POLNISCHE PRESSESCHAU 192 vom 19.4.2023
In dieser Ausgabe: Ukrainisches Getreide in Polen verscherbelt; Vetternwirtschaft und Nepotismus der PiS, Chancen bei Herbstwahlen?; Frauen links, Männer rechts; die Oder ist weiter eine Kloake; der Papst JP II und die Polen.
Eine Woche, in der die PiS dem Getreide auf den Leim gegangen ist
okopress, 16.4.2023
Erklärungen von Beamten halfen nicht, ebenso wenig wie der Wechsel des Landwirtschaftsministers. Die Krise in der Getreidepolitik spitzte sich so zu, dass „Recht und Gerechtigkeit“ am Samstag, dem 15.April, zur ultimativen Waffe griff: dem gesundheitlich wiederhergestellten Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski, der persönlich in das Dorf Lyse reiste, um sich den Landwirten zu erklären und die neuesten, festen und endgültigen Entscheidungen der Regierung zur Getreidekrise zu verkünden.
Was war geschehen? Das Getreide, das im Transit aus der Ukraine über Polen nach Afrika verschifft werden sollte, landete auf dem polnischen Markt und die Getreidepreise purzelten in den Keller.
Die Regierung scheint sich darüber zu wundern, dabei war schon vor einem Jahr klar, dass es Probleme geben würde. Die Regierung war überhaupt nicht darauf vorbereitet und hat keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen. Schließlich ist bekannt, dass Polen eine andere Spurweite hat, es wurden keine Lagerkapazitäten an der Grenze und es standen kaum Waggons zur Verfügung bzw. diese Züge wurden auf dem Weg zu den Häfen immer wieder auf Nebengleise geleitet.
Es kam zu heftigen Protesten der Bauern, auf die lange Zeit nicht adäquat reagiert wurde, schließlich gehören 68 Prozent der PiS-Wähler zur Landbevölkerung. Nun kündigte Kaczynski den Bauern an:
– einen generellen Aufkauf von ihrem Getreide, um die Rentabilität der polnischen Produkte zu retten,
– ein sofortiges Verbot der Einfuhr von Getreide und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus der Ukraine.
Kaczynski begründete dies auch damit, dass die PiS der Ukraine helfen würde, wenn sie keine Produkte nach Polen exportiert, und im Gegensatz zur Opposition sei es die PiS, die der Ukraine hilft.
Dabei hatte im Januar der damalige Minister Kowalski noch erklärt, dass die jetzt von Kaczynski verkündeten Maßnahmen nach Absprachen der EU mit der Ukraine und der Welthandelsorganisation nicht möglich sind.
Da wird die PiS wohl die Augen zumachen, um die Einfuhr von ukrainischen Produkten nicht zu sehen. Dabei wäre es wichtiger, die polnischen Bauern so aufzustellen, dass sie konkurrenzfähig werden.
Kommentar der Europäischen Kommission tvn24.pl, 16.4.2023
„Wir haben die Erklärungen Polens und Ungarns zum Verbot der Einfuhr von Getreide und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus der Ukraine zur Kenntnis genommen. Wir bitten die zuständigen Behörden um weitere Informationen, damit wir diese Maßnahmen bewerten können“, erklärte die Kommission.
„In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass die Handelspolitik in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fällt und daher einseitige Maßnahmen nicht akzeptabel sind. In diesen schwierigen Zeiten ist es entscheidend, alle Entscheidungen innerhalb der EU zu koordinieren und zu vereinbaren“, betonte die Sprecherin der Europäischen Kommission.
Kommentar in der Polityka, am 17.4.2023:
Das von der polnischen Ministerin Buda erlassene Verbot steht nicht im Einklang mit dem EU-Recht, was die PiS jedoch nicht stört. Bedrohlich für die Partei waren die Proteste der Landwirte, die sich über zu niedrige Getreidepreise aufregten und die Einfuhren aus der Ukraine dafür verantwortlich machten. Mit der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ befreundete Unternehmen, Getreidehändler und vor allem Futtermittel- und Geflügelproduzenten haben mit ukrainischem Getreide, das eigentlich an nordafrikanische Länder hätte gehen sollen, Profit gemacht. Die Regierung weiß genau, welche Unternehmen das sind – will ihre Liste aber nicht preisgeben. Denn sie ist es, die den ungewohnten Begriff „technisches Getreide“ erfunden hat, damit es ohne Qualitätsprüfung auf den polnischen Markt kommt.
Kaczynskis Polen: ein Selbstbedienungsladen für die Seinen Przeglad, 17.4.2023
Die Menschen sind schon abgebrüht, denn jeden Tag, wenn sie nur den Laptop öffnen oder die Zeitung (nicht die der PiS) aufschlagen, schreit ihnen der nächste Skandal, die nächste Affäre entgegen.
Die Verteilung von Millionen PLN an ihre Leute verfolgt zwei Ziele – in der Gegenwart soll sie deren Loyalität stärken und in der Zukunft sollen sie die Möglichkeit erhalten, auch schwierige Zeiten durch zustehen.
Als der Bildungsminister Czarnek für Villa + attackiert wurde, weil sein Ministerium Millionen für Häuser und Wohnungen für Beschäftigte rechter Stiftungen ausgab, hieß es, dies wäre der Neid der Linken. Oft ist es gar nicht möglich, dass bei Pressekonferenzen die Opposition zu Wort kommt. Das geschah allerdings letztens, als es um die Staatlichen Forsten ging und der Fraktionsvorsitzende der Linken bekanntgab, die daraus erzielten 10 Millionen Gewinne würden nirgendwo kontrolliert und abgerechnet. Zwei Abgeordnete, Szczerba und Jonski, sind bei der Aufdeckung sehr engagiert. Sie haben ein Buch herausgegeben mit dem Titel: „Große Ernte – Wie die PiS Polen bestiehlt“.
Es wurde aber auch berichtet, wie der Arbeitgeberverband mit PiS-Leuten besetzt wurde, der in Brüssel Lobbying betreibt und von der Regierung im Jahr 2021 5,8 Millionen an Vergütungen für nur sechs Treffen erhielt.
Die Regierung hat jetzt auch Gelder bei verschiedenen Agenturen außerhalb vom Staatshaushalt, dadurch hat das Parlament darüber keine Kontrolle. Es handelt sich um ein weitverzweigtes Netz, das kaum zu kontrollieren ist. Dem Ministerium für Staatseigentum unterstehen 174 Agenturen, aber es gibt 367, die offensichtlich anderen Regierungsstellen unterstellt sind. Dabei ist davon auszugehen, dass es zu diesen staatlichen Agenturen weitere ihnen unterstellte, also Töchter- oder gar „Enkel“unternehmen gibt.
Wie das funktioniert, zeigte auch der erwähnte Arbeitgeberverband. Ihr Chef ist der Vorsitzenden der Republikanischen Partei, der beim Koalitionsvertrag Unterstaatssekretär wurde und noch andere Posten erhielt. Nun will die PiS auf jeden Fall gewinnen und schmiert weiter. Jetzt bekam der Politiker Kukiz von der Partei gleichen Namens 4,3 Millionen für seine Stiftung aus dem Fonds vom Premier in Erwartung, dass er bei der Wahl für die PiS antritt. Der Rivale des Premiers, Ziobro, hat das Geld wieder zurück gefordert, offensichtlich scheint Kukiz nicht eindeutig die PiS unterstützen.
Der Abgeordnete Robert Kwiatkowski (Demokratische Linke) meint: „Es handelt sich bei all den Aktionen der PiS nicht um irgendwelche Einzelfälle. Es hat System, es geht um den Aufbau einer neuen Elite, auch einer Geldelite. Dies erinnert an die östlichen Nachbarländer. In die Regierung geht man heute wegen des Geldes, anders als früher. Sie achten sehr darauf, dass sie in der Legalität bleiben, ansonsten wird eben schnell ein neues Gesetz verabschiedet, ganz nach ihren Bedürfnissen. Erst wird ein Gesetz gemacht und dann werden die Taschen gefüllt, Taschen vom solchen, die der PiS angehören oder mit ihnen verbunden sind. Kaczynski baut ein System von Oligarchen auf und es wird später, in der Nach-PiS-Ära, schwierig werden, das rückgängig zu machen, denn diese Gelder arbeiten dann in privaten Konten und Unternehmen. Jetzt sind sie jedoch unangreifbar, denn die Regierung hat alle entsprechenden Stellen auf ihrer Seite: die Spezialeinheiten, die Polizei, die Staatsanwaltschaft… So hat Kaczynski alle und alles in der Hand.
Warum schaden die vielen Skandale nicht der PiS Polityka, 29.3.2023
Es ist doch recht verwunderlich, wie wenig die vielen Affären, Betrügereien, Nepotismus, Vetternwirtschaft und die Aneignung öffentlicher Güter der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ schaden. Wie oft wurde schon verkündet, nun sei die Partei am Ende, jetzt hätte sie die rote Linie überschritten.
Eine Ursache ist wohl, dass es viel zu viele dieser Affären gibt, sie überlappen sich quasi in der Berichterstattung, falls diese überhaupt stattfindet bzw. von den Anhängern der PiS gelesen oder wahrgenommen wird, schließlich werden diese Berichte von „feindlichen“ Medien verbreitet. Aus Untersuchungen geht hervor, dass es Menschen gibt, die ihre Informationen nur aus den von der PiS gesteuerten Kanäle – wie TVP – beziehen. Außerdem sind die Menschen nach all den vielen Affären, die die Vereinigte Rechte produziert, abgehärtet. Viele Betrügereien sind für die Mehrheit der Leute oft zu undurchsichtig. Dazu versteht es die PiS hervorragend, Gesetze zu beschließen, die all die Ungereimtheiten – seien es Finanzen, Vorteile, Profite – durch Gesetze zu verschleiern. Der Opposition ist es von der Sache her kaum möglich, in ein oder zwei Sätzen diese Mechanismen verständlich zu erklären. Es macht sich eine Gleichgültigkeit breit. Zudem sagen sich die Leute, wenn das nicht in Ordnung ist, wird sich schon ein Gericht darum kümmern. Aber über den Gerichten stehen der Justizminister und Generalstaatsanwalt Andrzej Ziobro.
Auch die Medien, die nicht zur PiS gehören, sind oft müde sich damit auseinanderzusetzen, wissen sie doch, dass alles bagatellisiert wird und kein Regierungsmitglied je dazu Stellung nehmen wird.
Die PiS unterstützt in welchen Formen auch immer alle, die auf ihrer Linie sind bzw. diese nicht stören. Diese bilden die Eliten im Land und sie bestimmen, solange sie auf Linie sind, das Los der Menschen mit. Die Opposition sollte weniger diesen hinterher rennen, als sich vielmehr mit ihren Leuten derjenigen annehmen, die nicht zur Elite gehören – dem Volk, und auf seine Stimme hören.
Die Hoffnungen schwinden, die PiS abzuwählen Polityka, 14.4.2023
Der Optimismus der letzten Zeit ist verflogen, die Hoffnungen auf ein baldiges Ende der achtjährigen Durststrecke in der Politik haben sich zerschlagen. Noch scheint alles in den Händen der Opposition zu liegen, aber es bedarf eines deutlichen Impulses, um den Zustand der Trägheit zu durchbrechen.
Das liegt einfach daran, dass die Parteien in der Opposition sich nicht einig werden. Tusk will alle Parteien unter seinem Dach vereinen, aber da ist die Distanz zu groß. Es scheint aber auch daran zu liegen, dass sie sich an der PiS abarbeiten, anstatt ihre Ziele auszuarbeiten und der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Schließlich hören die Wähler seitens der PiS genug negative Botschaften über die oppositionellen Parteien, da muss nicht die Opposition das gleiche machen. Es geht sogar noch schlimmer, da wird viel übereinander geredet, die PO macht Polska 2050 schlecht und umgekehrt. Dabei verlieren die Anhänger von Tusk oft die PiS aus den Augen, wenn sie sich Polska 2050 in Visier nehmen.
Die Gesichter im Wahlkampf sind die alten – Tusk, Ho?ownia, Zandberg – und implizieren die alten Rivalitäten. Dabei wäre es nützlich neue, „unverbrauchte“ Politiker mit an die Spitze zu stellen. Diese sollten miteinander ein Programm ausarbeiten und ihre Zusammenarbeit der Öffentlichkeit deutlich machen.
Es soll nicht vergessen werden, dass in Umfragen die PiS nur dann etwas verloren hat, wenn es große Proteste gab, wie bei dem rigorosen Verbot des Schwangerschaftsabbruchs oder der „Justizreform“. Aber sie hat sich immer wieder davon erholt.
Jetzt sieht es ganz danach aus, dass die PiS keine eigene Mehrheit haben wird. Ob sie mit der Konferderacja koalieren wird? Schließlich ist das eine Partei mit ähnlichen konservativen, EU-feindlichen Ansichten, mit weitaus jüngeren Vertretern.
Dazu Umfrageergebnisse bei onet.pl am 11.4.: Dabei bekommt die Konferderacja den größten Zuwachs.
PiS: 33,5%; PO: 23,6%; Konferderacja: 11,8%; Lewica: 9,5%; Polska 2050: 8%; PSL: 6,5%.
Meinungsforscher zu den Chancen der Opposition:
Wichtig wäre, Menschen aus dem „Lager der Gleichgültigen“ zu mobilisieren. Es ist schon erstaunlich, dass die PiS mit ihrem 500+-Programm den Eindruck vermittelt, der Lebensstandard in Polen habe sich dadurch verbessert, und sogar die Opposition sagt, 500+ habe Polen verändert. Dabei war es aber die Erhöhung des Mindestlohnes und des Stundenlohns. Auch wurde die noch von Tusk geplante Erhöhung des Steuerfreibetrags eingeführt. Dabei ist im Bewusstsein der Menschen immer, dass die Tusk-Zeiten schlechte Zeiten waren.
Oder sollte Tusk untertauchen, so wie Kaczynski vor 2015 verschwunden ist?
Die Ersetzen von Tusk durch Trzaskowski (ehemaliger Präsidentschaftskandidat und Bürgermeister von Warschau) wäre sicherlich eine Chance, eine einheitliche Liste zu schaffen, die für verschiedene Wählergruppen akzeptabel wäre, sogar für die Linke, die einer solchen Lösung am ablehnendsten gegenübersteht. Wenn Trzaskowski realistischerweise für eine solche Lösung kämpfen wollte, würde Tusk sich darauf einlassen? Nur hat Trzaskowski nicht das Feuer in sich, das Tusk hat. Aber der Ball ist noch im Spiel.
Für Zwanzigjährige ist Konferderacja eine Alternative
www.onet.pl, 14.4.2023
Die Konferderacja kommuniziert mit ihren Wählern vor allem über soziale Medien, insbesondere TikTok. Dort hat Slawomir Mentzen, dem rund 700.000 Menschen folgen, nicht das Image eines konservativen Radikalen, sondern eines systemfeindlichen Liberalen, und es ist unklar, ob die Informationen über all seine Ansichten diese Informationsblase erreichen und dauerhaft an ihm „haften“ werden.
In einer am 11.April für „Events“ durchgeführten Umfrage erklärte sich mehr als ein Drittel der unter Dreißigjährigen (36%) bereit, für die Konföderation zu stimmen. In allen anderen Altersgruppen kam die Partei nicht über 12 Prozent hinaus.
Die jungen Anhänger der Partei achten vor allem auf die wirtschaftlichen Forderungen. Szymon, 24: „Die Politiker der Konföderation haben ein enormes Wissen über das Steuersystem und wissen, wie man dieses System rationalisieren und verbessern kann, damit der durchschnittliche Pole die Chance auf Wohlstand hat.“
Jungen Frauen sind Partner abhanden gekommen www.newsweek.pl, 13.4.2023
Die Situation wird immer wieder so oder ähnlich beschrieben: Auf der einen Seite stehen gut ausgebildete, aktive Frauen, auf der anderen passive, schlecht ausgebildete Männer. Nun kommt ein weiteres Phänomen hinzu: Die Frauen stehen auf der Linken, die Männer auf der Rechten. Es wird also auch hier schwierig für eine Frau einen Mann mit ähnlichen Ansichten zu finden. Worüber sollte eine Frau, die an „Schwarzen Protesten“ teilgenommen hat, mit einem Mann sprechen, der an den Märschen der Nationalisten teilgenommen hat?
Sie stehen an zwei Fronten. Wir haben es mit einer geschichteten, polarisierten Generation zu tun. Die Frauen stehen eindeutig links, was die Trennung von Staat und Kirche, die Abtreibung, die künstliche Befruchtung und die Lebenspartnerschaft betrifft.
Eine bestimmte Gruppe konservativer jungen Männer würde nicht für die PiS stimmen, denn die ist eine Partei der Opas. Aber für sie gibt es jetzt eine „PiS light“ – die „Konferderacja für Freiheit und Unabhängigkeit“, in ihr finden sich Monarchisten, Libertäre, Wirtschaftsliberale, Eurokritiker, Nationalisten, Konservative und Populisten.
