Das waren die Aktionstage gegen die Automesse in München
von Claudia Wangerin
Dass die Proteste gegen die Automesse IAA Mobility vom 9. bis 14.September in München dieses Jahr kleiner ausfielen als 2021 und 2023, war zu erwarten – obwohl das Organisationsteam nichts falsch gemacht hat und der noch aktive Teil der Klimabewegung schnell dazulernt. Aber der Reihe nach.
Rund 1500 Menschen zählten die Veranstalter auf der Hauptdemonstration gegen die IAA am 13.September – 2023 waren es rund 3000 gewesen, 2021 sogar bis zu 5000. Hinzu kamen damals bis zu 20.000, die sich an einer Fahrradsternfahrt beteiligten.
Effektive Klimaschutzmaßnahmen wurden seither nicht ergriffen – eine 2,6 Grad heißere Welt bis zum Ende des Jahrhunderts ist wahrscheinlich, wenn alle bisherigen Zusagen der Staaten zur Emissionsminderung eingehalten werden; und selbst das ist momentan nicht der Fall.
Aber multiple Krisen, die Verschiebung des politischen Koordinatensystems nach rechts und die Gefahr eines großen Krieges in Europa sind auch nicht spurlos an denen vorbeigegangen, die in der Klimakrise und dem drohenden Kollaps der Ökosysteme das größte Menschheitsproblem sehen. »Viele engagieren sich jetzt mehr im Bereich Antifa oder Antimilitarismus, das hat ja auch seine Berechtigung«, so der Pressesprecher des Mobilitätswende-Camps im Münchner Luitpoldpark zu Beginn der Aktionstage.
Antimilitarismus wurde auch auf der Hauptdemonstration großgeschrieben. Neben Michael Niebler, einem der drei Münchner Tramfahrer, die sich weigern, Straßenbahnwaggons mit Bundeswehrwerbung durch Bayerns Landeshauptstadt zu kutschieren, sprach dort Christiaan Boissevain, der den IG-Metall-Senioren und der bundesweiten Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) angehört: Er warnte vor einer Transformation der Automobilbranche zur Kriegswirtschaft statt zur Produktion von Nahverkehrszügen.
Das Mobilitätswende-Camp wurde für Vorträge, Workshops, Austausch und Diskussion genutzt. Nach einem Bundestagswahlkampf, in dem sich mehrere Parteien darin überboten, Klimaschutz und soziale Frage gegeneinander auszuspielen, wenn es ausnahmsweise nicht um Migration oder Aufrüstung ging, gab es viel zu klären.
Lisa Poettinger, die Lehramt und Umweltwissenschaften studiert hat und wegen ihrer kapitalismuskritischen Äußerungen in Bayern nicht Lehrerin werden darf, betonte in einem Vortrag, an der Klimakrise sei keineswegs »die Menschheit« unabhängig von Klassen schuld – und sprach sich klar gegen die gezielte Verteuerung klimaschädlicher Produkte aus. Klimaschädliche Produkte sollten gar nicht erst hergestellt werden, meinte die Aktivistin, die auf dem Camp ihr Buch Klimakollaps und soziale Kämpfe vorstellte. Durch Appelle zum Konsumverzicht fühlten sich oft die Falschen angesprochen. Als politisches Ziel nannte sie einen ökologischen demokratischen Sozialismus.
Mit einer Antirassistischen Fahrraddemo machte die Karawane-Gruppe München auf die Folgen der Klimakrise im Globalen Süden als Fluchtursache aufmerksam.
Sowohl das weltweite als auch das inländische Gefälle zwischen arm und reich wurden während der Aktionstage immer wieder angesprochen: Wer kann sich noch am besten vor den Folgen schützen? Wer kann sich seinen Wohnort aussuchen und eine Klimaanlage installieren – und wer braucht momentan ein Auto, um zur Arbeit zu kommen, kann sich aber in zehn Jahren vielleicht kein Obst mehr leisten?
Die Autorin ist freie Journalistin.
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