentums der Oligarchen, also die Konfiszierung oder die Enteignung ihres Eigentums, stehen in direktem Widerspruch zur Heiligkeit des Privateigentums. Daher hat man seit 2022 kaum etwas davon gesehen, da die westlichen Regierungen überhaupt nicht geneigt sind, dies zu tun, auch wenn es sich gegen die Russische Föderation richtet. Man müsste genau erfassen, was getan wurde, aber es war extrem begrenzt und wurde nicht in einen Fonds unter der Kontrolle der ukrainischen Bevölkerung transferiert. Es hat keine Sondersteuer auf die Unternehmen gegeben, die von dem Krieg profitieren. Ich habe die Unternehmen erwähnt, die Waffen produzieren, aber man kann auch die Superprofite der Gas- und Ölunternehmen erwähnen, die von dem enormen Preisanstieg für Flüssiggas und Öl nach der russischen Invasion der Ukraine profitiert haben. Man kann auch von den steigenden Gewinnen der Unternehmen sprechen, die weltweit mit Getreide handeln, wie die vier großen multinationalen Unternehmen, die 80 % des weltweiten Getreidemarktes kontrollieren. Es handelt sich um drei US-amerikanische und ein europäisches Unternehmen. Auf die Gewinne dieser Unternehmen hätte eine Sondersteuer erhoben werden müssen, sie sollte auch rückwirkend erhoben werden, sowohl zur Finanzierung der Bedürfnisse der Bevölkerungen als auch zur Unterstützung des ukrainischen Volkes. Und die Forderung nach einem Schuldenerlass für die Ukraine muss weiterhin erhoben werden.“

Hinzufügen ließe sich auch die Sozialisierung des Bankensektors. Wie bereits erwähnt, befindet sich etwas mehr als die Hälfte des Bankensektors [in der Ukraine] noch in öffentlicher Hand, er muss aber noch tatsächlich in den Dienst der Bevölkerung gestellt werden, das setzt transparente Konten, Kontrolle durch die Bürgerinnen und Bürger, Kontrolle durch die örtlichen Abgeordneten, Dezentralisierung usw. voraus. Der Rest des Bankensektors müsste enteignet und vergesellschaftet werden, um zu einem öffentlichen Bankwesen zu kommen, das ein Monopol besitzt (mit Ausnahme eines kleinen genossenschaftlichen Sektors, unter der Bedingung, dass dieser tatsächlich unter Kontrolle der Mitglieder der Genossenschaften ist).

Zurzeit übt der Staat auf dem Energiesektor ein Monopol aus. Im Gegensatz zu dem, was die Europäische Union, die Weltbank und der IWF wollen, muss dieses Monopol erhalten bleiben und zugleich demokratisiert werden. Die Bürger:innen sowie die Beschäftigten des Sektors müssen die Möglichkeit haben, die Konten, die Tarife, das Management usw. zu kontrollieren. Anders ausgedrückt: der Energiesektor muss vergesellschaftet werden. Der Bau kleiner, von den Kommunen betriebener Stromerzeugungsanlagen sollte gefördert werden, da diese viel leichter zu schützen, zu sichern und zu verwalten sind. Dies würde auch wesentlich weniger Verluste beim Transport der elektrischen Energie zu den Verbraucher:innen bedeuten. Die kleinen neuen Produktionsanlagen müssten die Verwendung fossiler Energieträger vermeiden. Außerdem sollte der beschleunigte Ausstieg aus der Kernenergie und die Aufgabe von fossilen Energieträgern vorbereitet werden.

Für Schritte hin zu einem Frieden und einem Wiederaufbau im Dienste der Bevölkerung ist die Entwicklung aller Formen von Selbstorganisation der Bevölkerung von grundlegender Bedeutung.

Der Verfasster dankt Antoine Larrache, Maxime Perriot und Patrick Saurin für ihre Durchsicht dieses Artikels vor der Veröffentlichung.

Anmerkungen:

[i]    Die Daten stammen von dem Finanzministerium der Ukraine: „State Debt and State Guaranteed Debt“.

