Eine Private-Equity-Konferenz in Berlin
von David Stein
In Berlin trafen sich in der ersten Juniwoche, wie in den Jahren zuvor, auf der Superreturn International mehr als 5000 Vertreter der Private-Equity-Branche*. Profitable Investitionen in nicht börsengelistete Unternehmen jedweder Art sind in jedem Jahr das Thema der in diesem Sektor weltgrößten Konferenz. Der Veranstaltungstitel ist auch Programm der Branche – reißerisch in Trumpscher Manier, zu deutsch: Internationale Superrendite!
Präsent waren die einflussreichsten Vertreter der Private Equity-Branche und Investoren im Finanzsektor, wozu u.a. KKR (eine in New York gelistete Beteiligungsgesellschaft), Blackstone (verwaltetes Vermögen: rund eine Billion US-Dollar) und Nordic Capital (eine schwedische Beteiligungsgesellschaft) gehören. 50 Billionen US-Dollar in Private-Equity-Fonds investiertes Geld steckt weltweit in über 30.000 Unternehmen – eine Marktmacht, die sogar Großbanken klein aussehen lässt.
Die Akteure und Strippenzieher dieser Branche stehen jedoch nie im Rampenlicht. Wer kennt schon Stephen Schwarzmann, CIO des Finanzinvestors Blackstone, der laut Forbes ein Vermögen von über 42 Milliarden US-Dollar besitzt. Auch David Rubinstein, Gründer und Co-Chef der Carlyle Group, mitverantwortlich für ein verwaltetes Vermögen von mehr als 400 Milliarden US-Dollar, war anwesend. Sein privates Vermögen wird auf knapp 4 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Trotz ihrer Größe hat diese Veranstaltung von Vertretern des internationalen Raubtierkapitalismus in der Öffentlichkeit bisher kaum Beachtung gefunden. Kein Wunder: Wegen fehlender staatlicher Melde- oder Genehmigungspflichten sind Private-Equity-Beteiligungen oder Unternehmenskäufe völlig intransparent.
Erstmals Gegenöffentlichkeit
In diesem Jahr war das anders. Nichtregierungsorganisationen wie der Bürgerbewegung Finanzwende, dem Arbeitskreis bäuerliche Landwirtschaft und der Gewerkschaft Ver.di ist es gelungen, erstmals Gegenöffentlichkeit herzustellen. Sie veranstaltete vor dem Tagungshotel Interconti eine Kundgebung unter dem Motto: »Sie kaufen die Welt, wir zahlen den Preis«, allerdings gingen die Demonstrierenden in den Scharen gestylter Konferenzteilnehmer mit ihren Maßanzügen und gegelten Haaren fast unter.
Sie konnten gegenüber den Medien jedoch vermitteln, dass in dieser Branche nicht nur gigantische Summen verwaltet und hohe Renditen erzielt werden, dabei massenhaft Geld in sog. Start-Ups, IT-Dienstleistungen und anderen Geschäftsbereichen mit hohem Risiko verbrannt wird. Solche Investitionen haben vielfach auch drastische Folgen für unsere Lebensverhältnisse. Investitionen der Private-Equity-Branche werden neuerdings verstärkt im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge nach dem Geschäftsmodell des maximalen Profits getätigt.
Dazu gehören Investitionen im Bereich des Wohnungsmarkts (allerdings nicht in die dringend benötigten Neubauten!), im Gesundheitswesen (Pflegeheime und Arztpraxen) und der Landwirtschaft; hier kaufen Finanzinvestoren landwirtschaftlich genutzte Flächen auf und verpachten sie. Das Geschäftsmodell ist immer dasselbe: Man kauft sich in Firmen ein, strukturiert diese um und steigert ihren Wert mit allen erdenklichen Mitteln auf Kosten der Beschäftigten, Vertragspartner und Patienten; nach möglichst kurzer Zeit werden sie gewinnbringend wiederverkauft. Im Bereich der Daseinsvorsorge hat dies gesamtgesellschaftlich verheerende Folgen.
Wie funktionieren Private-Equity-Unternehmen?
