Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Wasser 1. Juli 2025

Brandenburgs Regierung ist dem Autobauer hörig
von Heidemarie Schroeder

Vor drei Jahren, am Weltwassertag, dem 22.März 2022, eröffnete Elon Musk in Anwesenheit von viel Politprominenz seine Gigafabrik im südöstlich von Berlin gelegenen Grünheide. Das Thema Wasser verschwindet seitdem nicht aus den Schlagzeilen, was gute Gründe hat. Gehört das Land Brandenburg schon generell zu den trockensten Regionen Deutschlands, erlebte es in diesem Frühjahr zusätzlich die größte Dürre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881.

Durch die verringerten Niederschläge wie auch die stärkere Verdunstung infolge des Anstiegs der Durchschnittstemperatur, geht die Grundwasserneubildung in Brandenburg bereits seit den 1980er Jahren kontinuierlich zurück. Diese Entwicklung hat in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen. Das ist nicht nur für die Natur ein Problem, sondern auch für die Erzeugung des Lebensmittels Nr.1 der dort lebenden Menschen, das Trinkwasser. In der Region wird dieses nämlich – anders als im benachbarten Berlin – ausschließlich aus Grundwasser erzeugt.
Nun lautet ein Lehrsatz, dass eine nachhaltige Grundwasserförderung zur Produktion von Trinkwasser nur dann gegeben ist, wenn dessen Förderrate nicht seine Neubildungsrate überschreitet. Im Berliner Randgebiet, das von einem Bevölkerungszuwachs und der Neuansiedlung von Industrie und Gewerbe geprägt ist, nimmt der Bedarf an Trinkwasser aber zu, nicht ab. Gleichzeitig bedingen die Neuansiedlungen, dass immer mehr Oberflächen versiegelt und überbaut werden und somit für die Versickerung von Niederschlägen und die Grundwasserneubildung nicht mehr zur Verfügung stehen.
Ein jüngstes Beispiel hierfür bildet der neue Bebauungsplan über 100 Hektar Waldfläche südlich des bisherigen Tesla-Geländes, auf dem Logistikflächen und ein Güterbahnhof entstehen sollen. Die Gemeinde hat hierfür bei der zuständigen Behörde eine Ausgliederung aus dem bisherigen Trinkwasserschutzgebiet (TWSG), beantragt.
Ausgliederungen aus einem TWSG dürfen aber nur vorgenommen werden, wenn die Bevölkerungszahl stark zurückgegangen ist und Industrie oder Gewerbe abgewandert sind oder wenn es in dem Gebiet über längere Zeit sehr reichliche Niederschläge gegeben hat.

Gefährliche Sorglosigkeit
In Grünheide ist von allem das Gegenteil der Fall. Nicht nur Geohydrologen, die in der Lage sind, im Internet verfügbare Daten zu interpretieren, sondern auch Laien können sich ein Urteil über diese gefährliche Entwicklung bilden, wenn sie die Verlandung der Seen vor ihrer Haustür betrachten.
Der Wasserpegel des am Rande der Stadt Strausberg gelegenen Straus­sees hat in den letzten zehn Jahren um etwa eineinhalb Meter abgenommen. Angenommen wird ein Zusammenhang mit der Grundwasserförderung durch das Wasserwerk Spitzmühle, das zu Beginn dieser Entwicklung gebaut und in Betrieb genommen wurde.
Die Seeanrainer machen daher zunächst den lokalen Wasserversorger dafür verantwortlich, dass das Ufer ihres Sees immer weiter zurückweicht. Gleichzeitig üben die umliegenden Städte und Gemeinden Druck auf den Wasserverband aus, für ihre Wunschprojekte möglichst mehr Wasser zu fördern, als die behördlichen Genehmigungen gestatten.
Dem Autobauer Tesla wurden vom Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) vertraglich 1,8 Millionen Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr zugesichert, das sind 10 Prozent der Gesamtmenge, für die das Landesumweltamt dem Verband eine Fördererlaubnis erteilt hat.
Wenn Tesla darauf verweist, dass das Werk aktuell weniger Wasser verbraucht, weil es sein Abwasser aufbereitet, ist das nur die halbe Wahrheit. Der WSE kann über das überschüssige Wasser nicht verfügen, da er vertraglich an seine Zusage dem Autobauer gegenüber gebunden ist.
Seit Jahren führt Tesla einen Streit mit dem WSE um gewünschte Vertragsänderungen. Doch das Thema ist nicht so leicht zu lösen, wie von Tesla behauptet. Im Gegenteil: Der Kampf um das Trinkwasser, den wir bisher nur aus anderen Regionen der Welt kennen, hat auch in Brandenburg längst begonnen und wird in Grünheide besonders erbittert geführt.
Wenn man nun glaubt, dass die Bürger:innen der Region sich für das Thema Wasser interessieren, irrt man. Sie beteiligen sich an den öffentlichen Teilen der Vollversammlungen des Wasserverbands nur, wenn der geforderte Neueinbau von Gartenwasserzählern für sie kostspielig wird oder die Kosten für die Entsorgung von Abwasser aus Sammelgruben von Haushalten steigen, die bisher nicht an die öffentliche Abwasserentsorgung angeschlossen sind.
Die Gefahren, die der dauerhaften Versorgung der Menschen mit ausreichendem Trinkwasser in hoher Qualität und zu stabilen Preisen entsprechend dem Satzungsgebot des WSE drohen, scheinen ihnen nicht bewusst zu sein. Und wenn sich die Bürgermeister in der Hoffnung auf einen wirtschaftlichen Aufschwung oder in der Befolgung der Wünsche ihrer Landesregierung bei den Vertragsverhandlungen auf die Seite Teslas schlagen, vertreten sie nicht die eigentlichen Interessen der Bürger:innen.

