Violetta Bock schreibt aus dem Bundestag
von Violetta Bock
Am 23. Februar wurde ich zur Abgeordneten gewählt. Erst seit dem 25.3. bin ich Mitglied des deutschen Bundestags (MdB). In der Vergangenheit war das kein großer Unterschied. Doch diesmal liegen dazwischen mehrere hundert Milliarden.

Wie hatte Merz nach möglichst frühen Neuwahlen geunkt. Bei der Linken waren da die 5 Prozent noch nicht in Sicht. So wurde alles in die Waagschale geworfen. Die Linke zeigte Profil mit einem Fokus auf soziale Themen bei gleichzeitig klarer Haltung gegen rechts und gegen Militarisierung. Haustürgespräche führten nicht nur dazu, dass man mit Nachbar:innen sprach, man konnte einfach einsteigen und Teil einer politischen Bewegung werden.
Die Merz-Momente, sei es am 29. Januar oder in Trump-Manier im Münchner Löwenbräukeller, fungierten als Katalysator, der gerade bei jungen Menschen die Einsicht in die Notwendigkeit von Organisierung beschleunigte.
Über 100.000 Mitglieder zählt die Linke nun und ist mit 64 Abgeordneten wieder Fraktion. Bunt gemischt und ganz frisch im Parlament, angetreten für die Klasse, nicht für die Karriere. Selbstbewusst wird beim Gruppenfoto »Alerta Antifascista« angestimmt.
Eine Fraktion mit Möglichkeiten lassen bei der CDU den Wunsch nach Neuwahlen schnell vergessen. Im alten Bundestag soll noch schnell entschieden werden. Europa soll kriegstüchtig werden im Sinne »europäischer Werte«, deren Bedeutung sich täglich an der weltweit tödlichsten Außengrenze zeigen.
Der Kanzler, dem das Vertrauen entzogen wurde, die Ampel, die keine Legislatur durchgehalten hat und ein Noch-nicht-Kanzler ohne Regierungserfahrung peitschen binnen Wochen ein Jahrhundertprogramm der Aufrüstung durch den Bundestag. Mehrere Klagen und Eilanträge, auch von der Linken, scheitern. Das BSW schafft es selbst in der letzten Woche noch, in die Friedensbewegung einen Keil zu treiben mit der Verbreitung der Ein-Drittel-Mär: Die Neuen könnten doch mit der AfD den Bundestag einberufen.
So erproben sich viele im Juristischen statt sich auf die zu konzentrieren, die beim Ja noch zweifeln. Zweifeln, weil sie als CDU/CSU-Abgeordnete immer auf die Schuldenbremse pochten; zweifeln, weil sie sich als Grüne-Abgeordnete noch an die Friedenstaube erinnern; zweifeln, weil sie als SPD-Abgeordnete wissen, dass soziale Kürzungen die Folge sein werden und die Rüstungslücke bei der Schuldenbremse eine weitere Reform in die Ferne rückt. Zu viele von ihnen heben am 18. März – vielleicht mit schlechtem Gewissen – bei der letzten Entscheidung dieser Legislatur und vielleicht auch ihrer eigenen für Aufrüstung die Hand und geben den Weg frei für das Kommende.
Und der Bundesrat folgt – mit Stimmen der Linken. Wie bitter, dass die Linke trotz klarem Nein auf allen anderen Ebenen nun wieder ihren Platz in der Friedensbewegung rechtfertigen muss. Hauptfokus sollte aber bleiben: Kämpft mit denen, die an eurer Seite stehen, gegen die, die zum Krieg rufen, aber versucht vor allem die zu erreichen, die noch unentschieden und wankend sind, sei es, weil ihnen die Argumente oder der Mut fehlen. Denn wir brauchen eine starke Antikriegsbewegung.
Drei Grundgesetzänderungen später darf ich nun also im Bundestag mitwirken. Während es beim Grundgesetz ganz schnell ging, ist die Zuweisung eines Büros ein sehr viel langsamerer Prozess. Eines zumindest bleibt: Für die SoZ schreibe ich weiter – zumindest in Form dieser Kolumne.
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