Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2025

Was wird aus Deutschland mit einem BlackRock-Kanzler?
von Werner Rügemer

Deutschland ist der erste Staat, in dem ein Ex-Funktionär des größten Kapitalakteurs der westlichen Welt auch Regierungschef wird. Seine Partei, die Merz-CDU, wurde jetzt zwar zur größten Partei gewählt, aber die 28 Prozent sind eine Marke auf dem schon lange währenden Abstieg. Und die nächstgeeignete Koalitionspartei, die SPD, hat mit nur 16 Prozent ihren historischen Absturz fortgesetzt. Die politisch billigst-willigste BlackRock-Partei, die FDP, ist aus dem Parlament ganz verschwunden: Diese Absteiger sind also der brüchige Rückhalt für die Merz/BlackRock-Politik.

Sowas hat Merz bei seinem Rücktritt vom Vorsitz der BlackRock Asset Management Deutschland AG 2020 und bei der Übernahme des CDU-Vorsitzes auch schon erkannt. Charisma außerhalb seines verbissen zusammenhaltenden Unternehmer- und Beratermilieus hat der Multimillionär ohnehin nicht. Er hat deshalb Kreide gefressen und sein kapitales BlackRock-Programm für den Wahlkampf populistisch heruntergespielt.

Merz seit 2005: Ausverkauf des Standorts Deutschland
15 Jahre verbrachte Merz als Berater der neuen US-Investoren, die mit der Agenda 2010 seit der Jahrtausendwende in Deutschland einfielen. Merz beriet sie beim Ausverkauf der »Deutschland AG« und wurde dabei selbst zum Multimillionär.
Es begann 2005: Merz’ Rücktritt vom Vorsitz der CDU-Fraktion im Bundestag, nebenbei bis 2009 noch Abgeordneter. Er wurde sofort nicht nur als Anwalt für die US-Unternehmerkanzlei Mayer Brown tätig, sondern wurde auch deren Miteigentümer – und blieb das bis 2021.
Mayer Brown mit der Filiale in Düsseldorf hat einen Schwerpunkt Private Equity Investment: diese Investoren, wegen ihrer brutalen Praktiken dann »Heuschrecken« genannt, kauften und verwerteten im Laufe des folgenden Jahrzehnts tausende deutscher Mittelstandsfirmen: Verkauf oder Auslagerung von Unternehmensteilen, Verkauf der Immobilien, Rausschmiss von Betriebsräten, Lohnstopp – dann Weiterverkauf oder Börsengang.
Damit begann die De-Industrialisierung auch in Westdeutschland, nach der De-Industrialisierung im Osten. Merz leitete die Berliner Filiale von Mayer Brown, im Kontakt mit der Merkel-Regierung. Merz hatte bis zu 15 Aufsichtsratsmandate in den beratenen Unternehmen, verdiente mehrfach: 1. als Anwalt, 2. als Teilhaber von Mayer Brown, 3. mit den Tantiemen, Boni und Vorzugsaktien der beratenen Unternehmen.

