Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Rand Rolf Euler 1. Dezember 2025

An den Rand notiert
von Rolf Euler

In diesem Jahr wurde der Big Brother Award neben anderen an zwei Gerichte wegen skandalöser Urteile im Bereich Arbeitswelt »überreicht«. Beide Gerichte hatten Klagen gegen Amazon zu verhandeln.

Der Betriebsrat des Amazon-Standorts Winsen/Luhe hatte Beschwerde beim Datenschutzbeauftragten eingelegt wegen der ständigen elektronischen Überwachung aller Beschäftigten bei ihrer Arbeit durch die digitalen Scanner, die Ort und Zeitdauer aller Handgriffe speichern und dem Unternehmen zur Verfügung stellen. Nach mehreren Jahren untersagte die Niedersächsische Datenschutzbehörde Amazon diese Überwachung, wogegen Amazon klagte.
Das Verwaltungsgericht in Hannover verhandelte nun, überraschend allerdings nicht im Gerichtsgebäude – wo man es erwarten dürfte –, sondern in den Geschäftsräumen von Amazon! Das Urteil: Auf 20 Seiten folgte das Verwaltungsgericht jedem Argument des US-Konzerns. Alle detaillierten Daten der Picker würden von Amazon »vernünftigerweise benötigt, z.B. um Leistungsdefizite einzelner Beschäftigter sowie verstärkten Warenanfall in Echtzeit ausgleichen« zu können. Die Speicherung der Daten sei »für die permanente Qualifizierung der Mitarbeiter:innen erforderlich« und daher »im Eigeninteresse« der Beschäftigten.
Da es angesichts der vielen offenen Stellen im Logistikbereich genügend Alternativen zu Amazon gebe, seien der mit der Überwachung zusammenhängende Leistungsdruck und die Entlassungsdrohung nicht problematisch. Dass der Datenschutzbeauftragte Berufung eingelegt hat, ist wohl selbstverständlich.
Der andere Preisträger war das Bundesarbeitsgericht. Es hatte in vorerst letzter Instanz gegen den Betriebsrat von Amazon Bad Hersfeld entschieden. Der hatte der Einführung einer Personalsoftware – mit dem Namen »People Engine/New HCM [Human Capital Management]« – nicht zugestimmt. Die Amazon-Konzernzentrale schreibt diese Software weltweit vor. Die Verarbeitung der Daten erfolgt wesentlich beim Konzern in den USA. Dagegen protestierte der Betriebsrat mit dem Argument, weder er noch andere deutsche Instanzen hätten irgendeine Kontrolle über diese Datenverarbeitung in den USA. Deshalb sei sie unzulässig.
Doch alle Instanzen und endgültig das Bundesarbeitsgericht wollten keine Verstöße von Amazon gegen Mitbestimmungsrechte und gegen die Datenschutzgrundverordnung feststellen, trotz gegenteiliger Urteile des Europäischen Gerichtshofs.
Eine Neuigkeit brachte allerdings die Verleihung der »Preise« in diesem Jahr: Der Präsident des Verwaltungsgerichts Hannover war persönlich erschienen, um mit einer Rede auf die Verleihung durch Katharina Just einzugehen. Ansonsten blieben alle anderen erwartungsgemäß der Veranstaltung fern – wie die Geehrten in den 25 Jahren davor.
Glückwunsch an digitalcourage für 25 Jahre preiswürdige Recherche und Big-Brother-Geschichte!

Mehr bei: https://bigbrotherawards.de und: https://digitalcourage.de

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