Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Kunst 1. April 2025

An den Rand notiert
von Rolf Euler

Die Ruhrfestspiele in Recklinghausen haben sich vor Monaten für 2025 ein prophetisches Motto ausgesucht: »Zweifel und Zusammenhalt«.
Olaf Kröck, einer der politischsten Intendanten in Recklinghausen, arbeitet immer mit solchen programmatischen Wortverbindungen, die aus einer gemeinsamen Wirklichkeit entstehen, dann auch eine gemeinsame Theaterlandschaft umfassen. Nach »Vergnügen und Verlust« im Vorjahr nun also das Aufgreifen von heftigen »Zweifeln« an der Zukunft, die die Menschen spüren, verbunden mit einem deutlichen Hinweis auf eine Antwort darauf: »Zusammenhalt«.

Die Erfahrung mit den Aufführungen der vergangenen Jahre verspricht auch für die Zeit der Ruhrfestspiele nach dem 1. Mai bis zum 8. Juni eingreifendes Theater, anrührende Tanz- und Zirkusszenen und Zeitbezug mit Lesungen und Kabarett.
Da der Vorverkauf seit dem 8. März läuft, sind, wenn die SoZ erscheint, viele Vorstellungen fast ausverkauft. Das gilt vor allem für eine der wichtigsten Produktionen, die Deutschlandpremiere von »The Great Yes, the Great No« des südafrikanischen Autors und Regisseurs William Kentridge. Er nimmt die Seefahrt von deutschen Flüchtlingen des Naziregimes von Marseille aus als Ursprungsgeschichte, um sie mit heutigen Dramen und Fluchtgeschichten zu einem Gesamtbild unter anderem mit südafrikanischen Schauspieler:innen zu verbinden – welche Zweifel vor und nach dieser Seereise verbinden sich mit dem Zusammenhalt im Fluchtland.
Europa in Richtung Amerika zu verlassen – das war für viele verfolgte Intellektuelle um Thomas Mann, Anna Seghers, Hans Sahl und André Breton die Flucht in die Freiheit. Die Flucht nach Europa aus den kriegs- und umweltversehrten Ländern des Südens ist der heutige Vordergrund, den das Theater bespielt.
Das Thema »Zusammenhalt« findet bei den Ruhrfestspielen immer eine herausragende Konkretion bei den Aufführungen moderner Zirkustruppen. Wie hier die Akrobaten aufeinander angewiesen zu Türmen und Brücken zusammenwirken, sich auffangen, weiterwerfen – daraus könnte man das Vorbild einer solidarischen Gesellschaftsarbeit ablesen, nicht nur für einen Theaterabend.
Die Ruhrfestspiele sind natürlich nicht hauptsächlich »politisches« Theater, sondern bieten uns Zusehenden einen Fächer aus den kulturellen Gegenwartsschöpfungen. Dabei sind kritische Stücke für junge Leute, inklusives Theater, Mitmach-Workshops, Musik aller Art und oft Draußen-Auftritte.
Nachdem die letzte Zeche im Ruhrgebiet vor sieben Jahren geschlossen wurde, verblasst der »Gründungsmythos« der Ruhrfestspiele, nach dem Krieg »Kunst gegen Kohle« getauscht zu haben – Kohlen nach Hamburg, Schauspiel zu den Bergleuten zu bringen. Das muss man nicht bedauern, denn die Aktualität der Krisen und Disruptionen reicht aus, intensive Zeit bei den aktuellen Aufführungen zu verbringen, die ohne schwarze Kohle entstanden sind.

Programm: www.ruhrfestspiele.de

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