In der Grenzregion wird gekittet Przeglad, 17.4.2023
Das, was die PiS Regierung in den Beziehungen zu Deutschland kaputt macht, versuchen die örtlichen Behörden an der Westgrenze Polens zu kitten. Die anti-deutsche Rhetorik der Regierungspartei nimmt teilweise recht kuriose Formen an. Bei seinen Reisen Ende des vergangenen Jahres hat Kaczynski immer wieder den schwarzen Peter „Deutschland“ aus den Ärmel geholt. Bis dahin, dass er sein Volk fragt, wer denn in Polen regieren soll, die Partei, die polnisch ist und spricht, die PiS, oder die Partei, die deutsch spricht und deutsche Interessen durchsetzt, die PO (der Großvater von Tusk war bei der Wehrmacht). Diese Erzählungen werden den Wahlkampf bis zum Ende begleiten.
Im Städtchen Bytom Odrzanski, dem ehemaligen Beuthen an der Oder, hat der Bürgermeister Sauter vor 20 Jahren einen Gedenkstein für einen hervorragenden deutschen christlichen Autor, Jochen Klepper, aufgestellt. Jetzt, nach 20 Jahren, kommt es zu Protesten. Sie sind gering, aber der Stein wird immer wieder als Verherrlichung der „Hitleristen“ (hitlerowiec) beschimpft. Für den Bürgermeister bedeutet es, dass wir uns langsam voneinander wegbewegen. Bisher hatte er gedacht, dass ein geschichtliches Verständnis vorhanden wäre. Die PiS versucht, eine Verständigung unmöglich zu machen. Sauter reiste vor 20 Jahren nach Pössneck, wo 50 Ehemalige aus Beuthen an der Oder wohnten. Erst war es schwierig sich zu verständigen, aber dann kamen sie auch immer wieder in ihre alte Heimatstadt. Es fanden Führungen statt, Konferenzen zur Geschichte des Ortes und der Region
Auch Czeslaw Fiedorowicz, der ehemalige Bürgermeister von Gubin, dem polnischen Teil von Guben, engagiert sich in der Grenzregion. Seit Jahren ist er im Vorstand der Euroregion Spree – Neiße – Bobr. Er hat auch für die Finanzierung der Konferenz in Bytom gesorgt. Solche Projekte seien im der Grenzregion wichtig. Schließlich haben Polen die Region nach dem 2. Weltkrieg übernommen und das Erbe ist wichtig und daran muss erinnert werden, das sei ihre Pflicht. Aber natürlich ist die Angelegenheit recht delikat, diese Gebiete gehörten seit Jahrhunderten zu Deutschland. Von der Reife der Entscheidungsträger hängt es ab, ob es gelingt. Diesseits und jenseits der Grenze gebe es schließlich ähnliche Probleme. Die Zusammenarbeit führt dazu, dass gemeinsame Werte entstehen. Deswegen ist er gegen alle Versuche, einen Keil zwischen Deutsche und Polen zu schieben. Nach seiner Meinung bestimmen Komplexe die antideutsche Rhetorik der jetzigen Regierung. Deutschland ist ein starkes Land, aber anstatt nach den Ursachen zu suchen, warum man selbst hinterher hinkt, machen sie die anderen schlecht.
Gegenseitiges Vertrauen sei wichtig, weil es Konflikte bewältigt, meint Prof. Adam Gorski von der Jagiellonen-Universität Krakau. Solche Initiativen wie in Bytom Odrzanski sind unerlässlich, um gute nachbarschaftliche Beziehungen aufzubauen. Es sei wichtig, dass die Menschen beiderseits der Grenze durch das Prisma des anderen schauen und sich nicht durch Vorurteile und Stereotypen einengen lassen, denn die sind auf beiden Seiten noch recht häufig anzutreffen. Die jeweiligen Aktiven an der Basis müssen vorangehen. Aber auch die Rolle des Staates ist nicht unbedeutend, denn er hat das Geld und bremst zu häufig die Initiativen an der Basis. Kurios sind die Forderungen bestimmter Regierungskreise, alle diesbezüglichen Initiativen würden die Genehmigung des Außenministeriums erfordern. Die Geschichte darf nicht für politische Ziele umgeschrieben werden, meint Prof. Gorski. Eine weitere Teilnehmerin sprach unter der Losung: Monolog + Monolog ist nicht = Dialog.
Die Oder hat sich nicht erholt
Polityka, 11.4.2023
Im vergangenen Sommer starben 50 Prozent der Fische, 85 Prozent der geschützten Arten und etwa 90 Prozent der Weichtiere in dem vergifteten Fluss. Dies sind keine Schätzungen von Ökologen, sondern Daten, die von Wissenschaftlern des der Regierung unterstellten Instituts für Binnenfischerei in Olsztyn erhoben wurden. Es dauert viele Jahre, bis solche Arten heranwachsen wie jene, die tot aus dem Wasser gezogen wurden. Die an den Sperren herausgefischten Fische stellten nur einen kleinen Teil der toten Masse dar. Der Rest sank auf den Grund und zersetzte sich, wodurch günstige Bedingungen für das Gedeihen unerwünschter Organismen geschaffen wurden. „Es wird warm werden, der Stoffwechsel wird sich beschleunigen und es wird zur Blütenbildung kommen“, zeichnen Wissenschaftler das Szenario.
Der Sinn eines schnellen Fischbesatzes im Fluss ist fraglich. „Die Fische brauchen eine Nahrungsgrundlage, die sie derzeit nicht haben“, sagt Prof. Czerniawski. „Wenn wir jetzt aufstocken, besteht ein 50prozentiges Risiko, dass wir Geld verschwenden. Wir wissen, dass Abwässer eingeführt werden. Die Oder ist eine Kloake in einem stabilen, aber kritischen Zustand.“
Dr. Bogdan Wziatek, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des polnischen Anglerverbands sagt über den Gleiwitzer Kanal, der zur Oder führt: „Wir haben natürlich angenommen, dass die Situation nicht rosig ist. Der Kanal wird mit Wasser unterschiedlicher Herkunft aus Teilen Schlesiens gespeist, so dass man kaum erwarten kann, dass das Wasser darin kristallklar ist. Leider haben die Testergebnisse gezeigt, dass es nicht schlecht ist, sondern einfach nur tragisch. Der Abschnitt des Kanals, in dem die Proben genommen wurden, ist im Prinzip kein Oberflächenwasser mehr, sondern reines Grubenwasser.“
Dr. Lukasz Weber, Spezialist für Umwelttechnik, kam zu dem Ergebnis, dass der Fluss zwischen dem 16.Oktober und dem 9.November 2022 zusätzlich 6000 Tonnen Salz (Chloride und Sulfate) pro Tag transportierte. Das sind 120 Kohlewaggons mit einer Kapazität von 50 Tonnen, über 140.000 Tonnen Salz in 24 Tagen.
Der Bergbau unter Tage kann nicht funktionieren, ohne große Mengen Wasser abzupumpen. Je tiefer ein Bergmann abbaut, desto salziger wird es. Man schätzt, dass ein Drittel des Salzes in der Oder und zwei Drittel in der Weichsel landen. Der Transport dieser wenigen Millionen Tonnen Salz pro Jahr ist eine Schuld des Bergbaus gegenüber den Flüssen. Bis Krakau ist die Weichsel so salzig, dass ihr Wasser unbrauchbar ist“, berichtet der Hydrologe Mariusz Czop, Professor an der Krakauer Universität für Wissenschaft und Technik AGH. „Besser wird es erst, wenn sie mit dem San zusammenfließt, der das Wasser der Weichsel verdünnt.“
Nur ein Bergwerk in Polen nutzt eine Entsalzungsanlage. Sie gehört der Jastrzebska Spóolka Weglowa (JSW), der es gut geht, weil sie Kokskohle abbaut. Die Geschichte der Entsalzungsanlage geht – wohlgemerkt – auf das Jahr 1974 zurück (sie wurde in den 1990er Jahren mit amerikanischer und schwedischer Technologie modernisiert). Offensichtlich wollte Gierek zeigen, dass ein Pole das auch kann. Jährlich werden hier ca. 70.000 Tonnen hochwertiges Speisesalz gewonnen. Anstatt in den Fluss Bierawka zu gelangen, wird das Salz auf den Markt gebracht. Krzysztof Baradziej, Präses der zu JSW gehörenden Wasserwirtschafts- und Rekultivierungsgesellschaft, macht keinen Hehl daraus, dass die Erlöse aus dem Salz derzeit nicht einmal die Kosten für den im Entsalzungsprozess verwendeten Strom decken.
Anscheinend gab es so etwas nirgendwo in Europa, denn Europa hat aus Kostengründen Zechen geschlossen, wo der Abbau schwierig, unrentabel und zu umweltschädlich wurde. Und Polen hat immer noch Probleme damit.
Einige Bergwerke haben keinen Fluss in der Nähe. Die Lösung war das Sammelbecken am Fluss Olza – eine Reihe von Reservoirs, die auf dem Gelände des ehemaligen Bergwerks Moszczenica gebaut wurden, und ein dazugehöriges Rohrleitungsnetz. Die Becken können rund eine Million Kubikmeter Abwasser aufnehmen. Sie werden im Gebiet von Krzyzanowice in die Oder eingeleitet.
Für die Einleitungen zahlt das Unternehmen 12-13 Mio. PLN pro Jahr (die so genannte Umweltgebühr) an die polnische Wasserbehörde, bei 5 g pro Kilogramm Chloride und Sulfate (50 PLN pro Tonne). Das bedeutet, dass aus den an den Olza-Sammler angeschlossenen Bergwerken 260.000 Tonnen Salz in die Oder fließen.
Dr. Krzysztof Berbeka, Professor an der Jagiellonen-Universität (Institut für Finanzen und Managementökonomie), der seit Jahren die Wirksamkeit des Umweltgebührensystems analysiert, räumt ein, dass die derzeitigen Strafsätze für Chloride und Sulfate so niedrig sind, wie sie niedriger nicht sein könnten. Sie sind einfach nur symbolisch. Außerdem wurden sie gegenüber den Zechen nicht durchgesetzt und gelten nach fünf Jahren als verjährt. Die Gebühren seien bewusst niedrig gehalten, um den Verursachern nicht „weh zu tun“, folgert er.
Es gibt keine Bereitschaft, der Oder wirklich zu helfen, die Weichsel zu schützen. Die Regierungsstellen tun alles, um die Angelegenheit z verschleppen. Man will abwarten, das Problem verschleiern. Die Frage nach einem Notfallplan für den Fall einer toxischen Algenblüte im Jahr 2023 blieb unbeantwortet.
Siehe dazu auch einen Artikel in der Berliner Zeitung vom 19.4.:
Hier gibt es Initiativen:
Polens Sicherheit bedroht durch US-TV-Kanal Polityka, 15.3.2023
Das Außenministerium hat den amerikanischen Botschafter einbestellt, der darüber informiert wurde, dass die polnische Regierung besorgt ist, dass einer der Fernsehsender, der von Kapital aus seinem Land finanziert wird, Aktionen gegen die Republik Polen unternimmt, die darauf abzielen, sich gegen die Größe und Heiligkeit von Papst Johannes Paul II. zu richten, indem behauptet wird, er habe von der Pädophilie in der katholischen Kirche gewusst, was zu einer „Schwächung der Fähigkeit der Republik zur Abschreckung eines potenziellen Gegners und Widerstandsfähigkeit gegenüber Bedrohungen“ führt.
Dies sollte das Volk zum Nachdenken bringen, denn sie hätten immer gehört, dass ihr Land stark und widerstandsfähig sei.
Piotr Glinski, Minister für Kultur und Nationales Erbe, sieht die Grundfesten des Staates bedroht, gehört doch der Große Heilige Johannes Paul II. zur Staatsraison, und ein solches Verhalten würde die Fundamente des Staates untergraben. Zudem sei dies eine innere Angelegenheit Polens; sie würden auch nicht in der amerikanischen Geschichte danach graben, ob einer ihrer Gründer nicht heilig gewesen wäre.
Pater Pawe? Gudzinski dazu: „Ein Bischof ist die Art von Vorgesetztem, der das Leben seiner Untergebenen genauestens kennt. Es erstaunt mich ein wenig, dass dies nun bewiesen werden muss. Warum aber werden diejenigen, die darüber informieren, von den Politikern an den Pranger gestellt!?“
Ansehen des polnischen Papstes steigt
Tygodnik Powszechny„, 3.4.2023
„Die neusten Umfrageergebnisse zeigen, für wieviele Polen JP II eine Autorität ist. Waren es 58 Prozent im Dezember 2022, so waren es nach Erscheinen des Filmes von Gutkowski 65 Prozent, und die Zahl ist sogar auf 72 Prozent angewachsen. Es sieht also danach aus, dass die meisten Polen anstatt eines kritischen Denkens, das Unruhe bringt, ein Gefühl der Stabilität und Verwurzelung haben wollen. In der heutigen Zeit ist das zwar überhaupt nicht abwegig, aber es sollte uns zu denken geben.“ Dies ist in der liberalen katholischen Wochenzeitung zu lesen.
Dieser „Krieg“ wird die Reste der Jugend aus den Kirchen vertreiben Polityka, 9.4.2023
In einem Interview sagt der katholische Theologe Prof. Kobylinski vom Philosophischen Institut für Ethik der Warschauer Kardinal-Stefan-Wyszynski-Universität: „Es gab eine Zeit, in der die Kirche von pädophilen Skandalen, Moral und Finanzen hätte gereinigt werden müssen. Viele Versäumnisse haben uns in diese Situation gebracht.“ Es war Karfreitag 2005 und man hörte die prophetischen Worte von Kardinal Joseph Ratzinger, an der neunten Station des Kreuzweges im römischen Kolosseum. Dort sagte er, die Kirche sei wie ein sinkendes Boot, das von allen Seiten Wasser aufnimmt, es gebe Schmutz in der Kirche. Das war das Ende des Pontifikats von Johannes Paul II. Warum befand sich die Kirche in einer so dramatischen Situation? Wer ist dafür verantwortlich? Warum hat niemand darauf gehört?
Die Frage, ob es denn möglich sei, eine unabhängige Kommission zu bilden, die sich mit all den Skandalen befasst, verneint er. Bisher waren alle Kommissionen, die sich mit geschichtlichen Fragen befassten, eine Fiktion, entweder fingen sie gar nicht erst an zu arbeiten, oder sie wurden schnell wieder aufgelöst.
Die Bischöfe mögen unterschiedliche Meinungen haben, aber entweder schwiegen sie oder sie sprachen mit einer Stimme. Eine Ausnahme gibt es jetzt, und die ist einmalig. Da spricht Erzbischof Jedraszewski im Zusammenhang mit der Veröffentlichung über JP II von einem zweiten Anschlag auf das Leben des Papstes; sein Untergebener Weihbischof Muskus meint, die Zurschaustellung eines Bildes von JP II werde „das Gesicht dieser Erde nicht verändern“. Allerdings sieht Prof. Kobylinski darin keine Umkehr in der Kirche. Es gibt immer weniger Interessenten für die Priesterlaufbahn, sodass die intellektuellen und persönlichen Anforderungen heruntergeschraubt werden, dabei sind die heutigen Priester diesbezüglich bereits auf einem niedrigen Niveau.
Was die Trennung von Kirche und Staat anbelangt, so gibt es schon lange Probleme und die sind jetzt gewachsen. Nun haben sich in den letzten Wochen die beiden medialen Blasen vereinigt. „Der Krieg um Johannes Paul II. wird weitreichende negative Folgen haben. Wir waren schon vor dem Ausbruch dieser Affäre tief in zwei feindliche, hasserfüllte Stämme gespalten, aber es gab noch eine kleine Chance auf einen Dialog. Die jüngste Zeit hat die politische Szene betoniert. Und es gibt keine Chance, diese tiefe Spaltung in den nächsten drei Jahren zu überwinden, die von vier Wahlkämpfen – vom Parlaments- bis zum Präsidentschaftswahlkampf – geprägt sein werden.“ Das heißt, um es brutal auszudrücken, Johannes Paul II. wird als politischer Hammer gegen Hexen eingesetzt werden? „Das ist er bereits und wird es zunehmend sein.“
Die Hysterie zeigt sich am Beispiel der Einbestellung des USA-Botschafters, der das stärkste Land der Welt und unseren wichtigsten Partner repräsentiert, unter dem Vorwand, es würde ein hybrider Krieg gegen Polen geführt. Der Anlass war, dass der Sender, der diese kritische Dokumentation ausgestrahlt hat, amerikanische Eigentümer hat. Dies sollte in das Guinness Buch der Absurditäten eingehen.
Auf der einen Seite werden jetzt Märsche und Kundgebungen zur Verteidigung von JP II durchgeführt, auf der anderen werden die Beseitigung seiner Denkmäler und der Rückzug der Religion aus der Politik fordern. Dies wird die Kirche in ein weiteres Abseits führen, die letzten jungen Leute werden der Kirche den Rücken kehren. Alle Vorschläge für Aufarbeitung und Reformen der Kirche werden als ein Kampf des Antichristen angesehen.
Seitens des jetzigen Papstes ist keine Hilfe zu erwarten. „Für den Vatikan spielt es keine Rolle, was in Polen geschieht. Deshalb wird uns niemand helfen, unseren mörderischen Religionskrieg zu beenden.“
Gefühle der Opfer mit Füßen getreten studioopinii.pl, 3.4.2023
Der 2.April 2023 (Todestag 2005) wird in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem der Mythos Johannes Paul II., neben der Resolution im Sejm, Einzug in die Politik hielt. An dem Tag war das Volk aufgerufen, zum Schutz des guten Namens dieses polnischen Papstes auf die Straße zu gehen. Dabei gab es keine Aussagen über den Anlass des Marsches. Dadurch wurde dieser Mythos eher ins Lächerliche gezogen. Dabei wurden die Leiden der Opfer vollkommen ausgeblendet. Oder war es ein Marsch zur Verteidigung der Pädophilen in Soutanen und derer, die sie über Jahrzehnte geschützt haben, wie die Gegner sagten? Dabei wollen Kirche und Regierung Beweise für die Vertuschung durch JP II aus der öffentlichen Erinnerung verbannen, wie üblich bei Autoritären. Aber es wird nicht gelingen. Schon jetzt zeigen sich Memes, die den Papst lächerlich machen, und es werden immer mehr. Und es verbreiten sich Figürchen von ihm ähnlich den Gartenzwergen – dies ist nur lächerlich.
