zusammengestellt von Norbert Kollenda
Ein einfaches Manifest, das auch acht Jahre später nichts an Aktualität verloren hat – und ein Premier, der die Menschenrechtskonvention „aufweichen“ will. Der neue Armutsbericht zeigt alarmierende Zahlen, während Jaroslaw Kaczynski zunehmend in einer eigenen Welt zu leben scheint. Wieder einmal werden Geflüchtete zum Sündenbock gemacht, die Jugend stellt sich hinter Präsident Nawrocki, und der Steinkohlebergbau steckt weiter in der Krise. Außerdem: Womit sich die polnische Bischofskonferenz befasst hat. [Norbert Kollenda]
Piotr Szczesny – ein gewöhnlicher Mann
Przeglad, 27. Oktober 2025
Im Herbst 2017 nahm sich der 54-jährige Piotr Szczesny aus Protest gegen die Regierung der PiS das Leben. Er trug ein Megafon, Flugblätter und leicht entzündbare Flüssigkeit bei sich.
„Ich liebe die Freiheit!“, rief er, bevor er die Flugblätter verteilte, sich übergoss und anzündete. Zehn Tage später erlag er seinen Verletzungen in einer Klinik.
In seinem 15-Punkte-Manifest erklärte Szczesny, dass sich seine Tat gegen eine Regierung richte, die bürgerliche Freiheiten einschränke, die Demokratie beschädige, Justiz und Polizei unterwerfe, sich feindlich gegenüber Frauen, Geflüchteten und LGBT-Personen verhalte, dem Ansehen Polens schade und die Umwelt missachte.
Das Manifest richtete er jedoch nicht an die PiS selbst – klügere und einflussreichere Menschen hätten schon versucht, sie umzustimmen. Sein Appell galt den Mitmenschen.
Für die Regierenden war sofort klar, dass dieser Mann „psychisch krank“ gewesen sein müsse. Die Kirchenoberen schwiegen; wer sich äußerte, wurde zum Schweigen gebracht.
Pfarrer Kramer aus Opole schrieb:
Herr Piotr, ich hoffe, Sie haben in Gott das gefunden, was Sie suchten. Danke für Ihren Mut!
Diese Aussage löste eine Welle des Hasses aus und brachte ihm ein „disziplinarisches Gespräch“ mit seinen Vorgesetzten ein.
Bei der Beisetzung sagte Pater Adam Boniecki, Chefredakteur von Tygodnik Katolicki:
Wir verabschieden uns von Piotr, einem Menschen, der wie ein Schrei ist, der die Stille zerreißt. Er gehörte zu denen, die schärfer sehen, die sehen, was viele andere nicht sehen, seismische Schwingungen wahrnehmen, die viele nicht wahrnehmen – die Risse in der Wand, den zerbrochenen Krug, das gebrochene Drehkreuz, die Symptome einer Katastrophe erkennen.
Nach den massiven Reaktionen wurde auch ihm verboten, sich öffentlich zu äußern.
Bischof Tadeusz Pieronek, der gemeinsam mit Boniecki die Trauerfeier leitete, blieb dagegen unbehelligt. Er bezeichnete Szczesny als einen Menschen, dessen Tat „ein verzweifelter Akt des Mutes, eines sehr großen Mutes“ gewesen sei.
Den PiS-Politikern, die Szczesny als psychisch krank abtaten, entgegnete er:
Es ist leicht, sich zu distanzieren und die Verantwortung abzustreifen, wenn man sagt: ein kranker Mensch, unzurechnungsfähig. Aber das ist nicht der Fall. Er wusste genau, was er tat. Es war eine verzweifelte, aber heldenhafte Tat.
Erst nach den Wahlen im Herbst 2023 erhielt die demokratische Opposition wieder das Mandat der Wähler:innen. Premier Tusk ehrte Piotr Szczesny, indem er im Sejm dessen Manifest verlas – sehr zum Ärger der PiS.
Zwei Jahre später sind seine Forderungen aktueller denn je: Das Justizwesen liegt im Chaos, das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps, Lehrer:innen bereiten nach der „Reform“ von Bildungsministerin Barbara Nowacka den größten Streik des Landes vor.