[ii]   Für weitere Informationen zur Tätigkeit des IWF in der Ukraine vor der russischen Invasion siehe die Artikel von Jérôme Duval auf der Website des CADTM:
Le FMI activement présent en Ukraine depuis 1994 ne veut pas entendre parler de hausse de salaire, veröffentlicht am 5. April 2014
Après avoir bloqué son programme en novembre 2009 suite à la décision du gouvernement d’augmenter le salaire minimum, le FMI revient à la charge et impulse la réforme des retraites, veröffentlicht am 11. April 2014
Le FMI ou l’asphyxie du choix unique, veröffentlicht am 23. April 2014
La réforme sur la répartition des droits de vote du FMI est à nouveau bloquée par son actionnaire majoritaire, veröffentlicht am 20. Mai 2014
Ukraine : le FMI passe en force au Parlement, veröffentlicht am 2. Juni 2014
L’Ukraine sous ingérence du FMI sombre dans la récession, veröffentlicht am 23. November 2015
L’Ukraine aux mains d’oligarques et financiers, veröffentlicht am 24. November 2015.

[iii]  Siehe https://ch.zonebourse.com/actualite-bourse/Les-detenteurs-d-obligations-de-l-Ukraine-approuvent-la-restructuration-de-la-dette-de-20-milliards-47786891/ sowie https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/EN/Standardartikel/Topics/Europe/War-in-Ukraine/debt-service-suspension-for-ukraine.html.

[iv]  „A list of commitments for implementing reforms that Ukraine has undertaken to receive financial support from international partners.“ (https://reformmatrix.mof.gov.ua/en/index/, abgerufen am 6.1.2025).

[v]    „Most funding under the Facility will be disbursed to the State budget on fulfilment of the conditions included in the Ukraine Plan, which sets out the reform and investment agenda for the country.“ (European Commission, „Commission Staff Working Document. Ukraine Report 2024“, 30. Oktober 2024, S. 3, Hervorhebung von ET, https://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/ukraine-report-2024_en, abgerufen am 6.1.2025)

[vi]  https://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/european-neighbourhood-policy/countries-region/ukraine/ukraine-facility_en

[vii] „The authority responsible for the effective implementation of the Ukraine Plan is the National Coordinator (Coordinator). The Coordinator acts as a single point of contact for the European Commission in monitoring.“ (S. 314).
Auf der Seite der ukrainischen Regierung: https://www.ukrainefacility.me.gov.ua/en/
Auf der Seite der Europäischen Union: https://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/european-neighbourhood-policy/countries-region/ukraine/ukraine-facility_en, abgerufen am 6.1.2025.

[viii] „The authority responsible for the effective implementation of the Ukraine Plan is the National Coordinator (Coordinator). The Coordinator acts as a single point of contact for the European Commission in monitoring“ (S. 314).
Auf der Website der ukrainischen Regierung: https://www.ukrainefacility.me.gov.ua/en/ Auf der Website der Europäischen Union: https://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/european-neighbourhood-policy/countries-region/ukraine/ukraine-facility_en, abgerufen am 6.1.2025.

[ix]  In einem Bericht der Europäischen Kommission vom 30. Oktober 2024 heißt es: „Die Ukraine reichte am 28. Februar 2022 einen Antrag auf Mitgliedschaft in der EU ein. Nach der Empfehlung der Kommission vom November 2023 beschloss der Europäische Rat im Dezember 2023 die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Nachdem die restlichen vier Schritte, die in den Empfehlungen der Kommission vom November 2023 genannt wurden, abgeschlossen waren, nahm der Rat im Juni 2024 den Verhandlungsrahmen an.“
Auf Englisch: „Ukraine applied for EU membership on 28 February 2022. Following the Commission’s recommendation in November 2023, the European Council in December 2023 decided to open accession negotiations. With the four remaining steps set out in the Commission recommendations of November 2023 completed, the Council adopted the negotiating framework in June 2024.“ (https://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/ukraine-report-2024_en, abgerufen am 6. Januar 2025.)

[x]    „A new version of the action plan on deregulation was also adopted in September 2024 providing measures for dynamic deregulation and enhancement of the business environment, in line with the Ukraine Plan.
The Commission’s recommendations from last year were largely implemented. In the coming year, Ukraine should, in particular:
? _in line with the Ukraine Plan, continue deregulation and digitalisation of permitting procedures to further enhance the business environment and investment climate in Ukraine;
? _implement measures to stimulate private sector and industrial development, (…) and support incentives to attract foreign direct investment.“ (Directorate-General for Neighbourhood and Enlargement Negotiations, Ukraine Report 2024, 30. Oktober 2024, Kap. 20, S. 15.)