Der Dominikaner Marcin Mogielski wechselt die Kirche studioopinii.pl, 9.4.2023
Nach 29 Jahren im Dienste der katholischen Kirche schreibt er auf Facebook:
„Ihr Lieben, nach harten Jahren des Einforderns der kirchlichen Institution, sich auf die Seite der Misshandelten und Ausgegrenzten zu stellen, habe ich festgestellt, dass dieses System keine Veränderung will. Meine Hände sind zu kurz und die Macht, die sie über mich haben, ist stark und effektiv. Ich bin immer noch Christ, aber in der evangelisch-lutherischen Kirche.“
In seiner letzten Predigt in seiner katholischen Kirche in Wroclaw brandmarkte er, dass die Kirche Wasser predigt und Wein trinkt. „Jesus wurde rausgeworfen. Ohne ihn werden die Geistlichen nur schöne Gewänder tragen, Fassaden der Kirchen reparieren. Bald wird bei der Kirche kein Stein mehr auf dem anderen bleiben, wie einst beim Tempel von Jerusalem.“ Die Predigt schloss er mit einem Gebet für die Umkehr der Bischöfe, „damit sie ihre Macht nicht für ihre eigenen politischen und geschäftlichen Ziele missbrauchen. Sie mögen auf der Höhe ihrer Aufgaben stehen, die sich um ihre Schafe sorgen und nicht um sich selbst!“
In Polen sind die meisten Mitglieder in der evangelischen Kirche ehemalige Katholiken. Dazu St. Obirek: „Im 16. Jahrhundert zog ein ehemaliger Augustinermönch das halbe katholische Deutschland mit sich; in der Schweiz war der Zürcher Pfarrer Huldrich Zwingli sehr erfolgreich. In beiden Fällen ging es wie im Fall von Mogielski um die Rückkehr zu den Wurzeln des Christentums.“ Ob es in Polen auch dazu kommen könnte?
Die Polen, der Papst und die Kirche Polityka, 14.4.2023
Als 2019 der Film der Gebrüder Sekielski über Pädophilie in der Kirche veröffentlicht wurde, war noch kein Platz für einen offenen Angriff auf die Institution. Drei Jahre später kann man mit der Kirche wie mit einem Ball spielen und sie von links nach rechts über das ganze Feld kicken. Die Kirche verliert ihre Gläubigen und hört auch auf, eine Institution des öffentlichen Vertrauens zu sein. Aber das hat nichts mit dem Umgang mit Johannes Paul II. zu tun. Das mag für den einen oder anderen beleidigend klingen, aber wir sprechen hier von einer Figur, die den Status eines Prominenten hat. Und sogar noch mehr als das. Als der Papst nach Polen kam, war es wie die Ankunft eines Superstars. Ein halbes Jahr wurde sich darauf vorbereitet.
Für die Polen ist Johannes Paul II. natürlich ein Papst, aber vor allem ein polnisches Symbol. Ein Beweis dafür, dass die Polen wichtig sind, dass sie respektiert werden. Wir sind sehr empfindlich, wenn es darum geht, von anderen respektiert zu werden, und das kommt von unseren Komplexen. Johannes Paul II. war derjenige, der es geschafft hat. Derjenige, dem die ganze Welt zugehört hat.
Die größte Offenheit für Kritik an Johannes Paul II. ist bei den Jüngsten zu beobachten, die bereits am Rande des Pontifikats oder nach dem Tod des polnischen Papstes aufgewachsen sind. Für sie ist er ein alter Mann in Kleidern. Wahrscheinlich mit einem Sinn für Humor, denn jemand hat ihm ein Meme geschickt, auf dem er ein lustiges Gesicht macht. Aber im allgemeinen assoziieren sie nichts mit ihm. Sie lachen nicht über ihn, nicht weil sie eine schlechte Einstellung zu ihm haben, sondern weil sie keine Gefühle für ihn haben.
Bei der Wahlkampagne kommt der PiS entgegen, dass die Polen die Sehnsucht nach einer Autorität haben, besonders weil die PiS während ihrer langen Regierungszeit sich sehr darum bemüht hat, Autoritäten auszuschalten. Durch die Haltung der Bischöfe zu dem Gesetz über das Verbot der Abtreibung hat die Kirche ihre Autorität verloren. Seitdem (2020) wenden sich in immer größerem Tempo Menschen von der Kirche ab.
POLNISCHE PRESSESCHAU 191, 04.04.2023
Dudin: Mehr linke Politik wird helfen, den Krieg zu gewinnen
4.4.2023
Interview mit Witali Dudin im linkskatholischen Magazin kontakt vom 21.Februar 2023. Das Interview führte Ignacy Jó?wiak
Wir müssen den Krieg gewinnen, aber dazu müssen wir auch ein Sozialsystem aufbauen, das den Bürgern dient. Beschlagnahmen wir das Vermögen der Oligarchen, verstaatlichen wir das Energiesystem, erlassen wir die Auslandsschulden, verhindern wir eine humanitäre Katastrophe.
Vitaly Dudin, Doktor der Rechtswissenschaften und Mitbegründer der ukrainischen sozialen Bewegung, im Interview mit Ignacy Jó?wiak, Aktivist der Gewerkschaft Arbeiterinitiative IP
Was ist die Soziale Bewegung und warum wurde sie gegründet?
Wir sind eine soziale Organisation, die sich dem Schutz der Arbeitnehmerrechte verschrieben hat und für eine gerechtere Gesellschaft kämpft, die sich um die Bedürfnisse der Menschen kümmert und nicht um die Profite von Konzernen oder Oligarchen. Wir haben die Soziale Bewegung 2015 gemeinsam mit Aktivisten aus Gewerkschaften und Experten aus verschiedenen Disziplinen – Recht, Gender Studien, Wirtschaft – gegründet, die zuvor in verschiedenen linken Organisationen aktiv waren.
Was geschah im Jahr 2015?
Die ukrainische linke Bewegung löste sich auf. Die Parteien der alten Linken wurden als Agenten des russischen Einflusses diskreditiert, sie verloren Mitglieder, später wurden ihre Aktivitäten per Gesetz eingeschränkt. Und die Regierung nutzte dieses Argument, um die Aktivitäten anderer linker Bewegungen einzuschränken, auch solcher, die nichts mit ihnen zu tun hatten. Sie begann, sozialistische Ideen per Definition als anti-ukrainisch darzustellen.
Und wie weit reicht die Geschichte der Linken in der Ukraine zurück?
Wir haben eine sehr lange Geschichte der sozialistischen Bewegungen. Vor hundert Jahren waren fast alle wichtigen Persönlichkeiten, die die Ukrainische Volksrepublik mitbegründet haben, Sozialisten verschiedener Fraktionen. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR wurden verschiedene linke Parteien gegründet, darunter die Sozialistische Partei, eine der größeren, die für soziale Gerechtigkeit kämpfte und Proteste gegen die korrupte Herrschaft von Kutschma organisierte. Aber nach dem Maidan scheiterte sie, brach zusammen, hatte keine Unterstützung und wurde von allen möglichen politischen Gangstergruppen übernommen. 2017 übernahm Ilja Kiva – der früher ein nationalistischer Aktivist war, jetzt aber in Moskau lebt und einen Atomangriff auf Kiew erwartet – die Partei.
Die Soziale Bewegung wurde also nach dem Maydan gegründet, und Sie haben bei Null angefangen?
Wir haben Erfahrung in der Arbeit mit Gewerkschaften und Studentenverbänden, aber unsere Aktivitäten sind begrenzt. Unsere Basis ist in Krzywy Rog, wo wir mit Gewerkschaftern im Industriesektor arbeiten, und wir haben auch einige Aktivisten in Kiew und Dnipro. Wir haben uns an Protesten gegen Änderungen des Arbeitsrechts oder die Anhebung des Rentenalters beteiligt. Unser Ziel ist es, uns in eine Partei umzuwandeln, um mehr Einfluss auf die Politik nehmen zu können, die vollständig von Neoliberalen und Nationalisten übernommen worden ist. Das derzeitige System arbeitet nicht im Interesse der Arbeiterklasse und wird es auch nicht tun.
Wie war die wirtschaftliche Lage und die Position der Arbeitnehmer in der Ukraine vor dem Krieg?
Die Wirtschaft der Ukraine arbeitet für die Profite der Oligarchen. Wir sind auf die Rolle einer Peripherie reduziert worden, unser Bildungs- oder Wissenschaftspotenzial ist geringer als zu Sowjetzeiten. Wir haben der Welt heute nichts zu bieten außer billigen Arbeitskräften, natürlichen Ressourcen und einigen Überresten des Industriesektors. Und das liegt daran, dass es in den 1990er Jahren zu einer weitreichenden Deindustrialisierung kam, der wirtschaftliche Zusammenbruch eine hohe Arbeitslosigkeit und eine Massenabwanderung aus der Westukraine nach Polen, Deutschland und anderen EU-Ländern zur Folge hatte. Und als 2017 weitere Grenzübergangsbeschränkungen aufgehoben wurden, kamen Arbeitskräfte aus den zentralen und östlichen Teilen des Landes hinzu.
Ein Jahr ist vergangen, seit die russische Invasion in vollem Umfang begann. Wie hat sich der Krieg auf die ukrainische Wirtschaft, die sozialen und Klassenbeziehungen ausgewirkt?
Ein Krieg ist eine Tragödie für alle Teile der Gesellschaft, aber die Arbeiterklasse leidet immer als erste. Viele Menschen haben ihre Arbeit verloren, viele haben das Land verlassen, weil sie um ihr Leben und das Leben ihrer Angehörigen fürchteten. Es war auch von Anfang an klar, dass die Regierung auf der Seite der Reichsten, der Oligarchen und der Konzerne stand. Das zeigte sich bereits einige Tage vor der Invasion – Zelenski traf sich mit Vertretern des Großkapitals, und unmittelbar nach dem Krieg verabschiedete der ukrainische Rat ein Paket arbeitnehmerfeindlicher Reformen, die Liberalisierung begann in vollem Umfang. Das zeigt sehr schön, wen die Regierung als Partner und gesellschaftliche Basis betrachtet.
Um welche Art von Reformen handelte es sich?
Beginnen wir mit der Tatsache, dass die Ukraine vor dem Krieg noch das Arbeitsgesetz von 1971 hatte, das trotz der vielen neoliberalen Reformen der letzten dreißig Jahre relativ arbeitnehmerfreundlich ist. Es gab die Möglichkeit, vor Gericht gegen säumige Arbeitgeber oder rechtswidrige Entlassungen vorzugehen, und die Gerichte stellten sich mit überwältigender Mehrheit auf die Seite der Arbeitnehmer.
Schon vor einigen Jahren gab es Bestrebungen, diese Rechte einzuschränken.
Ja, bereits 2019 versuchte die Regierung, weitreichende Änderungen des Arbeitsrechts einzuführen, die eine Deregulierung der gesamten ukrainischen Wirtschaft ermöglichen würden, aber den Gewerkschaften gelang es, diese zu blockieren. Diesmal war es noch schwieriger, denn aufgrund des Kriegsrechts konnten wir weder Entlassungen verhindern noch Streiks oder Proteste organisieren.
Welche konkreten Gesetze wurden verabschiedet?
Es wurden vier Gesetze zur Änderung des Arbeitsgesetzes verabschiedet. Das erste Gesetz ermöglichte die Aussetzung von Einzelarbeitsverträgen, d.h. die Einbehaltung von Löhnen, die Aussetzung von Tarifverträgen und die Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf bis zu sechzig Stunden. Das zweite Gesetz schuf neue Gründe für die Entlassung von Arbeitnehmern. Das dritte gab kleinen und mittleren Unternehmen – also solchen mit bis zu 250 Beschäftigten – Vorzugsbedingungen bei der Einstellung. Und mit dem letzten Gesetz wurden die in der angelsächsischen Welt so genannten Null-Stunden-Verträge eingeführt, d. h. unbefristete Arbeitsverträge, die jedoch keine Garantie für eine dauerhafte Beschäftigung bieten. Dabei gibt es kein festes Gehalt, sondern man wird nur für die Erfüllung von Aufgaben bezahlt, die der Arbeitgeber verlangt, wobei man nicht weiß, wie viele Stunden das sein werden. Darüber hinaus wurden Moratorien für verschiedene Kontrollen und Sanktionen der Arbeitsaufsicht verhängt – wenn ein Arbeitgeber beispielsweise keine Beiträge für seine Mitarbeiter zahlt, hat das keine Konsequenzen. Auch die Entlassung von Arbeitnehmern im Krankheitsfall oder während des Jahresurlaubs wurde erleichtert.
Wie hat die Öffentlichkeit darauf reagiert?
Sie hatte keine Zeit zu reagieren, denn die meisten dieser Änderungen wurden im Eilverfahren eingeführt. Halyna Tretiakowa [Abgeordnete der Regierungspartei, Vorsitzende des Ausschusses für Sozialpolitik – Anm. d. Red.] stellte sie am 10. März vor, sie wurden am 16. verabschiedet und traten am 24. in Kraft. Dies ist eine der am schnellsten umgesetzten neoliberalen Reformen in der europäischen Geschichte. Dies geschah unter Kriegsbedingungen und daher ohne öffentliche Debatte, so dass die Öffentlichkeit kein Mitspracherecht und keine Möglichkeit hatte, sich dagegen zu wehren. Anfangs waren die Menschen noch der Illusion erlegen, dass dies alles nur vorübergehend sei und rückgängig gemacht werden würde, wenn sich die Kriegslage änderte. Doch nach der Befreiung von Kiew oder Tschernigow änderte sich nichts.
Welche Argumente hat die Regierung vorgebracht?
Es wird alles als vorübergehende, notwendige Maßnahme in Kriegszeiten dargestellt, um die Beschäftigung zu fördern. Aber wir wissen bereits, dass es nicht funktioniert. Die Arbeitslosigkeit ist auf 30 % angestiegen. Die Realität zeigt, dass die Liberalisierung der Arbeitsbedingungen weder der Wirtschaft noch den Arbeitnehmern dient, dass das ganze neoliberale Dogma, wonach durch die Gestaltung der Gesetze zugunsten der Unternehmen neue Arbeitsplätze geschaffen werden sollen, Unsinn ist. Außerdem ist es schwierig festzustellen, inwieweit die Arbeitgeber diese neu erworbenen Instrumente nutzen und missbrauchen. Keiner weiß es, es gibt keine öffentlichen Daten.
Offiziell sind viele Formen des Widerstands während des Kriegsrechts verboten – Streiks, Proteste, Versammlungen. Aber soweit ich weiß, gab es Widerstand in der Novovolynsker Mine, es gab Proteste in Krzywy Rog oder Kiew. Gab es seit dem Ausbruch des Krieges illegale Streiks?
In der Ukraine gibt es nur wenige Streiks, selbst in Friedenszeiten – es gibt keine Streikkultur in unserem Land, wir haben eine schwache Arbeiterbewegung. Es gibt ziemlich viele Möglichkeiten, als Gewerkschaft aufzutreten und Arbeitnehmer vor Entlassungen zu schützen, aber Streiks sind sehr selten.
Im Rahmen des Kriegsrechts wurden öffentliche Versammlungen verboten, die jedoch manchmal stattfinden und nicht immer mit Verhaftungen einhergehen – vieles hängt von der Situation und der Entfernung der betreffenden Stadt von der Frontlinie ab. In Iwano-Frankiwsk gab es einen Protest von Krankenschwestern wegen verspäteter Gehaltszahlungen. Wir haben ein sehr komplexes System zur Finanzierung von Krankenhäusern, und es kommt zu merkwürdigen Situationen, wenn Menschen nicht bezahlt werden, und die Leitung sagt, es sei nicht ihre Schuld und sie könne nichts dagegen tun. In Iwanofrankiwsk hatten die Krankenschwestern Erfolg.
Ihr habt euch auch für den Erlass der internationalen Schulden der Ukraine eingesetzt.
Das war unsere Forderung schon vor dem Ausbruch des Krieges, und dann stellten wir fest, dass sie mehr und mehr akzeptiert und geteilt wurde und das Potenzial für eine internationale Mobilisierung hatte. Nicht die ganze Welt konnte an der Front mit uns kämpfen, aber die Menschen in allen Teilen der Welt konnten ihre Regierungen zum Erlass der ukrainischen Schulden drängen. Dies könnte auch einen Präzedenzfall für andere Länder schaffen, die durch Auslandsschulden gefesselt und verstrickt sind. In diesem Zusammenhang könnte ein breites Netz internationaler Solidarität aufgebaut werden.
Wie hat die Regierung auf diese Forderung reagiert?