An der belarussischen Grenze ist die Lage heute schlimmer als zu PiS-Zeiten: Das Recht auf Asyl wurde ausgesetzt, Menschen sterben an der Grenze. Ermittlungen gegen Grenzbeamte, die Gewalt gegen Migrant:innen – darunter Frauen und Kinder – angewandt haben, wurden eingestellt, während Helfer:innen, die humanitäre oder rechtliche Unterstützung leisten, strafrechtlich verfolgt werden.
Die staatliche Hetze gegen sexuelle Minderheiten und muslimische Geflüchtete ist zwar beendet, doch die neue demokratische Regierung hat nun die Ukrainer:innen ins Visier genommen – mit dem Vorwurf, sie belasteten das polnische Budget.
Tusk stellt Menschenrechtskonvention infrage
OKO.press, 26. Oktober 2025
Premierminister Donald Tusk hat in einem Interview mit der britischen Sunday Times erklärt, eine „strenge und weitreichende“ Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) erschwere die Steuerung der Migration:
Wenn sich die 46 Unterzeichnerstaaten der Konvention nicht auf eine Reform einigen können, ist es durchaus sinnvoll, sie einfach zu kündigen.
Im Gespräch mit der Zeitung sprach Tusk über den Krieg in der Ukraine, die Sicherheit Europas und die Herausforderungen einer wirksamen Migrationspolitik.
Migration sei seiner Ansicht nach die „größte Bedrohung“ für den Westen und die EU – vor allem wegen der „zunehmend schwierigen ethnischen und kulturellen Beziehungen in unseren Gesellschaften“. Diese werde durch ein zu restriktives Menschenrechtsregime erschwert, das aus der EMRK hervorgehe.
Tusk berichtete:
Gestern habe ich unter anderem eine Stunde lang mit Giorgia Meloni [italienischen Ministerpräsidentin, Anm. d. Red.], und Mette Frederiksen [dänische Ministerpräsidentin, Anm. d. Red.], über die Möglichkeit gesprochen, verurteilte Straftäter, Vergewaltiger oder Terroristen abzuschieben. In einigen Ländern ist dies aufgrund von Gerichtsurteilen, wonach Menschenrechte deutlich wichtiger sind als Sicherheit, nach wie vor nicht möglich.
Das Problem liege, so Tusk, in einer zu engen und zugleich überdehnten Auslegung der Menschenrechtskonvention. Laut Sunday Times drängen Polen, Italien und Dänemark gemeinsam auf eine Reform des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der für die Überwachung der Konvention zuständig ist.
Armut bleibt ein zentrales Problem
OKO.press, 17. Oktober 2025
EAPN Polska – eine Koalition von Organisationen, die gegen Armut kämpfen – hat ihren jährlichen Bericht zur Armutsentwicklung in Polen veröffentlicht. Er bezieht sich auf das Jahr 2024.
Die wichtigsten Zahlen: Die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, sank von 2,5 Millionen (6,6 %) im Jahr 2023 auf 1,9 Millionen (5,2 %). Zugleich stieg die Zahl der Menschen in relativer Armut von 4,6 Millionen (12,2 %) auf 5 Millionen (13,3 %).
Extreme Armut bedeutet, unterhalb des Existenzminimums zu leben. Dieses wird vom Institut für Arbeit und Sozialrecht berechnet; Werte, die darunter liegen, stellen eine Gefahr für das Leben dar.
Das Existenzminimum variiert je nach Haushaltstyp: 2024 lag es in einem Zwei-Personen-Haushalt mit Rentner:innen bei 766 Zloty pro Person, in einem Einpersonenhaushalt mit Erwerbstätigen bei 950 Zloty.
Der Rückgang der extremen Armut sei vor allem auf die Erhöhung des Mindestlohns, die Eindämmung der Inflation und die Anhebung der 800+-Beihilfe zurückzuführen, heißt es im Bericht.
Damit kehre Polen nach einem deutlichen Anstieg im Jahr 2023 wieder auf das Niveau der Vorjahre zurück. Zwischen 2016 und 2022 schwankte der Anteil der extrem Armen zwischen 4,2 und 5,4 Prozent. Nach Einführung des Programms 500+ war es zunächst zu einem deutlichen Rückgang gekommen.
