Vor dem 30.UN-Klimagipfel in Brasilien
von Antônio Andrioli
Das langjährige Motto der Klimagerechtigkeitsbewegung gilt nach wie vor: Fossile Konzerne haben immer noch viel Einfluss auf den Weltklimagipfel, die Conference of the Parties (CoP). Die notwendigen Schritte zum Schutz des Klimas werden dort nicht gemacht. Klimaschutz bleibt Handarbeit – und das weiß auch die Bewegung in Brasilien, wo die UN-Klimakonferenz 2025 zum ersten Mal im größten Regenwald der Erde stattfindet: in Amazonien. Der Autor ist Politik- und Sozialwissenschaftler an der brasilianischen Universität UFFS und schreibt über die Situation und den Widerstand in Brasilien.n
Vor allem wird es ein Megaevent, dessen Gesamtbudget in Höhe von über 7 Milliarden Reais (umgerechnet etwa eine Milliarde Euro) auch in Infrastrukturmaßnahmen in einer der ärmsten Regionen des Landes gesteckt wird. Immer noch ungewiss ist aber, ob damit die Vorbereitungen für das erwartete Publikum ausreichen werden, insbesondere Unterkünfte und Verpflegung.
Eins steht jedoch bereits fest: Anders als bei den letzten UN-Klimakonferenzen wird die Bedeutung der tropischen Wälder für die internationale Klimaagenda auf dieser COP deutlicher diskutiert werden. Denn diesmal wird die COP dort stattfinden, worüber oft nur von weit weg geredet wurde: im Amazonas. Und weder die Teilnahme der von der Entwaldung betroffenen Völker selbst noch die zugespitzten lokalen politischen Auseinandersetzungen in der Region werden außen vor gelassen werden können.
Die brasilianische Regierung wird zusätzlich versuchen, sowohl beim Treffen der Staatsoberhäupter, das aus organisatorischen Gründen auf den 6. und 7.11. vorgezogen wurde, als auch beim Treffen der Zivilgesellschaft (Cúpula dos Povos) ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen die COP für einen Motivationsschub für ihren Diskurs über Klimapolitik und Multilateralismus zu nutzen.
Brasiliens Klimapaket
Brasilien ist der siebtgrößte Emittent von Treibhausgasen, nach China, den USA, Indien, Russland, Japan und der EU. Umgerechnet pro Kopf besetzt das Land die vierte Position. Laut UNEP-Bericht stammen 48 Prozent seiner Emissionen aus Abholzung, 27 Prozent aus Landwirtschaft und Viehzucht. Das Land zählt mehr Rinder als Menschen (210 Millionen Menschen, etwa 230 Millionen Rinder, nur Indien hat mehr) und ist mit 20 Prozent der größte Fleischexporteur der Welt.
Entwaldung und die extensive Viehzucht hängen eng mit der stark auf den Export von Monokulturen ausgerichteten Wirtschaft zusammen. Das ist ein globales Problem, das mit der Zunahme des Welthandels noch weiter zunimmt, auf Kosten von Mensch und Natur. Zusätzlich führt die intensive Landwirtschaft dazu, dass das Land für den weltweit höchsten Verbrauch an Pestiziden bekannt ist.
Und Brasilien ist selbst sehr von den Klimaveränderungen betroffen. Weniger Regen im Norden und Überschwemmungen im Süden sind bereits Realität, das beeinträchtigt auch das Agrarexportmodell. Selbst die Energieerzeugung des Landes ist stark von Wasserkraftwerken abhängig, also von Regen und Flusswasser. Seine Küstenlinie wird vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht.
Im Mittelpunkt der COP: die Finanzierung
Das Kernproblem der Klimakatastrophen weltweit ist aber vielmehr das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas. Für das weitgehende Ende der fossilen Energien wird es wahrscheinlich auch auf dieser COP keine konkrete Perspektive geben. 200 Jahre Emissionen haben den Lebensstandard der reichsten Länder der Welt begünstigt, und dies scheint immer noch der Motor einer auf Wachstum basierenden Industrialisierung zu sein.
Insofern sollte eigentlich zehn Jahre nach dem Pariser Abkommen die Überprüfung und Überarbeitung der nationalen Klimaziele ganz oben auf der Agenda dieser COP stehen. Denn auf der COP28 in Dubai wurde eine Verzehnfachung der erneuerbaren Energien und die Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030 beschlossen. Auch ein Übergang weg von fossilen Energien zu einer gerechten, geordneten und ausgewogenen Produktionsweise bis 2025 wurde schon einmal verhandelt.
So wäre diesmal wenigstens zu erwarten, dass das Beschlossene überprüft wird, auch wenn die vereinbarten Ziele wahrscheinlich noch lange nicht reichen, um die bevorstehenden Klimakatastrophen der nächsten Jahrzehnten zu verhindern. »Von der Verhandlung zur Implementierung« lautet das Motto der gastgebenden Regierung. Doch die offene Wunde der Klimafinanzierung wird auch in Belém eine Rolle spielen und wahrscheinlich einen großen Teil der Debatten prägen.