[xi]  „The Commission’s recommendations from last year were only partially implemented and remain valid. In the coming year, Ukraine should in particular:
? _adopt the Law on railway transport creating an institutional and legislative set-up for competitive rail market in line with EU standards.“ (Ukraine Report 2024, S. 17)

[xii] „progress towards an effective carbon-pricing mechanism by resuming the compulsory monitoring, reporting and verification of greenhouse gas emissions and adopting the action plan for setting up a national emissions trading system.“ (Ukraine Report 2024, S. 18)

[xiii]The state footprint in the economy remains high. In 2023, the public sector accounted for 22% of gross value added, up from 6% in 2021, and total government consumption increased to almost 42% of GDP, from just below 40% in 2022.“ (Ukraine Report 2024, S. 55)

[xiv] „SOEs [state-owned enterprises] continued to play a significant role in the economy; Ukraine’s state portfolio included more than 3000 of them. As part of the Ukraine Plan, the government has committed to a series of reforms aiming to reduce the state influence in the economy (…)
In 2023, annual revenues from privatisation amounted to EUR 108 million (0.05% of GDP), an all-time high. Despite this, privatisation has been limited to small property and production assets; there have been no large-scale privatisation deals in 2023 and 2024. However, the government plans to relaunch them when conditions allow.“ (Ukraine Report 2024, S. 55)

[xv]  „The market share of the state-owned banks increased to 53.6% in 2023 following the nationalisation of Sense Bank in July 2024. The selection of a new Board is currently ongoing, with at least six members needed for the Board to be operational. The law on state-owned bank (SOB) privatisation was adopted, which should accelerate the reduction of state ownership in the sector. The Ministry of Finance is expected to appoint an internationally recognised financial advisor to prepare two systemic SOBs, i.e., Sense Bank and Ukrgasbank with 4% and 6% of total assets, respectively, for sale.“ (Ukraine Report 2024, S. 56)

[xvi] Siehe https://ces.org.ua/en/tracker-economy-during-the-war/

[xvii] Siehe https://www.ft.com/content/cd6c28e2-d327-4c2a-a023-098ca43eacfb

[xviii] Unter https://mof.gov.ua/en/perelik-pervinnih-dileriv

[xix] Siehe „Domestic Governement Securities Statistics: Placement and Redemption“ (2. Januar 2025) auf der Website der Nationalbank der Ukraine: https://bank.gov.ua/en/news/all/u-2024-rotsi-uryad-zaluchiv-vid-prodaju-ovdp-na-auktsionah-mayje-640-mlrd-grn-v-ekvivalenti-a-zagalom-uprodovj-voyennogo-stanu–mayje-1-458-mlrd-grn-v-ekvivalenti.
Dort finden sind viele Informationen über staatliche Schuldtitel, die in Landeswährung, Dollar und Euro ausgegeben werden, zu finden. Dort ist man eine Excel-Tabelle mit allen Emissionen von Kriegsanleihen veröffentlicht: „Purchase of military domestic government debt securities between 24 February 2022 and 31 December 2024“.
Siehe auch https://mof.gov.ua/en/borgova-politika (abgerufen am 6. Januar 2025).

[xx]  Siehe die bereits erwähnte Website https://ces.org.ua/en/tracker-economy-during-the-war/

[xxi] Eric Toussaint, „G7 : Poursuite ou non de la suspension du paiement de la dette ukrainienne“, CADTM, 21. Mai 2024, https://www.cadtm.org/G7-Poursuite-ou-non-de-la-suspension-du-paiement-de-la-dette-ukrainienne.
Auf Englisch: „G7: Whether or not to maintain the suspension of Ukrainian debt payments“, CADTM, 23. Mai 2024, https://www.cadtm.org/G7-Whether-or-not-to-maintain-the-suspension-of-Ukrainian-debt-payments.

Dieser Artikel ist zuerst am 13. Januar 2025 auf der Webseite des Komitees zur Streichung der illegitimen Schulden (CADTM) veröffentlicht worden: https://www.cadtm.org/La-dette-de-l-Ukraine-un-instrument-de-pression-et-de-spoliation-aux-mains-des.
Aus dem Französischen übersetzt und bearbeitet von Wilfried.

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