Seitdem habe es jedoch weder in der zweiten Amtszeit der PiS-Regierung noch unter der aktuellen Koalition von Donald Tusk nennenswerte Fortschritte im Kampf gegen die Armut gegeben.
Als besonders besorgniserregend bezeichnet der Bericht das Problem der „Einkommenslücke“: Da die Einkommenskriterien für Sozialhilfe seit Jahren unverändert geblieben sind, erhalten viele extrem arme Menschen keine Unterstützung mehr.
Derzeit betrifft das rund 975.000 Personen – mehr als die Hälfte aller Menschen in extremer Armut. EAPN nennt diese Situation „blamabel“. Zwar habe die Regierung Änderungen angekündigt, umgesetzt wurden sie bislang nicht.
Zudem weist EAPN auf die Zunahme der relativen Armut hin. Dr. Ryszard Szarfenberg, Vorsitzender von EAPN Polska, erklärt:
Dieser Anstieg ist eine Warnung: Wenn das Problem der Armut weiter ignoriert wird, kann das böse enden. In Zeiten wirtschaftlichen Wachstums hält der Konsum armer Familien nicht mit dem Rest der Gesellschaft Schritt.
Politische Beerdigung des Vorsitzenden
StudioOpinii.pl, 25. Oktober 2025
Krzysztof Bielejewski:
In Katowice riecht es wieder nach Mottenkugeln und Ehrgeiz. Der große Kongress der Partei Recht und Gerechtigkeit – oder besser gesagt: ein Treffen der loyalen Träume von Jaroslaw Kaczynski.
Offiziell sind es über hundert Podiumsdiskussionen und sechshundert Teilnehmende. Aber lassen wir uns nicht täuschen – das Programm der PiS entsteht nicht in Diskussionen, sondern im Kopf eines einzigen Mannes, der es nicht gewohnt ist, sich mit der Realität auseinanderzusetzen.
Zbigniew Szczypinski:
Nach dem, was man auf dem Parteitag der PiS sehen und hören kann, befürchte ich, dass es sich nicht einmal um zwei Stämme, nicht um zwei Polens, sondern um zwei völlig verschiedene Welten handelt.
Wenn ein Mann wie Jaroslaw Kaczynski – Vorsitzender der größten Oppositionspartei und seit Jahrzehnten in der polnischen Politik aktiv – in der Eröffnungsrede des Parteitags seiner Partei sagt, Polen sei bedroht, weil Deutschland und Frankreich es zerstören und uns unsere Souveränität nehmen wollten, und die gesamte Europäische Union das Böse schlechthin sei, dann muss man fragen: Lebt dieser Mann in der realen Welt oder in einer imaginären?
Dabei tobt seit Jahren an unserer Ostgrenze ein heißer Krieg zwischen Zar Putin und der Ukraine, und Polen wie auch andere Länder sind bereits Sabotage- und Hybridangriffen Russlands ausgesetzt.
Es gibt nur eine Antwort: Er ist ein völlig verblendeter Mensch, besessen von einem einzigen Gedanken – wie man Tusk vernichten kann. Das heißt: wie man ihn für lange Jahre ins Gefängnis bringen kann. Denn schließlich ist Donald Tusk – so in seiner Logik – dieser deutsche Agent, der als polnischer Ministerpräsident deutsche Interessen verfolgt.
Diese zweitägige Veranstaltung sollte den Auftakt zur Wahlkampagne für die Parlamentswahlen bilden, die spätestens in zwei Jahren stattfinden. Ich wette um alles, dass solche Themen bis dahin nicht mehr aktuell sein werden. Und das wäre der beste Beweis für den Abgang des Parteivorsitzenden und seine Deutschlandphobie.
Realistischer erscheint mir, dass es im Kern der PiS Bestrebungen geben wird, diesen alten und realitätsfernen Mann durch jemanden neuen und jüngeren zu ersetzen. Und daran mangelt es in der PiS nicht.
Rechte will Zugang zur Staatsbürgerschaft erschweren
OKO.press, 15. Oktober 2025
Seit einigen Monaten kursieren im polnischen Internet Behauptungen, wonach immer mehr Ukrainer:innen die polnische Staatsbürgerschaft erhalten würden.
