Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Soziales 1. Oktober 2025


von Wolfgang Pomrehn

Die gesetzliche Altersrente ist mal wieder unter Beschuss. Der Blackrocker im Kanzleramt findet sowieso, dass wir alle – jung wie alt – zu faul sind.

Millennials und Zoomer, also die Leute zwischen 15 und 45, sollen gefälligst den Quatsch mit der Work-Live-Balance lassen, und die Älteren, die Boomer und die Gen X, sollen sich mal ganz schnell die Rente mit 67 oder gar ihre Armutsrenten mit 63 von der Backe putzen. Rente soll es erst mit 70 geben, findet Merz’ Gasministerin Katherina Reiche. Aus den Kreisen der neoliberalen Kampftruppe Junge Union tönt Ähnliches.

Die dabei angestimmte Melodie ist die ewig Gleiche: Wir können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten, nicht das Bürgergeld, nicht das Rentensystem, die Gürtel sollen enger geschnallt werden. Ein Blick über den nationalen Tellerrand oder in die Statistiken zeigt, wie haltlos diese alte, ewig gleiche Propagandalitanei ist.

Selbst die USA, die Hochburg des Manchester-Kapitalismus, geben mit 30,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ein klein wenig mehr für soziale Ausgaben aus als Deutschland: hier sind es 30,4 Prozent. Der Unterschied ist lediglich, dass in den USA, wie übrigens auch in der Schweiz oder den Niederlanden, ein erheblicher Teil der Ausgaben über private Versicherungen abgewickelt wird, während hierzulande der private Anteil nur sehr klein ist.

Ansonsten ist bei den meisten unserer Nachbarn der Anteil der Sozialabgaben ähnlich hoch, außer in Frankreich, wo die Klasse der Arbeiterinnen und Arbeiter bekanntlich etwas widerborstiger ist. Dort beträgt er 35,1 Prozent – und kurz vor Redaktionsschluss waren mal wieder Hunderttausende auf der Straße, um diese Errungenschaften zu verteidigen. (Woraus übrigens folgt, dass die Verteidigung unserer Sozialleistungen auch ein Akt der internationalen Solidarität ist.)

Die Frage ist natürlich, wieviel von diesen 30,4 Prozent bei der Rente landet und bei wem. Ein nicht geringer Teil der Rentnerinnen und Rentner lebt am Rande des Existenzminimums. Etwas über ein Viertel von ihnen hat weniger als 1000 Euro im Monat zur Verfüdgung, heißt es beim Statistischen Bundesamt. Mehr als zwei Drittel dieser besonders schlecht Versorgten sind Frauen. 19,4 Prozent der Personen ab 65 gelten offiziell als armutsgefährdet – bei Frauen liegt die Quote um einige Prozentpunkte höher als bei Männern. Dabei reichen 1000 Euro im Monat heutzutage kaum noch aus. Die Linke fordert daher mit gutem Recht eine monatliche Mindestrente von 1400 Euro.

Aus der Rentenkasse allein ist das natürlich nicht finanzierbar. Staatliche Zuschüsse in der einen oder anderen Form müssen her und die Einnahmen verbessert werden. Das heißt, die Bemessungsgrenze muss fallen, damit künftig auch die besonders gut Verdienenden und die Beamten einzahlen. Ebenso muss der Niedriglohnsektor durch Anhebung der Einkommen verschwinden. Nach Zählung des Statistischen Bundesamtes waren hier im vergangenen Jahr 6,3 Millionen Menschen beschäftigt.

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