Ein Leichtmetall als geopolitischer Zankapfel
von Matthias Becker
Lithium wird oft als »weißes Gold« bezeichnet – wegen seiner Farbe und wegen seines Werts. Das chemische Element kann auf engem Raum große Mengen Energie speichern. Daher eignet es sich um Batterien herzustellen, die bekanntlich in immer mehr Fahrzeugen und anderen Gebrauchsgegenständen stecken – vom Smartphone bis zum E-Bike. Der sogenannte »wirtschaftsstrategische Rohstoff« führt zu scharfen Konflikten zwischen den Weltmächten – wobei der Frontverlauf oft verwirrend und uneindeutig ist, so wie im Fall von Serbien.
Lange galten Lithium-Ionen-Batterien als unverzichtbar für den Umstieg von fossiler zu erneuerbarer Energie. In der Erwartung, dass bald eine »Energiewende« in Gang kommen und die Nachfrage nach Stromspeichern entsprechend wachsen werde, zogen die Preise ab 2020 enorm an.
Eine Tonne Lithiumcarbonat (aus dem der Werkstoff gewonnen wird) kostete damals etwa 500 US-Dollar, Ende 2022 waren es fast 80.000 US-Dollar. Mittlerweile ist das Leichtmetall wieder erheblich billiger zu haben, für nur noch 10.000 US-Dollar pro Tonne. Denn die Energiewende stockt, insbesondere der Absatz von Elektroautos in Europa und in den USA, die Konjunktur schwächelt. Die chinesische Batterietechnik hat außerdem mittlerweile Alternativen im Angebot, zum Beispiel auf der Grundlage von Natrium. So wertvoll wie Gold wird Lithium niemals sein.
Dennoch haben die Geostrategen in den USA und Europa eine Art Lithium-Fieber entwickelt, getrieben von der Angst, den Zugang zu dem Rohstoff zu verlieren. Lithiumcarbonat wird fast ausschließlich in China veredelt, so wie Nickel und Kobalt, die ebenfalls in der Batterieproduktion verwendet werden. Im Handelskrieg könnte die Volksrepublik den Export einschränken, um Druck auf die Abnehmer auszuüben. Auf die jüngsten Importzölle der USA reagiert China denn auch, indem es die Ausfuhr von Seltenen Erden drosselte. Diese Metalle gelten ebenfalls als kritisch und werden beispielsweise für die Herstellung von Elektromotoren und Dauermagneten benötigt.
Umweltschäden
Lithium kann im Bergbau (wie im serbischen Jadar-Tal geplant) oder aus salzhaltigem Grundwasser (wie in der chilenischen Atacama-Wüste) gewonnen werden. Die bisher angewandten Verfahren sind mit massiven Umweltschäden verbunden, zum Beispiel durch Rückstände wie Schwefelsäure und Chlor, die ins Grundwasser gelangen können. Um das Lithium zu lösen, zu reinigen und aufzubereiten, sind große Mengen Wasser notwendig. Eine Studie spricht von knapp 2000 Litern, die nötig seien, um ein Kilo Lithium herzustellen. Diese Zahl ist wahrscheinlich übertrieben, aber der Wasserverbrauch ist sicherlich enorm. Dabei stehen weniger umweltschädliche und ressourcenschonendere Verfahren eigentlich zur Verfügung. Doch weil sie kostenträchtiger sind, kommen sie nicht zum Einsatz. Gerade deshalb konzentriert sich die Produktion in China, denn in den Importländern sind die Umweltgesetze schärfer und werden konsequenter durchgesetzt.
Aus Angst, die Volksrepublik China werde die Importabhängigkeit als handelspolitisches Druckmittel einsetzen, setzte die EU 2024 den European Critical Raw Materials Act in Kraft. Rohstoffe, die »für Klimaschutztechnologien, Digitalisierung und andere Zukunftstechnologien sowie für die Verteidigung von grundlegender Bedeutung« seien, sollen nicht mehr ausschließlich aus China bezogen und eigene Produktionskapazitäten aufgebaut werden. Lithium gehört zu ihnen.
Der Austausch von Lithium und Kobalt, die für die Batterieproduktion benötigt werden, beruht überwiegend auf bilateralen mehrjährigen Verträgen, die Rohstoffbörsen spielen eine Nebenrolle. Insofern landete die Ampel-Bundesregierung unter Olaf Scholz einen Coup, als die serbische Regierung im Juli 2024 eine Absichtserklärung über die Lithium-Förderung unterschrieb. Darin ist die Rede von 58.000 Tonnen pro Jahr – (angeblich) genug für eine Million E-Autos. Dabei war die Regierung unter Aleksandar Vucic von der rechtsnationalistischen Fortschrittspartei eigentlich nach landesweiten Protesten zwei Jahre zuvor von der Förderung abgerückt. Der Lithium-Abbau in einer ländlichen und landwirtschaftlich geprägten Region ist äußerst umstritten.
Panikmodus
Auf der Pressekonferenz nach der Unterzeichnung sprach der serbische Präsident von Investitionen aus der EU in Höhe von sechs Milliarden Euro. Der damalige deutsche Bundeskanzler versprach außerdem, dass in Serbien eine Batteriefabrik entstehen werde. Begleitet wurde Scholz von Vertretern von Mercedes-Benz, Stellantis und den europäischen Batterieherstellern ElevenES und InoBat. Als besonderen Erfolg bezeichneten EU-Vertreter, dass sich Serbien für das Bergbauunternehmen Rio Tinto und gegen den chinesischen Wettbewerber CATL entschieden habe. Allerdings hält China auch 14 Prozent der Anteile von Rio Tinto. »Die Europäische Union ist in einer Art Panikmodus«, kommentierte seinerzeit Michael Reckordt, Rohstoff-Experte der NGO Powershift. »Sie versucht sich gerade, ähnlich wie auch China oder die USA, überall global auf der Welt Rohstoffzugänge zu sichern.«
Der Kampf um die kritischen Rohstoffe hat weniger mit realen Bedarfen und Engpässen zu tun als mit geopolitischer Paranoia. Länder wie Serbien werden unter Druck gesetzt, sich für den einen oder den anderen Machtblock zu entscheiden. Das Land möchte gerne EU-Mitglied werden, hat aber gleichzeitig enge und traditionsreiche Beziehungen zu Russland und zieht außerdem Investitionen aus China in erheblichem Umfang an. Wie widersprüchlich diese Gemengelage ist, zeigt sich beispielsweise daran, dass US- und EU-Politiker eine russische Desinformationskampagne hinter den Protesten gegen den Lithiumabbau vermuten.
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