Rede von Reiner Schmidt
Das Kölner Verwaltungsgericht hat das antimilitaristische Camp von „Rheinmetall entwaffnen“, das für Ende August vorgesehen war, verboten. Ebenso die Parade, die das Camp abschließen sollte. Die Argumentation, die die Polizeibehörde dafür anführt, ist teilweise hanebüchen. Nachstehend eine Rede von Reiner Schmidt auf der Pressekonferenz vor dem Dom am 15. August und Auszüge aus der Verbotsverfügung. (d. Red.)
Rede von Reiner Schmidt auf der Pressekonferenz von „Rheinmetall entwaffnen“ am 15. August 2025
Ich habe die Parade für die Kampagne „Rheinmetall entwaffnen“ für Freitag, den 30.8., zur Konrad Adenauer Kaserne angemeldet.
Noch ist anders als das Camp die Parade nicht endgültig verboten, aber die Behörde hat mir geschrieben, dass sie beabsichtigt, das Verbot zu erlassen.
Ich habe in Köln schon zig linke Demonstrationen gegen alle möglichen Missstände und für die Alternativen dazu angemeldet. Meistens gab es keine Verbote und wenn, dann habe ich letztlich i. d. R. den Einspruch dagegen gewonnen.
Und jetzt ein Verbot einer Parade in der Karnevals-Paradenstadt Köln!
Beim Verbot des Camps hat sich das Polizeipräsidium noch die Mühe gemacht, 27 Seiten zu schreiben, um die zu erwartende Unfriedlichkeit zu belegen.
Bei dem angedrohten Verbot der Parade sind es nur drei Seiten und zum Teil einfach Kopien aus der Verbotsbegründung des Camps.
Dazu muss mensch wissen, dass die Aufrufe zum Camp und zur Parade nicht identisch sind. Neben anderen haben zur Parade folgende Organisationen aufgerufen:
Die DFG/VK Köln; Die Linke NRW; Lea Reisner, Sprecherin für internationale Beziehungen der Fraktion der Linken im Bundestag; die Naturfreund*innen Köln Kalk; der Verein demokratischer Ärzt:innen.
Der einzige Vorwurf aus dem Aufruftext für die Parade ist diese Passage:
…dort (gemeint ist die Abschlusskundgebung vor dem Rekrutierungszentrum der Bundeswehr in der Konrad Adenauer Kaserne) sind nicht nur Soldaten stationiert, die wir zum Desertieren aufrufen werden…
Ob diese Ankündigung ausreicht für ein Verbot ist mehr als zweifelhaft.
Aber ja: Desertion/Fahnenflucht und der Aufruf dazu ist im Rechtssystem der BRD eine Straftat.
Aber da sollten wir noch mal grundsätzlich werden:
Das NS Regime hat tausende Deserteure hingerichtet. Erst 1950 wurde ihre Straftat gecancelt und sie wurden rehabilitiert.
Und heute:
Es ist ein menschenrechtlicher Skandal, dass der Aufruf zur Desertion eine Straftat ist – und der Aufruf zur Remigration keinerlei strafrechtliche Folgen hat.
Der Aufruf zur Desertion ist ein Aufruf gegen das Töten. Der Aufruf zur Remigration ist ein Aufruf zur Inkaufnahme, das Menschen getötet werden.
Da ist was faul im Rechtssystem der BRD.
Früher haben wir dazu „Klassenjustiz“ gesagt.
Auszüge aus der Verbotsverfügung
(zugestellt am 8. August 2025)
1.
Aktuell liegen mir Erkenntnisse vor, dass das von Ihnen vertretene Bündnis „Rheinmetall entwaffnen“ in seinen Mobilisierungstexten offen von Sabotage und Intervention gegen Rüstungsindustrie und Militärveranstaltungen spricht. So heißt es zum Beispiel: „Von der Sabotage an der Kriegsindustrie und der Infrastruktur … bis hin zum Zerschlagen oder Konfrontieren… – jede kleine oder große Aktion zählt.“
Das von Ihnen vertretene Bündnis Rheinmetall entwaffnen gilt als linksextremistisch und ruft seit 2020 zu Aktiv-Kriegs-Aktionen gegen deutsche Rüstungskonzerne auf. Es wird maßgeblich von der Interventionistischen Linken (IL) und anderen autonomen Gruppen beeinflusst.
Der Verfassungsschutz stuft den Trägerkreis als „linksextremistisch beeinflusst“ ein. Dies liegt unter anderem an der Vernetzung mit sowohl inländischen als auch ausländischen autonomen und linksextremen Organisationen, wie beispielsweise die Interventionistische Linke (IL), kommunistische Kleingruppen, kurdische Freiheitsbewegungen und „Antifa“-Gruppierungen.
