Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
Aufmacher Widerstand 1. Oktober 2025

Die Kampagne unserlidl kontra Dieter Schwarz
von Hanna Fuhrbach

Gegen private Städte, Supermarktimperien und Über-Reiche kämpft die Kampagne unserlidl für Lebensmittel für alle statt Profite für einige wenige.

Wer ist eigentlich der reichste Mensch Deutschlands? Dass er so unbekannt ist, ist bewusste Unternehmenspolitik. Dieter Schwarz, Inhaber der Schwarz-Gruppe, zu der neben Lidl auch Kaufland, Schwarz Digits, Schwarz-Produktion und PreZero gehören, sorgt penibel genau dafür, im Internet möglichst unsichtbar zu sein, lediglich zwei oder drei veraltete unscharfe Bilder des 85jährigen lassen sich finden.

Dabei gäbe es einiges, das vielleicht bekannt sein sollte – und das wir gerne ändern würden. Wir, das sind Menschen rund um die Kampagne unserlidl, die die Vergesellschaftung des Lebensmitteleinzelhandels fordert. Als Auftakt haben wir im Juli ein Wochenende lang bunt und kreativ gezeigt, was an Dieter Schwarz’ Imperium problematisch ist und wie es anders gehen könnte.
Dabei beschränkt sich unsere Kritik nicht auf die Schwarz-Gruppe. Hinter anderen Ketten wie Aldi oder Edeka verbergen sich ebenfalls umweltzerstörerische und ausbeuterische Lieferketten. Keine jedoch verkörpert Überreichtum so exemplarisch wie Dieter Schwarz.
Sein Vermögen hat sich seit der Coronapandemie um 17 Milliarden auf heute etwa 44 Milliarden gesteigert. Würde der Inhalt einer 1,5-Liter-Flasche Lidl-Saskia-Wasser entsprechend dem jeweiligen Vermögen zwischen einem Millionär, einer Milliardärin und Dieter Schwarz aufgeteilt, bekäme der Millionär gerade mal einen Tropfen. Für die Milliardärin fielen drei Esslöffel ab. Der Rest würde bei Dieter Schwarz landen.

Düstere Perspektiven für Heilbronn
Diese Vermögenskonzentration stellt in vielerlei Hinsicht ein Problem dar. Am offensichtlichsten sind wohl schlecht bezahlte und unter hohem Stress arbeitende Angestellte, schließlich wirbt die Schwarz-Gruppe auf ihrer Website selbst damit, ihren Profit bei gleicher Personalbesetzung vermehrt zu haben.
Studien zeigen, dass die Preise während der Coronapandemie stärker angehoben wurden, als gestiegene Produktionskosten es erklären können. Auch Kundenmanipulation zählt zu den Strategien: extra große Einkaufswagen, Rabatte für Groß­packungen, Schnäppchen im Kassenbereich…
Doch auch aus demokratischer Perspektive ist eine solche Konzentration besorgniserregend: Der gebürtige Heilbronner ist auf bestem Wege, sich die Stadt zu eigen zu machen.
So finanziert seine personalisierte Schwarz-Stiftung zahlreiche lokale Projekte: die experimenta, ein naturwissenschaftliches Museum, den Bildungscampus, eine Privatschule… und nun auch Rechen- und Forschungszentren, um Heilbronn in ein europäisches Silicon Valley zu verwandeln und im KI-Bereich führend zu werden. Das schafft gutbezahlte Arbeitsplätze, und die damit steigenden Mieten führen zu einer fortschreitenden Verdrängung derer, die sie sich nicht leisten können.

Manipulation der Ratsarbeit
Trotzdem verdankt Dieter Schwarz der Stiftung nicht nur umfangreiche Steuerminderungen, sondern auch ein gutes Ansehen. Viele finden nicht nur, dass sich der ausgebildete Kaufmann selbstverdient nach oben gearbeitet hat, sondern auch, dass er sein Geld sinnvoll einsetzt. Inwieweit die dahinterstehenden Prozesse demokratisch sind, scheint nur wenige zu interessieren.
So erzählte uns ein Abgeordneter der Linken, dass im Kreistag teils schon fertige Aushandlungen präsentiert werden und weitere Verhandlungen quasi ausgeschlossen sind, sodass Dieter Schwarz meist bekommt, was er sich wünscht.
Beispielsweise wurde hitzig diskutiert, als es darum ging, ob das Hallenbad Soleo abgerissen werden soll, damit der Bildungscampus ausgebaut werden kann, doch am Ende stimmten außer der Partei Die Linke alle dafür.
All das wollen wir nicht nur ans Licht bringen, sondern auch ändern. Und das hat uns motiviert, nach Heilbronn zu fahren. Wichtig war uns bei allen Aktionen, dass sie sich gegen das Imperium Schwarz richten und nicht gegen Arbeiter:innen oder Kund:innen.
Wir wollen soziale, ökologische und partizipative Fragen zusammendenken, und dabei sind erst recht alle willkommen, die besonders viel mit Lidl & Co zu tun haben.
Begonnen haben wir die Intervention mit einem Bannerdrop vom Hauptbahnhofgebäude, der die Aufmerksamkeit der Umstehenden auf sich zog. Direkt im Anschluss folgte eine Podiumsdiskussion rund um Probleme durch Überreichtum, speziell im Lebensmitteleinzelhandel, und Ideen, was wir ändern könnten.
Auch Vergesellschaftung war Thema, also die Umwandlung von Privateigentum in Gemeineigentum. Entscheidungen über Lidl & Co würden dann weder Dieter Schwarz und sein Spitzenpersonal noch Staatsbeamte treffen, sondern wir alle zusammen.
Konkreter wurde es am Folgetag, der mit einer Straßenumfrage, einem kritischen Stadtrundgang, einer Küfa neben einem Kaufland-Parkplatz sowie einer symbolischen Baumbesetzung vor dem abrissbedrohten Soleo gut gefüllt war. Abgeschlossen haben wir das Wochenende mit einer kleinen Theaterszene vor dem Rathaus sowie einem Netzwerktreffen, aus dem eine Heilbronner Lokalgruppe hervorging, die sich dem Thema nun weiter widmen will.
Wenn auch du dabei sein willst, egal ob vor Ort oder überregional, melde dich gerne bei uns! Du findest uns hier: www.unserlidl.de

Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Folgende HTML-Tags sind erlaubt:
<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>


Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.


Kommentare als RSS Feed abonnieren