Die Regierung hatte Angst vor solchen Forderungen, weil sie ihre Beziehungen zum Internationalen Währungsfonds oder zu anderen internationalen Organisationen auf keinen Fall gefährden wollte. Sie wollte ein Primus sein, um zu zeigen, dass wir selbst im Krieg, wenn die Menschen nur begrenzten Zugang zu allen Arten von öffentlichen Dienstleistungen haben und der Lebensstandard radikal sinkt, immer noch verantwortlich sind und alles zurückzahlen werden. Ebenso wenig wurde beschlossen, das Vermögen der ukrainischen Oligarchen zu beschlagnahmen. Was funktioniert hat, ist die Aussetzung der Schuldenrückzahlungen an die Vereinigten Staaten, die im letzten Jahr vom Kongress beschlossen wurde.
Und wie beurteilst Du das immer wiederkehrende Thema der Friedensgespräche mit Russland?
Das Haupthindernis für den Frieden sind die blutigen Ambitionen des Kremls. Putin wird nicht aufhören, und Friedensgespräche werden ihn sicher nicht aufhalten. Wir müssen den Krieg gewinnen, aber dazu müssen wir auch ein Sozialsystem aufbauen, das den Menschen dient. Wir müssen das Vermögen der Oligarchen beschlagnahmen, das Energiesystem verstaatlichen, die Auslandsschulden streichen, eine humanitäre Katastrophe verhindern. Die Regierung spricht davon, den Krieg fortzusetzen, unternimmt aber nichts, um die Fähigkeiten der ukrainischen Frauen und Männer zu stärken. Wir denken, dass die Einführung linker Reformen nicht nur eine gerechtere Gesellschaft schaffen, sondern auch helfen würde, den Krieg zu gewinnen.
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Die linke Gewerkschaft Arbeiter Initiative hat regen Kontakt in die Ukraine und führte ein Treffen durch: „Arbeiter in Zeiten des Krieges.Internationale Treffen mit Gewerkschaftern aus der Ukraine“
Das Treffen in Pozna? (23.3.2023) bildete den Abschluss einer Reihe von internationalen Gesprächen mit ukrainischen Gewerkschaftern: Juri Samoilow – Vorsitzender der Unabhängigen Bergarbeitergewerkschaft der Ukraine in der Stadt Krummhorn und Koordinator des Lokalen Bundes der Unabhängigen Gewerkschaften – und Maryna Samoilowa – Bergarbeiterin und Mitglied des NZGU. Die Treffen am Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine wurden von der Arbeitnehmerinitiative in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Gewerkschaftsnetzwerk für Solidarität und Kampf organisiert.
Krzywy Róg ist eines der größten Eisenbergbauzentren der Welt und auch ein Zentrum des Arbeiterwiderstands, wo kurz vor dem Krieg Bergleute Massenstreiks und Besetzungen von Bergwerken und Eisenbahnen organisierten. Zwischen Saporoshje und Cherson gelegen, befand es sich lange Zeit in der Nähe der Frontlinie. Wichtige Infrastrukturen, Fabriken und Bergwerke sowie öffentliche Gebäude wurden ein Jahr lang von russischen Raketen beschossen. Infolge der Luftangriffe fehlt es in der Stadt regelmäßig an Strom in Privathäusern sowie an Straßenbeleuchtung und Arbeitsplätzen, was für die Bergleute bedeutet, dass sie unter Tage eingeschlossen waren
In Krzywy Rog waren rund 30 Prozent der Beschäftigten in den Minen Frauen. Im Jahr 2020 streikten mehrere Hundert Bergleute 46 Tage lang unter Tage und 6 000 protestierten draußen. Die Bergarbeiterinnen und die Ehefrauen der Bergleute organisierten eine Mahnwache in Kiew und Blockaden in Krzywy Rog. In der Folge erhielten die Bergleute eine Lohnerhöhung von 25 Prozent. Die Bergarbeiterinnen ersetzen nun Hunderte von männlichen Bergarbeitern, die mobilisiert wurden oder sich freiwillig der Armee angeschlossen haben. Auch unter den Gewerkschaftern, die an der Front kämpfen, sind Frauen vertreten, allerdings in geringerer Zahl. Der Kriegszustand hat erhebliche Auswirkungen auf ihre Arbeitsbedingungen. Die Arbeit wird durch den Beschuss gefährlicher, einige Gesundheits- und Sicherheitsvorkehrungen wurden abgeschafft, so dass sie sich während der Ausgangssperre nicht in der Stadt bewegen können, und die Bergleute arbeiten in zwei Schichten (nachts und tagsüber) zu je 12 Stunden. Gleichzeitig wurden ihre Löhne um bis zu 200 Euro pro Monat gekürzt.
Derzeit liegt die offizielle Arbeitslosenquote in der Ukraine bei 35 Prozent. In diesen Zahlen sind jedoch Produktionsrückgänge aufgrund von Logistikproblemen oder Raketenangriffen nicht berücksichtigt. Bei Krzywy Rog ist die Produktion auf 30 Prozent des Vorkriegsniveaus gesunken, so dass eine beträchtliche Zahl von Arbeitnehmern zu schlecht bezahlten Arbeitsunterbrechungen gezwungen ist. Gleichzeitig kämpfen Tausende von Gewerkschaftern und Arbeitern an der Front. Es ist die Arbeiterklasse, die mit überwältigender Mehrheit für die Ukraine kämpft. Ein Teil der Elite hat sich in ausländische Urlaubsorte geflüchtet und wird deshalb scherzhaft als „Bataillon Monaco“ bezeichnet. Dies verändert die Beziehungen zwischen den Gewerkschaftsmitgliedern und wirft ein neues Licht auf die Rolle, die die Gewerkschaften in der Kriegsrealität spielen und beim Wiederaufbau nach dem Krieg spielen werden.
Diejenigen, die an der Front kämpfen, sind nach wie vor Gewerkschaftsmitglieder. Wenn es an Versorgungsgütern mangelt, ist es die Gewerkschaft, die sie mit den Dingen versorgt, die sie unter Kriegsbedingungen brauchen: Generatoren, Solarbatterien, Kleidung, Schlafsäcke, Erste-Hilfe-Kästen und anderes medizinisches Material, Lebensmittel. Sie vergessen auch nicht die Gewerkschafter und ihre Familien, die sich noch in Krzywy Rog aufhalten. Die Stromknappheit führt zu einem erhöhten Bedarf an reflektierenden Westen, Taschenlampen, Geräten zum Aufladen oder zur Stromerzeugung. Kinder, die online unterrichtet werden, haben einen besonderen Bedarf, was angesichts des Strommangels eine Schwierigkeit darstellt. Juri Samoilow betonte, dass die Bergarbeiter gleichzeitig an zwei Fronten kämpfen, nämlich im Krieg und in der Ausbeutung, und dass „die ukrainische Arbeiterklasse ein neues Kriegswerkzeug erworben hat – das Gewehr“. Dies sei einer der Gründe, warum die Bosse bisher nicht alle von der Regierung während des Krieges eingeführten Deregulierungen des Arbeitsrechts umsetzen. Die Gewerkschafter setzen ganz einfach Änderungen zu ihren Gunsten durch, wie z.B. die Aussetzung der Zahlungen am Arbeitsplatz für Zeiten des Militärdienstes, was zeigt, wie wichtig es ist, männliche und weibliche Arbeitnehmer an beiden Fronten des laufenden Kampfes zu organisieren.
Während des Treffens in Pozna? wies Jaros?aw Urba?ski – Mitglied der Nationalen Kommission der Arbeitnehmerinitiative – auf die Notwendigkeit hin, die Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern in Polen, der Ukraine, Weißrussland und anderen osteuropäischen Ländern auszubauen. Bislang haben wir aus verschiedenen Gründen hauptsächlich mit Organisationen aus westeuropäischen Ländern zusammengearbeitet. Die aktuellen Ereignisse zeigen jedoch, dass die Situation in Osteuropa entscheidend sein kann. Wie sich die Position der Arbeitnehmer in der Ukraine entwickelt, wird in naher Zukunft für die gesamte Arbeiterklasse in Europa von entscheidender Bedeutung sein. In der Tat werden die Arbeitsbedingungen dort den Standard für die Arbeitnehmer in Polen und anderswo setzen. Wir stehen vor zwei Szenarien. Entweder entstehen in Osteuropa neue soziale Beziehungen, die die Arbeitnehmer stärken, oder wir werden noch jahrelang ein Reservoir billiger Arbeitskräfte für das westliche Kapital bleiben, was auch die Löhne und die Verhandlungsposition der westlichen Arbeitnehmer senkt.
In der Diskussion ging es unter anderem um die Aktivitäten der Arbeitnehmerinitiative unter Migranten und Migrantinnen aus der Ukraine, um die Notwendigkeit, den Plan für den Wiederaufbau der Ukraine aus der Sicht der Arbeitnehmer zu diskutieren, um die Entwicklung der transnationalen Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und sozialen Bewegungen in Osteuropa. Wenn wir über eine breite internationale Zusammenarbeit nachdenken, dürfen wir nicht vergessen, dass es in Russland mehr als 70 Millionen Arbeitnehmer gibt, die ebenfalls eine Krise erleben (und von denen sich einige vielleicht bald zur Emigration entschließen werden), so dass wir trotz unserer kritischen Haltung gegenüber Russland auch die dortige Situation im Auge behalten und für oppositionelle Kreise der russischen Arbeiterklasse im In- und Ausland offen bleiben sollten. Trotz unserer kritischen Haltung gegenüber Russland müssen wir auch bedenken, dass das Land nicht homogen ist. Es ist auch möglich, dass wir bald eine Massenmigration verarmter russischer Arbeiter erleben werden, die neben uns in den Betrieben arbeiten werden. Wir waren uns ferner einig, dass es notwendig ist, über die Entwicklung der Gewerkschaften aus unserer Region angesichts der Entwicklung des globalen Kapitals zu diskutieren.
Wenn du dich an der Sammlung beteiligen möchtest, um den Gewerkschaftern in Krzywy Rog zu helfen, besuche die entsprechende Seite des International Trade Union Solidarity and Struggle Network.
Quelle: Internetseite des Allgemeinen Gewerkschaftsverbandes Arbeiter Initiative (OZZIP) https://ozzip.pl/, 30.3.2023
Gericht verfügt Verbot der Arbeiten an der Oder – die Regierung interessiert es nicht
Wyborcza.pl, 14.3.2023
Marek Gróbarczyk, stellvertretender Minister für Infrastruktur und Regierungsbevollmächtigter für Wasserwirtschaft, bezeichnete das Urteil des wichtigsten polnischen Verwaltungsgerichts als idiotisch.
Es geht um Regulierungsarbeiten an der Oder, die nach Ansicht des Gerichts in erster Instanz zu irreversiblen Umweltschäden führen könnten, wenn sie nicht eingestellt werden. Trotz des Urteils des WSA (Verwaltungsgericht der Woiwodschaft) wurden die Arbeiten an etwa 74 Ausläufern in den Woiwodschaften Westpommern und Lebuser Land weitergeführt.
Nach Ansicht polnischer und deutscher Umweltorganisationen sowie des brandenburgischen Umweltministers können die offiziell unter dem Deckmantel des Hochwasserschutzes durchgeführten Arbeiten den natürlichen Charakter des Flusses dauerhaft zerstören.
Es wird Zeit und viel Geld kosten, diese Art von Veränderung rückgängig zu machen, und die Auswirkungen der jetzt durchgeführten Arbeiten könnten ohnehin dauerhaft sein. In Anbetracht des fortschreitenden Klimawandels, der Absenkung des Grundwasserspiegels und der daraus resultierenden Austrocknung eines Teils des Gebiets kann dies beispielsweise zum Aussterben der Auenwälder oder allgemeiner: der Wälder entlang der Oder führen, und das kann ein Wert sein, der nicht mehr zurückgewonnen werden kann, erklärt Krzysztof Smolnicki von der Stiftung für nachhaltige Entwicklung und der Koalition Czas na Odr? (Zeit für die Oder).
Nach der ökologischen Katastrophe, die die Oder im Sommer erlebte, wiesen viele Naturschützer – sowohl auf der polnischen als auch auf der deutschen Seite des Flusses – darauf hin, dass die Durchführung solch großer Investitionen und die Regulierung des Flusses für den Fluss tödlich sein könnten.
Gróbarczyk: „Wir werden keine idiotischen Aktionen durchführen“.
Die Entscheidung des Woiwodschaftsverwaltungsgerichts in Warschau, das die Einstellung der Arbeiten anordnete, wurde von Wody Polskie beanstandet. Doch die Berufungsinstanz, das Oberste Verwaltungsgericht, bestätigte die Anordnung.
Die für Wody Polskie ungünstige Entscheidung des Gerichts wurde von Marek Gróbarczyk, dem Wasserwirtschaftsunternehmen unter der Regierung von Recht und Gerechtigkeit (PiS), auf Twitter kommentiert: „Aufgrund der Kosten für die Umsetzung der Anordnung des Obersten Verwaltungsgerichts, wegen der sozial-rechtlichen und ökologischen Folgen können solche idiotischen, radikalen Maßnahmen nicht durchgeführt werden. Wir verlassen uns auf eine gültige Baugenehmigung. Sie erlaubt es uns, unsere Aufgaben zu erfüllen. Wir handeln im Einklang mit dem Gesetz“, schrieb Gróbarczyk.
Die fraglichen Baugenehmigungen wurden von den Gouverneuren auf der Grundlage von Umweltentscheidungen erteilt. Diese wurden jedoch von Umweltorganisationen vor Gericht angefochten, und in diesem Fall wurde beschlossen, die Arbeiten zu stoppen.
Ein bisschen Schifffahrt, ein bisschen Hochwasserschutz
Gróbarczyk argumentiert weiter: „Wir können es uns nicht leisten, eine Investition zu bremsen, die zu 96 Prozent abgeschlossen ist. Wenn wir diese Anlagen ungeschützt lassen, werden sie zusammenbrechen und wir werden Verluste in Milliardenhöhe erleiden, so wie wir sie erlitten hätten, wenn wir das Bergwerk Turów (im Dreiländereck zu Tschechien, es hatte wegen Umwelt und Grundwasserschäden beim EuGH geklagt) im Falle des EuGH-Urteils geschlossen hätten“, schreibt der Politiker der PiS auf Twitter.
Auf einer Pressekonferenz wurde das Thema auch von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki angesprochen, der interessanterweise nicht wie Wody Polskie behauptete, dass das Ziel der Arbeiten der Hochwasserschutz sei, sondern von der Schiffbarkeit der Oder sprach.
„Wir wollen nichts anderes tun als das, was viel weiter entwickelte westliche Länder als wir bereits für sich selbst getan haben“, sagte er. Und weiter: „Unter Beachtung des Gerichtsurteils werden wir versuchen, eine solche Lösung zu finden, um die Wasserstraße selbstverständlich nutzen zu können.“
„Bisher hat Wody Polskie behauptet, dass es bei den Arbeiten darum geht, Eisblockaden zu verhindern. Das Problem ist, dass es an dem Ort, an dem die Arbeiten durchgeführt werden, seit 50 Jahren keine mehr gab. Nebenbei wurde auch argumentiert, dass die Arbeiten notwendig sind, damit wir unsere beiden tief liegenden Eisbrecher nutzen können. Aber es lohnt sich zu fragen: Sollen wir die Schiffe an den Fluss oder den Fluss an die Schiffe anpassen? Mir scheint, dass ersteres sinnvoller ist, oder nicht? Mit der Schifffahrt ist es dasselbe: Der Fluss muss umgebaut werden, damit Lastkähne ihn befahren können, aber ist es nicht besser, die Eisenbahn auszubauen, anstatt den Fluss zu zerstören?“, fragt Smolnicki.
Polnischer Umweltschützer gleich deutscher Agent
In den regierungsfreundlichen Medien wird seit Monaten die Geschichte vom Spiel der Umweltschützer für die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands wiederholt. Das Paradebeispiel des Rheins, wo die Binnenschifffahrt tatsächlich seit Jahren funktioniert, wird dabei oft angeführt. Aber auch dort sieht man, welche Herausforderung der Klimawandel für ihn darstellt. Im letzten Sommer war der Wasserstand des Rheins so niedrig, dass es unmöglich war, voll beladene Lastkähne zu bewegen. Auch in diesem Jahr gibt es Probleme auf dem Rhein, denn der niedrige Wasserstand ist eine Folge der geringen Schneemenge in den Alpen.
Der Wassertransport, der nach Meinung der Regierenden ein wirtschaftlich besonders attraktiver Teil des Oder-Donau-Kanals sein sollte, könnte sich als Sackgasse erweisen. „In diesem Jahr haben die Tschechen, die zwar keine Großprojekte im Rahmen der Idee verfolgten, dennoch einen Streifen Land blockiert, auf dem andere Investitionen, die dem Kanalplan im Wege stehen könnten, nicht getätigt werden können. In diesem Jahr haben sie die Blockade schließlich aufgehoben, was bedeutet, dass der Kanal dort nicht gebaut wird“, so Smolnicki.
Bleibt die Frage: Was wird passieren, wenn Wody Polskie die Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts ignoriert, so wie zuvor die Entscheidung des Verwaltungsgerichts der Woiwodschaft?
„Die an diesem Verfahren beteiligten Umweltorganisationen werden die Angelegenheit an die Bauaufsichtsbehörde und die Umweltschutzinspektion melden, und wenn dies keine Änderung bringt, auch an die Staatsanwaltschaft. Ich denke aber, dass die Angelegenheit eher früher als später die EU-Institutionen erreichen wird, schließlich geht es um den zehntgrößten Fluss Europas“, sagt Smolnicki.