An dem Protestcamp in Köln werden ausweislich der mir vorliegenden Erkenntnisse außerdem mehrere gewaltbereite Gruppierungen teilnehmen und dabei Störaktikonen bis hin zu Straftaten begehen. Dies wird durch zurückliegende Erfahrungen mit den Protestcamps in Kiel und Kassel, sowie durch entsprechende Aufrufe in sozialen Medien belegt.
Die linksextremistische Gruppierung „AKM Muc“ aus München plant ebenfalls eine Teilnahme am hiesigen Protestcamp. Die Gruppierung teilt unter anderem einen Beitrag zum Thema „Krieg dem Krieg“. Dort lautet es u.a.:
„Diese Plakate haben wir in den letzten Tagen in München gefunden und möchte sie auch hier mit euch teilen. Auch wir wollen diesen Sommer alle gemeinsam aktiv werden und den Kriegskonsens durch unseren Widerstand gemeinsam brechen. Fahrt mit uns vom 26.–31. August nach Köln zum @rheinmetallentwaffnen Camp. Alle Infos zur Anreise bekommt ihr am 2. Juli ab 19 Uhr im @barrio_olga_benario. Krieg dem Krieg.“
Beim „AKM Muc“ handelt es sich um eine Gruppierung des linken Spektrums.
Auch wenn man den hier gewählten Wortlaut unter Anwendung aller zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden betrachtet, ist von einer eindeutigen Aufforderung zur Gewaltanwendung auszugehen. Die Verwendung der Aussage „Krieg dem Krieg“ verdeutlicht, dass man hier keine friedliche Beendigung der Aufrüstung und Mobilisierung anstrebt, sondern mit kriegerischen Mitteln dagegen vorgehen und den entgegengebrachten Widerstand gemeinsam brechen möchte.
Durch die Gruppierung „Palästina spricht Freiburg“ wurde ebenfalls ein Aufruf zur Teilnahme am Protestcamp in Köln auf deren Instagram-Account eingestellt.
„In Köln und dem Ruhrgebiet sammeln sich viele große Konzerne der Rüstungsindustrie. Sowohl Rheinmetall als auch Thyssen-Krupp haben hier ihren Ursprung und Sitz. Lasst uns also gemeinsam diesen Konzernen zeigen, dass wir nicht hinter ihren Kriegsplänen stehen!
Kommen wir vom 26.–31. August zusammen, um uns auszutauschen, international zu vernetzen und gemeinsam in Aktion zu treten. #rheinmetallentwaffnen #kriegdemkrieg #waffenlieferungenstoppen #freepalestine #freesudan #stopptdenkrieg!“
Auch dieser Aufruf stützt die hier getroffene Gefahrenprognose. Es wird eine internationale Vernetzung angestrebt, um gemeinsam gegen die geplante Aufrüstung Europas vorzugehen. Die hier bewusst gewählte Wortabfolge und Zusammenstellung der Hashtags lassen unweigerlich den Schluss zu, dass sowohl sprachlich als auch inhaltlich zur Gewalt aufgerufen wird.
Im Rahmen einer Recherche am 23.6.2025 konnte ein neues Posting aufgefunden werden, das eine internationale Beteiligung an den Proteste durch die Gruppierung „Transnational Social Strike“ ankündigte. Laut Aussagen auf der Webseite der Gruppierung (https://www.transnational-strike.info) handelt es sich hierbei um eine überregional vernetzte Gruppierung, die eine zentrale Plattform sowie mehrere lokale Ortsgruppen betreibt und transnationalen sozialen Streik fördern möchte.
3.
