Soziale Bewegung der Bergleute im Königreich Ungarn
von Kai Böhne
Die ersten mittelalterlichen Städte im Königreich Ungarn entstanden zu Beginn des 13.Jahrhunderts vorrangig auf dem Gebiet der heutigen Slowakei. Verantwortlich hierfür war der Bergbau, der vom Spätmittelalter bis ins 18.Jahrhundert ermöglichte, dass sich das slowakische Gebiet zum wohlhabendsten Teil des Königreichs Ungarn entwickeln konnte.
Ein zeitgenössischer Spruch lautete: »Das goldene Augsburg ruht auf dem kupfernen Neusohl.« Das war der deutsche Name der slowakischen Stadt Banská Bystrica. Kupfer und Silber aus Neusohl bildete eine Basis für den legendären Reichtum des schwäbisches Kaufmannsgeschlechts der Fugger.
Im Zentrum der heutigen Mittel-slowakei, in Banská Bystrica, begann 1494 mithilfe des Krakauer Bergbauingenieurs Johannes Thurzo der Aufstieg des Kupferimperiums der Fugger. Beim Abbau des silberhaltigen Kupfererzes brachten die Thurzos ihre Kontakte zum ungarischen Königshof, ihr technisches Fachwissen und eine innovative Seigertechnik (Entmischung einer Schmelze bei der Metallherstellung) ein. Die Fugger verfügten über das Kapital. Der Kupferhandel, den der Montankonzern der Fugger europaweit dominierte, machte beide Familien reich.
Demgegenüber standen Armut, harte und schlecht bezahlte Arbeit der Bergarbeiter. Sie führten im Mai 1525 zur größten sozialen Bewegung der Bergleute in der Feudalgeschichte der heutigen Slowakei und Ungarns, heißt es in einer Pressemitteilung der slowakischen Post vom August 2025. Bergleute aus Spaniá Dolina, Staré Hory und anderen Orten streikten, weil ihnen ihr Lohn in wertlosen Kupfermünzen ausgezahlt wurde. Sie setzten eine Frist und verlangten eine Auszahlung in Silbermünzen. Nachdem die Frist ergebnislos verstrichen war, zogen fünfhundert bewaffnete Bergarbeiter unter Trommelklängen in Banská Bystrica ein, wo ihr Arbeitgeber, die Fugger-Thurzo-Handelsgesellschaft, ihren Sitz hatte. Erst jetzt erhielten sie ihr Silbergeld.
Im Herbst 1525 gründeten die Bergleute als Interessenvertretung einen Bergarbeiterverband mit Sitz in Spaniá Dolina. Er ermöglichte ihnen Austausch und Kommunikation zwischen den einzelnen Bergbaugruben und -gruppen.
Die schlechte Lebensmittelversorgung und Nichtzahlung der Löhne wiederholte sich auch im Folgejahr. Sie führten zu weiteren Unruhen und einem Aufstand. Mehr als 500 bewaffnete Bergleute, Hüttenarbeiter und Fuhrleute schlossen sich im Februar 1526 zusammen, legten zwölf Kilometer in zwei Stunden zurück und marschierten erneut nach Banská Bystrica. Neun Tage besetzten und kontrollierten sie den Ort. Sie beschlagnahmten das abgebaute und dort lagernde Kupfer, für welches die Bergbaukammer ihnen den Lohn schuldete. In Bürgerhäusern, Läden und Kellern requirierten sie Lebensmittel für ihre vorenthaltenen Löhne.
Nur die Burg, in der die Bürger der Stadt Zuflucht suchten, widerstand dem Angriff der Bergleute. Die Königliche Bergwerkskammer war verängstigt und zahlte den Aufständischen den Lohn in der von ihnen geforderten Höhe. Daraufhin verließen die Bergleute die Stadt. Die Anführer flohen nach Mähren und in die umliegenden Berge.
Im April kam es in Banská Bystrica zu einem Prozess gegen die Rebellen vom Februar. Die auffälligsten Anführer sollten in den folgenden Tagen hingerichtet werden. Doch keiner der Gesuchten befand sich vor Ort.
Als auch im Mai keine Löhne an die Bergleute und Hilfskräfte gezahlt wurden, überfielen die Geprellten den Pfarrhof in Banská Bystrica und sicherten sich Lebensmittel, Getränke und Vieh, das sie nach Spaniá Dolina, dem Sitz ihres Bergbauverbands, brachten.
Anfang August beschloss eine Versammlung von rund 200 Bergleuten, die Stadt Banská Bystrica zu plündern und niederzubrennen. An drei Stellen wurde Feuer gelegt. Am 18.August kam ein königlicher Gesandter in den Ort und erließ einen Haftbefehl gegen 46 Beteiligte an den Unruhen. Mehrere Rebellen wurden im September 1526 in Banská Bystrica gefangen genommen und hingerichtet. Weitere Beteiligte wurden im Oktober in Brezno liquidiert.
Mit einer 1,20-Euro-Sondermarke erinnerte die Slowakische Post am 22.August 2025 an den Bergarbeiteraufstand vor 500 Jahren. Der Grafikdesigner Marcel Bencik, der nach seinem Studium als Leiter der Abteilung für visuelle Kommunikation an der Akademie der Bildenden Künste in Bratislava arbeitete, übernahm die Gestaltung der Sondermarke, des Sonderstempels und des Ersttagbriefs.
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