Für den Rechtsanwalt Jacek Ró?ycki, der sich seit Beginn der Regierung der PiS für die Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit einsetzt, ist der Fall Oder und die Haltung des stellvertretenden Ministers ein weiterer von vielen. Sie alle betreffen die Achtung des Rechts durch die Behörden, den Dreiklang von Macht, verfassungsmäßiger Ordnung und demokratischen Standards. Und in diesem Fall geht es zusätzlich um die Natur.
„Überrascht mich das? Nein, denn dies ist nicht der erste Gerichtsbeschluss, der von der Behörde nicht vollstreckt wird, und schließlich wird das Gericht nicht von sich aus einen Gerichtsvollzieher oder einen Polizisten schicken, um den stellvertretenden Minister zur Einhaltung der rechtsstaatlichen Normen zu zwingen. Leider hat sich die Behörde inzwischen daran gewöhnt, zu jemandem, der vor Gericht für sein Recht kämpft, sagen zu können: ‘Den Mantel zieh ich mir nicht an!‘. Was kann man tun? Es ist möglich, diese Machtsituation zu ändern. Und wenn sie erst einmal geändert ist, kann man auch zur Rechenschaft gezogen werden, denn die Haltung von Marek Gróbarczyk lässt mich sofort an das Gesetz über die Pflichtverletzung, d.h. Artikel 231 des Strafgesetzbuchs, denken“, kommentiert Ró?ycki.
POLNISCHE PRESSESCHAU 190, 14.3.2023
Seine Unheiligkeit Papst Johannes Paul II.
Onet.pl, 10.3.2023
Bisher gab es keine Beweise dafür, dass Wojtyla/Johannes Paul II. über den Missbrauch von Priestern Bescheid wusste. Seine Verteidiger meinten, er wäre zu alt, man hätte solche Sachen von ihm ferngehalten… Nun gibt es aber genügend Beweise, dass Wojtyla schon in seiner Zeit in Krakau Missbrauch vertuscht hat. Sein größter Unterstützer, ja geistiger Vater während seine Ausbildung zum Priester 1944, Kardinal Sapieha, war homosexuell, hatte sein Schlafzimmer neben zwei Schlafsälen von Seminaristen, die er sich in sein Bett holte.
Am Montag, dem 6.März, strahlte der Sender TVN24 einen Bericht des Autors Maciej Gutkowski „Franciszkanska 3“ – das ist die Adresse des Bischofs von Krakau – aus, in dem er anhand von Akten des Geheimdienstes Spuren nachging, weil seitens der Kirche kein Einblick gewährt wurde. Leute der Kirche und Zeugen belegen, dass Karol Wojtyla in seiner Amtszeit als Bischof von Krakau Fälle von Missbrauch vertuscht hat. TVN gehört Amerikanern, deshalb wurde der US-Botschafter einbestellt und das nicht zum ersten Mal, denn TVN bringt immer wieder kritische Dokumentationen, die der PiS nicht gefallen.
Am 8.März erschien das Buch des niederländischen Journalisten und Autors Ekke Overbeek, „Maxima culpa. Jan Pawe? II wiedzial“ (JP II wusste Bescheid). Auszüge erschienen bereits vorher auf der Internetseite OKO.press.pl. Anhand von Akten des Staatssicherheitsdienstes recherchierte der Autor, der übrigens sehr gut polnisch spricht, vor Ort und befragte die Einwohner und Betroffenen.
Die Akten des Geheimdienste dienten der Orientierung, um vor Ort Betroffene und Bewohner zu finden. Dabei kamen sie auch in Kontakt mit befreundeten Personen des Papstes, die aussagten, ihm über Missbrauch berichtet zu haben. Der Papst hat es sich , und das einzige was er sagte: „Betet mal.“ Das hatte er auch einem Opfer gesagt, dieser bekam aber noch einen Rosenkranz in die Hand gedrückt.
Johannes Paul II in den Fängen der politischen Absurditäten
Dann gab es deswegen eine Sitzung des Polnischen Parlaments. Die Präsidentin des Sejm eröffnete die Sitzung mit den Worten: „Die Erben der Kommunisten wollen das Andenken von Johannes Paul II vernichten.“ Dies kann wohl der Auftakt zum Höhepunkt der Wahlkampagne werden. Die Parlamentarier der PiS halten während der Sitzung alle ein Foto von JP II. in den Händen.
- Der Sejm verabschiedet eine Resolution, um das Ansehen von JPII nicht zu beschädigen
- Resolution zur Heiligkeit von JP II. – der Sejm verteidigt den guten Namen von Johannes Paul II. mit einer Resolution,
- das Außenministerium bestellt den US-Botschafter ein, um ihn über das „ungerechte“ Material auf TVN zu belehren,
- der Präsident strahlt seinen Palast mit einem großen Papstporträt an;
- der Premierminister donnert auf einer Pressekonferenz….
„Kaczynski verteidigt den Papst“
onet.pl, 13.3.2023
Nach dem TVN24-Bericht, der Johannes Paul II. für die Duldung von Pädophilen in Soutanen verantwortlich machte, hat das Lager der Regierenden neuen politischen Treibstoff erhalten. Der Vorsitzende hat beschlossen, die Verteidigung von JPII zum neuen Wahlkampfdogma der Partei Recht und Gerechtigkeit zu machen.
Die Mobilisierung der Wählerschaft ist das Ziel. Die Reaktion auf den Bericht „ist eine bewusste Operation der PiS, um die Berichte von TVN24 aufzublasen, sie zu verzerren und zu diskreditieren, um die eigene Wählerschaft maximal zu mobilisieren. Die PiS-Wähler, die von den Kosten erdrückt werden und von den Skandalen angewidert sind, könnten im Herbst zu Hause bleiben – das ist die größte Gefahr für Kaczynski“.
Ekke Overbeek in Polen in Gefahr Polityka, 10.3.2023
Wie die Polityka am 10.März berichtet, haben die Verleger von Overbeeks Buch „Maxima culpa” die für den 13.März vorgesehene Buchlesung und Diskussion im Zentrum Krakaus abgesagt. Sie fürchten um die Sicherheit des Autors und der zahlreichen Teilnehmer. Viele Krakauer wollten zu dieser Veranstaltung, weil die Ausstrahlung der Reportage von Gutkowski ein großes Interesse hervorgerufen hat.
Die Reaktion der Polnischen Bischofskonferenz
Newsweek, 13.3.2023
ist recht verhalten, dies bestätigt die erste Reaktion des Episkopats auf den Film, die vom Sprecher Pater Leszek Gesiak SJ bekanntgegeben wurde. Er fügte hinzu, dass der veröffentlichte Text von Pater Adam Zak SJ und Pater Piotr Studnicki verfasst wurde, d.h. von Personen, welche die der polnischen Bischofskonferenz unterstellten Institutionen vertreten, die für das von der Kirche in Polen aufgebaute System zum Schutz von Minderjährigen und Schutzbedürftigen sowie für die Hilfe für Opfer von sexuellem Missbrauch verantwortlich sind.
Die Verfasser der Erklärung stellen nüchtern fest, dass „wir heute zweifellos ein viel größeres gesellschaftliches Bewusstsein für die Folgen des sexuellen Missbrauchs haben, und in der Kirche haben wir Verfahren und Wege entwickelt, um zu reagieren und zu helfen“. Die entscheidenden Worte kommen jedoch am Ende, wenn die Bischöfe nicht die Absicht haben, die Überbringer der schlechten Nachricht zu steinigen, sondern erklären, was in einer solchen Situation offensichtlich ist: „Die Ermittlung über die Rolle und eine faire Bewertung der Entscheidungen und Handlungen des Ordinarius der Erzdiözese Krakau, Karol Wojtyla, sowie eine ehrliche Erklärung der Anschuldigungen gegen Kardinal Adam Sapieha erfordern weitere Nachforschungen im Archiv.“
Spezialist von Heiligsprechungen wurde Bischof Przeglad, 6.3.2023
Neuer Bischof von Gliwice wurde Slawomir Oder. Nach dem Studium in Rom hat er dort im Vatikan gearbeitet. Sprungbrett zur Beförderung wurde seine Aufgabe als Postulator zur Heiligsprechung von Karol Wojtyla alias JP II. Er zeigte sich dem gewachsen und war schnell. Nicht nur das. Als nächstes nahm er sich die Eltern von Karol Wojtyla vor, seit 2020 führt er für sie den Prozess zur Heiligsprechung. Damit nicht genug, jetzt hat er sich auch den Bruder Edmund des Großen Heiligen Papstes JP II vorgenommen, auch er soll heilig werden. Solche Verdienste müssen natürlich belohnt werden. An der Bischofsweihe am 11.März sollen der scheidende Nuntius in Polen, Kardinal Dziwisz und andere Experten im Vertuschen von Missbrauch in der Kirche teilnehmen.
Gläubige dort nimmt es schon ganz schön mit, sie gehen davon aus, dass er bald nach Krakau geht. Ihre Kinder interessiert das gar nicht, weder was die Bischöfe tun, noch was sie sagen. Aber der Chor der Technischen Hochschule Gliwice soll sehr schön gesungen haben, wenigstens etwas – sagen die Eltern.
Und die Heranwachsenden erfinden Witze # 2137 – das ist die Zeit des Todes von JP II, oder singen sein Lieblingslied Barka, das ein Kinderschänder komponiert hat.
In der Kirche protestiert, jetzt freigesprochen
OKO.press, 13.3.2023
Am 25.Oktober 2020 stellten sich junge Leute in der Kathedrale von Poznan während des Gottesdienstes vor den Altar, schweigend hielten sie Transparente mit der Aufschrift „Schwangerschaftsabbruch ist keine Sünde“, „Wir sind hier für euch praktizierende Schwestern“, „Ihr habt Blut an den Händen!“ Dann warfen sie Flugblätter in die Menge und klatschten. Damit protestierten sie gegen den Erzbischof Gadecki, der die drakonische Verschärfung des Abtreibungsparagrafen unterstützte.
„Das Urteil bestätigt und verteidigt das Recht, am richtigen Ort und zur richtigen Zeit zu protestieren. Die Kirche war der richtige Ort. Das Gericht stellte fest, dass das Verhalten der Demonstranten nicht böswillig war, dass sie nicht die Absicht hatten, jemandem zu schaden.“
„Ich bin in die Kirche gegangen um zu protestieren, weil dies nicht das erste Mal ist, dass die Kirche in das Leben von Menschen eingreift, die nicht mit der Kirche verbunden sind. Wir als queere oder LGBT+-Menschen spüren das schon seit Jahren. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts hatte ich das Gefühl, dass der Kelch der Bitterkeit übergelaufen war. Durch Mundpropaganda kursierte in der Stadt die Nachricht von einem Protest in der Kathedrale, also ging ich mit Freunden dorthin. Der Protest musste in der Kirche stattfinden.“
Das Gericht betonte, dass der unpolitische Charakter der Kirche in Polen eine Fiktion ist. Es ist nicht das erste Mal, dass sie zu einem Ort geworden ist, in dem eine politische Versammlung stattfindet. Der Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche existiert in Polen nicht.
Verfassungsgericht legt sich lahm OKO.press, 8.3.2023
In der vergangenen Woche haben wir festgestellt, dass das Verfassungstribunal zu einer der perfektesten Metaphern für die Herrschaft von Recht und Gerechtigkeit geworden ist und gleichzeitig die Verkörperung des Witzes über den Polen, der eine Kugel verloren und eine andere kaputt gemacht hat. Die Beauftragten der Partei Recht und Gerechtigkeit führen einen Krieg mit sich selbst und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie damit aufhören werden.
Wie wir uns erinnern, hat die PiS ihr gesamtes politisches Kapital in den Sprung auf das Verfassungsgericht 2016 investiert: Sie riskierte Demonstrationen von vielen Tausenden, den Aufstieg einer organisierten zivilen Opposition gegen ihre Herrschaft und nicht zuletzt die Verschlechterung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union. All dies, damit das Gericht, wie Jaros?aw Kaczynski damals sagte, nicht „alle reformistischen Aktivitäten“ von Recht und Gerechtigkeit aufhalten würde.
Das damalige Narrativ der Behörden lautete: Wir übernehmen das Verfassungsgericht, damit es das Programm 500+ und die Herabsetzung des Rentenalters nicht in Frage stellt. Die zugrunde liegende Argumentation war gelinde gesagt zweifelhaft, da die Voraussetzungen für die Verwirklichung eines solchen Szenarios äußerst dürftig waren.
Jetzt meint die Verfassungsrichterin Krystyna Pawlowicz (und ehemalige Abgeordnete der PiS) auf Twitter: „Es gibt keinen Zoff im Verfassungsgericht.“ Diese Zusicherung ist ebenso vielsagend wie ziemlich exzentrisch.
Sechs Richter des Verfassungsgerichts unter der Leitung von Mariusz Muszynski erkennen Julia Przylebska nicht mehr als Präsidentin des Gerichts an. Stattdessen merken sie an, dass die Amtszeit der persönlichen Freundin von Jaroslaw Kaczynski nach den gesetzlichen Bestimmungen beendet ist, und fordern sie auf, ihr Amt aufzugeben.
Przylebska hat zwar das Verfassungsgericht einberufen, durch den Boykott der sechs Richter ist es aber nicht beschlussfähig. Dies bedeutet aber auch, dass ein Antrag des Präsidenten zur Entscheidung über das Oberste Gericht, das den Weg zu EU-Geldern aus dem Wiederaufbaufonds frei machen sollte, nicht beschlussfähig ist.
Inzwischen gab es Drohungen an die Adresse der sechs Richter durch einen EU-Abgeordneten der PiS, es kann sein, dass das Regierungsfernsehen TVP bald feststellen wird, dass diese Richter in der Kantine ein paar Würstchen gestohlen hätten.
PiS mit Maden und Würmern im Wahlkampf
OKO.press; Polityka, 1.3.2023
Rafa? Trzaskowski, der Bürgermeister von Warschau, ist Mitglied der Städte, die sich dem Verbund „C 40 Cites“ angeschlossen haben, die sich für Klimaschutz einsetzen.
Wenn die Bürgerkoalition mit Tusk und Trzaskowski an die Macht kommen, wird Fleisch auf Karten zugeteilt wie zu Zeiten der PRL und die Menschen genötigt, Würmer und Maden zu essen. Damit werden die guten alten polnischen Traditionen, wie Schinken zu Ostern auf dem Tisch, kaputtgemacht. (Gierek ließ wenigstens bei aller Knappheit an Fleisch dem murrenden Volk kurz vor Ostern Schinken in die Läden bringen!) Dieses Drohszenario baut der Vorsitzende aller Vorsitzenden vor den Menschen auf. Irgend etwas muss doch die Menschen davon abhalten, die Opposition zu wählen.
In der Zwischenzeit, da die Lösung kleinerer Probleme (wie die Lähmung des Verfassungsgerichts) für die Partei Recht und Gerechtigkeit mäßig gut läuft, hat sich die Propagandamaschine in der vergangenen Woche wieder dem zugewandt, was wirklich wichtig ist. Genauer gesagt, einem medium gebratenen Steak für 100 Zloty pro Stück.
Auf einer Sonderpressekonferenz vor dem Warschauer Rathaus sprach Rafal Bochenek, ein bekannter Fleischesser, Fernsehmeteorologe und Sprecher der Partei Recht und Gerechtigkeit, über das Thema, das vor Brisanz nur so strotzte:
„Das Programm der PO (Bürgerplattform) wurde auf ausländischen Konferenzen geschmiedet, u.a. der C40-Organisation; es läuft darauf hinaus, die Freiheit der Polen anzugreifen, das Recht, frei zu wählen, was man isst und wie man reist“, erklärte ein leicht durchgefrorener Bochenek den Polen, während hinter seinem Rücken auf einem Anhänger ein Plakat mit einer rhetorischen Frage stand: „Wollen sie über unsere Freiheit entscheiden?“ Sie, das heißt in diesem Fall die PO.
Diese Woche gab auch der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski ein sehr langes Interview. Da er aber nichts Neues, Wichtiges, Interessantes oder Lustiges gesagt hat, werden wir Sie dieses Mal nicht damit belästigen.
„Lex pilot“: Gesetz zur TV Fernbedienung Polityka, 14.3.2023
Nachdem es nicht gelungen ist, die Konkurrenz mit „lex TVN“ auszuschalten, gibt es jetzt „lex pilot“: Die ersten Plätze bei den TV-Fernbedienungen werden den fünf TVP Regierungssendern gehören. Gebildete und jüngere Zuschauer werden ihre Lieblingssender leicht finden, aber andere werden es nicht schaffen. Insbesondere werden sie ihren lokalen Lieblingssender (der von sechs Millionen Menschen gesehen wird), der nicht unbedingt regierungsfreundliche Propaganda macht, nicht auf der Fernbedienung finden. Lex Pilot wird ihn effektiv unter weiteren Nummern verstecken. Das ist eine Wiederholung des Manövers mit der Übernahme der Lokalpresse durch Orlen, nur dass es sich nicht um eine Übernahme, sondern um eine Verdrängung handelt.
Polens Husaren des Todes bereit zum Kampf in der Ukraine
onet.pl, 13.3.2023
Die polnische Spezialeinheit in der Ukraine hat bereits Kampfgruppen, ein Emblem und einen Schutzpatron. Ihr Vorbild sind die Todeshusaren 1920.
