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Staat/Parteien 1. Oktober 2025

Linke und AfD im Aufwind
von Helmut Born und Angela Klein

Wahlen in Nordrhein-Westfalen, dem größten Bundesland, sind immer auch so etwas wie ein Barometer für die Stimmung im Land. Das gilt auch für die Kommunalwahlen, die am 14.September dort stattfanden. Es waren die ersten landesweiten Wahlen nach den Bundestagswahlen im Februar und sie haben ein paar Merker gesetzt.

Zunächst muss festgestellt werden, dass die Erosion der bürgerlichen Parteien voranschreitet und der Rechtsruck sich verfestigt, wenn auch nicht ganz so heftig wie befürchtet. Bei den Bundestagswahlen im Februar 2025 holte die AfD 16,8 Prozent, jetzt noch 14,5 Prozent – ein leichter Rückgang, der zugleich bestätigt, dass sie sich im westlichen Parteienspektrum eingenistet hat. Für sie war NRW ein strategischer Erfolg.
Gegenüber den letzten Kommunalwahlen vor fünf Jahren hat die AfD ihre Ergebnis verdreifacht (von 5,1 auf 14,5 Prozent) – von einer Ostpartei kann keine Rede mehr sein. Sie ist im Herzen der Bestie angekommen und da besonders im Ruhrgebiet. Bei der OB-Wahl kommt sie in den Städten Duisburg, Hagen und Gelsenkirchen am 28.September sogar in die Stichwahl.
In Duisburg hat sie gegen den ausgehenden SPD-Bürgermeister keine Chance. In Gelsenkirchen aber ist ihr Abstand zur SPD schon deutlich geringer (29,8 zu 37 Prozent); bei der Ratswahl hatte die SPD sogar nur einen Vorsprung von 0,4 Prozent. In den Bezirksvertretungen liegt die AfD entweder vorn oder ganz knapp hinter der SPD – ein deutliches Zeichen für ihre wachsende Verankerung.
In Hagen fällt die Entscheidung zwischen der CDU (25 Prozent) und der AfD (21,2 Prozent), die SPD landet, wenn auch nur knapp dahinter, auf dem dritten Platz (21,0 Prozent). Auch im Rat ist die AfD zweitstärkste Kraft, dort mit noch deutlicherem Abstand zur SPD (22,4 zu 19,9 Prozent); in den Bezirksvertretungen sieht es aus wie in Gelsenkirchen.
Aktuell steht die AfD bundesweit in den Umfragen bei 25 Prozent. Es wird ihr ein Wählerpotential von 33 Prozent zugeschrieben.

Die SPD konnte nicht einmal ihr historisch schlechtes Ergebnis von vor fünf Jahren halten und verlor noch einmal 2,2 Prozentpunkte, sie kommt nur noch auf 22,1 Prozent. Die FDP läuft mit 3,7 Prozent (vorher 5,6 Prozent) inzwischen unter ferner liefen. Die Grünen sind auf Landesebene mit einem Rückgang von 6,5 Prozentpunkten die großen Verlierer und erreichen nur noch 13,5 Prozent. Sie werden derzeit als Koalitionspartner kaum noch gefragt sein.
Lediglich die CDU ist mit 33,3 Prozent gegenüber dem Wahlergebnis von 2020 weitgehend stabil geblieben – und feiert das bezeichnenderweise als Sieg. Sie behauptet sich in den Kleinstädten und auf dem Land.
Köln ist die linkeste Stadt in NRW. Dort kämpft die Grüne Aymaz (28 Prozent) in der Stichwahl zum Oberbürgermeister gegen Torsten Burmester von der SPD (21 Prozent). Trotz ihres deutlichen Vorsprungs ist der Wahlsieg von Aymaz keineswegs sicher. Bislang wurde die Stadt von der parteilosen Verwaltungsfrau Henriette Reker regiert, die sich auf ein Bündnis CDU/Grüne stützte. Dass die CDU das Bündnis wiederholt, ist höchst fraglich, nachdem Burmester mit der CDU-Parole »Sicherheit und Sauberkeit« in den Wahlkampf gegangen ist.
Nur noch in Münster liegen die Grünen vorn, hier aber dicht gefolgt von der CDU, während die SPD bei 14 Prozent landet und die AfD die 5 Prozent nicht erreicht.
In Bonn und in Münster müssen CDU und Grüne kooperieren, sonst kommt gar keine Mehrheit zustande; die SPD hat dort nur 8 bzw. 9 Sitze geholt, die Linke 6. In Bielefeld läuft es auf Kenia hinaus (schwarz-grün-rot).

