An den Rand notiert
von Rolf Euler
Vor einigen Wochen tagte in Paris mal wieder eine UN-Konferenz zum kritischen Zustand der Erde: es ging um Kunststoffabfälle, ihre Beseitigung und den Plastikmüll in den Flüssen und Meeren. Dringende Reden wurden gehalten – man kennt es von den Klimakonferenzen. Beschlüsse wurden gefasst, das Problem aber weiter gewälzt.
Kontrastprogramm zu den »guten Vorsätzen« und tollen Reden auf der Konferenz: Besuch in einem Spielzeuggeschäft. Aus familiären Gründen muss ich mal den Weg in den einzigen Laden am Ort wagen. Erschlagen vom ersten Anblick der vier Regalreihen, drei Meter hoch, zehn Meter lang, beidseitig bestückt mit Spielwaren aller Art. Und: Kunststoff wohin das Auge blickt! Die wenigen Metallautos, die wenigen Holzspielsachen nehmen sich wie Exoten aus – sind sie ja auch. Das Spiel mit Bauklötzen – jedes Kind, das ich kenne liebt diese Turmbauten – wird ersetzt durch Fertigspielzeug aller Art. Plastik und Kunststoffe als Verpackungen, vor allem aber als Inhalte: Puppen und Puppenstuben, Kaufladen und Geräte, Autos und Plüschtiere, Spiele für draußen und drinnen, Bastelsachen, Puppenköpfe und Babypuppen mit großen Augen, zum Frisieren und Schminken, natürlich in Rosa. Zu Disney-Filmen oder Digitalspielen gibt es die Figuren und Serien: Paw-Patrol, Transformers, Super Mario…
Dann mehrere Regale voller Waffen – Wasser- und Softairprojektile aus colt- und maschinenpistolenähnlichen Plastikgehäusen für 20 bis 40 Euro – was für ein »Spielzeug«.
Den meisten Platz nehmen Lego und Playmobil mit zwei Regalreihen ein. Die nützlichen Bausteine, deren älteste Versionen bei uns inzwischen an die Enkel vererbt sind und immer noch halten, werden ständig um neue Modelle, Steinformen, Farben, Serien ergänzt – Disney und Friends, Minecraft und Harry Potter, Star Wars und Indiana Jones, und Technikautos, -bagger, -weltraumschiffe. Alles muss immer neu gekauft werden, man kann mit den enthaltenen Steinen oft nur ein bis zwei Modelle bauen. Dasselbe gegenüber mit Playmo: Kaufhaus und Bauernhof, Piraten und Puppenhaus, Polizei und Feuerwehr – ebenfalls eine »perfekte Welt« aus Plastik. Und das entsteht hauptsächlich aus Erdöl.
Nirgendwo wird deutlicher, was für eine Überflusswelt aus Kunststoffen geschaffen wurde. Kein Spiel, das nicht einen immensen Fußabdruck mitbringt. Kunststoffherstellung und -verbrennung haben 2019 mehr als 850 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt!, so das Energiewende-Magazin der Elektrizitätswerke Schönau. In China, Indonesien und Südafrika werden Kunststoffe nach wie vor hauptsächlich mit Kohlestrom hergestellt.
Was macht da eine Konferenz, die der Verbreitung von schädlichen Kunststoffen und den Abfällen und der Einbringung in Boden, Flüsse und Meere nur viele Worte und Pläne, aber keine ernsthafte Einschränkung der Produktion entgegensetzt?
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