Das polnische Freiwilligenkorps, über dessen Bildung Onet im Februar berichtete, hat bereits eine Symbolik und einen Schutzpatron. Es wird den legendären Todeshusaren aus dem polnisch-bolschewistischen Krieg nachempfunden sein. Die Einheit entwickelt sich dynamisch. Sie verfügt bereits über drei Kampfgruppen, obwohl die Rekrutierung und Auswahl noch nicht abgeschlossen ist. Zu ihren Aufgaben gehören Aufklärungs- und Ablenkungsmaßnahmen, sie unterstehen dem ukrainischen Verteidigungsministerium.
Osteuropa die Rolle des Vasallen der USA gern übernommen
Przeglad, 13.3.2023
Ein Interview mit Prof. Samuel Moyn, dem amerikanischen Rechtshistoriker an der Yale Universität, über sein letzter Buch „Humane: How the United States Abandoned Peace and Reinvented War” (Wie die Vereinigten Staaten den Frieden aufgaben und den Krieg neu erfanden). Er sagt, jetzt mit einem Mal haben alle etwas gegen einen ungerechten Krieg, aber zugeschaut haben sie über Jahrzehnte bei den vielen Kriegen in der Welt.
Die Blutspur der USA lässt die der Ukraine und Russlands weit hinter sich, es geht um mindestens zehn Mal so viele Opfer. Wenn wir die Sache ernst nehmen, müssen wir alle Mächte von Interventionen abbringen. Sonst werden wir alle diesbezüglichen Interventionen selektiv sehen. Es gibt nämlich keinen Unterschied bei illegalen Kriegen, Mord bleibt Mord.
Anstatt den Krieg in der Ukraine zu verlängern, sollten wir einen Friedensprozess beginnen. Angebracht wäre es offensichtlich, den Osten der Ukraine unter internationale Kontrolle zu stellen und ein Referendum durchzuführen mit dem Ziel, diese Gebiete auf Dauer in eine souveräne Demokratie zu verwandeln. Hier wird kein Präzedenzfall geschaffen, denn alle Grenzen in der Welt sind das Resultat von Annexionen. Hier wäre ein solches Vorgehen gerechtfertigt, denn die Alternative wäre ein ewiger Krieg. Was in der Ukraine passiert, ist ein globaler Stellvertreterkrieg.
Das russische Volk verstehen
Le Monde Diplomatique/Polska;Przeglad, 6.3.2023
Wenn wir die Sache historisch betrachten, war die russische Gesellschaft niemals passiv gegenüber den Mächtigen im Kreml. Radikale Sekten, Nationalisten und eine anarchische Bewegung, Dissidenten und revolutionäre Gruppen, aber vor allen Dingen Massenproteste bezeugen etwas ganz anderes. Nur eine europa- und jenseits des Atlantiks zentrierte Sichtweise will dies nicht wahrnehmen. Russland bringen sie in Verbindung mit weißen Bären, klirrendem Frost, mongolischen Horden und großen Löchern in der Erde. Liberale und konservative Medien bedienen immer das kompromittierende Stereotyp von dem „Fremden“ aus dem Osten.
Wer den ganzen Artikel von Jaros?aw Urba?ski, Soziologe und Gewerkschafter lesen möchte, kann mich anschreiben, Norbert Kollenda
Wojtyla – Johannes Paul II. spaltet Polen
Die liberal-katholische Wochenzeitung Tygodnik Powszechny am 8.3.2023:
Die idealisierte und von der Realität losgelöste Ethik der Normen, für die Karol Wojtyla eintrat, veränderte seine Sichtweise. Sie ließ den Schaden der Opfer in den Hintergrund treten.
Es wird wohl noch einige Jahrzehnte dauern, bis einer der künftigen Päpste die vatikanischen Archive aus der Zeit des Pontifikats von Johannes Paul II. öffnet. Es wäre jedoch klug, dies schon früher zu machen.
Dazu muss ich sagen, dass damals die Kirche offen für Veränderungen war. Gerade solche Dinge wie Zölibat, Empfängnisverhütung – also die Sexualmoral der Kirche, standen auf dem Prüfstein. Aber wie erwartet hat JP II alles verhindert. Da wurde also von ihm zugelassen, vertuscht, weggesehen, wenn Priester Kinder missbrauchten, denen ein lebenslanger Schaden zugefügt wurde. Er verbot jegliche Empfängnisverhütung, auch wenn Kondome vor Aids geschützt hätten. Und er bestand darauf, dass Priester nicht heiraten dürfen. Diejenigen, die während der CSSR-Zeit als Verheiratete in Absprache mit dem Vatikan zu Priestern geweiht wurden, wurden nach 1989 nicht anerkannt.
Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll, denn nicht die christliche Lehre stand im Vordergrund, sondern ganz im Gegenteil, seine eigene „unfehlbare“ Auffassung – nk
Polityka, 8.3.2023
Ein weiteres schockierendes Material von Marcin Gutowski auf TVN24 liegt nun vor. Die Reportage „Franciszkanska 3“ zeigt, dass Karol Wojtyla als Oberhaupt der Krakauer Kirche von Fällen von Pädophilie unter Priestern wusste und sich nicht so verhalten hat, wie er es hätte tun sollen. Im Gegenteil.
Dieses Übel zu entschuldigen, ist ein weiteres Übel. Es ist nicht richtig, dieses Übel mit historischen Vorwänden zu rechtfertigen. Ja, die Glaubwürdigkeit von Dokumenten und Berichten sollte unter Berücksichtigung des politischen Kontextes überprüft werden. Die Dokumente der politischen Geheimpolizei aus der Zeit des Kommunismus müssen nicht nur von Journalisten, sondern auch von Experten analysiert werden. Dies sollte der nächste Schritt bei der Aufklärung des Falles sein. Auf der Ebene des investigativen Journalismus wurde der Bericht von Maciej Gutowski diesen Anforderungen gerecht.
Przeglad, 13.3.2023
Die Reportage „Schwarz auf Weiß“ bei TVN24 über die „Franciszkanska 3” gab erschütternde Berichte von Betroffenen selbst, und nicht anders zeigten die Dokumente die perfide Art, wie mit den Tätern und Opfern umgegangen wurde. Da mögen die Verteidiger von JP II noch so schreien, es wäre Stasi-Dokumente, viel wichtiger sind die Aussagen der Opfer und es werden auch kirchliche Dokumente zitiert. Dem Kommentator tut zwar auch weh, dass der Papst vom Sockel gestoßen wird, aber ihn nervten auch die vielen Denkmäler und das ganze Brimborium. Ja, das Theater: in Schwarz die Priester, in Weiß der Papst, spielt sich in tausenden Kirchen und im Vatikan ab. Wenn dann das Spektakel beendet ist, verschwinden sie alle hinter den Kulissen und dort findet das wahre Leben statt. Und es ist traurig, wenn Papst Franziskus meint, er wisse nicht, wer am Krieg in der Ukraine Schuld sei, wie sollen die polnischen Gläubigen damit umgehen, die mit ganzem Herzen die Ukrainer unterstützen?
Ist es nicht traurig, dass die auf der Welt bekanntesten Polen vom Sockel gestoßen wurden? Nun bleibt nur noch Lewandowski.
Tomasz Sekielski, der selbst Dokus zum Missbrauch in der Kirche gedreht hat:
„Mir ist vollkommen klar, dass keine Fakten in der Lage sein werden, die Anhänger des Kultes um Johannes Paul II. zu überzeugen, dass die Denkmäler, die sie ihm aufgestellt haben, auf Lügen beruhen.“
Noch einiges zu den beiden Veröffentlichungen
Nachdem zunächst Maciej Gutkowski der Zugang zu den Akten im Archiv des Bistums gewährt wurde, wurde später der Leiter des Archivs entlassen und der Zugang verwehrt. Es gab jedoch einen pensionierten Priester der Kurie, der eine eindeutige Aussage macht, dass Wojty?a über den Missbrauch Bescheid wusste. Offensichtlich war dies für Wojtyla nichts Neues. Eine ehemalige befreundete Schülerin von ihm erzählt, wie Wojty?a von Kardinal Adam Stefan Sapieha Mitte der vierziger Jahre als angehender Priester protegiert wurde. Dieser Kardinal war dafür bekannt, dass er homosexuell war und sich an jungen Leuten vergangen hat.
Anna Karon-Ostrowska, Philosophin, befreundete Schülerin von Wojty?a, meinte, „was jetzt auf die Gläubigen – noch Gläubigen – zukomme, sei eine große Herausforderung“.
Einen befreundeten Priester versetzte Wojtyla nach Wien, nachdem in Krakau Mütter von missbrauchten Kindern ihm auflauerten und ihn lauthals im Zentrum der Stadt beschimpften. Wojtyla teilte dem dortigen Kardinal König nicht den Grund mit, sondern dass der Priester Boleslaw Sadus „Material zu seiner Arbeit sammeln will. Er interessiert sich für das psychische Verhalten von Kindern und Jugendlichen unter dem Einfluss der technischen Entwicklung auf die Psyche von Kindern und Jugendlichen“(!) Den Brief konnte Gutkowski im Archiv der Diözese Wien einsehen. Sadus bekam eine Pfarrei in Gaubitsch, der Geheimdienst hatte einen Spion in Österreich, der aber weiterhin gute freundschaftliche Kontakte zu Wojtyla und später zu JP II unterhielt. Als ihn dann später JP II fragte, wer als Nachfolger von König in Frage käme, nannte er ihm seinen Nachbarn, den völlig unbekannten Benediktiner Groër, der im Kloster Mönche missbraucht hatte und von 1986 bis 1995 Bischof von Wien wurde und wegen massiver sexueller Gewalt zurücktreten musste. Er war leider einer von vielen Kinderschändern im Bischofsamt.
Papst Franziskus selbst hat bei einem seiner „üblichen“ Interviews im Flugzeug erklärt, dass Ratzinger bei JP II damit gescheitert ist, gegen Marcial Maciel Degollado, dem Gründer der Legio Christi vorzugehen, der sogar die Kinder missbraucht hat, die er mit unterschiedlichen Frauen gezeugt hatte, und der bei JP II ein und ausging. Und er war nicht der Einzige.
Nun geht es um seine Zeit als Bischof von Krakau. Im Vordergrund bei Overbeek stehen vier Priester, die er über Jahre von einer Pfarrei in die andere versetzte. Einer von ihnen, E. Surgent, wurde in 10 Jahren elf mal versetzt. Sogar nach der Verbüßung einer Freiheitsstrafe bekam er eine Gemeinde, die recht ablegen in den Bergen lag und so kaum zu kontrollieren war. Overbeek hat mit vielen Menschen in den Gemeinden gesprochen. So erzählten teils betagte Frauen, wie während des Religionsunterrichts Surgent sich am Hosenschlitz der Jungen zu schaffen, machte „um ihre Kleidung zu ordnen“. Viele Mütter hätten daraufhin den Hosenschlitz zugenäht. Auch damalige Jungen erzählten, dass bekannt war, wie Surgent sich immer wieder neue Opfer holte und diese von den übrigen ausgelacht wurden… Da floss auch reichlich Geld, das er von Frommen für kirchliche Dienstleistungen erhielt. Ein Mann erzählte, dass es auch viele Gemeindemitglieder gab, die Surgent bewunderten, weil er offen war, den Menschen half, sich für Freizeitangebote für die Jugendlichen einsetzte. Als er dann von einer Gemeinde weg musste, wurde er mit vielen Blumensträußen verabschiedet, denen Umschläge mit Geld zugefügt waren, und es waren keine kleinen Summen. „Wissen Sie, wenn bei uns einer zum Priester geweiht wird, wird ihm sein Herz entnommen und dafür ein Geldbeutel eingesetzt“, meinte dieser Mann. Viele von den Jungs hätten nicht geheiratet, einige hätten sich das Leben genommen oder wären dem Alkohol verfallen
Der SB/UB (Geheimdienst) hat lange Zeit gebraucht, um dahinter zu kommen, warum Surgent immer wieder versetzt wurde, und ihn dann zur Mitarbeit gezwungen mit dem Versprechen, er werde vor den Strafverfolgungsbehörden und der Öffentlichkeit geschützt.
Kam denn kein Bischof auf die Idee, dass solche Täter sich geradezu dem Geheimdienst anbieten!?
POLNISCHE PRESSESCHAU 189, 27.02.2023
Polen, ein sehr billiger Verbündeter der USA
Przeglad, 27.2.2023
meint Chefredakteur Jerzy Domanski in seinem Kommentar:
Eine weitere großartige Show liegt hinter uns. Ein Multimedia-Spektakel mit Politikern in den Hauptrollen. Wie in einer gut geplanten, gut choreographierten Show gab es einen Rädelsführer, nämlich Präsident
Biden, ein paar Tänzer mit Präsident Duda und ein Haufen polnischer Spatzen. Ein ermutigender Anblick war das nicht.
Nach dem Tod des polnischen Papstes haben nur die Besuche von US-Präsidenten a priori den Status eines historischen Ereignisses.
Obwohl das Institut des Nationalen Gedenkens (IPN) diese Zeiten geschwärzt hatte, waren schon bei Gierek drei US-Präsidenten:zu Besuch Nixon, Ford und Carter. Und Bush (der Ältere) war dafür, dass General Jaruzelski ein heißer Anwärter auf die Präsidentschaft wird.
Spätere Besuche von US-Präsidenten waren von unterschiedlicher Intensität des Genres. Meistens endeten sie mit Reden, die das polnische Ego gekonnt kitzelten. Ein bisschen über die persönlichen Beziehungen zu Polen und zu Johannes Paul II. Ein bisschen über die Heldentaten der polnischen Nation. Und über Solidarno?? und Solidarität. Ein Schema, das sich so wiederholt, dass es leicht vorhersehbar ist. Biden hat diesen Rahmen nicht verlassen. Weil er es nicht musste. Alles, was er wollte, bekam er auf dem Silbertablett. Und sogar noch mehr. So wie Präsident Duda auf den charmanten Trump abfuhr, hat er jetzt sein Schmollen nach der Wahl Bidens vergraben.
Für die stolze Nation, die die PiS jetzt aufbaut, muss das ein ziemlich erbärmlicher Anblick sein. Umso mehr, als die Kosten für diese „Maßnahmen“ – also die gigantischen Einkäufe – schließlich nicht die Regierung, sondern der polnische Steuerzahler trägt. Die Amerikaner, die schon immer pragmatisch sind, sind seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine über die Missachtung der Rechtsstaatlichkeit durch die PiS-Regierung immer stiller geworden.
Auf der anderen Seite ist immer mehr die Rede über unsere Ausgaben für Waffen, Gas und den Bau von Atomkraftwerken. Hinzu kommt der hermetische (Steuer-) Schutz aller amerikanischen Konzerne in Polen. Die ehemalige (Trump-)Botschafterin Mosbacher hat gezeigt, wie brutal man in Interessen von Uber und anderen Unternehmen eingreifen kann.
Ohne Polen wäre die Ukraine nicht in der Lage, diesen Krieg so effektiv zu führen. Die Amerikaner wissen das sehr gut. Und deshalb brauchen sie Polen so sehr.
Und unsere Interessen? Sie sind da, aber nebulös. Sie sind nicht einmal definiert. Auch die Opposition spricht nicht über sie. Es ist erstaunlich, dass ein Land, das so viel gibt, sich damit begnügt, sich auf die Schulter klopfen zu lassen und sich verbale Plattitüden anzuhören. Und die Ausgaben aus unserem Haushalt werden immer höher. Die Haltung der USA zum Krieg hat sich der veränderten Situation an der Front angepasst.
Ein Jahr später ist es eine Tatsache, dass Polen als Land und wir als Bürger uns im Krieg befinden. Was ein Jahr lang mit Euphemismen vertuscht wurde, ist nach Bidens Besuch in Kiew ein offenes Eingeständnis, dass wir einen Krieg zwischen den NATO-Ländern und Russland haben.
Um es unumwunden zu sagen – einen Weltkrieg. Vielleicht ist es eine neue Art von Krieg? Aber mit ähnlichen Konsequenzen eines jeden Krieges dieser Größenordnung.
Warum war Biden in Polen?
fragt Przeglad weiter:
- Ohne Zusammenarbeit wäre eine reale Hilfe für die kämpfenden Ukrainer nicht möglich;
- Die amerikanischen Politiker ergriffen die Chance, um Russland auf Dauer zu schwächen;
- Als Russland gen Kiew marschierte, begab sich Europa wieder unter die Fittiche der USA;
- Polnische Politiker wollen meist nicht verstehen, dass ein amerikanischer Präsident gewisse Absichten hat, wenn er nach Polen kommt;
- Erste Besuche von amerikanischen Präsidenten in Polen fanden in der Zeit von Edward Gierek statt. Dabei ging es darum die Länder zu unterstützen, die sich emanzipatorisch in Unabhängigkeit begeben wollten, und dazu zählte Polen;
- Bush überredete Jaruzelski, als Präsident zu kandidieren. Damit wollte er erreichen, dass es zu sicheren und fließenden Veränderungen in Polen kommt.
- Kaczynski stand die Rede von Putin ideologisch näher, denn der sieht genauso die moralische Gefahr aus dem Westen kommen, die Homosexualität, Gender…
Biden in Warschau – 20 Minuten zur Freiheit
OKO.press.pl, 21.2.2023
Es gab politisch und militärisch gesehen nichts Neues in Bidens Rede. Auch keine Versprechen an Polen, oder auch nur ein Wort über den Zustand unserer Demokratie. Biden sprach wie der Anführer eines weltweiten Kreuzzuges zur Verteidigung der ukrainischen Freiheit und beschwor mit Worten die Zukunft herauf.
