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Industrie 1. Dezember 2025

Umweltverbrechen mit Umweltsiegeln
von Volker Brauch

Jeder kennt den freundlichen Möbelkonzern mit seinen blau-gelben, schwedischen Erkennungsfarben, der das IKEA-Lebensgefühl in die Wohnung bringt. Ein Konzern auf der grünen Wiese mit seinen großen gelben Buchstaben, der sich als der sympathische Möbelladen von nebenan darstellt.
?Ehemals 1943 von Ingvar Kamprad in Südschweden mit einem kleinen Handelsbetrieb gegründet, ist IKEA innerhalb von 80 Jahren zum weltumspannenden Imperium und zum weltgrößten Möbelhandelsunternehmen gewachsen. Der Konzern, mit seiner beispiellosen Expansion, betreibt 433 Einrichtungshäuser in 50 Ländern. Insgesamt bedient IKEA global mehr als 63 verschiedene Märkte. Allein in Deutschland, dem wichtigsten Markt von IKEA, gibt es 54 Verkaufsstandorte mit etwa 20.000 Beschäftigten.

IKEA ist ein kompliziertes Unternehmensgeflecht verschiedenster Konzerne im Zusammenschluss incl. Tochterunternehmen und befindet sich de facto in Familienbesitz. IKEA Deutschland ist Teil der INGKA Holding B.V. mit Sitz im niederländischen Leiden, der die meisten Möbelmärkte gehören. Diese Holding gehört der Stiftung der INGKA Foundation mit Sitz in Liechtenstein. Als gemeinnützige Stiftung werden hier sehr wenige Steuern gezahlt.
Das IKEA-Konzerngeflecht steht immer wieder im Fokus wegen seiner Steuervermeidungsstategie, die bereits mit seinem ehemaligen Konzernchef Kamprad begann. Ein Beispiel hierfür ist die »IKEA Family Bezahlkarte«. Die Bezahlkarte vergibt Kredite, die von einer zum IKEA-Konglomerat gehörenden Bank in Luxemburg vermittelt werden. Der Effekt dieses Systems ist, dass die überwiesenen Gewinne in Luxemburg steuerfrei sind.
IKEA Industry, eine Tochter der Inter IKEA Group, die in erster Linie in osteuropäischen Ländern produzieren lässt, wirtschaftet wo immer möglich unter Bedingungen von Billiglöhnen und Kostenersparnissen.
Die Ergebnisse eines derartigen Wirtschaftsmodells gestalten sich dementsprechend. Nach eigenen Angaben verzeichnet der Möbelriese im Geschäftsjahr September 2023 bis August 2024 einen Gesamtumsatz von 6,161 Milliarden Euro plus 266 Millionen Euro bei IKEA Food, bei einem Marktanteil von 11,6 Prozent.
Dank niedriger Zinszahlungen wurde ein höherer Gewinn für das Jahr 2024 gemeldet: Der Nettogewinn stieg von 1,6 Milliarden Euro auf 2,2 Milliarden Euro. Das Geschäftsjahr 2024 erzielte das zweitstärkste Ergebnis in der 50jährigen Geschichte für IKEA Deutschland, und das nach einem zweistelligen Wachstum bereits im Jahr 2023 – ein Umsatzrekord für den Weltmarktführer im Möbelhandel.
Dementsprechend hoch sind die Besucherzahlen der Einrichtungshäuser in Deutschland. Rund 80 Millionen Besucher verzeichnete IKEA im letzten Geschäftsjahr, was fast der gesamten Bevölkerung Deutschlands entspricht – 11 Prozent mehr Besucher als im Geschäftsjahr 2022. Online erzielte der Möbelgigant 252,6 Millionen Besucher.

Nachhaltigkeit – Waldpositiv – FSC
Zur erklärten DNA von IKEA gehört die Verpflichtung zu verantwortungsvoller Waldbewirtschaftung bei der Verarbeitung des Rohstoffs Holz. Hierbei sieht sich der Konzern als Musterunternehmen in einer Vorreiterrolle. Verantwortungsvolle Waldbewirtschaftung soll zur Normalität werden.
Für das Jahr 2030 ist anvisiert, ein Drittel des Holzverbrauchs aus recyceltem Holz zu verwenden und den Materialverbrauch hoch effizient zu gestalten. Erklärtes Ziel ist die CO2-Emission bis 2030 zu halbieren und die Netto-Emission bis 2050 auf null zu bringen.
IKEA toleriert innerhalb ihrer Lieferketten keine illegale Abholzung und erklärt: »Seit über Jahrzehnten arbeitet IKEA mit verschiedenen Interessengruppen zusammen, um Wälder mit hohem Naturschutzwert zu schützen, einschließlich der Identifizierung, Kartierung und Sicherung von Urwäldern.« IKEA beteuert immer wieder, derartige Standards aufrechtzuerhalten und eigene Nachhaltigkeitspraktiken zu verbessern, ein Standard, der hoch angelegt ist.
In dem Zusammenhang taucht immer wieder der verwendete Begriff »waldpositiv« auf, was auch immer er bedeutet. So unspezifisch der Begriff ist, er soll die Absicht von IKEA verdeutlichen, in Zukunft Bäume und Waldgemeinschaften zu sichern. Ohne konkrete Festlegungen ist diese Absichtserklärung aber ein dehnbarer Begriff, wenn es konkret um die Holzbeschaffung geht.
Als größter Möbelhändler der Welt beruft sich IKEA immer wieder auf die Beachtung des zertifizierten FSC-Siegels (Forest Stewardship Council) bei der Holzbeschaffung. Nachhaltige Forstwirtschaft soll sozial, wirtschaftlich und ökologisch sein und nachhaltige, umweltfreundliche Waldbewirtschaftung garantieren. Bei der Entwicklung des Siegels 1992 war IKEA eines der Gründungsmitglieder.
Die zehn weltweiten Prinzipien umfassen u.a. die Einhaltung nationaler Gesetze und Vorgaben, die Anerkennung der Rechte der Beschäftigten in der Forstwirtschaft, die Anerkennung der Rechte indigener Völker, die Verbesserung sozialer und wirtschaftlicher Bedingungen der lokalen Bevölkerung. Die Regeln variieren natürlich von Land zu Land.
Im Sinne einer industriell organisierten Wirtschaftlichkeit ist damit aber grundsätzlich jede Art der Waldbewirtschaftung denkbar, bis hin zum Kahlschlag ganzer Regionen, wenn gleichzeitig nationale Gesetze nicht umgangen werden.
Diese Forstbewirtschaftung ist in allgemeine Absichtserklärungen gefasst und nicht näher definiert. FSC schützt daher vor keiner Ökosünde. FSC-zertifizierter Holzeinschlag kann sowohl bei Bäumen aus Monokulturen vorgenommen worden sein wie auch Kahlschlag in Urwäldern oder Primärwäldern bedeuten.
Bereits in der Vergangenheit hat die Tochterfirma von IKEA, Swedwood, nachweislich schützenswerte Waldgebiete in Russland illegal abgeholzt, worauf ihr das FSC-Siegel aberkannt wurde.

