Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Die Jugend ist wieder da
von Dominik Müller

Der 30.August markiert ein trauriges Kapitel im Umgang mit Antikriegsprotesten: Ein großer Block der Abschlussparade des bundesweiten Camps »Rheinmetall entwaffnen« in Köln wurde von mehreren Polizeieinheiten brutal zerschlagen. Das »kriegsfähige« Deutschland lässt grüßen.

Schon bei der Auftaktkundgebung wurde klar: Die Polizei hat es auf Eskalation angelegt. Bevor die gemeinsam mit dem Kölner Friedensforum organisierte, antimilitaristische Parade mit mehr als 3000 Teilnehmenden überhaupt loslaufen kann, wird sie schon aufgehalten. Erst ist von Eisenstangen die Rede, die sich später als PVC-Stangen für Transparente entpuppen. Ein anderes Mal heißt es, einzelne Teilnehmer:innen hätten sich vermummt. Auch nach dem Loslaufen wird die Demo mehrmals gestoppt – wegen eines »Über-Kopf-Transparents«, dann wieder wegen eines einzigen Rauchtopfs.
Von Verhältnismäßigkeit kann auch später nicht die Rede sein: Nach gerade mal einem Kilometer kesselt die Polizei mehrere hundert Menschen ein – ein offen einsehbarer Pritschenwagen in ihrer Mitte, den die Polizei zuvor durchsucht hatte, sollte angeblich verbotene Gegenstände mit sich führen. Den Weg dorthin prügeln sich behelmte Beamte mit Fäusten, Knüppeln und Pfefferspray frei, wie zahlreiche Videos belegen. Auch einer parlamentarischen Beobachterin wird ins Gesicht geschlagen. Es gibt mehrere Schwerverletzte, die zunächst nicht behandelt werden können, Sanitätern verweigert die Polizei lange den Zugang.
Später schiebt sie als Begründung für ihre Prügelorgie hinterher, angeblich seien Verbindungsbeamte von einer größeren Personengruppe attackiert und verletzt worden. Aber diese Verbindungsbeamten wurden anschließend von einem Journalisten bei guter Gesundheit angetroffen, so das Komitee für Grundrechte und Demokratie, eine Menschenrechtsorganisation, die die Demonstration begleitet und beobachtet hat.
Die Identitätsfeststellung begann um 22.30 Uhr, als mehrere hundert Menschen, darunter Minderjährige, bereits viereinhalb Stunden im Kessel standen – lange Zeit ohne Trinkwasser. Der Zugang zu Toiletten wurde bis zum Ende um 5.20 Uhr verweigert.
Lange Jahre haben vor allem ältere Semester Antikriegsproteste geprägt. Das war diesmal anders: Viele junge Menschen, denen dieser Staat außer Wehrpflicht, Aufrüstung und Sozialabbau kaum etwas für ihre Zukunft zu bieten hat, waren Ziel der Polizeigewalt. Aber sie haben sich nicht einschüchtern lassen und bis zum Ende des Kessels Lieder gesungen, getanzt und Parolen gerufen. Eine davon an die Adresse der Polizei: »Eure Kinder werden so wie wir!«

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