Diese Unternehmen und deren Fondsmanager, verharmlosend Finanzinvestoren genannt, geben sich mit Renditen im einstelligen Prozentbereich, wie sie etwa mit Aktienspekulationen an der Börse im langjährigen Durchschnitt erzielt werden, nicht zufrieden. Private-Equity-Firmen stehen unter hohem Renditedruck. Es gilt, in kurzer Zeit das Maximale aus einer Investition herauszuschlagen. 15 bis 20 Prozent jährliche Rendite versprechen Finanzinvestoren ihren Geldgebern. Mit welchen Strategien und Anlageformen dies möglich sein soll, stand im Zentrum der Berliner Konferenz.
Finanzinvestoren werben Gelder von großen Anlegern (Versicherungen, Pensionsfonds, Superreiche) ein, platzieren diese in Fonds mit bestimmter Laufzeit und rufen die Zusagen in Tranchen ab, sobald sich Chancen auf eine Unternehmensübernahme ergeben. Sie versuchen den Wert des erworbenen Unternehmens zu steigern, etwa durch Umstrukturierung, Zukäufe bzw. Internationalisierung des Geschäfts oder durch seine Filetierung. Im Mittelpunkt steht immer die Kostensenkung. Einige Jahre später reichen sie die Private-Equity-Unternehmen an einen Käufer weiter und ziehen die Gewinne ein, oft unversteuert und über Steueroasen verschleiert.
Von Investoren in Aktien unterscheiden sich Private-Equity-Investoren in zweierlei Hinsicht: Anders als gewöhnliche Aktionäre übernehmen sie die Geschäftsführung im Unternehmen. Sie arbeiten zudem mit hoher Verschuldung, um die Rendite auf ihr Engagement zu erhöhen.
Da ihr Investitionshorizont bei den erworbenen oder mit Mehrheit erworbenen Unternehmen sich nur auf einige Jahre beschränkt, soll das von ihnen installierte Management keine mittel- oder langfristigen Investitionen tätigen. Das Unternehmen wird vielmehr auf schnelle Rendite getrimmt. Das heißt vor allem Senkung der Kosten, Lohndruck, Abbau von Personal. Häufig ist auch die Methode, das Unternehmen in Einzelteile zu zerlegen, um die Summe dieser Teile für einen höheren Gesamtpreis zu verkaufen.
Soweit das Konzept. In der Zwischenzeit sind jedoch selbst Branchengrößen kleinlaut geworden. Die Bäume für große Deals wachsen bei den Renditen nicht mehr in den Himmel. Betrug das weltweite Volumen der Unternehmensübernahmen durch Finanzinvestoren im Boomjahr 2021 über eine Billion Dollar, liegt es derzeit bei deutlich unter 500 Milliarden US-Dollar im Jahr.
Private-Equity-Gesellschaften haben Probleme, ihre Beteiligungsunternehmen zu Preisen zu veräußern, die die angestrebten Renditeziele erfüllen. Dadurch steigert sich deutlich die Haltedauer. Die institutionellen Geldgeber (Versicherungen, Pensionskassen) in den finanzierenden Fonds müssen deshalb länger auf eine profitable Ausschüttung warten und werden bei ihren Zusagen vorsichtiger. So entstehen Finanzierungsprobleme bei den Fonds, deren Investitionen dann nur durch noch höhere Schulden finanziert werden können. Ein Großteil des Umsatzes der aufgekauften Unternehmen fließt dann in den Schuldendienst.
Der Angriff auf das Gesundheitswesen
Dies ist ein Grund dafür, weshalb Private-Equity-Unternehmen sich die öffentliche Daseinsvorsorge krallen. Besonders attraktiv ist derzeit der Gesundheits- und Pflegesektor. Nach einer Untersuchung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gehörten 2022 rund 30 Prozent der Pflegeheimplätze in Deutschland Private-Equity-Unternehmen. Die Akteure kaufen sich zudem vermehrt in Arztpraxen, Kliniken und sog. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) ein. »Vorbild« hierfür ist der Private-Equity-Markt in den USA. Es heißt, dort würden in den aufgekauften Krankenhäusern »Stürze, Sepsisfälle und Wundinfektionen« messbar zunehmen; in privatisierten Pflegeeinrichtungen sei sogar die Sterblichkeitsrate gestiegen.