Unwissend oder unverfroren?
Die Bürgerinitiativen, die sich zu Beginn des Baus von Tesla und auch später noch gegründet haben, kämpfen einen Kampf, der dem von David gegen Goliat gleicht. Fragen sie nach den Motiven der Bürgermeister, beim Thema Trinkwasser gegen die Interessen ihrer Bürger:innen zu handeln, versuchen diese, sie mit Rechtsmitteln mundtot zu machen. Bemühen sie sich, mit Offenen Briefen die Hintergründe der Vertragsverhandlungen zu beleuchten, werden sie von Tesla der Falschaussage bezichtigt.
Umweltschützer, die im Erweiterungsgebiet Baumhäuser errichteten und auch genehmigt bekamen, wurden mit fadenscheinigen Gründen (Munitionssuche) aus diesen vertrieben. Umgekehrt erfährt der Investor von Landesseite jegliche Unterstützung, auch wenn es sich um das von ihm benötigte Trinkwasser handelt.
So begrüßte Ministerpräsident Dietmar Woidke im März 2023 die Erweiterungspläne Teslas nicht nur, sondern äußerte sich zuversichtlich, für das damit verbundene Problem der Wasserversorgung eine baldige Lösung zu finden.
Die eingangs geschilderte Dürre in der Region und das anhaltende Gezerre Teslas um die vertraglichen Festlegungen mit dem WSE zeigen jedoch, dass sich das Wasserproblem nicht so leicht »wegregieren« lässt, wie der Ministerpräsident sich das vorstellt.
Der damalige Brandenburger Umweltminister Axel Vogel äußerte kurz vor seinem Ausscheiden aus seinem Amt gar, er habe aus der Tesla-Ansiedlung die Lehre gezogen, dass man vor der Ansiedlung von Großindustrie in einer Region überprüfen sollte, ob deren Wassersituation eine solche Ansiedlung hergibt – das ist an Unverfrorenheit kaum zu überbieten.
Ob er tatsächlich so unwissend war, was allein für einen Umweltminister schon schlimm genug wäre, oder nur so unwissend tat, bleibt anhand des Drucks, den die Woidtke-Regierung im Interesse der »Lösung« der Wasserfrage bis in die kleinste Amtsstube und das letzte Bürgermeisteramt hin­ein ausübt, unklar.
Gerade in bezug auf die Tesla-Fabrik in Grünheide, die große Schäden an der Umwelt und am Demokratieverständnis der Bürger angerichtet hat, muss man gegen die SPD-geführte Landesregierung unter der damaligen Beteiligung der Grünen den schweren Vorwurf erheben, allzu kurzsichtig gehandelt zu haben.
Die bloße Aussicht auf einen fragwürdigen Wohlstand scheint diesen Politikern ihr Urteilsvermögen genommen zu haben – das ist angesichts der weitreichenden Implikationen ihrer Fehlentscheidung geradezu als Tragödie zu bezeichnen.

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