Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Zur Person 1. Dezember 2025

Unermüdliche Kämpferin gegen Rassismus
von Dianne Feeley

Zum 70. Jahrestag des Busboykotts in Montgomery (USA)
Am 1.Dezember 1955 geschah tief im Süden der USA, in Montgomery (Alabama), etwas, das dieses eher kleine Städtchen schon bald über die Grenzen des Landes hinaus bekannt machen sollte. Eine kleine, wohlgekleidete farbige Frau mittleren Alters weigerte sich, ihren Sitz für einen Weißen freizugeben. Daraufhin rief der weiße Busfahrer die Polizei, die die Delinquentin, ihr Name war Rosa Parks, festnahm.
Der Vorfall gilt als Start der modernen Bürgerrechtsbewegung, die in den 1960ern und 1970ern den institutionellen Rassismus in den USA zurückdrängen, wenn auch lange nicht aus der Welt schaffen konnte. Wir fragten Dianne Feeley in Detroit, wer diese ungewöhnliche Frau war, die nicht ganz ohne Absicht den Anstoß dazu gegeben hatte.

Rosa Parks war eine zentrale Figur der Bewegung für die Rechte der Schwarzen im 20.Jahrhundert. Sie wurde als Rosa Louise McCauley am 4.Februar 1913 in Tuskegee (Alabama) geboren und wuchs, obwohl ihre Mutter eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielte, bei ihren Großeltern auf, die einst Sklaven gewesen waren. Man brachte ihr bei, ihre Wut über all die Einschüchterungen und die Rassentrennung zu kontrollieren – doch sie zog es vor zu rebellieren.
Immer wieder erzählte sie die Geschichte von einem weißen Jungen, der sie verspottet hatte. Sie habe daraufhin einen Ziegelstein aufgehoben und ihn aufgefordert, sie zu schlagen. Glücklicherweise ging er weg. Als sie ihrer Oma von dem Vorfall sprach, habe diese sie gewarnt, derlei könne dazu führen, dass sie noch vor ihrem 20.Lebensjahr gelyncht würde. Doch Rosa hatte, wie sie später erzählte, schon als Kind beschlossen, den Tod der Demütigung vorzuziehen.
Rosa musste die Highschool abbrechen und arbeitete auf der Farm ihrer Familie sowie als Hausangestellte in weißen Haushalten. Dort entwickelte sie ihre Fähigkeit, sich gegen sexuelle Übergriffe zu wehren. Ende 1932 heiratete sie Raymond Parks, ein langjähriges Mitglied der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) in Montgomery.
Raymond war in den ersten zehn Jahren ihrer Ehe der politische Aktivist der Familie, wobei Rosa ihm half. Aber in den frühen 1940er Jahren fühlte sich Rosa zur Montgomery Voters League hingezogen, nachdem deren Organisator E.D.Nixon an ihre Tür geklopft hatte, um sie ins Wahlregister einzutragen. In den folgenden Jahren entwickelten Nixon und Rosa Parks eine bemerkenswerte politische Partnerschaft. Rosas Mutter und Raymond unterstützten sie. Die Liga traf sich fortan in ihrer Wohnung.

Die frühen Jahre
Für schwarze Männer und Frauen war es gefährlich, das Wahlrecht anzustreben. Außerdem musste man dafür eine schwierige Prüfung bestehen und eine jährliche Wahlsteuer zahlen. 1944 stellte die Liga eine Delegation von 750 Afroamerikanern zusammen, die zum Gerichtsgebäude ging und die Registrierung forderte. Rosa arbeitete an diesem Tag, aber ihre Mutter und ihre Cousine nahmen teil und wurden registriert. Rosa brauchte drei Anläufe, um die Prüfung zu bestehen, während Raymond es nie schaffte. Bis zu ihrer Übersiedlung in den Norden durfte er nicht wählen.
Rosa trat auch der NAACP bei und wurde deren Sekretärin. Eine ihrer Hauptaufgaben bestand darin, die zahlreichen Fälle von Diskriminierung und Gewalt gegen die schwarze Gemeinschaft zu dokumentieren. Die Organisation schickte sie in den Süden, um die Situation einer 24jährigen schwarzen Frau, Recy Taylor, zu untersuchen, die von sechs weißen Männern mit vorgehaltener Waffe vergewaltigt worden war. Obwohl Rosa dorthin geschickt wurde, weil sie Familie in der Gegend hatte und daher unbemerkt in den Ort fahren konnte, tauchte doch der Sheriff auf, als sie sich mit der jungen Mutter traf, und befahl ihr, die Stadt zu verlassen.
Nixon und Parks gründeten daraufhin ein Verteidigungskomitee. Sie wandten sich an Gewerkschaften, Kirchen und afroamerikanische Organisationen sowie an Zeitungen. Einige Männer gestanden schließlich, Sex mit Taylor gehabt zu haben, behaupteten jedoch, sie sei eine Prostituierte gewesen. Damit war die Kampagne praktisch beendet, und das Komitee organisierte den Umzug der Familie Taylor nach Montgomery. Doch Nixon und Parks setzten ihre Arbeit fort. Eine ihrer wichtigsten, aber erfolglosen Kampagnen war die für ein Bundesgesetz gegen Lynchmorde.

