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Geschichte 1. Juni 2025

Die Städte
dokumentiert

Die Erhebungen der Bauern, die seit den 1470er Jahren verzeichnet sind, fallen in eine Periode der Erholung von über 150 Jahren Agrardepression: Im letzten Drittel des 15.Jahrhunderts nimmt die Bevölkerung wieder zu, verlassene Dörfer werden neu besiedelt, die Getreidepreise steigen allmählich. Die Städte hingegen hatten in der Zeit nicht gedarbt: Die Nachfrage nach verarbeiteten Eisen- und Tuchwaren war gestiegen, Handwerk war gefragt, die Löhne waren hoch, weil Arbeitskräfte knapp waren, statt Getreide gab es Fleisch zu essen. Und der Fernhandel breitete sich aus.

Ab 1470, mit dem Beginn des Silberbergbaus, begannen namentlich Augsburger und Nürnberger Kaufleute, Handelsgesellschaften zu Kapitalsammelstellen für den Erwerb von bisher in handwerklichem Besitz befindlichen Werkstätten auszubauen, Bergwerke aufzukaufen bzw. solche zu errichten und Arbeitsuchenden aus Stadt und Land die Produktionsmittel zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe sie Tuchwaren herstellen oder Silber, Kupfer und Eisen gewinnen konnten. Der Kaufmann wurde zum kapitalistischen Verleger und es bildeten sich bald monopolistische Strukturen heraus.
Was viele Handwerksbetriebe zugrunde richtete, verschaffte den Großkaufleuten sagenhafte Vermögen, zumal sie nicht nur den Handel und die Fabrikation, sondern auch das Bankgeschäft unter ihre Kontrolle brachten. Jakob Fugger, genannt der Reiche, soll nach seinem Tod 1525 ein Vermögen von 2,5 Millionen Gulden hinterlassen haben. Kaiser, Fürsten, Bischöfe und Äbte waren seine Hauptschuldner. Diese wälzten die Schuldenlast auf die Bauern ab, die dadurch immer stärker in Leibeigenschaft gerieten.
Der Kampf gegen Wucherer und »Fürkäufer«, also Aufkäufer von Waren, um Monopolpreise durchzusetzen, wurde, neben der Verschuldung der Städte und der Misswirtschaft der Ratsherren – zumeist Patrizier – zu einer wichtigen Triebkraft des Klassenkampfs in den Städten.

Den Reigen eröffnete Erfurt, das zwar umgeben war von sächsischem Hoheitsgebiet, selber aber dem Erzbischof von Mainz unterstand. Die Fehde zwischen dem Kurfürsten von Sachsen und dem Erzbischof kostete die Stadt viel Geld, das sie trachtete, durch Steuererhöhungen für die Bürger wieder reinzuholen. Adel, Kirche und Patrizier waren damals steuerfrei. Das mittlere Bürgertum stellte daraufhin die alleinige Verfügungsgewalt des Rates in Frage, organisierte Versammlungen der Stadtviertel und der Zünfte, die einen Bürgerausschuss wählten. Dieser forderte Rechenschaft und uneingeschränkte, auch militärische Befehlsgewalt.
Handwerker aus wenig geachteten Zünften und plebejische Schichten bildeten getrennt davon eine »Schwarze Rotte«, die sich sowohl gegen den Rat als auch gegen die bürgerliche Mittelschicht wandte. Der Erzbischof schloss sich der Rotte an, gemeinsam setzten sie die Wahl eines neuen Rats und eine Änderung der städtischen Verfassung durch, wobei die Ratssitze unter die städtischen Viertel und die Handwerke aufgeteilt wurden. Die Gemeinde sicherte sich ein Mitbestimmungsrecht bei allen wichtigen Beschlüssen. Kleine Handwerker erhielten das passive Wahlrecht. Die Koalition hielt indes nicht lang, die Unterordnung unter den Erzbischof von Mainz führte alsbald zu neuen Spannungen.
Bis 1514 folgten eine Vielzahl städtischer Aufstände: 1510 Konstanz, Schlettstadt, Schwäbisch Hall; 1511 Andernach; 1512 Mühlhausen, Nordhausen, Pirna, Regensburg, Speyer und Ulm; 1513 Aachen, Braunschweig, Duisburg, Göttingen, Köln, Lübeck, Neuß, Nördlingen, Schweinfurt und Worms; 1514 Höxter, Leipzig, Marburg und Wesel.
In Köln setzten die »Gaffeln«, die politische und militärische Organisation der Bürgerschaft, an ihrer Spitze die Weberzunft, ein Kontrollrecht über den Rat durch. Die alten Ratsherren wurden vielfach zum Tod verurteilt.

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