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Nordafrika/Nahost 1. März 2025

Israelis, die als Geiseln genommen werden, werden »Geiseln« genannt, Palästinenser, die als Geiseln genommen werden, »Gefangene«
dokumentiert/TheRightsForum

Am 7.Oktober 2023 nahmen die Hamas und andere palästinensische Widerstandsgruppen rund 250 Israelis (und Personen anderer Nationalitäten) gefangen. Gemäß den Bedingungen des Waffenstillstands im Gazastreifen werden sie gegen Palästinenser:innen ausgetauscht, die von Israel gefangen gehalten werden. Deren Status unterscheidet sich nicht von dem der israelischen Geiseln, doch werden sie nicht so genannt. Es ist an der Zeit, den Jargon an diese Realität anzupassen.

Am 7.Januar befanden sich 10400 Palästinenser in israelischen Gefängnissen, davon 3376 in »Verwaltungshaft«, ohne Anklage oder Gerichtsverfahren. Unter den Inhaftierten waren 88 Frauen und 320 Kinder. Dies geht aus Zahlen von Addameer, der palästinensischen NGO für palästinensische Gefangene und Menschenrechte hervor.
Die Zahl der Gefangenen hat sich seit dem 7.Oktober 2023 verdoppelt. Aus dem Gazastreifen wurden Tausende von Palästinensern nach Israel deportiert, wo sie in »Verhör- und Haftzentren« wie Sde Teiman landeten, einem Folterlager, über das es grausame Berichte gibt.
Das von Israel besetzte Westjordanland (einschließlich Ostjerusalem) ist traditionell das Hauptjagdgebiet der israelischen Streitkräfte. Laut der NGO Military Court Watch wurden seit Beginn der Besatzung im Juni 1967 etwa 800.000 Palästinenser inhaftiert. Ihr Zweck ist, Kontrolle und Angst einzuflößen und durch Einschüchterung und Terror Unterwerfung oder Flucht erzwingen. Eine bekannte Praxis ist auch die Inhaftierung von Familienmitgliedern von Palästinensern, die im Widerstand aktiv sind.
Nach Angaben von Addameer wurden im Jahr nach dem 7.Oktober 2023 im Westjordanland (einschließlich Ostjerusalem) 11.000 Palästinenser festgenommen. Die darin verpackte Botschaft an die palästinensische Gesellschaft lautete: Kommt nicht auf die Idee, zu revoltieren, während wir eure Brüder und Schwestern in Gaza bombardieren. Die Gefangenen werden also als Geiseln gehalten, um den Widerstand gegen den Völkermord in Gaza zu unterbinden.

Kinder sind ein Hauptziel der israelischen Armee, wobei das Werfen von Steinen der Hauptvorwurf ist – unabhängig davon, ob sie tatsächlich geworfen wurden. Israel ist das einzige Land der Welt, das Kinder vor Militärgerichte stellt. Dies geschieht mit äußerster Willkür und brutaler Gewalt.
Im Juni 2024 wurde Israel von der UNO auf die »Liste der Schande« gesetzt, nachdem es jahrelang auffällig davon ausgenommen war. Es teilt diese Position mit den brutalsten (nicht)staatlichen Akteuren der Welt, darunter im Kongo, in Somalia, Syrien, Myanmar, Kolumbien und Haiti. Ständig werden Kinder in Militärgewahrsam genommen, ihre Familien können nur aus der Ferne ängstlich zusehen. Die Botschaft lautet: Rühr dich nicht vom Fleck, sonst siehst du dein Kind eine Zeit lang nicht wieder. Der Begriff »Geiselnahme« ist der einzig richtige für diese Situation.

Im August 2024 wurde dem Roten Kreuz der Zugang zu den palästinensischen Gefangenen verweigert, Familienbesuche wurden untersagt. Die israelische Armee kann damit ihrer Arbeit ungehindert weiter nachgehen. Misshandlungen und Folter sind an der Tagesordnung. Dutzende von Gefangenen haben ihre Haft nicht überlebt, einige infolge der Folter, andere wegen medizinischer Vernachlässigung. Die medizinische Versorgung der Gefangenen ist marginal.
Im Durchschnitt sind 12 bis 20 Gefangene in einem Raum untergebracht. Jeden Tag dürfen sie den Raum für 10 bis 15 Minuten verlassen, manchmal aber auch tagelang überhaupt nicht. Duschen ist einmal pro Woche erlaubt. Einige Häftlinge trugen zwei Monate lang die gleiche Kleidung; Krätze und andere Krankheiten sind an der Tagesordnung. Die Gefangenen erhalten kaum Nahrung und praktisch kein Gemüse oder Obst. Zahnkrankheiten und Harnwegprobleme sind die Folge.

Ein Beispiel für die ständige Misshandlung ist Khalida Jarrar (61), eine bekannte Anwältin und feministische Menschenrechtsaktivistin. Sie wurde Ende Dezember 2023 festgenommen und in »Verwaltungshaft« genommen, ein Status ohne Anklage oder Prozess, der alle sechs Monate und im Grunde auf unbestimmte Zeit verlängert werden kann. Am 20.Januar wurde sie als Teil des Gefangenenaustauschs freigelassen – als menschliches Wrack.
Jarrar wurde im August 2024 in einer 1,5 mal 2 Meter großen Isolierzelle untergebracht, in der die Temperatur auf 46 Grad stieg. Sie atmete durch einen Spalt unter der Tür. Die Zelle verfügte lediglich über eine Betonbank und eine Toilette ohne Wasseranschluss. Ihre Ernährung, die in Verbindung mit ihren Medikamenten unerlässlich ist, wurde vernachlässigt.

Quelle: The Rights Forum (https://rightsforum.org/gegijzelde-israelis-heten-gijzelaars-gegijzelde-palestijnen-gevangenen/).

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