In der öffentlichen Debatte ist von einer „massiven Vergabe der Staatsbürgerschaft an Ukrainer“ die Rede – und davon, dass es angeblich zu leicht sei, diese zu bekommen. Besonders stark reagieren darauf Politiker der Rechten.
Waldemar Buda von der Partei Recht und Gerechtigkeit erklärte Anfang August 2025:
Wissen Sie, wie viele Ukrainer im Jahr 2024 die polnische Staatsbürgerschaft erhalten haben? 8219 Personen! Zum Vergleich: 2023 waren es 5577! Ein enormer Anstieg.
Laut Buda handelt es sich dabei um eine „systematische Zerstörung Polens“.
Dem widerspricht die Publizistin und Osteuropaexpertin Dr. Olena Babakova, deren Artikel in der Europejska Prawda (Europäische Wahrheit) für Aufsehen sorgte:
Ein derart ausgrenzender Diskurs zerstört den sozialen Zusammenhalt, schadet der Demografie und der Wirtschaft. Mentzen und andere Politiker reagieren hysterisch, weil es derzeit Mode ist, mit einer anti-ukrainischen Haltung zu punkten. Aber das ist in jeder Hinsicht unsinnig.
Hetze gegen Migranten – für das Kapital ein goldenes Geschäft
Krytyka Polityczna, 17. Oktober 2025
Im polnischen Fernsehen TVP wurde kürzlich ein Bericht von Magdalena Raczkowska und Mariusz Sepiola mit dem Titel „Einwanderung. Ein doppeltes Spiel“ ausgestrahlt.
Darin zeigen sie Beispiele von Politiker:innen der Rechten – darunter auch aus der Konfederacja –, die Arbeitsvermittlungen für Migrant:innen betreiben und darin keinen Widerspruch zu ihrer Politik sehen. Slawomir Mentzen selbst lehnte es ab, sich zu diesem Thema zu äußern.
Seit Langem ist bekannt, dass verschiedene rechte Parteien offiziell anti-migrantische Parolen verkünden, gleichzeitig aber von der Arbeit von Migrant:innen profitieren oder sogar an deren Vermittlung mitwirken – selbstverständlich nicht umsonst.
Auf demselben Prinzip beruhte auch der sogenannte Visaskandal: Im Sommer 2023 enthüllten ausländische Medien, dass es in mehreren polnischen Konsulaten – insbesondere in Asien und Afrika – ein informelles System zur „Beschleunigung“ der Visaerteilung gab. Gegen zusätzliche, inoffizielle Gebühren sorgten Vermittler dafür, dass Ausländer:innen schneller polnische Einreisedokumente erhielten.
Polen braucht und wird dringend Arbeitskräfte brauchen – darauf weist die demografische Entwicklung eindeutig hin. Eine konsequent anti-migrantische Politik könnte dagegen die öffentlichen Dienstleistungen weiter schwächen.
Manche scheinen vergessen zu haben, dass das gesamte Gebäude des kapitalistischen Staates im Westen seit Jahrzehnten auf der Arbeit von Migrant:innen beruht. Entfernt man dieses Element, beginnt die Struktur zu bröckeln. Das westliche Modell des Sozialstaats hatte immer eine Schattenseite, die ungern gezeigt wird.
Der Mythos, Migrant:innen nähmen Einheimischen die Arbeitsplätze weg, steht in scharfem Kontrast zur Realität der polnischen Wirtschaft. In Wahrheit geht es um die Interessen des Kapitals.
Eine große Zahl von Arbeitskräften, die außerhalb des Gesetzes stehen oder ständig von Ausbeutung bedroht sind, bedeutet ein lukratives Geschäft. Das haben etwa die Eigentümer von Transportplattformen erkannt, die mit der Arbeit verzweifelter Migrant:innen – oft zu extrem niedrigen Löhnen und unter prekären Bedingungen – enorme Gewinne erzielen.
