Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Klima 1. Dezember 2021

Während der COP26 wurde das Kraftwerk Neurath blockiert
von Gerhard Klas

«Große Worte, keine Wirkung» lautete das Motto der etwa vierzig Klimaaktivist:innen, die am 5.November anlässlich der COP26 die Kohlezufuhr zum Braunkohlekraftwerk Neurath zwischen Aachen und Köln blockiert haben. «Wir müssen schon selbst aktiv werden», so Lee Groene, die sich an der Gleisblockade im Norden des Kraftwerks beteiligte.

«Als wir um fünf Uhr hier ankamen, haben wir uns erstmal in den Büschen versteckt.» Dann sei eine gefühlte Ewigkeit keine Kohlebahn gekommen. «Wir waren irritiert, normalerweise kommt alle zwanzig Minuten eine Bahn.» Der Bedarf an Nachschub ist enorm: Neurath ist das größte Kohlekraftwerk in Deutschland und heizt das Klima mit 32 Millionen Tonnen CO2 jährlich an – laut Bundesregierung noch bis 2038.
«Polizei und RWE wurden informiert, dann sind wir mit zwanzig Leuten auf die Gleise», erzählt Groene. Eine weitere Blockade gab es zeitgleich auf den Gleisen südlich des Kraftwerks. Neun Aktivist:innen hatten sich dort mit Betonfässern und Zementblöcken, die unter die Schienen gegossen waren, festgekettet

Blockieren mit Behinderung
Im Norden blockierten auch Menschen mit Behinderung mit ihren schweren Elektrorollstühlen die Gleise. Vares nahm zum erstenmal an einer Schienenblockade teil. Er leidet unter Muskelschwund und muss eine Sauerstoffmaske tragen: «Wir hatten verschiedene Bretter dabei, um den Untergrund besser befahrbar zu machen und den Wall hochzukommen. Ich will zeigen, dass es für jeden Menschen möglich ist, sich gegen den Klimawandel zu engagieren.»
Wichtig ist ihm außerdem, auf die Situation von Menschen mit Behinderungen hinzuweisen, die dem Klimawandel noch hilfloser ausgesetzt sind als andere: «Im Ahrtal sind Menschen mit Behinderung ertrunken, weil sie ihre Wohnung nicht selbständig verlassen konnten.» Ihm hätte schon der Stromausfall während der Flutkatastrophe im Ahrtal den Garaus gemacht, befürchtet Vares, denn dann wären sein Atemgerät und sein elektrischer Rollstuhl nicht mehr funktionsfähig gewesen.
Gegen 13 Uhr begann die Polizei zunächst im südlichen Teil der Blockade mit einem Presslufthammer den Beton zu zertrümmern. Die Aktivist:innen würden sich weigern zu gehen, aber die «Stimmung ist entspannt und friedlich», meinte ein Sprecher der Polizei. Im Laufe der Räumungen am Nachmittag blockierten weitere Gruppen zwei neue Gleisabschnitte.
Durch ihre Blockade, die insgesamt mehr als 15 Stunden dauerte, seien laut Aktivist:innen von «Block Neurath» 256 Waggons, das sind 24.600 Tonnen Kohle, nicht ins Kraftwerk gelangt. Der Betrieb im Kraftwerk habe nicht eingestellt werden müssen, sagte ein Konzernsprecher, es sei noch ausreichend Kohle vorrätig gewesen.
Die Aktivist:innen setzen sich bewusst der Gefahr der Strafverfolgung und Körperverletzung aus. Groene hattevor kurzem einen Klimaaktivisten aus Kolumbien getroffen. «Der konnte es kaum fassen, bis an den Rand einer Kohlegrube gehen zu können, ohne erschossen zu werden. Es ist ein Privileg, dass wir sagen können, wir halten unseren Körper für so weit geschützt, dass wir nicht direkt umgebracht werden.»
Verteilt auf NRW wurden mehr als ein Dutzend Aktivist:innen eine Woche lang in Polizeigewahrsam gehalten. Vor der Einführung des neuen NRW-Polizeigesetzes durch die CDU-FDP-Landesregierung wären es maximal 48 Stunden gewesen. «Aber wir kommen immer wieder, bis die Kohlekraftwerke abgeschaltet sind», so eine Aktivistin.

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