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Gewerkschaften 1. Oktober 2025

Der Internationale Arbeitskreis Kölner Gewerkschafter:innen (IGAKK)
Gespräch mit Kai Beutler und Thomas Süther

Der Internationale gewerkschaftliche Arbeitskreis Köln (IGAKK) wurde im April 2016 mit Unterstützung der IG Metall Köln-Leverkusen gegründet. Die etwa 20 Mitglieder aus den Kölner Betrieben, Betriebsrät:innen und Multiplikator:innen haben bisher ausländische Konzern-Niederlassungen Kölner Betriebe in sechs Ländern besucht und die Kolleg:innen dort auch nach Köln eingeladen.

Sie wollen bei den Beschäftigten den Blick dafür schärfen, dass die Grenze eben nicht zwischen Deutschland und dem Ausland verläuft, sondern zwischen Beschäftigten im Ausland und in Deutschland auf der einen und Unternehmern in beiden Ländern auf der anderen Seite.

Zwei Kollegen aus dem Arbeitskreis, Kai Beutler (KB), Berater für Betriebsräte, und Thomas Süther (TS), Betriebsrat bei Ford, sprachen mit Ayse ­Tekin darüber, wie es angefangen hat.

Was war der Anlass für die Bildung eures Arbeitskreises?

KB: Wir hatten in verschiedenen Kölner Metallbetrieben festgestellt, dass die Konzerne, die in Köln angesiedelt sind, ähnliche Projekte auch in ihren ausländischen Standorten durchgezogen haben.
Da war die Firma Pfeiffer und Langen, die Zucker in Nordrhein-Westfalen und Südpolen produzierte, mit der Zentrale in Köln. Sie hat Lohnkürzungsforderungen sowohl in Köln als auch in Polen gestellt. Da war die Firma SKF in Opladen, die Motorenventile für die Automobilindustrie herstellt. In Indien wie in Köln hat sie das gleiche Ziel verfolgt: Auslagerung der Lagerlogistik. Und es gab Atlas Copco in Köln-Sürth und in Pune/Indien sowie im chinesischen Shanghai. Dort gab es eine Standortkonkurrenz um Teile für Großkompressoren.
Daraufhin haben wir beschlossen, uns mit den dortigen Gewerkschaften und Beschäftigtenvertretungen zu unterhalten, damit wir gegenseitig wissen, was da läuft. In allen drei Fällen konnten wir erreichen, dass die Projekte nicht zulasten der Beschäftigten durchgeführt wurden. Das war der Anlass zur Gründung unseres Arbeitskreises.

Hat die IG Metall eine Politik gegenüber Betrieben, die zum gleichen Unternehmen gehören, aber nicht nur in Deutschland produzieren? Wo steht der IGAKK in diesem Zusammenhang, und warum ist er nicht ein offizieller Arbeitskreis der IG Metall?

TS: Wir wollten uns die Freiheit erhalten, dass wir zwar eine gewisse Unterstützung bekommen – etwa dass wir in den Räumlichkeiten der IG Metall in Köln tagen können, aber keine offizielle Arbeitsgruppe der IG Metall sind, damit wir freier arbeiten können.
Außerdem ist in der IG Metall das Sparen angesagt, und man hat die Ressorts von sieben auf fünf reduziert. Das Ressort für transnationale Zusammenarbeit hat man in das Ressort »Globale und europäische Gewerkschaftspolitik« zurückgefahren, was für uns natürlich dazu führt, dass weniger Ressourcen für internationale Kooperation verfügbar sind.
Hinzu kommt, dass die IG Metall als IndustriALL-Mitglied mehr Rücksicht auf andere IndustriALL-Gewerkschaften in der Türkei oder Mexiko nehmen muss, auch wenn diese »gelb«, also unternehmerlastig oder sogar Unternehmerschutzgewerkschaften sind. Der IGAKK kann aber demokratische Alternativen unterstützen – wie Sinttia in Mexiko und Birteksen in der Osttürkei – immer in Abstimmung mit der IGM und IndustriALL Global natürlich.

Zu eurer praktischen Arbeit: Ihr habt Austauschreisen organisiert, zuerst 2011 nach Indien. Danach kamen China, Serbien und Mexiko, Rumänien und letztes Jahr die Türkei. Das sind Reisen und Einladungen, die eine Menge Kosten verursachen. Wie finanziert ihr sie?