Positive Lösungen und konkrete Vorschläge sollen allerdings mindestens diskutiert werden. Dabei sind für Brasilien das Ende der Entwaldung und der Zugang zu gesunden Lebensmitteln für alle von besonderer Bedeutung. Denn dies macht den größten Teil der brasilianischen Emissionen aus. Das Land hat sich verpflichtet, 59–67 Prozent seiner gesamten Emissionen zu reduzieren, und die Regierung Lula hat tatsächlich wichtige Fortschritte gemacht wie etwa die Wiederaufnahme der Umweltkontrollen, was in diesem Jahr zu einer Reduzierung der Entwaldung um 30 Prozent geführt hat.
Brasiliens Potenzial für wirksamen Klimaschutz
In bezug auf die weltweite Klimagenda gibt es seitens der brasilianischen Regierung keinen Hinweis auf den Ausstieg aus den fossilen Energien. Im Gegenteil: Erdöl ist zum wichtigsten Exportgut Brasiliens geworden, noch vor Soja und Eisenerz. 2024 wurden 52 Prozent der brasilianischen Erdölproduktion exportiert. Die Regierung Lula möchte auch weiter auf fossile Brennstoffe setzen und hat in Ölbohrungen an der Mündung des Amazonasflusses investiert, ausgerechnet da, wo die COP30 stattfinden wird.
Genauso problematisch sind die Fortführung des vom Agrarexport abhängigen Landwirtschaftsmodells und von großen Infrastrukturprojekten, die längst als umweltschädlich und als Bedrohung für traditionelle Völker gesehen werden. In diesem Kontext ist auch die Förderung des EU-Mercosur-Freihandelsabkommens zu sehen.
Anderseits ist klar, dass die derzeitige brasilianische Regierung sich in bezug auf die großen Umweltprobleme der Welt viel besser als die vorherigen (selbst als die vorherigen Regierungen von Lula) positioniert. Brasilien hat besondere Potenziale, die weltweit für Hoffnung sorgen können, und es hat die Chance, eine internationale Koalition zum Schutz des Amazonasgebiets zu organisieren. Mit 50 Millionen Hektar ist die Region, wo die COP zum ersten Mal stattfindet, das größte Regenwaldgebiet der Erde; es ist für 20 Prozent des Sauerstoffs der Welt zuständig und speichert 120 Millionen Tonnen Kohlenstoff in der Biomasse.
Dieses Gebiet muss unbedingt als Urwald erhalten bleiben, denn allein die Freisetzung dieser Kohlenstoffe in der Atmosphäre wäre vergleichbar mit zehn Jahren Verbrennung fossiler Energien im Straßenverkehr weltweit. Allein die Bekämpfung der Entwaldung hat ein großes Potenzial zur Verringerung der Treibhausgase des Landes – ohne Schaden für die Gesellschaft, zu geringen Kosten und bei gleichzeitiger Erhaltung der riesigen Artenvielfalt.
Brasilien hat auch ein enormes Potenzial für die Erzeugung von Solar- und Windenergie, für die Kohlenstoffbindung zur Schaffung von Einkommen in der Landwirtschaft und für die Erzeugung von Nahrungsmitteln bei gleichzeitigem Schutz von Wasser, Boden und der biologischen Vielfalt. Dafür braucht das Land aber wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der Umweltkriminalität, eine Beendigung der Nutzung von Erdöl und Kohle, eine Beschleunigung der Energiewende in Richtung erneuerbarer Energien, die Förderung der Agrarökologie und einer kohlenstoffarmen Landwirtschaft.
Klimaanpassungs- und Klimaschutzstrategien in ländlichen und städtischen Gebieten, die Beendigung der immensen sozialen Ungleichheit, finanzielle Unterstützungsmaßnahmen für den ökologischen Umbau von Produktionsketten und massive Investitionen in lokal angepasste Wissenschaft und Technologie kommen hinzu.
All das könnte die Regierung Lula auf der COP30 als Maßnahmen ankündigen und für internationale Zusammenarbeit dafür plädieren. Anders als bei den vorhergehenden UN-Klimagipfeln wäre das eine konkrete und machbare Perspektive, die von einem Land kommt, das 1992 in Rio de Janeiro die erste große internationale Umweltkonferenz nach Stockholm 1972 ausrichtete und neue Maßstäbe in der internationalen Umweltpolitik setzte.
Der Autor ist Politik- und Sozialwissenschaftler an der Universidade Federal da Fronteira Sul, die sich schwerpunktmäßig mit nachhaltiger Landwirtschaft und Agrarökologie beschäftigt.
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