Präsident Nawrocki beruft Jugendrat ein
OKO.press, 16. Oktober 2025
Wie das Präsidialamt mitteilte, gehören dem neu gegründeten Jugendrat „40 Personen an, die verschiedene Jugendkreise vertreten: Studierende, Pfadfinder, Katholik:innen, Sozialaktivist:innen, Vertreter:innen von Jugendräten lokaler Selbstverwaltungen sowie demografische, künstlerische, patriotische, ökologische, wissenschaftliche, juristische und freiheitliche Kreise.“
Präsident Nawrocki erklärte dazu:
Ich möchte im Jugendrat freie und positiv mutige Menschen haben, die verschiedene politische Milieus vertreten – von konservativen über liberale, von rechts bis links.
Anlässlich der Ernennung des Rates hielt Nawrocki eine Rede vor Jugendlichen und beantwortete deren Fragen. Obwohl diese offiziell von Gymnasiast:innen stammten, hatte man mitunter den Eindruck, dass sie vorbereitet waren. Eine lautete etwa:
Können neue Technologien der jungen Generation zeigen, was Patriotismus und Bürgerverantwortung sind?
In seiner Rede lobte Nawrocki das „Gen der positiven jugendlichen Kühnheit“, das, wie er sagte, „Entwicklung bewirkt und uns bereit macht, nach Zielen zu streben, die irgendwo weit entfernt sind“. Dieses „Gen der Kühnheit“, so Nawrocki, sei genau das, was er als Präsident von der Jugend erwarte.
Laut einer im September 2025 durchgeführten Umfrage von United Surveys für Wirtualna Polska genießt der Präsident besonders unter jungen Menschen hohe Zustimmung: In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen bewerten 73 Prozent Nawrocki positiv, nur 27 Prozent negativ. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung liegt sein Zustimmungswert bei 57,5 Prozent.
Die Jastrzebie-Kohle GmbH steht vor dem Abgrund
Przeglad, 20. Oktober 2025
Am 14. Oktober organisierte die Gewerkschaft August 80 eine Demonstration. Nach den Worten ihres Vorsitzenden Boguslaw Zietek steht die Jastrzebska Spólka Weglowa (JSW) kurz vor dem Bankrott. Ohne staatliche Unterstützung werde das Unternehmen bis Ende des Jahres nicht mehr in der Lage sein, Löhne zu zahlen.
Bereits einen Tag zuvor hatten mehrere Gewerkschaften – darunter Solidarnosc und OPZZ – bekannt gegeben, dass in Oberschlesien und im Dabrowa-Becken ein intergewerkschaftlicher Protest- und Streikausschuss seine Arbeit aufgenommen habe.
In ihrer Erklärung heißt es:
Der Grund für diese Entscheidung ist die dramatisch schwierige Lage der Industrie in unserer Region, die sowohl den Bergbau und die Metallindustrie als auch andere Branchen betrifft, die die horrend hohen Energiepreise – eine Folge der EU-Klimapolitik – nicht mehr tragen können. Viele Beschäftigte müssen mit Lohnkürzungen rechnen. Es besteht die reale Gefahr, dass wir in Schlesien und im Zaglebie Zehntausende von Arbeitsplätzen verlieren – manche davon unwiederbringlich.
Lange Zeit galt die Region dank JSW als wirtschaftliches Paradies. Das Unternehmen ist dort der größte und praktisch einzige bedeutende Arbeitgeber.
Bergleute verdienten traditionell sehr gut, viele Frauen blieben zu Hause – ganz im Sinne des seit dem 19. Jahrhundert etablierten Familienmodells: Der Mann arbeitet unter Tage, die Frau führt den Haushalt.
Ein Bergmann an der Förderfront kann bis zu 25.000 Zloty im Monat verdienen. Die JSW zahlte ihren Beschäftigten bis zu 18 Gehälter im Jahr, dazu großzügige Prämien. Im April dieses Jahres erhielten die Arbeiter unter Tage 6.000 Zloty brutto, Beschäftigte in der Verarbeitung 4.500 und alle anderen 3.500 Zloty brutto. Selbst Frauen, die bei JSW angestellt sind, verdienten Summen, von denen viele Polinnen nur träumen können.