Wendepunkt: Der Montgomery-Boykott
Als Rosa Parks sich am 1.Dezember 1955 entschloss, während einer abendlichen Busfahrt sitzen zu bleiben, tat sie dies nicht, weil sie müde war. Es war sowohl die Logik des Augenblicks als auch eine geplante Aktion.
Die Mehrheit der Busfahrgäste in Montgomery waren Afroamerikaner, während die Fahrer weiß waren. Wenn der für weiße Fahrgäste reservierte Platz im Bus voll war, mussten schwarze Fahrgäste die nächste Reihe räumen, damit bis zu vier Weiße Platz nehmen konnten. Die Fahrer waren nicht verpflichtet, diese Regelung durchzusetzen, aber sie konnten Personen aus dem Bus werfen, die sich nicht daran hielten.
Montgomerys Bürgerrechtsaktivisten wollten dieses Gesetz anfechten. Als im März die 15jährige Claudette Colvin verhaftet und misshandelt worden war, weil sie ähnlich wie neun Monate später Rosa Parks ihren Platz nicht freigeben wollte, war es bereits spontan zu einem mehrtägigen Boykott der Busse gekommen. Ende Oktober wurde die 18jährige Mary Louise Smith aus dem gleichen Grund verhaftet. Nixon traf sich mit beiden, fand jedoch, sie seien nicht geeignet für eine um sie herum aufgebaute Kampagne.
Am 1.Dezember forderte der Fahrer des Busses, in dem Rosa Parks saß, dass eine Reihe frei gemacht werden sollte, damit ein weißer Fahrgast sitzen konnte. Drei schwarze Fahrgäste rückten widerwillig, aber Rosa tat es nicht und sagte dem Fahrer, dass sie es nicht tun würde. Nachdem er die Polizei gerufen hatte, um sie aus dem Bus zu entfernen, ging er noch einen Schritt weiter und unterzeichnete ein Haftersuchen gegen sie.
Während das Geld für ihre Kaution hinterlegt wurde und Rosa nach Hause ging, um mit ihrer Familie zu sprechen, wurde der Women’s Political Council aktiv. Ohne Rosa zu kontaktieren, plante der Rat für den folgenden Montag einen eintägigen Busboykott und druckte Flugblätter. Es stellte sich heraus, dass dies auch der Tag von Rosas Gerichtsverhandlung war.

Die Kampagne beginnt
Unterdessen fragte E.D.Nixon den neuen Pfarrer der Stadt, Martin Luther King Jr., ob er seine Kirche am Montagabend für eine Versammlung öffnen könne. King willigte ein. Am Montagmorgen waren die Busse leer, 600 Menschen drängten sich im Gerichtsgebäude, wo Rosa Parks für schuldig befunden wurde, und 15.000 Menschen kamen zu der Versammlung in der viel zu kleinen Dexter Avenue Baptist Church.
Es wurde beschlossen, den Boykott auf unbestimmte Zeit zu verlängern und die Montgomery Improvement Association (MIA) zu gründen. Dem Bürgermeister wurden drei Forderungen gestellt: Sitzplätze in Bussen nach dem Prinzip »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst«, höflicher Service und die Einstellung schwarzer Fahrer. Zweimal pro Woche fanden nun Massenversammlungen statt, an denen 1200 bis 1800 Menschen teilnahmen. Ein alternativer Fahrdienst wurde eingerichtet. Es sollte ein langer Kampf werden; erst im folgenden Jahr zwang ein Urteil des Obersten Gerichtshofs die Behörden von Montgomery, sich geschlagen zu geben.
Während der 381 Tage, die der Boykott dauerte, versuchte der White Citizens Council von Montgomery, ein Klima der Angst zu schaffen. Schwarze Menschen wurden verspottet, Weiße wurden zum Schweigen gezwungen. Auf die Häuser von King und Nixon gab es Bombenanschläge. Rosa Parks verlor ihre Anstellung als Schneiderassistentin, Raymond musste seinen Job als Friseur aufgeben. Hassbriefe und Morddrohungen verschärften ihre wirtschaftliche Notlage und beeinträchtigten ihre Gesundheit.

Umzug nach Detroit
Obwohl der Boykott erfolgreich war, konnten Raymond und Rosa Parks keine Anstellung mehr finden. 1957 zogen sie mit ihrer Mutter nach Detroit. Raymond lebte noch weitere 20 Jahre, Rosa fast ein halbes Jahrhundert. Sie lebten bescheiden, unterstützten die Bürgerrechts- und Black-Power-Bewegungen und nahmen an Konferenzen und Demonstrationen teil.
Rosa war Mitglied der Friends of the Student Nonviolent Coordinating Committee. Nach den Unruhen von 1967 war sie als Geschworene im People’s Tribunal tätig. Vor 2000 Zuschauern verhandelten die Geschworenen den Fall der Morde im Algiers Motel: drei weiße Polizisten und ein schwarzer Wachmann waren an der Ermordung von drei jungen schwarzen Männern beteiligt. Die Geschworenen des People’s Tribunal befanden sie für schuldig – aber natürlich zog der Staat keinen der Beamten zur Rechenschaft.
Raymond und Rosa Parks unterstützten ihr ganzes Leben lang eine vereinte und niemanden ausschließende Bewegung für soziale Gerechtigkeit. Sie ließen sich nie davon abschrecken, mit Sozialisten, Kommunisten und schwarzen Nationalisten zusammenzuarbeiten. Im Gegenteil, sie schätzten deren Freundschaft und verteidigten sie und viele politische Gefangene gegen die Unterdrückung durch die Regierung.
Rosa Parks nahm 1963 am Marsch auf Washington und 1965 an den Märschen von Selma nach Montgomery teil. Obwohl sie dort nicht sprach, hielt sie viele Reden und sammelte Geld für die Bewegung. Für Raymond und Rosa Parks waren es die einfachen Menschen, die das Rückgrat der Bewegung für sozialen Wandel bildeten.
Rosa Parks starb am 23.Oktober 2005.

Dianne Feeley ist pensionierte Automobilarbeiterin, in Detroit Redakteurin bei Against the Current tätig und Mitglied der sozialistischen Organisation Solidarity.

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