Die Resonanz auf Ihre Bewerbung und die Vielzahl an Bewerbungen des Protestcamps durch Gruppierungen der linken und linksextremistischen Szene lassen darauf schließen, dass diese aus dem gesamten Bundesgebiet anreisen und an der Versammlung teilnehmen werden. In der Vergangenheit wurde bereits bei gleichartigen Versammlungen in Form von Dauerkundgebungen festgestellt, dass diese unter dem Deckmantel der Versammlungsfreiheit ordnungsgemäß bei den zuständigen Versammlungsbehörden angezeigt wurden, um von dort aus strafrechtlich relevante Aktionen begehen zu können. So geschehen auch bei den von Ihrem Bündnis in Kassel und Kiel angezeigten und durchgeführten Protestcamps. Es konnte festgestellt werden, dass an den jeweiligen Tagen kleinere Personengruppen geschlossen aus dem Schutz des Protestcamps traten und sich in Richtung Innenstadt oder zu konkreten Schutzobjekten bewegten, um dort strafrechtliche Handlungen, wie beispielsweise Sachbeschädigungen, Widerstandshandlungen und Körperverletzungen vorzunehmen. Wie bereits erwähnt, kam es hier zu teilweise erheblichen Straftaten gegenüber Einsatzkräften und Sachgütern. Auch hier konnte festgestellt werden, dass die Veranstalter des Protestcamps in Kassel und Kiel sehr bemüht waren, nach außen den Eindruck einer durchaus friedlichen Versammlung mit Redebeiträgen, Workshops und satirischen Kunstaktionen zu vermitteln. Hierdurch gelang es den Veranstaltern sogar, Politikerinnen und Politiker als Unterstützer zu gewinnen. Die eigentlichen Störaktionen fanden ausschließlich außerhalb des Protestcamps in der Innenstadt oder an entsprechenden Schutzobjekten im jeweiligen Stadtgebiet statt. Nach Durchführung der Störaktionen und Straftaten zog man sich wieder in den Schutz des unter dem Deckmantel der Versammlungsfreiheit ordnungsgemäß errichteten Protestcamps zurück. Zwischen den Versammlungsteilnehmenden des Protestcamps und den einzelnen Mitgliedern der Störaktionen bestand Personenidentität. In der Gesamtschau und vor dem Hintergrund der Mobilisierungsaufrufe der von Ihnen vertretenen Organisation ist somit davon auszugehen, dass auch hier der Sinn und Zweck des angezeigten Protestcamps ausschließlich darin besteht, die rechtswidrigen Aktionsformen zielgerichtet mit rechtskonformen zu kombinieren. […]
Durch das Verbot soll eine Anreise potentieller Störer aus dem Bundesgebiet und dem umliegenden europäischen Ausland sowie die Durchführung von Störaktionen und Straftaten verhindert werden.
Der Staat könnte bei der Durchführung der hier angezeigten Versammlung seiner Aufgabe, Leib, Leben und Eigentum sämtlicher Bürger zu schützen bei Zulassung der angezeigten Versammlung in Betracht der aktuellen Lage und der dargestellten konkreten Gefahren, die durch die Durchführung des angezeigten Protestcamps bestehen würden, nicht nach kommen. Dies gilt insbesondere unter dem Aspekt, dass sich seit dem letzten Protestcamp in Kiel im September 2024 die politische Weltlage erneut zum Negativen verändert hat. Neben den weiterhin anhaltenden Konflikten im Nahen Osten und der Ukraine und der damit verbundenen Bereitstellung eines Rüstungsetats von 62,43 Milliarden Euro für das Jahr 2025, welcher durch Steuergelder und Schulden finanziert wird, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Gewaltbereitschaft innerhalb der Versammlungsteilnehmenden nochmals gesteigert hat. Dieser Unmut trifft nicht nur die Einrichtungen der Bundeswehr und der Rüstungsindustrie, sondern ebenfalls Zulieferer und weitere Unterstützer.
Die Gefahren, die mit der Durchführung der Versammlung in der von Ihnen angezeigten Form ausgehen, könnten auch durch umfangreichste polizeiliche Maßnahmen nicht verhindert werden. Es steht zu befürchten, dass nicht nur im hier angegebenen Versammlungszeitraum selbst, sondern auch noch im Nachgang und ggf. im Vorfeld eine erhebliche Gefahr für unbeteiligte Dritte besteht. Dies belegt der oben geschilderte Vorfall in der Nacht vom 23.7.2025 auf den 24.7.2025. Wie bereits die Vergangenheit gezeigt hat, wirken die hier dargestellten Umstände grundsätzlich emotionalisierend und unter Umständen mobilisierend sowie radikalisierend auf den potentiellen Empfängerkreis. Dies hat schwerwiegende polizeilich relevante Reaktionen zur Folge. Insbesondere bei linksextremistisch ausgerichteten Personen kann die Reaktion erfahrungsgemäß von medialer bzw. propagandistischer Agitation bis hin zu Übergriffen auf die Meinungsgegner führen.
Bei der Abwägung bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Durchführung Ihrer Versammlung in der von Ihnen angezeigten und geplanten Form eine nicht mehr verhältnismäßige Gefahr für die friedlichen Versammlungsteilnehmenden sowie unbeteiligte Dritte bedeuten würde, die diese angesichts ihrer eigenen grundrechtlich geschützten Positionen nicht hinzunehmen brauchen.
Das Verbot dient ausschließlich der Abwehr einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die entstehen würde, fände die Versammlung wie angezeigt statt. Die grundgesetzlich garantierte Versammlungsfreiheit muss in diesem Einzelfall zurücktreten, weil dies zum Schutz mindestens gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist. Aus den beschriebenen Gründen ist den Schutzgütern Leib, Leben und Eigentum der friedlichen Versammlungsteilnehmenden, der Einsatzkräfte sowie unbeteiligten Dritten der Vorzug zu geben.
Quelle: Pressemappe zu Pressekonferenz zum „Rheinmetall Entwaffnen“ Camp 2025, 15. August 2025
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