Mehr Kapitalismus wagen!
In dieser Zeit des räuberischen Überschwangs schrieb Merz 2009 das Buch Mehr Kapitalismus wagen, jubelte: »Gut, daß wir auch in Deutschland ›Heuschrecken‹ haben.« Heuschreckenbesoffen legte er los: Kein gesetzlicher Mindestlohn! Weg mit dem Kündigungsschutz! Die Gewerkschaften raus aus den Betrieben! Die Mitbestimmung abschaffen!
Damit machte er sich, im doppelten Sinne, verdient für den Aufstieg in die höchste Klasse der neuen US-Kapitalakteure: So war Merz ab 2016 zusätzlich zu Mayer Brown noch Funktionär der BlackRock-Filiale in Deutschland: Jetzt ging es nicht nur um den Ausverkauf des Mittelstands, sondern der größten deutschen Aktiengesellschaften durch die erste Liga der BlackRock, Vanguard, State Street, Capital Group, Fidelity, Wellington.
Damit das möglichst lautlos durchging, arrangierte BlackRock-Funktionär Merz in diesen Jahren auch die Treffen seines aus New York eingeflogenen BlackRock-Chefs Laurence Fink mit den damaligen Finanzministern: Wolfgang Schäuble/CDU, dann Olaf Scholz/SPD. Merz arrangierte auch Treffen mit Kanzleramtschef Helge Braun und Wirtschaftsminister Peter Altmaier, beide CDU, mit Vizekanzler Sigmar Gabriel und Finanzstaatssekretär Jörg Kukies, beide SPD – alles außerhalb der Öffentlichkeit.
In diesen Jahren wurde BlackRock zum größten Aktionär in Deutschland: Niemand sonst hat so viel Aktien, also Miteigentum in den wichtigsten etwa hundert Unternehmen in Deutschland, im DAX, MDAX, TecDAX. Das alles segnete auch die populistische Dauerkanzlerin Angela Merkel heimlich ab. Ihr Finanz-Chefberater Lars-Hendrik Röller, Abteilungsleiter Finanzen/Wirtschaft im Bundeskanzleramt, schied 2021 mit Merkel aus – und wohin ging er? Zu BlackRock. Merz & Merkel pflegen ihre kleinen deutschen Konflikte untereinander – vor dem großen Herrn kuschen beide.

Merz 2025: Das verharmloste BlackRock-Programm
Als Merz CDU-Vorsitzender wurde, trat er von BlackRock zurück: Sonst würde das beim Kampf um Wählerstimmen nicht so gut ankommen – Merz ist Extrem-Populist, ideologisches Chamäleon, ein Lügner. Das demonstrierte der Multimillionär damals mit den zwei Privatjets und der heimlichen Promi-Villa am bayerischen Tegernsee, als er sich zum biederen Sauerländer und Mitglied der »oberen Mittelschicht« verkleidete.
Merz hat jetzt keine Verbindung mehr zu BlackRock – so soll es für Tagesschau-Glotzer und Bild-Leser aussehen. Aber BlackRock-Chef Fink lud seinen Ex-Angestellten im Januar 2025, vor der Wahl, zum exklusiven Dinner ins Luxushotel ein, beim Weltwirtschaftsforum in Davos/Schweiz, außerhalb des offiziellen Programms. BlackRock, mit Clinton, Obama und Biden/Harris großgeworden, hat sich jetzt wendig zu Trump bekannt, ist z.B. auch aus dem Klimabündnis ausgestiegen.
Fink machts vor: Gewinne im Auge behalten, ideologisch und politisch wendig bleiben! Fink lobte Trump, Trump-Helfer Musk lobte Weidel, Trump gratulierte Merz jetzt zum Wahlerfolg – so geht das.
So gibt Merz sich jetzt als deutsches Trump-Imitat: Make Deutschlands Wirtschaft great again! Ausländische Investoren rein! Asylanten raus! Weg mit dem Klima-Umwelt-Klimbim! Bürokratie-Abbau! Weg mit dem Bürgergeld! Weg mit dem Datenschutz! Runter mit den Unternehmensteuern! In meiner Regierung wird nicht mehr gestritten! Sofort am ersten Tag meiner Kanzlerschaft werde ich durchgreifen! Ich brauche keinen Parteitag für das Koalitionsabkommen!
Merz will Trump für den Wirtschaftsaufschwung ein Angebot machen: Deutschland und die EU kaufen noch mehr Frackinggas und Rüstung aus den USA – dafür soll Trump keine Zölle auf Importe aus Europa verhängen, so verkündete Merz, nach dem Dinner bei BlackRock-Chef Fink.
So sieht also nach Merz die wirtschaftliche Stärkung Deutschlands aus: Weitere De-Industrialisierung und Verarmung, Gewinne für BlackRock & Co. in die USA, dafür höhere Boni für die Vorstandschefs, und der DAX steigt erstmals über 20.000 – wie schon jetzt mitten im volkswirtschaftlichen Rückgang.
Schon in den letzten Jahren hat die Schwarzarbeit und die Arbeit von Illegalen, meist Migrant:innen zugenommen, im Bau, in der Gastronomie, in der häuslichen Pflege und Prostitution, in Sicherheitsdiensten, Privathaushalten, Unternehmen. Das ist das US-Muster: Migranten reinlassen, gleichzeitig gegen sie hetzen und mit der Drohung von Abschiebung zur lautlosen, unsichtbaren Billigarbeit erpressen.
Die Flüchtlingshetze soll zugleich die Ursachen der Flüchtlingsströme, die Kriege und die weitere Verarmung der armen Staaten – etwa durch die Zulieferketten der Digitalkonzerne, für e-Mobilität, Textil, Kaffee, Zucker – unsichtbar machen. Die Amokläufe gehören zu den Folgen dieser Praxis.

