Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
Rand Rolf Euler 1. Juli 2025

An den Rand notiert
von Rolf Euler

Vor zehn Jahren, Ende Mai 2015, fand in Bukavu im Kongo und vier Wochen später in Berlin ein Tribunal statt, das von dem Schweizer Theatermacher Milo Rau und vielen Mitarbeitenden organisiert wurde. Das sog. »Kongo-Tribunal« stellte sich ausdrücklich mit dieser Bezeichnung in die Nachfolge des Vietnam-Tribunals von 1968, das die Verbrechen des US-Krieges behandelte.

Das Kongo-Tribunal fand in einer Region im Kongo statt, die von Bürgerkrieg, Ausbeutung der Bodenschätze, Vertreibung und Verwüstung von Dörfern und Korruption der lokalen und zentralen Regierung geprägt war.
Der Kongo ist bekanntlich ein rohstoffreiches Land, die Erde enthält vor allem die für die Elektronikproduktion wichtigen seltenen Erden, sowie Kupfer und andere Metalle. Internationale Konzerne bemühen sich um Konzessionen für die Ausbeutung, die von korrupten Behörden ohne Rücksicht auf lokale Verhältnisse vergeben werden.
Das Tribunal, vorbereitet durch längere Reisen und viele Gespräche von Milo Rau, wurde besetzt mit einem Experten für internationales Strafrecht, einem Menschenrechtsanwalt aus dem Kongo, einer Menschenrechtsaktivistin aus dem Kongo, einer belgische Afrika-Korrespondentin, einem Anwalt des internationalen Bergbauunternehmens MPC im Kongo, einem kongolesischen Bodenrechtsanwalt und Kritiker der Bergbauindustrie sowie dem Kabinettsvorsitzenden des Provinzgouverneurs. Es war also ein Projekt, das verschiedene Seiten zu Wort kommen lassen sollte, damit es dort überhaupt stattfinden konnte.
In dem anschließend veröffentlichten Bericht der beiden Tribunalsitzungen im Kongo und später in Berlin kommen Zeugen der Vertreibung, der Massaker, der Zerstörungen und Enteignungen zu Wort und berichten, wie es zu dem Kampf zwischen Söldnern, Militär, und Rebellen mit Millionen Toten kommen konnte, welche Interessen dahinterstehen, und wie wenig Regierungen, die internationale Öffentlichkeit und internationale Organisationen bisher dagegen getan haben.
Milo Rau sagt, der Prozess vor dem Tribunal ist nicht nur eine »objektive Analyse, sondern politische Aktion«, da er für die Opfer erstmals Stimme und Anhörung als auch Möglichkeiten der Bewältigung aufscheinen ließ. Milo Rau wird »Regisseur, Autor und sozialer Plastiker« genannt und macht künstlerische Arbeiten, die immer einen politisch-öffentlichen Zweck ergänzen. In seinem Buch Das Kongo-Tribunal (Berlin: Verbrecher Verlag, 2017) sind erschütternde Aussagen und Berichte enthalten, an die heute dringend neu erinnert werden muss. Denn die Ausbeutung der Menschen und der Bodenschätze, die Macht der internationalen Konzerne, die Teilnahme der lokalen Behörden und Militärs an diesen Geschäften, und das Wegsehen der internationalen Öffentlichkeit setzen sich fort.
Rau sagt am Ende des Tribunals: »Die Herrlichkeit der Kunst besteht in ihrem Wissen um ihr Scheitern, um die Grenzen der Freiheit. Damit gibt sie der Verzweiflung, aber auch dem rebellischen ›Trotzdem‹ Raum.«

Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.