Die LINKE nach der Wiederwahl in Berlin
von Hermann Nehls
Bei aller Erleichterung, dass die Berliner LINKE mit einem blauen Auge davongekommen ist, dürfen die eklatanten Schwächen, die das Wahlergebnis zeigt, nicht übersehen werden. 70000 Stimmen hat die Berliner LINKE im Vergleich zur Wahl 2021 verloren, das ergab ein Minus von 1,6 Prozentpunkten. Die Ost-Bezirke sind nicht mehr das Kraftzentrum, das die Spitzenwerte sichert.
Angesichts so polarisierender Problemfelder wie die Wohnungs- und die Verkehrspolitik und natürlich die Folgen der Teuerung ist dieses Ergebnis überraschend. Die LINKE hätte das Potenzial zu einem viel besseren Ergebnis gehabt. Sie hat es leider nicht ausreichend genutzt.
Insgesamt hat die LINKE einen müden und profillosen Wahlkampf geführt. Nicht zuletzt deshalb gingen 40000 ehemalige LINKE-Wähler:innen nicht zur Wahl. Bis auf die Wohnungspolitik war nicht erkennbar, wofür die LINKE eigentlich steht. Symptomatisch war dafür ein Wahlplakat, auf dem großflächig zu lesen war: »Wählen Sie!« – mehr nicht.
Man segelte unter dem Radar und wollte nicht anecken in der Hoffnung auf eine erneute Regierungsbeteiligung. Der Spitzenkandidat Klaus Lederer traute sich ein wenig aus der Deckung, indem er sich, deutlich wie nie zuvor, für die Enteignung großer Wohnungskonzerne auf der Grundlage des Volksentscheids »Deutsche Wohnen & Co enteignen« aussprach.
In bezug auf die Frage des Krieges und der Waffenlieferungen wurde ein innerparteilicher Maulkorb verhängt, »besser nicht thematisieren«. Dabei hielt sich Klaus Lederer mit einer Quasibefürwortung von Waffenlieferungen nicht zurück.
Ganz anders und mit wirklich guten Ergebnissen lief es in Neuköllner Wahlkreisen. Hier sorgten die Kandidatinnen Jorinde Schulz und Lucy Redler mit Erststimmenergebnissen von 30,7 und 26,3 Prozent für Spitzenwerte. Die Neuköllner LINKE hatte sich mit den Forderungen »Löhne rauf, Preise runter, Menschen vor Profite« ein eigenes Profil gegeben und es mit einem aktiven Wahlkampf, darunter über 10000 Haustürbesuchen geschafft, eigene Wähler:innen zu mobilisieren.
Auf diese Weise gewann auch Katalin Gennburg ein Direktmandat in einem Wahlkreis, der noch 2015 als für die LINKE verloren galt. Im Norden Friedrichshains verteidigte Damiano Valgolio sein 2021 gewonnenes Direktmandat und baute den Vorsprung gegenüber der deutlich prominenteren Grünen-Kandidatin Monika Herrmann sogar noch aus.
Jetzt dreht sich die Debatte wieder um eine mögliche Regierungsbeteiligung. Hier sollten Mindestbedingungen gelten: Keine Koalition ohne Enteignung!
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