Die Rede in Warschau muss diejenigen enttäuscht haben, die konkrete Angaben erwartet hatten. Biden erwähnte kein neues Militärhilfepaket (er hatte in Kiew darüber gesprochen). Auch kündigte er keine Aufstockung der militärischen oder sonstigen Hilfe für Polen an. Er ging nicht auf die komplexeren Themen der Weltpolitik ein. Wir haben kein Wort über China gehört, das der US-Regierung schlaflose Nächte bereitet.
Die Rede basierte auf den Gegensätzen von Freiheit und Versklavung, Solidarität und Verrat, Stolz und Unterwerfung, Demokratie und Autokratie, Licht und Dunkelheit, Tyrannei und freie Nationen.
Die Allgemeingültigkeit von Bidens Rede bedeutete, dass die an die polnischen Frauen und Männer gerichtete Passage minimal war, obwohl sie von Herzen kam. Er dankte Polen dafür, dass es Flüchtlingen hilft (wobei er die Zahl von 1,7 Millionen leicht übertrieb), und sagte freundlich, dass wir unsere Herzen und unsere Häuser geöffnet haben. Er bezog sich auf ein Lieblingsthema amerikanischer Präsidenten (einschließlich – brrr! – Donald Trump) über die gemeinsame Liebe zur – natürlich – Freiheit der Polen und Amerikaner.
Wenn man gehofft hatte, es würden amerikanische Investitionen versprochen, muss man sich vorerst mit Investitionen in die Wertegemeinschaft zufrieden geben.
Im Gegensatz zu seiner Rede im März [2022] hat Biden nicht einmal ansatzweise auf die Unzulänglichkeiten des derzeitigen Polens hingewiesen. Nicht einmal eine halbe Andeutung zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten. In der Hektik der Kanonen wurden solche Themen totgeschwiegen.
Ein LGBT Aktivist unter den Gästen
Bart Staszewski, geboren 1990, ist Mitbegründer des Vereins „Marsch für Gleichheit“ in Lublin und von „Liebe Schließt Nicht Aus“, sowie Schöpfer des Dokumentarfilms „Artikel Achtzehn“ (2017; es geht um Artikel 18 der polnischen Verfassung zum Schutz der Ehe, der von der Rechten als exklusiv für Hetero-Beziehungen ausgelegt wird). Nach dem Marsch für Gleichheit 2018 in Czestochowa wollte der damalige Innenminister Joachim Brudzinski ihn wegen des Adlers auf der Regenbogenflagge strafrechtlich verfolgen.
Ihn hatten Diplomaten eingeladen, sich als Gast die Rede von Biden anzuhören, und so befand er sich, was ihm sonst in Polen nie vergönnt war, unter und zwischen den Politikern, manche erkannten ihn und stöhnten: „Oh Jesus!“, andere erkannten ihn nicht und grüßten.
Als Kaczynski nach der Rede an ihm vorbeiging, konnte Staszewski hören und aufzeichnen, wie dieser zu anderen Politikern meinte: „Der (Biden) hat nichts gesagt!“
Nachdem Staszewski dies über Internet verbreitete, gab es große Diskussionen, und die PiS tat dies wieder als eine der Lügen ab, die LGBT-Leute bekanntlich immer verbreiten. Ein Geheimdienstler, der zur Schutztruppe von Kaczynski gehörte, wurde von der PiS sogar als Zeuge angerufen.
Was brachte Bidens Besuch in Warschau?
Polityka, 24.3.2023
Bidens Besuch in Kiew lässt sich mit historischen Ereignissen wie dem Besuch von J.F.Kennedy in Westberlin vergleichen. Beide Besuche in Kiew und Warschau haben sich ergänzt. Biden wollte dem Westen und seinen eigenen Landsleuten zeigen, dass der Krieg in der Ukraine die Freiheit bedroht. Die Auffassung, Biden würde ein Schwergewicht auf die Ukraine und den Frontstaat Polen legen und den Westen außen vor lassen, stimmt nicht. Biden sieht bei seinen Entscheidungen westeuropäische Länder aber in beratender Funktion und Polen eher als Brückenkopf zur Ukraine. Für Biden ist Deutschland auf Grund seines wirtschaftlichen Schwergewichts ein wichtiger Partner, wenn er sich da auch mehr Engagement wünschen würde. Es bleibt der Besuch von Scholz in Washington im März abzuwarten.
Für die Ukrainer selbst waren die Reden von Biden in Kiew und Warschau eine moralische Unterstützung, auch wenn sie nichts Neues brachten. Es zeigte sich, dass die Ukrainer diese brauchten, und Biden zeigte ihnen durch seine Anwesenheit, dass er bis zum Sieg hinter der Ukraine steht, er kann sich da nicht mehr herausmogeln.
PiS benutzt Ukraine für eigene Interessen
newsweek/sekielski.pl, 19.2.2023
Natürlich versuchten und versuchen die Machthaber immer wieder, den Krieg zu nutzen, um ihre eigenen Interessen in der Innenpolitik durchzusetzen. Sie versuchen, sich ins Licht der einzigen wirklich antirussischen Gruppierung auf der politischen Bühne zu rücken, die vergeblich vor den imperialen Neigungen des Kremlherrschers gewarnt hat. Dies steht jedoch im Gegensatz zur Verbrüderung der PiS mit kremlfreundlichen und antieuropäischen Politikern.
Der Quasi-Gipfel der europäischen Konservativen, der drei Monate vor Ausbruch des Krieges in Warschau stattfand, wurde zum Symbol dieser Nähe. Dort wurden unter anderem Viktor Orbán, ein Freund Putins, der seine prorussische Politik fortsetzt, und Marine Le Pen gefeiert, die die Ukraine als russische Einflusszone betrachtet und die Union beschuldigt, im russisch-ukrainischen Konflikt die Rolle eines „Feuerwehrmanns“ zu spielen. In den folgenden Monaten des Krieges gingen Jaroslaw Kaczynski und seine „intellektuelle Basis“ in die Offensive gegen Berlin und stellten die Glaubwürdigkeit und Loyalität Deutschlands als NATO-Verbündeter in Frage.
Zweifellos erfreuen Aktionen, die der Einheit von EU und NATO schaden, die Propagandisten des Kreml. Schließlich ist es eine Sache, Deutschland zu Recht für seine langjährige Politik der Zähmung des russischen Bären, der Abhängigkeit Europas von russischen Rohstoffen und seinen anfänglichen Konservatismus bei der Reaktion auf russische Aggressionen zu kritisieren, und eine ganz andere, wenn Kaczynski verkündet, dass „die Bedrohung unserer Souveränität aus dem Westen größer ist als aus dem Osten“. Oder zu bezweifeln, dass deutsche Patriots russische Raketen abschießen werden, wenn sie auf Polen gerichtet sind. Leider muss man davon ausgehen, dass diese antideutsche Rhetorik, die in erster Linie auf den harten Kern der PiS-Wählerschaft abzielt, mit jedem Monat zunehmen wird, der uns den Parlamentswahlen näher bringt. Für den Vorsitzenden ist der Krieg in der Ukraine lediglich eine Kulisse für den politischen Kampf in Polen.
Spektakel um Besuch von Biden in Warschau
www.onet.pl, 21.2. 2023
Können Sie sich noch an Fort Trump erinnern? Ich gehe davon aus, dass viele von Ihnen sich nicht mehr erinnern. Zur Erinnerung: Es sollte ein großer amerikanischer Stützpunkt in Polen sein, so wollten es die Politiker von Recht und Gerechtigkeit nach dem Besuch von Donald Trump in Warschau im Sommer 2017 nennen. Dann kam das Jahr 2020 und die US-Präsidentschaftswahl, die das Lager der Vereinigten Rechten als ihre eigene Niederlage auffasste – was einerseits peinlich provinziell war, andererseits aber auch irgendwie lustig. Der Präsident gratulierte Joe Biden demonstrativ spät, die Regierungsmedien bzw. die der Macht Nahestehenden rührten sich und stellten den neuen Präsidenten als einen senilen Großvater mit Demenz dar, der nicht recht weiß, wo er steht.
Heute begrüßen dieselben Menschen denselben US-Präsidenten als Retter und preisen ihn in den höchsten Tönen. Eine Einladung zu seinem Auftritt in den Arkaden im Königsschloss haben – nach meinen Informationen – die Clubs der PiS Gazeta Polska erhalten, und in der von ihren Koordinatoren verschickten Einladung ist von „Ehre“ die Rede. Dabei ist es doch immer noch derselbe Joe Biden. Er ist in den vergangenen Jahren nicht jünger geworden und hat auch seinen innenpolitischen Kurs nicht geändert, der die Vereinigte Rechte so empört hat. Er ist nach wie vor ein Präsident mit einer ganz klar linken Agenda.
Dieser Wechsel von überlegener Verachtung zu überlegener Unterwürfigkeit ist wahrhaft grotesk. Nicht, weil man seine Meinung unter dem Einfluss des Verhaltens eines Politikers unter bestimmten Umständen nicht ändern kann, sondern weil sie zeigt, wie sehr die Rezeption der amerikanischen – oder noch allgemeiner: jeder Außenpolitik – durch die polnische Elite und einen großen Teil der Bevölkerung gleichzeitig kindisch und emotional ist. Wobei im Falle Amerikas die Emotionalität außergewöhnlich stark ist. Vergleichbar vielleicht nur mit der Rezeption der deutschen Frage.
Der Besuch von Joe Biden soll die Propagandabotschaft untermauern, dass Polen einer der Hauptakteure ist – dieser Irrglaube ist als eine Art rhetorische Entschädigung für unsere materiellen und immateriellen Ausgaben gedacht –, eine „humanitäre Macht“, und dass die einzige akzeptable Option für die Beendigung der Feindseligkeiten die vollständige Verdrängung Russlands aus allen ukrainischen Gebieten ist, d.h. nicht nur aus dem gesamten Donbass, sondern auch von der Krim.
Diese Botschaft ist für das herrschende Lager in doppelter Hinsicht wichtig. Erstens, weil es Anzeichen dafür gibt, dass die Polen kriegsmüde werden und einige Elemente der polnischen Strategie in Frage stellen. Dies geht aus praktisch allen Meinungsumfragen zu diesen Themen hervor. Es handelt sich zwar nicht um einen massiven Anstieg, aber die Veränderung ist auch zu deutlich, um ignoriert zu werden.
Das größte Geheimnis der Regierungsmedien ist, dass Biden sich mit Trzaskowski und Tusk traf. Biden soll gesagt haben: „Donald (Tusk), wir werden Freiheit und Demokratie in solidarischer Weise verteidigen. Immer und überall!“
Polen hielt Verträge betr. Leopard nicht ein
studioopinii.pl, 24.2.2023
Als Ministerpräsident Morawiecki die Deutschen so schnell wie möglich zur Übergabe von Leopard-2-Panzern an die Ukraine drängte, erwartete ich, dass ihm irgendwann ein unausgeglichener Deutscher raten würde, den Balken in seinem eigenen Auge zu sehen und nicht den Splitter im Auge eines anderen. Offenbar können die Deutschen, gezwungen durch politische Korrektheit, nicht aus der Balance gebracht werden. Und der Premierminister macht, was er will, und rechnet zu Recht mit dem kurzen Gedächtnis der Empfänger seines Geredes.
Vor langer Zeit, am 28.Dezember 2015, unterzeichnete die Rüstungsinspektion des Verteidigungsministeriums nach langen Verhandlungen einen Vertrag im Wert von 2,415 Mrd. PLN mit einem von Polish Armament Group und Zaklady Mechaniczne Bumar-Labedy gebildeten Konsortium über die Modernisierung von Leopard-Panzern bis zum 30.November 2020. 128 Panzer sollten auf den Leopard 2 PL-Standard modernisiert werden, 14 weitere sollten bis zum 30.November 2021 geliefert werden. Im Rahmen des Vertrags sollte in Swietoszow ein Ausbildungszentrum mit einem hochmodernen Ausbilder eingerichtet werden; das Konsortium sollte ein Logistikpaket schnüren, Ersatzteile beschaffen, Spezialwerkzeug bereitstellen, um die Effizienz der gelieferten Ausrüstung aufrechtzuerhalten, und ein Ausbildungspaket bereitstellen, um die Panzerfahrer auf den Betrieb der modernisierten Leopards vorzubereiten. Ergänzend zu diesem Vertrag wurde am 18.Februar 2016 eine Vereinbarung mit dem deutschen Panzerhersteller Rheinmetall Defence im Wert von 130 Mio. Euro über die gemeinsame Teilnahme an dem Modernisierungsprojekt unterzeichnet.
Ich will mich nicht auf die Diskussion einlassen, ob amerikanische Abrams oder koreanische, russische, deutsche oder vielleicht französische Panzer besser für unsere Armee sind. Festzuhalten ist lediglich, dass die polnische Armee im Jahr 2022 über 142 Leopard 2 verfügen würde, wenn das Abkommen von 2015 umgesetzt worden wäre. 142 Leopard 2 hätten zur Verfügung gestanden und es wäre möglich gewesen, sie an die Ukraine zu übergeben. Leider hat die Armee bis Ende 2022 45 Leopard-Panzer erhalten, davon 13 im Jahr 2021, und das nach dem Ausbruch des Krieges und der Beschleunigung des Vertrags: Die Frist für die Erfüllung des Vertrags wurde auf 2025 und dann auf 2027 verschoben. Dann werden wir wahrscheinlich Abrams und K2 Black Panther haben, so dass diese Leopards überflüssig werden. Seit der Vertragsunterzeichnung haben bei Bumar mehrere Geschäftsführer gewechselt, wobei verärgerte Gewerkschafter davon sprachen, das Unternehmen werde absichtlich an den Rand des Bankrotts getrieben.
Wir, die breite Öffentlichkeit der Republik Polen, tragen die Verantwortung für die Vorbereitung unseres Landes auf den Krieg. Die Worte von Präsident Joe Biden erwärmen und erfreuen uns, aber die Garantien eines starken Verbündeten entbinden uns nicht von der Verantwortung für unsere Nachlässigkeit.
Wäre die Ukraine nicht in der Lage, ein Jahr lang Widerstand gegen einen Angreifer zu leisten, würde Präsident Biden nicht Kiew, sondern Moskau besuchen und mit Putin über einen neuen „Reset“ sprechen. Dies sollte man sich vor Augen halten.
PiS im Ausnahmezustand – die plumpen Tricks von Przylebska onet.pl, 20.2.2023
Wenn wir akribisch nachzählen, kommt heraus, dass der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski und Präsident Andrzej Duda seit etwa drei Jahren nicht mehr miteinander gesprochen haben. Ja, selbst im letzten Jahr, als der Krieg in der Ukraine begann, waren ihre Kontakte flüchtig und völlig unbedeutend. Die Herren mögen sich nicht unbedingt – eigentlich haben sie sich noch nie gemocht. Aber das Seltsamste ist, dass sie sich gegenseitig in die Quere kommen oder sich in wichtigen Fragen streiten. Als Duda im vergangenen Jahr einen Gesetzesentwurf zur Justiz vorlegte, der die Auszahlung von EU-Geldern für den Nationalen Wiederaufbauplan an Polen sicherstellen sollte, war es Kaczynski, der, inspiriert von Ziobra, den Gesetzesentwurf im Sejm derart zunichte machte, dass Brüssel entschied, der Präsident habe das Ganze inszeniert – und sich weigerte, zu zahlen. Als jedoch kürzlich Premierminister Morawiecki mit Kaczynskis Zustimmung einen neuen Deal mit Brüssel einging und seine eigene Version eines Kompromisses vorlegte – das berühmte Gesetz über den Obersten Gerichtshof –, war es Duda, der sich bloßgestellt und lächerlich gemacht fühlte. Er weigerte sich, das Gesetz zu unterzeichnen, und verwies es an das Karikatur-Verfassungsgericht, das in einen starken Konflikt verwickelt ist und sich wahrscheinlich nie damit befassen wird. Um es klar zu sagen: Mit dieser Entscheidung hat der Präsident die Möglichkeit der Freigabe der Gelder für den Wiederaufbau blockiert.
Kaczynski ist nach seiner Knieoperation geschwächt, kann, wenn überhaupt, nur stundenweise an Sitzungen seines Stabes teilnehmen. Es liegen viele Entscheidungen an, z.B. was mit Julia Przylebska geschehen soll, deren Zeit als Vorsitzende des Verfassungsgerichts abgelaufen ist, die aber an ihrem Sessel klebt. Der Präsident – jahrelang belächelt als „Kugelschreiber“ von Kaczynski – will seine Unabhängigkeit von diesem demonstrieren.
So werden Eliten der PiS geschmiedet
Polityka, 20.2.2023
Die Partei Recht und Gerechtigkeit ist angetreten, um das Land moralisch zu erneuern und dieses Ziel wiederholt sie immer wieder. Hier ein Beispiel dazu.