Merz/BlackRock: Privatrente schon ab Kindesbeinen
Nach dem Vorbild der Agenda 2010 von SPD/Grünen hat Merz die Agenda 2030 aufgelegt. Damit würden die regulären Arbeitseinkommen weiter gesenkt und somit auch die gesetzlichen Renten. Deshalb predigt Merz das BlackRock-Konzept der Privatrente in zwei Formen: 1. Beschäftigte sollen das BlackRock-Finanzprodukt ETF kaufen, gibt’s schon ab 20 Euro im Monat, bei der Sparkasse, steuerbegünstigt; 2. die »Frühstartrente«: Eltern sollen schon ihren Kindern ab dem 6.Lebensjahr per App monatlich 10 Euro ins Handy-Sparbuch einzahlen, sollen also ihre Kinder an ein zukünftig niedriges Arbeitseinkommen gewöhnen.
In einem weiteren Punkt predigt Merz für seinen unsichtbaren Herrn. BlackRock hat im letzten Jahr das Unternehmen Global Infrastructure (GPI) gekauft. Damit steigt der Finanzkonzern in die Bereiche Wasser und Abwasser, Kraftwerke und Energieleitungen, Datencenter und Häfen ein, denn wegen der höheren Militärbudgets haben die US-verbundenen Staaten dafür kein Geld. Nun schlägt auch Merz die private Finanzierung vor: Die Leistungen würden noch teurer als bisher.
Merz’ »Germany first« wäre also investiv wie militärisch in den Fängen von »America first«: Noch mehr Armut für die Mehrheitsbevölkerung, noch mehr Flüchtlingshetze mit noch mehr unsichtbaren, ausgebeuteten Migranten, noch mehr leistungsloser, grenzenloser Reichtum einer asozialen Minderheit, Abbau der Demokratie, noch mehr Aufrüstung und Krieg – und die Börsenkurse steigen.
Dafür hätte Merz’ Deutschland-Projekt nur eine minderheitliche, zudem brüchige politische Unterstützung. Deshalb würde Merz auch »unpopuläre« Maßnahmen durchziehen – das Geschäft eines gelernten Populisten. Deshalb sind Merz/BlackRock national wie international offen fürs Rechtsradikale, von »gemäßigt« bis extremistisch und rassistisch, von Trump über Selenskyj bis Netanyahu.
Es ist Aufgabe der Demokraten, die Gefahr einer verschleierten Diktatur zu erkennen und die vielen, sehr verschiedenen Betroffenen dieser kapitalen Politik bis hinein ins Unternehmertum zusammenzubringen, in bisher neuer Weise, und dies in europaweiter und internationaler Kooperation.

Werner Rügemer: BlackRock Germany. Die heimliche Weltmacht, ihre Praktiken in Deutschland und Friedrich Merz. Berlin: Verlag Hintergrund, 2025. 112 S., 14,80 Euro.

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