Im Vorfeld der Kommunalwahlen schrieben vor allem die rechten Portale und Medien – gleich ob Springer oder andere Pressehäuser – einen Durchbruch der AfD herbei. Es wurde der Eindruck erweckt, die Partei werde gegenüber der Bundestagswahl noch einmal zulegen und auch die ersten Bürgermeister in NRW stellen können.
Bei politisch nicht fest gelegten Wähler:innen hat die Propaganda gegriffen. Vor allem in Städten und Stadtteilen mit einem hohen Potenzial von Menschen mit geringem Einkommen verfängt sie immer mehr. Dies sind zugleich die Gegenden mit einer geringen Wahlbeteiligung – auch bei dieser Wahl.
Offensichtlich gelingt es der AfD, mit ihren rassistischen Positionen vermehrt Menschen zu mobilisieren, die sich vernachlässigt fühlen. Dabei spielt die nachlassende öffentliche Versorgung dieser Stadtteile eine wesentliche Rolle: keine oder zu wenig städtische Angebote, schlechte Infrastruktur, kaum Treffpunkte, keine Möglichkeit für politische Debatten, schlechte Einkaufsmöglichkeiten, verfallene oder schlecht gewartete Gebäude. Hinzu kommt das Gefühl abgehängt zu sein – vor allem dort, wo die De-Industrialisierung nicht Platz gemacht hat für neue Wirtschaftszweige, Stadtteile eine wenig gemischte Bevölkerung haben und kulturell veröden.

Der Stimmenanteil der Linken ist gegenüber der Bundestagswahl zurückgegangen – was normal ist –, gegenüber der letzten Kommunalwahl konnte sie ihn allerdings erheblich verbessern – landesweit von 3,8 auf 5,6 Prozent. Sie verstetigt damit ihren spektakulären Wahlaufschwung vom Februar, und das bei einer deutlich höheren Wahlbeteiligung gegenüber 2020 (56,8 Prozent; d.h. über 40 Prozent sind nicht zur Wahl gegangen).
In Köln holte die Linke mit 10,8 Prozent ihr bestes Wahlergebnis; dort bekam sie auch zwei Direktmandate (jeweils um die 32 Prozent). Bielefeld folgte mit 10,5, Bochum mit 9,5, Bonn mit 8,7, Wuppertal und Münster mit je 8,4 Prozent.
In Köln ist die Ratsfraktion der Linken von 6 auf 10 Mitglieder gewachsen, in den Bezirksvertretungen sitzen jetzt insgesamt 20 Mitglieder (+7). In den anderen Städten sieht es ähnlich aus, wenn auch nicht so eindeutig wie in Köln. Hier gibt es im Rat eine klare Mehrheit aus Grünen, SPD und Linke, alle anderen Kombinationen müssen mit wechselnden Mehrheiten hantieren. Ob diese Mehrheit die Politik in der kommenden Periode bestimmen wird, hängt u.a. vom Ausgang der Oberbürgermeister-Stichwahl ab.
Jedenfalls steht dem Kölner Kreisverband die Debatte ins Haus, ob die linke Ratsfraktion dem Haushalt ihre Stimme geben will, der zwangsläufig Sozialkürzungen enthält, oder ob sie sich Mehrheiten von Fall zu Fall sucht für konkrete Vorhaben wie etwa die Verhinderung des innerstädtischen Tunnelbaus. Letzteres wäre eine deutlich komfortablere Position für eine Oppositionspartei. Sie würde damit ihr Profil in der Stadt erheblich deutlicher machen als dies in einer Kooperation mit SPD und Grünen möglich wäre.
Die innerparteiliche Debatte konzentriert sich jetzt darauf, wie die Verankerung in den Stadtteilen in den kommenden fünf Jahren vorangetrieben werden kann.
Auf dem Land ist es für die Linke nach wie vor schwer. Das gilt zumal für Gebiete, die stark von der Landwirtschaft geprägt sind.

Besonders betrüblich sind die Wahlergebnisse für die Abspaltung von der Linkspartei, dem Bündnis Sahra Wagenknecht. (BSW). Nur in 10 Prozent aller Kommunen ist es dem BSW gelungen, stadtweite Listen aufzustellen. Besonders schmerzlich dürften die Wahlergebnisse vor allem dort sein, wo ihre »Spitzenleute« herkommen: Bochum, Duisburg, Bottrop. Nirgendwo ist es gelungen, in Fraktionsstärke in den Stadtrat einzuziehen, Ergebnisse zwischen 1,5 und 2,5 Prozent sind die Regel. Lediglich in Hagen konnten 3,1 Prozent erreicht werden. Für die Linke war der Absprung der »Linkskonservativen« ein Segen, für das BSW, wie vorhersehbar, ein Desaster. Am rechten Rand zu fischen lohnt sich nicht. Da wird lieber das Original gewählt.

Helmut Born ist Mitglied im Kreisvorstand Düsseldorf von Die Linke und für sie im Stadtrat.

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