Labournet TV stellt Filme über Arbeitskonflikte zur Verfügung und produziert auch selbst welche
Gespräch mit Johanna Schellhagen
Johanna Schellhagen hat 2011 Labournet TV mitgegründet. Sie dreht, produziert und schneidet Videos und Dokumentarfilme. Mit ihr sprach Gaston Kirsche über ihre Arbeit als Filmverleih und Produktionskollektiv.
Wie seid ihr entstanden?
Labournet TV ist das Nachfolgeprojekt von kanalb.org, das war eine Online-Plattform für Videoaktivismus, die wir 2000 gegründet haben, bevor es Youtube gab. 2010 hat uns die Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt gefragt, ob wir eine Plattform für Filme aus der Arbeiter:innenbewegung aufbauen wollen, und das wollten wir. Die Stiftung hat das Projekt bis 2017 finanziert.
Was macht ihr?
Wir unterstützen Mobilisierungen am Arbeitsplatz mit Video, und das hat viele Facetten. Wir dokumentieren Streiks mit der Kamera und veröffentlichen diese Videos auf labournet.tv. Das machen wir, um den Streiks mehr Sichtbarkeit nach außen zu geben, aber manchmal sind sie auch für die interne Diskussion unter den Kolleg:innen gedacht. Wir interviewen vor allem die Arbeiter:innen selbst, weil sie am besten Bescheid wissen und weil das, was sie zu sagen haben, am interessantesten ist.
Wir sammeln aber auch Filme und Videos, die wir nicht selber produziert haben, und stellen sie auf Labournet.tv kostenlos und mit Untertiteln zur Verfügung. Manchmal bekommen wir die Rechte für wichtige historische Filme, wie etwa die Fabrikfilme der Medwedkin-Gruppe um Chris Marker. Unser Ziel ist es, ein historisches Bildergedächtnis der Klassenkämpfe in den verschiedenen Ländern aufzubauen. Bisher haben wir 903 Filme aus 69 Ländern gesammelt.
Drittens produzieren wir alle paar Jahre einen abendfüllenden Dokumentarfilm, der auch in Programmkinos läuft. Das machen wir, wenn wir denken, dass es wirklich wichtig wäre, etwas zu dokumentieren – etwa 2015 Die Angst wegschmeißen über eine extrem erfolgreiche Streikwelle migrantischer Logistikarbeiter in Italien, die hierzulande völlig unbekannt war, oder 2022 über die Besetzung der Autoteilefabrik GKN in Florenz. Einen strategischen Vorschlag machten wir mit Der laute Frühling, der sich an die Klimabewegung richtete.
Mit diesen Filmen und Videos organisieren wir regelmäßig Aufführungen und laden die Protagonist:innen dazu ein. Unsere Filme sind mit 60 Minuten immer kurz genug, damit danach noch diskutiert werden kann, denn es geht uns nicht um Filmkunst, sondern darum, Räume zu schaffen, in denen wir zusammenkommen und gemeinsam nach Auswegen suchen können.
Fünftens haben wir einen Workshop entwickelt, bei dem wir Interessierten an einem Wochenende beibringen, wie sie mit der Technik, die ihnen zur Verfügung steht, ein brauchbares Streikvideo produzieren können. Wir finden, dass mehr Leute Streikvideos machen sollten und hoffen, dass sie ihre Werke dann auch auf Labournet.tv veröffentlichen.
Sechstens sind wir auch ein Filmverleih, etwa für Pierburg – Ihr Streik ist unser Streik, einem wichtigen Streikfilm von 1973. Wir werden oft angeschrieben, wenn Leute einen Film aufführen wollen, den sie auf Labournet.tv entdeckt haben.
Wie finanziert ihr euch?
Wir finanzieren uns vor allem über unsere 140 Fördermitglieder, die zusammen derzeit 2000 Euro im Monat spenden. Dazu kommen Projektförderungen. Die Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt hat zu einem großen Teil unsere neue Webseite finanziert. Wenn wir größere Filme machen, starten wir ein Crowdfunding. Es fließt sehr viel ehrenamtliche Arbeit in Labournet TV.
Was plant ihr aktuell für Filmprojekte?
Aktuell sind wir sehr mit den Lieferando-Fahrer:innen beschäftigt, die dagegen kämpfen, entlassen und in illegale Arbeitsverhältnisse gedrängt zu werden.
Daneben haben wir, zusammen mit unseren Freunden von AngryWorkers, mit einem etwas größenwahnsinnigen Projekt begonnen. Es geht darum, dass wir uns als Gesellschaft in eine äußerst verfahrene, bedrohliche Situation gebracht haben und uns ernsthaft Gedanken machen müssen, wie wir da wieder herauskommen. Wir brauchen eine Neukonstituierung des kommunistischen Projekts.
In dem Film schauen wir in die 1970er Jahre, als unsere Klasse das System das letzte Mal herausgefordert hat, versuchen zu verstehen, wie diese massiven Bewegungen besiegt und integriert werden konnten. Wir fragen Genoss:innen, die sich mit diesen Dingen beschäftigen, wie der Weg in eine befreite Gesellschaft aussehen könnte, und wir sprechen mit Arbeiter:innen, die in wesentlichen Branchen wie Krankenhäuser, Landwirtschaft, Wasser- und Energieversorgung arbeiten. Wir fragen sie, was an ihrer Arbeit sinnlos und schädlich ist und wie sie in einer vernünftigen Gesellschaft organisiert werden könnte. Wir bringen diese drei Aspekte: die Geschichte, die Antizipation und die alltägliche Erfahrung im Film zusammen und leiten daraus ab, was zu tun ist, wie wir uns politisch organisieren sollen.
Wir denken, dass es absolut entscheidend ist, jetzt über diese Dinge zu diskutieren anstatt zu verzweifeln, die Hände in den Schoß zu legen und unseren Feinden das Feld zu überlassen.
Labournet.TV braucht 100 neue Fördermitglieder, die insgesamt 1500 Euro im Monat spenden, um die Arbeit 2026 fortsetzen zu können.
Spendenkonto:
Content – Verein zur Förderung alternativer Medien e.V.
IBAN:
DE82 1001 0010 0006 8141 02
BIC: PBNKDEFF
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