Am 15. Oktober wurden zudem die Gehälter der alten und neuen JSW-Geschäftsführung bekannt. Sowohl die von der PiS eingesetzten als auch die von der Bürgerkoalition (KO) ernannten Vorstände verdienten im vergangenen Jahr jeweils 5.913.140,26 Zloty. Rekordhalter ist Artur Wojtków, seit 19 Jahren Vizepräsident des Unternehmens und von der Belegschaft gewählt: Er erhielt 793.700 Zloty.
Nun aber steht das Unternehmen vor dem Zusammenbruch. Wenn JSW tatsächlich Insolvenz anmeldet, verlieren nicht nur die 32.000 Beschäftigten ihren Arbeitsplatz. Auch rund 20.000 Menschen aus Zulieferbetrieben, die ausschließlich für JSW arbeiten, wären betroffen – ebenso wie deren Familien.
Das beträfe nicht nur die Mehrheit der Bevölkerung von Jastrzebie-Zdrój, sondern auch zahlreiche Bewohner:innen von Ornontowice, Knurów, Tychy, Zory, Rybnik und Racibórz. Eine Alternative gibt es kaum – auch in Tschechien ist die Industrie in noch schlechterem Zustand.
Die Krise ist das Ergebnis jahrelanger Fehlentscheidungen. Auf Druck der Gewerkschaften wurden 32.000 Festanstellungen geschaffen – zunächst für fünf, dann für zehn Jahre.
Gleichzeitig wird die Förderung immer kostspieliger, weil die Kohle in immer größere Tiefen verlagert ist: In der legendären Grube Budryk etwa arbeiten Bergleute inzwischen in 1.290 Metern Tiefe. Dadurch steigen die Produktionskosten weiter.
Die Konkurrenz aus Übersee hat es leichter. In Australien, dem weltweit größten Konkurrenten im Bereich Kokskohle, reicht ein einziger Bagger – dort ist die Förderung billig, effektiv und weit weniger risikoreich.
Aus der Vollversammlung der polnischen Bischöfe
Episkopat.pl, 17. Oktober 2025
Eines der Hauptthemen der Vollversammlung der Polnischen Bischofskonferenz war die Situation von Migrant:innen. In der Erklärung heißt es:
Die Bischöfe appellieren daran, gute Beziehungen zu den ukrainischen Kriegsflüchtlingen zu pflegen und sich entschieden gegen jede Form der wirtschaftlichen oder instrumentellen Ausbeutung von Flüchtlingen und Migranten für politische Zwecke, Partikularinteressen oder zur Schürung fremdenfeindlicher Stimmungen in der Gesellschaft zu wehren.
Ein weiterer wichtiger Punkt war der Abschlussbericht der im Juni 2025 eingesetzten Arbeitsgruppe, die Vorschläge für die Einrichtung unabhängiger Expertenkommissionen zur Untersuchung sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Geistliche erarbeitet hat.
Die Bischöfe haben die Arbeitsversion der vorgeschlagenen Dokumente angenommen und sie zur Konsultation an die Konferenzen der höheren Oberen der weiblichen und männlichen Ordensgemeinschaften weitergeleitet. Diese Dokumente werden auch Gegenstand weiterer Arbeiten der Konferenz sein. Damit wurde ein weiterer Schritt zur Einrichtung einer unabhängigen Expertenkommission zur Untersuchung des Phänomens des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen in der katholischen Kirche in Polen getan.
Darüber hinaus appellierten die Bischöfe „an alle Menschen guten Willens, mutig Maßnahmen zu ergreifen und zu unterstützen, die zu einem dauerhaften Frieden in der Ukraine, im Gazastreifen, im Heiligen Land, im Sudan und an anderen Orten der Welt beitragen könnten, an denen Kriege toben und Menschen sterben.“
Während der Beratungen verabschiedeten die Bischöfe außerdem einen neuen Lehrplan für den römisch-katholischen Religionsunterricht in Polen, der zusammen mit neuen Lehrplänen und Lehrbüchern ab dem 1. September 2027 in Kraft treten soll.
Die Arbeiten am neuen Konzept der Pfarrkatechese sollen 2026 abgeschlossen werden und gemeinsam mit dem überarbeiteten nationalen Katechetischen Direktorium umgesetzt werden.
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