Die Bomben schaden der iranischen Opposition
von der Redaktion
Kurz vor Redaktionsschluss sind die USA in den Krieg Israels gegen den Iran eingetreten. Kurz nach den Bombardierungen erklärte US-Präsident Trump zynisch: »Entweder gibt es nun Frieden, oder der Iran wird eine Tragödie erleben. Noch sind viele militärische Ziele übrig.« Inzwischen hat er einen »vollständigen Waffenstillstand« dekretiert. Darauf bauen kann man nicht.
Die Folgen der Eskalation sind nicht absehbar. Eine lang andauernde militärische Auseinandersetzung scheint möglich; in der israelischen Regierung wird bereits die Balkanisierung des Landes gefordert: seine Aufspaltung in ethnisch und religiös bestimmte Herrschaftsgebiete.
Wir dokumentieren oppositionelle Stimmen aus dem Land und aus der Region, die weder das klerikale Regime der Islamischen Republik verteidigen, noch Illusionen über über den imperialistischen Charakter der Angriffe hegen.
Widerstand gegen Krieg und Kriegstreiberei!
[…] Die Behauptung Israels, es hege keine Feindschaft gegen das iranische Volk, ist nichts als eine Lüge und politische Propaganda. Erst gestern [16.6.] hat der israelische Verteidigungsminister damit gedroht, »Teheran zu verbrennen«. […]
Die Regierungen Israels und der USA sind die Hauptverantwortlichen für den anhaltenden Völkermord in Gaza und zahlreiche andere Verbrechen in der Region und auf der ganzen Welt. Die UNO und die internationalen Institutionen, die sich heuchlerisch als friedenssuchend darstellen und angesichts der Gräueltaten schweigen, sind Teil desselben Herrschaftssystems. […]
Wir, die unabhängigen Arbeiter- und Basisorganisationen und Aktivisten im Iran, machen uns keine Illusionen darüber, dass die USA und Israel uns Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit bringen wollen – genauso wenig wie wir uns Illusionen über den repressiven, interventionistischen und arbeiterfeindlichen Charakter und das Verhalten der Islamischen Republik machen.
Wir … haben viele Jahre lang in unserem Kampf um die Sicherung selbst der grundlegendsten Rechte und Lebensnotwendigkeiten einen hohen Preis gezahlt – einschließlich Inhaftierung, Folter, Hinrichtung, Entlassung, Drohungen und Schlägen. Das Recht, sich zu organisieren, zu versammeln und frei zu äußern, wird uns nach wie vor vorenthalten.
Die Arbeiter und Werktätigen dieses Landes sind zu Recht wütend und haben die Nase voll von der Islamischen Republik und den Kapitalisten, die in den letzten vier Jahrzehnten auf unserem Rücken astronomische Reichtümer angehäuft haben, während sie uns zu ständiger Unsicherheit und Entbehrung verdammen. Alle Beamten und Institutionen, die an der Unterdrückung und Ermordung von Arbeitern, Frauen, Jugendlichen und dem unterdrückten Volk des Irans beteiligt sind, müssen strafrechtlich verfolgt und vom unterdrückten Volk selbst zur Rechenschaft gezogen werden.
Unser Kampf […] wird nur dann vorankommen, wenn wir uns auf unsere eigene Kraft verlassen, in Kontinuität mit den Bewegungen der letzten Jahre – einschließlich »Brot, Arbeit, Freiheit« und Jin, Jiyan, Azadi (Frau, Leben, Freiheit) – und durch Solidarität mit der internationalen Arbeiterklasse und allen humanistischen, freiheitssuchenden und gleichheitsorientierten Kräften. […]
Die unterzeichnenden Organisationen rufen alle Gewerkschaftsorganisationen, Menschenrechtsinstitutionen, Antikriegsgruppen, Umweltaktivisten und friedenssuchenden Kräfte auf der ganzen Welt auf, gemeinsam die sofortige Einstellung von Krieg, Bombardierung, Tötung unschuldiger Menschen und der Zerstörung der Umwelt zu fordern und die Kämpfe der Menschen im Iran und in der Region zu unterstützen, um Völkermord, Militarismus und Unterdrückung zu beenden. […]
Nein zum Krieg – Nein zu Kriegstreiberei
Sofortiger Waffenstillstand!
