Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Klima 1. Juli 2025

Zahlensalat
von Wolfgang Pomrehn

Rund 20 Prozent betrug 2024 der Anteil der Erneuerbaren am sog. Primärenergieverbrauch. Hört sich nach wenig an? Freunde der fossilen Industrien messen den Erfolg von Sonne, Wind und Co. aus genau diesem Grunde gerne an diesem sperrigen Begriff. Doch der Vergleich hinkt ziemlich. Der Einsatz von Primärenergie ist die falsche Messlatte, wie ein Blick in die Statistik zeigt.

2024 betrug der deutsche Primärenergieverbrauch nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB) 2927,22 Milliarden Kilowattstunden. Gegenüber dem Vorjahr war das ein leichter Rückgang von einem Prozent. 2023 war der Primärenergieverbrauch sogar um 8Prozent gesunken – hieran kann man gut veranschaulichen, was es damit auf sich hat.
Der Primärenergieverbrauch bezieht sich nämlich nicht auf die von den Endverbrauchern verwendete Energie, sondern auf alles, was in Autos und Kraftwerke hineingesteckt wird. Letztere arbeiten aber meist – vor allem, wenn ihre Abwärme ungenutzt bleibt – mit einem lausigen Wirkungsgrad. Bei Atom- und Braunkohlekraftwerken sind es kaum mehr als 30 Prozent.
Der Rückgang des Primärenergieverbrauchs von 2022 auf 2023 um 8Prozent dürfte also unter anderem an der Abschaltung der letzten AKWs im April 2023 gelegen haben. Die letzten drei deutschen AKWs hatten 2022 32,8 Milliarden Kilowattstunden in die Netze eingespeist, schlugen aber in dem von der AGEB für das gleiche Jahr bilanzierten Primärenergieverbrauch mit 105,28 Milliarden Kilowattstunden zu Buche.
Da der Atomstrom überwiegend durch den ohne große Verluste zu erzeugenden Wind- und Solarstrom ersetzt wurde, sank der Primärenergieverbrauch um rund 70 Milliarden Kilowattstunden, ohne dass weniger bei den Verbrauchern ankam.
Auch die Erzeugung in den ähnlich verschwenderischen Kohlekraftwerken ging in den letzten Jahren zunehmend zurück: Die Energieerzeugung über konventionelle Kraftwerke (einschließlich der Wasserkraft) lag 2024 etwas unter dem gesamtdeutschen Niveau von 1963. Entsprechend ist der Primärenergieverbrauch inzwischen um rund 30 Prozent niedriger als zu seinem Höchststand 1990, ohne dass es dadurch einen Verlust an Wohlstand oder Lebensqualität gegeben hätte.
Nicht so einfach wie Atom und Kohle sind allerdings die großen Anteile von Mineralöl (37,2 Prozent 2024) und Erdgas (24,9 Prozent) am Primärenergieverbrauch zu ersetzen. Die Bundesregierung ist sogar ganz versessen darauf, neue Gaskraftwerke zu bauen.
20 Gigawatt Leistung würde man gerne installieren, womit sich etwas mehr als ein Viertel des deutschen Bedarfs decken ließe. Allerdings werden die Anlagen nur laufen, wenn nicht genug Solar- oder Windstrom im Netz ist. Ohne Subventionen würden sie also kaum wirtschaftlich arbeiten können. Woher die kommen sollen, ist noch nicht geklärt, aber wir müssen wohl davon ausgehen, dass man sich in Berlin neue Umlagen ausdenken wird, um die privaten Stromkunden zur Kasse zu bitten.
Zum Glück stößt das Vorhaben bisher in der EU-Kommission wegen Wettbewerbsverzerrung auf erheblichen Widerstand.

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