Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Film 1. März 2025

Wenn Geschlechterrollen ins Wanken geraten
von Nele Johannsen

Was wäre, wenn eine mysteriöse Seuche im Japan der Edo-Zeit (1603–1868) fast die komplette männliche Bevölkerung dahingerafft hätte? Diese Alternativwelt zeigt der 2023 auf Netflix erschienene Anime Ooku: The Inner Chambers, der auf dem gleichnamigen Manga von Fumi Yoshinaga basiert.

In Form einer alternativen Geschichtsbetrachtung stellt er die gesellschaftlichen Machtstrukturen des feudalen Japans infrage. Männer sind aufgrund der Seuche zur seltenen Ressource und besonders schutzbedürftig geworden. Zugleich werden sie im Sinne des Fortbestands der Gesellschaft auf ihre Rolle als Reproduzenten reduziert. Rollen, die traditionell Männern vorbehalten waren, übernehmen nun Frauen – auch Führungspositionen.
Im Zentrum der Handlung steht das Ooku, der Harem des Shoguns – ein Bereich, der in der realen Geschichte Japans von Frauen bevölkert war. Doch auch diese Position wird aufgrund des Fehlens eines männlichen Nachfolgers von einer Frau besetzt, der Harem besteht infolgedessen aus Männern, die dem weiblichen Shogun dienen.
Ooku: The Inner Chambers ist kein typischer Anime (Animationsfilm). Wer viel Action erwartet, wird enttäuscht: Die Serie setzt stattdessen auf Dialoge und historische Genauigkeit, was insbesondere für Fans der ­japanischen Geschichte, ­Tradition und Kultur spannend ist.
Historische Vorkenntnisse sind dabei zwar nicht zwingend notwendig, aber hilfreich. Das langsame Erzähltempo erfordert Geduld, und die expliziten Darstellungen von Gewalt und Prostitution können abschreckend wirken.
Dennoch bietet der Anime einen frischen Blick auf Geschlechterrollen und soziale Hierarchien und regt zum Nachdenken über patriarchale Strukturen und deren Reproduktion an. Obwohl der Manga noch reichlich Material für eine Fortsetzung der Serie bietet, hat Netflix bisher leider keine zweite Staffel angekündigt.

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