Bei den Omas gegen rechts zählt die Haltung, nicht das Alter
Nele Johannsen
Mit ruhiger, aber unüberhörbarer Entschlossenheit stehen sie da, wo es nötig ist – auf Marktplätzen, in Fußgängerzonen und vor Parteizentralen. Sie diskutieren mit Vorbeigehenden, halten Plakate hoch, verteilen Flyer. Ihre Botschaft ist eindeutig: Rechtsextremismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz.
»Wir müssen endlich wegkommen von diesem Nationalismus, von diesem in Schubladen stecken der unterschiedlichen Religionen. Wir sind Menschen – und für mich zählt nur eins: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das ist das Allerwichtigste und dafür gehe ich auf die Straße«, sagt die Gründerin von Omas gegen rechts, Deutschland, Anna Ohnweiler.
Die Omas gegen rechts stehen für demokratische Werte, kulturelle Vielfalt, Toleranz und ein respektvolles Miteinander. Sie engagieren sich gegen Rechtspopulismus, gegen die Ausgrenzung von Minderheiten und gegen jegliche Form von Gewalt. Dabei machen sie nicht mit viel Getöse auf sich aufmerksam – ihr Widerstand ist entschlossen und beharrlich. Und genau das macht ihn so wirkungsvoll.
In vielen Städten sind die Omas gegen rechts inzwischen zum gewohnten Bild geworden, gerade jetzt, wo rechte Parteien auf dem Vormarsch sind und der Ton in der politischen Debatte rauer wird. Die zivilgesellschaftliche, parteiunabhängige Initiative gründete sich in Deutschland im Januar 2018 nach österreichischem Vorbild. Die Initiative zählt inzwischen über 40.000 Mitglieder, mehr als 280 Regionalgruppen und Ableger in Polen, Südtirol und der Schweiz. Bei den Omas gegen rechts machen trotz des Namens nicht nur ältere Frauen mit – auch Männer und jüngere Menschen engagieren sich. Was zählt, ist die Haltung, nicht Alter oder Geschlecht. Als rechtliche und organisatorische Plattform für die Initiative wurde 2019 schließlich der Verein Omas gegen rechts Deutschland e.V. gegründet.
Neben dem Demonstrieren möchten die Omas gegen rechts vor allem auch Aufklärungsarbeit leisten. Als Hilfestellung für Diskussionen gibt es im Onlineshop das kleine Buch Argumentationshilfe gegen AfD. Außerdem kann man Flyer, Westen, Buttons und Regenschirme erwerben. Aufgeklappt eignen sich letztere besonders gut, um AfD-Wahlstände vor Vorbeigehenden »abzuschirmen«, wie eine Regionalgruppe aus Baden-Württemberg während des Wahlkampfs demonstrierte. Die Gruppe war bereits zuvor in ihrem Protest kreativ geworden: Sie überreichte einem AfD-Stadtrat zu dessen Amtseinführung symbolisch als »Geschenk« das Grundgesetz – eine Geste, die er ablehnte. Die Mitglieder planen aktuell zusammen mit einem örtlichen Programmkino, eine Woche lang Filme zum Thema Rechtsextremismus zu zeigen.
Freund und Feind
Bei den Omas gegen rechts gibt es keine hierarchische Struktur – die Organisation ist basisdemokratisch. Die einzelnen Regionalgruppen entscheiden und agieren weitgehend eigenständig. Doch auch die bundesweite Dachorganisation sitzt nicht still. Der Verein hat sich in einem offenen Brief an den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz gewandt, um nach dessen Mehrheitsbeschaffung durch die AfD ihre Besorgnis über die Zusammenarbeit der CDU mit der rechtsextremen Partei zu äußern und eine klare Abgrenzung zu fordern.
Einen weiteren offenen Brief verfasste der Verein an die Landesregierung Baden-Württemberg, um sich gegen die Beteiligung der AfD an der Bildungsmesse didacta auszusprechen. Im Namen des Vereins kritisierte der Vorstand darin die Entscheidung, der Partei dort eine Plattform zu geben, und warnte vor der Normalisierung rechtsextremer Positionen in der schulischen und beruflichen Bildung.
Für ihr Engagement verlieh der Zentralrat der Juden in Deutschland der bundesweiten Initiative 2020 den Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage; auch einige Regionalgruppen erhielten bereits Auszeichnungen, wie den Frankfurter Diversitäts- und Integrationspreis oder den Aachener Friedenspreis. Allerdings reagieren nicht alle mit Anerkennung, wie etwa der AfD-Landtagsabgeordnete Christian Blex, der die »ekligen« Omas als »abgewrackte Schabracken« beschimpfte, »die überhaupt nichts hingekriegt haben in ihrem Leben«. Mindestens eine Sache haben sie allerdings durchaus »hingekriegt«, denn Blex’ Anfeindung dient als Beweis, dass der Protest Wirkung zeigt.
Doch nicht nur Rechtsextreme scheinen sich von den Omas gegen rechts herausgefordert zu fühlen. Die Unionsfraktion stellte kürzlich im Bundestag eine Kleine Anfrage zur »politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen«, in der auch die Omas gegen rechts aufgelistet sind. Dabei ist der Verein nicht als gemeinnützig anerkannt und erhält keine staatlichen Fördergelder. Die Finanzierung erfolgt aus Spendengeldern und Mitgliedsbeiträgen. Falls eine Ortsgruppe Fördergelder erhält, dann projektgebunden und nicht als Vergütung für die teilnehmenden Mitglieder, denn die Arbeit in der Initiative oder im Verein erfolgt durchweg ehrenamtlich.
Auch beziehen weder die Initiative noch der Verein öffentlich eine parteipolitische Stellung. Die Haltung gegenüber der AfD resultiert aus den rechtsextremen Inhalten der Partei und der von ihr ausgehenden Gefährdung der Demokratie.
Die Omas gegen rechts sind eine kraftvolle und wichtige Stimme im Kampf gegen Rechtsextremismus geworden. Sie zeigen, dass Zivilcourage nicht vom Alter abhängt – und dass Beharrlichkeit sich auszahlt.
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