Dass Private-Equity-Unternehmen auf dem Wohnimmobilienmarkt aktiv und für aggressive Methoden wie Luxussanierungen und exorbitante Mietsteigerungen mitverantwortlich sind, ist durch Gegenöffentlichkeit – in Berlin durch die Kampagne »Deutsche Wohnen enteignen« – hinlänglich bekannt geworden. Aber wer weiß schon, dass die beiden großen deutschen kommerziellen Nachhilfeanbieter (Schülerhilfe, Studienkreis) inzwischen im Besitz von Private-Equity-Unternehmen sind?
Millionen Menschen zahlen den Preis, wenn Finanzinvestoren lebenswichtige Bereiche übernehmen, Mieten steigen und der Pachtzins für landwirtschaftliche Flächen oder Pflegeplätze unbezahlbar wird. Mieter, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen müssen bei immer schlechterer Versorgung immer tiefer in die Tasche greifen; bei landwirtschaftlichen Produkten zahlen die Verbraucher die Zeche.
Private-Equity-Markt an die Leine
Münteferings Heuschreckenvergleich aus dem Jahr 2004 trifft nach wie vor den Nagel auf den Kopf: Heuschreckenschwärme fallen über Unternehmen her, fressen sie kahl und ziehen dann zum nächsten Beuteunternehmen weiter. Auch der frühere Gesundheitsminister Karl Lauterbach kritisierte, dass »Investoren mit absoluter Profitgier« Arztpraxen aufkaufen.
Die Einsicht führte aber nicht dazu, diese Finanzinvestoren regulatorisch an die Kette zu legen. Oder ganz zu verbieten. Aus dem von Lauterbach angekündigten Gesetz wurde nichts. Nicht nur wegen der FDP, sondern auch wegen des fehlenden Problembewußtseins und Drucks in der SPD und den Grünen.
Alle zaghaften Regulierungsschritte auf Länderebene, etwa strengere Regelungen beim Aufkauf landwirtschaftlicher Flächen, sind schon in Thüringen und Sachsen über bloße Überlegungen nicht hinausgekommen. Der Entwurf des »Gesetzes zur Sicherung und Verbesserung einer bäuerlichen Agrarstruktur in Niedersachsen« vom 27.August 2024 bewegt sich nicht vom Fleck, weil er von der Lobby und ihren Gutachtern im parlamentarischen Verfahren zerredet wurde.
Die neue Bundesregierung will nun laut Koalitionsvertrag mehr Transparenz in der Eigentümerstruktur von Medizinischen Versorgungszentren mit Investorbeteiligung herstellen. Gleichzeitig will sie aber die aus der Zeit der Ampel-Koalition stammende Initiative WIN (Wachstums- und Innovationskapital) fortführen. Deren Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für Investoren zu verbessern und darüber Start-ups und Innovation zu fördern. Private-Equity-Firmen gehören dazu.
Die frühere Bundesregierung hat im übrigen die Tür weit aufgemacht für Gespräche mit Private-Equity-Lobbyisten im Kanzleramt und in den Ministerien. 57 Treffen mit Regierungsvertretern auf Leitungsebene gab es in der vergangenen Legislaturperiode laut Antwort der Bundesregierung auf eine Kleinen Anfrage der Linken vom Februar. Im Lobbyregister war mit KKR laut Finanzwende zuletzt aber nur einer der regelmäßigen Gesprächspartner eingetragen, obwohl eine gesetzliche Verpflichtung zur Erfassung besteht.
Es kann nicht sein, dass sich Finanzinvestoren von dieser Größe und Marktmacht – anders als Banken oder Versicherungen – quasi als Schattenbanken unreguliert am Markt tummeln dürfen und der Bund auf alle Transparenz-, Genehmigungs- und Überwachungspflichten dieser Branche verzichtet.
Der Finanzmarkt darf nicht die Kontrolle der öffentlichen Daseinsvorsorge übernehmen. Hier ist die Linke gefordert, in dieser Legislaturperiode eine Gesetzesinitiative zu starten, begleitet von einer breiten Öffentlichkeitskampagne von Partei und Sozialverbänden.
*Private Equity ist privates Beteiligungskapital an Unternehmen, das nicht an Börsen gehandelt werden kann.
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