Tatort rumänische Karpaten
Die rumänischen Karpaten sind mit ihrem uraltem Baumbestand die grüne Lunge Europas und Heimat seltener Tiere wie Wölfe, Bären, Luchsen sowie einer Vielzahl schützenswerter Pflanzenarten. Doch sie geraten mehr und mehr unter Druck. 2,4 Prozent der rumänischen Karpatenwälder sind aktuell vor Abholzung geschützt. Rumänien hat in den vergangenen 20 Jahren bereits die Hälfte seiner Urwälder durch Holzeinschlag verloren. Laut rumänischer Umweltbehörde wird jeder zweite Baum illegal geschlagen. Viele Holzfirmen sind hieran beteiligt.
Nach dem Aufkauf von Waldgebieten durch die INGKA Foundation wurde der Bewirtschaftungsplan des Gebiets mit schützenswertem Baumbestand geändert. Unberührte Wildnis wurde, vollkommen widersinnig, für zu alt erklärt, in dem Notfällungen vorgenommen werden müssten. Der anschließende Kahlschlag war im Sinne der Einhaltung rumänischer Gesetze nicht illegal, aber dennoch Abholzung einer intakten Waldfläche, ein Kahlschlag im eigentlichen Sinn, bei dem alle Bäume gefällt wurden, ohne dass auf diesem Land etwas zurückblieb.
IKEA ist mit 51000 Hektar der größte Waldbesitzer Rumäniens. Tatsächlich zählt IKEA zu den größten Holzeinkäufern der Möbelindustrie und bezieht etwa 4 Prozent seines Holzbedarfs aus Rumänien. Solche Einschläge bleiben nicht ohne Konsequenzen. Widerspruch von Naturschutzorganisationen oder Nichtregierungsorganisationen kann gefährlich sein. Die rumänische Forstgewerkschaft registrierte in einem Jahr 650 gewaltsame Übergriffe, sechs Förster wurden sogar umgebracht.
Die Holzentnahme, auch aus Urwäldern in den Karpaten, erledigen mehrere externe Firmen, die für IKEA arbeiten. Daraus hergestellte Einrichtungsgegenstände wurden laut Greenpeace in 30 Produkten in Möbelhäusern in 13 Ländern, darunter auch Deutschland, gefunden. Holz aus Abholzungen landet in Regalen von IKEA.

Tatort Schweden
Zehn Prozent des Holzes für IKEA stammt aus Schweden. Auch nach schwedischem Gesetz ist Kahlschlag legal, wenn im Anschluss neue Baumplantagen gepflanzt werden. Diese Monokulturen sind aber keine Wälder im eigentlichen Sinn und weisen keinerlei Biodiversität auf.
Es gibt Stimmen der indigenen Samen, die bekunden, dass die Ausbeutung ihrer Wälder deutlich zugenommen hat. Nachhaltige Forstwirtschaft ist für sie mit einer derartigen Wiederaufforstung nicht zu vereinbaren.
Nach Ablauf von 60 Jahren sehen sie 71 Prozent aller Waldflächen mit Erdflechten, der wichtigsten Nahrungsquelle für ihre Rentierherden, als verloren gegangen. Großflächige Baumfällungen werden in Schweden von mehreren Waldbewirtschaftungsakteuren betrieben, nicht nur von IKEA.

Imperium IKEA
IKEA verarbeitet jedes Jahr etwa 20 Millionen Kubikmeter Holz, das bedeutet, dass geschätzt alle zwei Sekunden ein Baum für IKEA gefällt wird. Und das angesichts der Tatsache, dass Holz weltweit ein verschwindender Rohstoff ist.
Auch uralte Wälder, die in Kürze kaum nachwachsen, werden für Möbel verwendet, die in der Regel nach 15 bis 20 Jahren auf der Deponie landen. Ein gigantisches Konsumbedürfnis, aber vor allem eine riesige Wertschöpfung weltweit, kann durch wohlmeinende Absichten oder ein Zertifizierungssiegel kaum in Schach gehalten werden und wird bei Bedarf unwirksam.
Das milliardenschwere Unternehmen mit seinen rund 12.000 verschiedenen Artikeln im Angebot ist weiß Gott nicht nur ein Ort mit Artikeln im schicken Design, beliebten Hotdogs und den leckeren Fleischbällchen Köttbullar.

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