Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2025

Tesla zeigt, was alles bei uns schiefläuft
von Angela Klein

Heidemarie ­Schroeder: Eine Gigafabrik in Grünheide oder der Albtraum vom grünen Kapitalismus. Marburg: Büchner, 2025. 204 S., 22 Euro

Heidemarie Schroeder ist den SoZ-Lesenden durch ihre engagierte Berichterstattung über den Bau der Teslafabrik in Grünheide und den Widerstand dagegen wohl bekannt. Sie hat über die Jahre »die Eroberung eines kleinen Ortes im Berliner Umland durch den reichsten Mann der Welt« erlebt und soviele Einsichten in die Verhältnisse vor und hinter den Kulissen gewonnen, dass sie jetzt ein Buch darüber geschrieben hat.

Mit dem Buch will sie die Unzufriedenen erreichen; sie sollen sich den Produkten des grünen Kapitalismus verweigern. »Rettet unser Trinkwasser, kauft keine Teslas« – das ist der Wahlspruch der Bürgerinitiative Grünheide, dem Schroeder sich anschließt.
Von Anfang an ist das Buch spannend, weil es uns mitten in das Leben und die Motivlage der Autorin hineinführt und die Geschichte der Tesla-Ansiedlung als Teil ihrer persönlichen Geschichte schildert.
»Meine Familie nutzt seit der Mitte der 70er Jahre ein altes Bauernhaus im Berliner Südosten als Sommer- und Wochenendbleibe. Zu DDR-Zeiten waren wir seine Mieter, nach der Wende konnten wir das Gebäude nebst Grundstück käuflich erwerben.« Schroeder erzählt einiges darüber, wie das kleine, abseits gelegene Anwesen zu einem Stück Heimat wurde und was sie dort erlebte.
Denn die Fläche, auf der Musk gebaut hat, hat Geschichte. In der Gegend betrieb die Staatssicherheit u.a. ein riesiges Logistikzentrum mit einem Warenlager, in dessen Regalen sich gestohlene Waren stapelten. Hier wurde »der größte staatlich organisierte Postraub [veranstaltet], den es je gegeben hat«.

Verletzung der Bürgerrechte
Ein geplanter Anbau stieß bei den lokalen Behörden zunächst auf Hindernisse, weil das Haus an der Grenze zu einem Flora-Fauna-Habitat liegt. Als es dann doch grünes Licht gab, »kam Elon Musk«.
Das Gelände, auf dem Musk bauen wollte, war Bestandteil des Landschaftsschutzgebiets Müggelspree-Löcknitzer Wald- und Seengebiet und inmitten eines Trinkwasserschutzgebietes gelegen. 2006 wurde es aus dem Landschaftsschutz herausgelöst, weil BMW dort bauen wollte – wozu es dann doch nicht kam. Als Musk sich dort niederlassen wollte, gründeten Ende 2019 Mitglieder des Naturschutzverbands NABU die Bürgerinitiative Grünheide – Ingenieure, Geohydrologen, Biologen und Rechtsanwälte, wie Schroeder schreibt.
Sie selbst hatte solche Qualifikationen nicht zu bieten. Aber das Genehmigungsverfahren »verletzte die Bürger- und Mitbestimmungsrechte, für die wir sinnbildlich 1989 die Mauer eingerissen hatten, auf das Gröbste. Daneben schien mir auch der alte Geist des Ortes, an dem die Staatssicherheit der DDR über Jahrzehnte ihr Unwesen getrieben hatte, wieder auferstanden zu sein … [So] landete ich wieder dort, wo ich vor ein paar Jahrzehnten schon einmal losgegangen war: bei der Frage nämlich, welche Gesellschaftsform die für ein Zusammenleben von Menschen zuträglichste sei.«
Es gab und gibt im Zusammenhang mit dem Bau der Teslafabrik und der dafür als erforderlich reklamierten Rodung von 308 Hektar Wald zwei zentrale Angriffspunkte: der Artenschutz und das Wasser. Der Artenschutz betrifft nicht allein die auf dem Areal lebenden Kleintiere, die vom Aussterben bedroht sind, wie die Schlingnatter, deren Tötung eine Straftat darstellt. Als der heutige Ministerpräsident von Brandenburg, Dietmar Woidke, noch Umweltminister war (2006), bestimmte er das fragliche Landschaftsschutzgebiet als besonders schützenswert, weil es »Lebensraum störungsempfindlicher Tierarten mit großen Arealansprüchen wie Seeadler, Fischadler und Kranich« sei und zudem dem Erhalt des Regionalklimas diene. Jahre später wollte er davon nichts mehr wissen.

Das Wasser
Das Wasserproblem wiederum ist in Brandenburg ein existenzielles und hat mehrere Ursachen. Viele Seen werden vom Grundwasser gespeist, doch der Grundwasserpegel sinkt wegen längerer Trockenheiten, steigenden Temperaturen und, damit zusammenhängend, höheren Verdunstungsraten. Einige Seen drohen bereits trocken zu fallen.
Mit dem Ende der Braunkohleförderung in der Lausitz wird zudem das Grundwasser dort nicht länger abgepumpt und in die Spree geleitet, so dass auch diese streckenweise austrocknet bzw. rückwärts fließt.
Hinzu kommt, dass die Wasserqualität wegen zu hoher Nitrateinträge aus der Landwirtschaft und von Industriebetrieben abnimmt, das Trinkwasser wird zunehmend belastet und teurer.
Schon jetzt sehen sich die Wasserverbände nicht in der Lage, ausreichend Wasser für Schulgebäude oder Wohnungen bereit zu stellen. Google wurde deshalb der Bau einer Ansiedlung untersagt.
Tesla setzt sich über derlei hinweg. Der E-Auto-Konzern hat kurzerhand eine Änderung der Satzung des Wasserverbands Strausberg-Erkner dahingehend durchgesetzt, dass nicht mehr die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung, sondern die Versorgung Teslas mit jährlich 1,8 Millionen Kubikmeter Wasser Priorität hat – garantiert.
Die Fabrik wurde zudem direkt in einem Trinkwasserschutzgebiet (auf sandigem Boden!) errichtet und natürlich werden die Abwassergrenzwerte, vor allem Phosphor- und Nitrateinträge, von Tesla regelmäßig überschritten. Tesla bestreitet das rundweg, hält mit eigenen »Messungen« dagegen und stellt die Wasserbehörden als Idioten hin, die nicht richtig messen können.
Die gesetzliche Sicherung der Versorgung der Bevölkerung muss den Profitinteressen von Elon Musk weichen. Er exerziert hier im kleinen vor, was er sich an der Seite von Trump im Großen vorgenommen hat: die staatliche Daseinsvorsorge überall dort zu zertrümmern, wo sie Geschäftsinteressen im Weg steht.
Heidemarie Schroeder zeigt die Mechanismen auf, wie ihm dies in Brandenburg gelungen ist.

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