KB: Wir brauchen für eine Kontaktreise von zwei Wochen nach Mexiko viel Geld. Wenn wir 10 oder 15 Leute sind, können wir nicht von den Kollegen verlangen, dass sie so viel Geld bezahlen und auch noch Urlaub nehmen. So haben wir einen gemeinnützigen Verein gegründet, um die Reisen zu finanzieren, und können damit auch Förderung bei verschiedenen Organisationen beantragen. Wir kriegen auch teilweise Unterstützung von Aufsichtsratsmitgliedern; die geben in der Regel einen Großteil ihres Geldes an die Hans-Böckler-Stiftung, aber vom Rest wollen viele auch nichts behalten und geben das dann anderen gemeinnützigen Organisationen wie uns.

Der Austausch am Ort ist direkte Solidarität und schafft Vertrauen auf beiden Seiten. Was bleibt aus diesen Reisen nachhaltig?

KB: Wir arbeiten nach dem Nuss­knackerprinzip. Wenn man die schwarze Nuss eines »bösen« Arbeitgebers knacken will, braucht man am Hebel eine kämpferische Belegschaft. Den Oberkiefer in Deutschland bilden wir. Also suchen wir in den Partnerländern einen harten Unterkiefer – in aller Regel sind das Personen und keine Organisationen.
Aus allen sechs Kontaktreisen sind nachhaltige Kooperationen entstanden – betriebliche und gewerkschaftliche Kontakte, aber auch Kooperationen mit Aktivist:innen. Das hängt auch damit zusammen, wie wir uns damit beschäftigen. Erst einmal muss man die Länder und die Strukturen verstehen.
Jetzt z.B. haben wir Marokko ins Auge gefasst. Marokko hat nur Wirtschaftszonen, in die man nicht so einfach reinkommt, wo man Kontakte braucht. Ein Riesenthema ist immer, die Kontakte im Vorfeld so aufzubauen, dass man vor Ort dann auch mit den Akteur:innen und den Betrieben in Kontakt treten kann. Das ist eine ganz wichtige Arbeit, die wir da leisten. Dafür braucht man Personen in den Strukturen. Mit denen kann man Projekte machen, die wenden sich dann ggf. an uns. Manchmal ist es auch andersrum.

Auf welche konkreten Ergebnisse kann IGAKK zählen?

TS: Wenn wir zum Beispiel bei der Aktivistin Pati Juan Pineda in Mexiko anrufen, wo wir 2019, also vor sechs Jahren waren, und wir brauchen eine Solidaritätserklärung, weil in Köln der Betriebsratsvorsitzende von Magna mit unfairen Methoden bekämpft wird, die wir Union Busting nennen, dann bekommen wir innerhalb von zwei Tagen eine Solidaritätserklärung. Ebenso läuft es andersherum, wenn in einem deutschen Unternehmen ein Betriebsrat in Mexiko verhindert wird.
In Kooperation mit der IG Metall und dem örtlichen Betriebsrat ist es gelungen, eine demokratische Betriebsratswahl im mexikanischen Werk in Silao der deutschen Firma Fränkische Rohrwerke durchzusetzen und die Arbeitgeberschutzgewerkschaft dort abzulösen. Es kommt also darauf an, dass die kontaktierten Personen – der »Nussknacker-Unterkiefer« – noch da sind und nicht die Funktion gewechselt haben. Dann ist es nachhaltig.
Nachhaltig ist es natürlich auch, wenn wir erreichen, dass die betrieblichen Akteur:innen direkt miteinander in Kontakt treten. Ein Beispiel ist Atlas Copco mit seinem Betrieb in Shanghai. Der Betriebsratsvorsitzende war letzten Dezember dort und hat mit den Kolleg:innen vor Ort gesprochen, was man zusammen tun kann.
Wir fahren hin, denn wir haben die Ressourcen dafür. Die Mexikaner:innen oder Inder:innen haben sie nicht. Aber wir versuchen immer, auf Augenhöhe zu arbeiten und laden sie dann ein. Im Austausch geht es um die Arbeitsbedingungen. Inder:innen kämpfen nicht für Indien, wie wir nicht für Deutschland kämpfen, sondern wir kämpfen für gute Arbeitsbedingungen in beiden Ländern.
In der Regel wenden wir uns auch nicht nur im Einzelfall gegen schlechten Arbeitsschutz in einem Betrieb im Ausland, sondern wir setzen uns dafür ein, dass es dort gute Betriebsräte und Gewerkschaften gibt. Dann können die sich selber wirksam um guten Arbeitsschutz kümmern.
Wenn wir mehr Gleichheit auf der Welt schaffen und eine bessere Wohlstandsverteilung, dann lohnt es sich gar nicht mehr weiterzuziehen. Das ist ein hehres Ziel, das wir verfolgen, um einfach mehr für alle zu tun!

IGAKK e.V. – www.IGAKK.org
Spendenkonto: IBAN DE29 83065408 0004175956

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