17.Juni 2025
Unterzeichnete:
– Gewerkschaft der Arbeiter der Busgesellschaft Teheran und Vororte
– Gewerkschaft der Arbeiter der Haft Tapeh Sugarcane Company
– Arbeiter im Ruhestand in Khuzestan
– Bund der Rentner (Ettehad Bazneshastegan)
– Koordinierungsausschuss zur Unterstützung der Gründung von Arbeiterorganisationen
– Gruppe »Unity« für Rentner
Quelle: Internationales Arbeitsnetzwerk für Solidarität und Kampf
Unser Volk wird nicht schutzlos bleiben
Im Hinblick auf die eskalierenden Spannungen zwischen Israel und dem Iran warnt der außenpolitische Sprecher der Partei für ein freies Leben in Kurdistan (PJAK), Zegrus Enderyarî, vor einer weiteren innenpolitischen Eskalation in Iran und mahnt zur Wachsamkeit – insbesondere in Rojhilat (Ostkurdistan). Die Organisation betont ihre Einsatzbereitschaft zur gesellschaftlichen Selbstverteidigung und ruft kurdische Kräfte in der Region zu geschlossener Haltung auf.
»Wir sind auf eine neue Eskalationsphase vorbereitet und werden die Bevölkerung nicht alleinlassen«, sagte Enderyarî gegenüber ANF. Zugleich machte er deutlich, dass die PJAK sich nicht als Teil des aktuellen militärischen Konflikts sieht. […]
Die PJAK befürchtet, dass der iranische Staat die außenpolitische Eskalation als Vorwand nutzen könnte, um im Innern erneut systematisch gegen Dissident:innen, Frauenrechtler:innen und oppositionelle Gruppen vorzugehen, vor allem im kurdisch geprägten Nordwesten des Landes. »Die Bewegung Jin, Jiyan, Azadi hat eine enorme gesellschaftliche Dynamik geschaffen. Die Revolte hat breite Solidarität und Widerstand mobilisiert. Es besteht nun die Gefahr, dass das Regime diese Bewegung unter dem Deckmantel äußerer Bedrohung erneut massiv unterdrückt – durch Verhaftungen, politische Prozesse und womöglich neue Hinrichtungen«, so Enderyari.
Seine Partei sei in der Lage, ihre gesellschaftliche Schutzfunktion wahrzunehmen: »Wir haben über Jahre hinweg Strukturen aufgebaut, die auf kollektive Verteidigung, Organisation und Solidarität setzen. Unser Volk wird in dieser Phase weder allein noch schutzlos bleiben. In jedem Bereich, in jeder Region sind wir bereit, um soziale Verteidigung zu gewährleisten.«
»Wir vertreten in dieser geopolitischen Konstellation einen dritten Weg – jenseits der herrschenden Machtblöcke. Unser Ziel ist ein dezentralisiertes, demokratisches Modell, in dem die Völker selbstverwaltet und gleichberechtigt zusammenleben.«
17.Juni 2025
Quelle: https://anfdeutsch.com/kurdistan
Welch eine Heuchelei!
Mona Eltahawy
Der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu beruft sich auf die abscheuliche Frauenrechtspolitik des iranischen Regimes, um seinen abscheulichen Krieg gegen den Iran zu rechtfertigen. Das ist der Mann, dessen Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen im ersten Jahr mehr Frauen und Kinder getötet hat als in jedem anderen Konflikt der letzten zwei Jahrzehnte.
»Sie haben euch verarmt, sie haben euch Elend gebracht, sie haben euch den Tod gebracht, sie haben euch Terror gebracht, sie haben eure Frauen erschossen und diese tapfere, unglaubliche Frau, Mahsa Amini*, auf dem Bürgersteig verbluten lassen, weil sie ihr Haar nicht bedeckt hat«, sagte Netanyahu in einem Interview mit Iran International … »Während wir unser Ziel erreichen, machen wir auch den Weg für Ihre Freiheit frei«, sagte er in einer anderen, im Fernsehen übertragenen Rede an die Iraner. »Dies ist Ihre Gelegenheit, aufzustehen und Ihre Stimme zu erheben. Frau, Leben, Freiheit – zan, zendegi, azadi.«
Die Frauen brauchten Netanyahu damals nicht, um für ihre Freiheit zu kämpfen, und sie brauchen ihn auch jetzt nicht. […]
Die patriarchalisch-theokratische Melange der iranischen »Sittenpolizei« ist leichter zu erkennen, weil sie sich so sichtbar im erzwungenen Hijab ausdrückt. Aber was ist die erzwungene Schwangerschaft der christlichen Eiferer in den USA anderes als eine Melange aus Patriarchat und Theokratie?
Kriege und Invasionen befreien die Frauen nicht… Jedesmal, wenn eine imperiale Macht behauptet, die Frauen von »ihren« Männern zu »befreien«, werden diese Männer versuchen, die Kontrolle über »ihre Frauen« zurückzuerobern, wenn die Invasoren weg sind.
Quelle: The Guardian, 19.Juni 2025.
*Mahsa Amini, eine 22jährige Kurdin, starb im September 2022 wenige Tage nachdem sie von der »Sittenpolizei« des Regimes festgenommen worden war, weil sie sich angeblich nicht an die Hijab-Vorschriften des Landes gehalten hatte. Ihr Tod löste die feministische Bewegung »Frau, Leben, Freiheit« aus.
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