Es wurde eine Unterhaltung von zwei Richtern – Grzegorz Zarzycki und Zygmunt Dudzinski – aufgezeichnet, die vor 17 Jahren der Tochter des damaligen PiS-Senators und heutigen Richters am Verfassungsgericht, Stanislaw Piotrowicz, beim Examen als Beisitzer helfen sollten. Es war so gedacht, dass sie den gleichen Kugelschreiber benutzen sollten und dass sie die Felder, die Barbara Piotrowicz nicht in der Lage war zu beantworten, für sie ausfüllten. Aber das Ganze ging schief, weil die Dame nicht einmal in der Lage war, die Hälfte der Fragen zu beantworten. So konnte der Beisitzer, der mit anderen Prüfern am Tisch saß, nicht unbemerkt die viel zu vielen Antworten einfügen.
Aber der Laufbahn der Barbara Piotrowicz hat es nicht geschadet, dass sie keinen Abschluss hat. Zbigniew Ziobro – Justizminister und Generalstaatsanwalt – erteilte ihr die Ernennung ohne Examen, indem er von seiner persönlichen Ernennungsbefugnis „nach Prüfung“ Gebrauch machte. Sie hat es weit gebracht – heute ist sie Staatsanwältin in der Regionalabteilung für organisierte Kriminalität in der Woiwodschaft Podkarpackie, einer Abteilung der Nationalen Anklagebehörde.
POLNISCHE PRESSESCHAU 188, 15.2.2023
Eilmeldung: Polnisches Verfassungsgericht vor EuGH
OKO.press, 15.2.2023
Die Europäische Kommission wirft Polen vor, dass das Verfassungsgericht mit seinen Urteilen gegen die Rechtsordnung der Europäischen Union und die Rechte der EU-Bürger verstößt. Die Kommission beanstandet auch die Wahl von „Doppelgängern“ und Julia Przylebska als Präsidentin des Gerichtshofs. Sie legt daher Beschwerde beim Gerichtshof der Europäischen Union ein. Julia Przylebska ist von Kaczynskis Gnaden weiter im Amt, obwohl ihre Amtsperiode abgelaufen ist.
Die Beschwerde beim Verfassungsgericht folgt auf zwei Urteile des Verfassungsgerichts unter Stanislaw Piotrowicz (übrigens als Staatsanwalt während der PRL gegen politische Gegner aktiv) und Julia Przylebska im Jahr 2021. In seinen Urteilen vom 14.Juli 2021 und vom 7.Oktober 2021 erklärte das Verfassungsgericht die Bestimmungen der EU-Verträge für unvereinbar mit der polnischen Verfassung und stellte ausdrücklich den Vorrang des EU-Rechts in Frage.
Das Verfassungsgericht befasst sich mit einer Reihe von Fällen, die sich auf die Beziehungen Polens zur EU auswirken werden. Der aufsehenerregendste Fall ist der Antrag von Präsident Andrzej Duda, die Verfassungsmäßigkeit der jüngsten Änderung des Gesetzes über den Obersten Gerichtshof zu prüfen, das von der Vereinigten Rechten verabschiedet wurde, nachdem die Änderungsanträge des Senats abgelehnt worden waren. Die Regierung argumentierte, das Gesetz solle dazu beitragen, Mittel aus dem Nationalen Wiederaufbauplan freizusetzen.
Ebenfalls beim TK (Trybunal Konstitucyjny – Verfassungsgericht) anhängig ist ein Fall, der auf einen Antrag des Generalstaatsanwalts Zbigniew Ziobra zurückgeht, die Verfassungsmäßigkeit der vom EuGH gegen Polen verhängten Geldstrafen zu prüfen. Das TK hat die Anhörungen in diesem Fall seit vielen Monaten verschoben.
Slawa Ukrajini – Ehre der Ukraine?
Przeglad, 13.2.2023
Die Geschichte ist manchmal das Gift der Nationen, aber ihre Ablehnung bringt ihr den Tod. Jede Nation hat eine Geschichte, die oft voller Schwierigkeiten ist, mit schmerzhaften oder peinlichen Momenten.
Die Art und Weise, wie sie diese wahrnimmt und behandelt, ist kein Spiegelbild der Vergangenheit, sondern eher ein Spiegelbild des Hier und Jetzt. Und wenn die Geschichte von der aktuellen Politik vertuscht wird, wird es umso wichtiger, dass man in der Lage ist, die Lehren aus vergangenen Jahren und Jahrhunderten zu ziehen.
Vor 80 Jahren, am 9.Februar 1943, gab es im Dorf Parosla ein Verbrechen der UPA (Ukrainische Aufständische Armee), das als Beginn des Wolhynien-Massakers gilt. Das Dorf war von Polen bewohnt. Die UPA-Abteilung, zu der auch viele Bewohner der Nachbardörfer gehörten, drangen in das Dorf ein und gaben sich als sowjetische Partisanen aus. Die gefesselten und wehrlosen Polen wurden ermordet, meist mit Messern und Äxten. Es wird geschätzt, dass zwischen 149 und 173 Menschen auf diese grausame Weise getötet wurden.
Ein nicht unerheblicher Teil von ihnen waren Frauen und Kinder. Es handelte sich um ein völkermörderisches Verbrechen, wie alle anderen, die im Rahmen der von ukrainischen Nationalisten gepredigten ethnischen Säuberung begangen wurden.
Die Opfer der Massaker, die an der polnischen Bevölkerung in den Kresy und im östlichen Kleinpolen (Galizien) verübt wurden, werden auf mehrere zehntausend Menschen angegeben. Schätzungen zufolge starben etwa 50-60.000 Menschen durch die Hand der aufständischen ukrainischen Armee. Auch Russen, Juden und Ukrainer wurden in kleinerem Umfang Opfer.
Eine Politik der Verdrängung der Erinnerungen an diese Opfer ist nichts anderes als eine Politik der Lügen. Dies gilt auch für die Erinnerung an das, was die polnischen Sanacja- Behörden Ukrainern und der orthodoxen Kirche angetan haben, sowie die Tatsache, dass infolge der verbrecherischen polnischen Vergeltungsmaßnahmen für die Verbrechen in Wolhynien-Massakers 2-3.000 Ukrainer getötet wurden.
Es ist notwendig, einen ganzheitlichen Blick auf die Geschichte der eigenen Nation zu werfen, unter Berücksichtigung des zeitgenössischen Kontextes der vergangenen Ereignisse. Polnische Politiker sowie viele Historiker und Journalisten können nicht so tun, als gäbe es die Verbrechen in Wolhynien nicht, oder sie herunterspielen, sie zu schmälern, indem sie sagen: Die Sowjets (Russen) haben größere Verbrechen begangen. Ebensowenig können sie die Manifestationen eines wiederauflebenden Banderismus* (für den ehemaligen Botschafter Melnyk war Bandera ein Held) in der Ukraine dulden. Und auch die Ukrainer selbst sollten verstehen, dass die Handlungen ihrer Nationalisten und die Integration dieser Ideologie in das öffentliche Leben von der russischen Propagandamaschinerie als Grund für den Beginn des Krieges, euphemistisch als „Sondereinsatz“, benutzt werden.
Die beispiellose Unterstützung Polens, insbesondere der polnischen Bevölkerung, für die ukrainischen Flüchtlingen beweist, dass wir keine feindliche Haltung gegenüber unseren Nachbarn vom Dnjepr haben.
Es lohnt sich, diese Offenheit zu stärken, aber mit Bedacht. Es heißt, der Banderismus, der Mythos von der unabhängigen Ukraine, gehöre der Vergangenheit an. Verteidiger eines von Putins Russland überfallenen Heimatlandes sagen, der Slogan der ukrainischen aufständischen Armee „Ruhm Ukrajini – Herojam slawa!“ bekomme eine neue Bedeutung. Ob dies in der Realität so ist, wird die Zeit zeigen. Eine Sache ist sicher: Die Verbrechen von Wolhynien werden dadurch nicht ausgelöscht. Die Erinnerung der Menschen lässt sich nicht durch Politiker auslöschen.
Diesen Kommentar schreibt Pawel Dybicz, stellvertretender Chefredakteur von Przeglad.
Przeglad wird herausgegeben von der Stiftung “ORATIO RECTA”, zu der Autoren und Wissenschaftler gehören.
Machtphantasien – Nordost übernimmt Führungsrolle in EU Przeglad, 6.2.2023
Eine neue Weltsicht erobert die Welt und verbindet so unterschiedliche politische Richtungen, wie das polnische Regierungsfernsehen TVP und den linksgerichteten englischen Guardian, konservative Journalisten und Analytiker der New York Times und andere. Ihr Narrativ besagt, dass sich Deutschland und Frankreich kompromittiert haben, weil diese alten Länder der EU die Situation nicht erkannt haben. So würde sich das Machtgewicht nach dem Osten und Nordosten verschieben – Warschau, Kiew, Tallinn, Helsinki…
Nach dem Krieg in der Ukraine werden in Europa nach Jahrhunderten nun die Länder östlich der Oder den Ton angeben. Die Ukraine hat ein Herz, Polen eine starke Armee und heldenhafte Politiker, Estland, Litauen und Lettland werden auch etwas dazu tun und so entsteht eine neue Macht, die moralisch den anderen überlegen ist. So werden die Narrative der PiS übernommen und diesen zugestimmt.
Rückfragen bleiben außen vor.
„Die deutsche Ambivalenz bezüglich der russischen Aggression und die Verbindung von Moskau und Berlin führten dazu, dass Polen die moralische Führung in der Verteidigung Europas übernahm“, schreibt Diane Francis von Atlantic Council Think Tank. Diese Argumente wiederholen sich vielfach, alle reden Jaroslaw Kaczynski zu Munde. Schließlich habe die PiS immer betont, dass Deutschland kein moralisches Rückgrat habe, ganz im Gegensatz zu Polen. Dann noch der 2. Weltkrieg, die Zusammenarbeit mit Russland, strategische Blindheit, protestantische Zivilisation, CSD-Paraden, Antiamerikanismus… Nicht wirtschaftliche und politische Gewichtungen, sondern Moral und rechtes Handeln müssen die Rolle in Europa und der EU bestimmen. Schließlich verstehen nur die Länder des Osten die Gefahr und richten entsprechend ihre Verteidigung aus.
Nun scheint sich der Traum von Kaczynski zu erfüllen. Was noch vor Jahren in liberalen Redaktionen als Träume eines antideutsch besessenen älteren Herrn belächelt wurde, gerät jetzt zur einer allgemeinen Weisheit, die in einem gelehrten, distinguierten Ton in entsprechenden Kreisen von sich gegeben wird. Schon drei Monate nach der Invasion Russlands haben der amerikanische Historiker Timothy Snyder, der Ökonom Paul Krugman und der Publizist Adrian Stankowski (Gazeta Polska) mit einer Stimme festgestellt, dass Deutschland mitschuldig am Krieg in der Ukraine ist und entsprechend zur Verantwortung gezogen werden muss. Es wird als allgemeine Weisheit die Auffassung vertreten, dass Deutschland sich kompromittiert habe.
All diejenigen, die Kaczynskis Diagnosen wiederholen, glauben auch daran. Aber es wird notwendig sein, die Propaganda aus der Zeit des Krieges, Wunschdenken und eine Diagnose der Tatsachen auseinanderzuhalten. Und obwohl die polnische Propaganda voll auf antideutschem Kurs ist, fließt ein unaufhaltsamer Strom von Investitionen aus Deutschland nach Polen – in neue Fabriken, Infrastruktur und in eine grüne Transformation.
Es ist Unsinn zu meinen, die Ukraine würde in Europa eine führende Rolle einnehmen. Zunächst muss sie ihr Land nach dem Krieg aufbauen. Die EU kann und will nicht gleichgültig sein in diesem Krieg. Sie sind jedoch ständigen moralischen Erpressungen und Vorwürfen durch die Ukraine ausgesetzt. Israel und die Türkei lassen sich durch die Appelle von Selenskyj nicht beirren. Der EU-Führung ist natürlich bewusst, dass trotz öffentlicher Beteuerungen die Ukraine noch weit davon entfernt ist, EU-Mitglied zu werden. Denn die Politik ist ein Kräftespiel von Interessen und nicht von moralischen Überlegenheiten. Moralische Überlegenheit allein ist nicht in der Lage, die Ziele der EU zu erreichen. Es gibt auch keinen Anlass davon auszugehen, dass die USA Polen und die baltischen Staaten als ihre engsten Verbündeten in Europa betrachten würde und nicht Frankreich und Deutschland. Auch ein Trump hat dies nicht vermocht.
Polen war schon einige Male der Meinung, dass es eine führende Rolle in Europa einzunehmen hat, das war nach der Orangen Revolution, nach dem Maidan und anderen Ereignissen der Fall. Aber es hat sich gezeigt, dass die Rolle Polens in den Krisen des Nachbarn auch davon abhängt, wie sein Verhältnis zu Brüssel und Berlin ist und wer gerade in den USA regiert.
Aber Gewinner sind auszumachen – die Partei Recht und Gerechtigkeit. Wer hätte jemals gedacht, dass Mateusz Morawiecki und Andrzej Duda in führenden Medien der USA als „europäische Kämpfer für die Freiheit“ genannt werden!? Bisher wurden sie dort als Homophobe, Antisemiten, eine populistische Pest und vielleicht sogar als Gefolgsleute Putins gesehen. Nun gelten sie auf den ersten Seiten der Weltpresse als die führenden Persönlichkeiten des Kontinents. Wen wundert’s, dass sie sich jetzt wie die größten Kriegsherren fühlen?
Die Zukunft wird zeigen, welche Rolle Polen in der Geschichte einnehmen wird.
Am 24.Februar 2022 endete Deutschlands Goldene Epoche
Polityka, 1.2.2023
Die Zögerlichkeit von Scholz irritierte die Amerikaner und die Verbündeten der Pro-Ukraine-Koalition. Nach der Zusage von Scholz gab es aber auch eine Garantie der USA für Deutschland und Europa, im Falle einer Eskalation Beistand zu leisten. Hat Scholz dies von den USA erpresst? Die Glaubwürdigkeit Deutschlands hat einen Riss bekommen und es wird schwer, ihn wieder zu kitten. Dabei sprach Scholz am 24.2.22 von einer Zeitenwende. Der Autor macht jedoch darauf aufmerksam, dass in einem demokratischen Staat solche Veränderungen ihre Zeit brauchen.
Der Autor erinnert an das wichtige Datum 1989/90, das nicht nur die Vereinigung Deutschlands markiert, sondern auch eine neue Wahrnehmung der Welt und durch die Welt. Die Deutschen haben stärker als andere „das Ende der Geschichte“ angenommen. Sie wurden jetzt Herr im eigenem Haus. Das vereinigte Deutschland musste sich nicht ändern: eine liberale Demokratie, Pazifismus, soziale Marktwirtschaft, Offenheit und eine zweitrangige Rolle des Militärs – dies alles war wie gemacht für einen Grundsatz der gegenseitigen Abhängigkeit.
So ging man auch davon aus, dass der Handel mit Russland und China auch dazu führen würden, diese von ihrem politischen Modell zu überzeugen – dies war wie ein Mantra neben den ökonomischen Profiten. Und Deutschland war nun nach 1989 auch von Freunden umgeben, wobei es vorher ein Vorposten vor dem Eisernen Vorhang war und das am stärksten bewaffnete Land. Deswegen wurde wohl auch die Bewaffnung stark heruntergefahren, die Wehrpflicht ausgesetzt. Dem diente auch die Überzeugung, dass eine ökonomische Abhängigkeit die beste Garantie für eine friedliche Stabilität ist. Dies hatte seinen Grund und begann einst mit der Verständigungspolitik von Willy Brandt und formte ganze Generationen. Heute müssen sie aber erkennen, dass ihre Überzeugungen, sie wüssten, wie mit Moskau umzugehen sei, falsch waren. Auch ihre Haltung gegenüber dem Osten war im Grunde genommen arrogant. Diese Selbstkritik seitens der SPD ist bisher von Merkel leider nicht zu hören. Klingbeil erklärt, dass es ein Zurück zum Status quo vor der russischen Aggression nicht geben wird.
Allerdings gibt es Journalisten, die dem skeptisch gegenüber stehen. Sie haben in den letzten Monaten neue Informationen über die russische Lobby in Deutschland ans Licht gebracht, über Geheimdienste und russische Spione in Deutschland. Sollten die alle mit einem Mal verschwunden sein? Kann es sein, dass Scholz so zögerlich ist mit der Waffenlieferung, weil viele deutsche Politiker bald die Beziehungen zu Russland wiederherstellen wollen?
Mehr dazu im Spiegel: Polens Blick auf deutsche Panzerdebatte: »Der Ansehensverlust ist katastrophal«
Berlins Zögern bei den Leopard-Lieferungen empört die Osteuropäer, sagt der Politologe Piotr Buras. Viele fragten sich, ob die Deutschen ihr Engagement für die Ukraine ernst meinten – oder Geschäfte mit Moskau wichtiger seien. Ein Interview von Jan Puhl 24.01.2023
Deutschland ist gescheitert onet.pl, 24.01.2023
Leoparden. Witold Jurasz von Onet schreibt in einem Kommentar über das Zögern Deutschlands bei der Entscheidung, Leopard-Panzer in die Ukraine zu schicken: „Wenn Berlin oder Paris die Politik des Westens gegenüber der Ukraine bestimmen würden, würde Kiew heute von einem russischen Gouverneur regiert werden, und die baltischen Staaten und Polen würden sich fragen, ob sie das nächste Ziel der russischen Aggression sein werden“.
Korrupte Eliten. Jurasz: „Das Problem ist, dass die deutschen Eliten, die eine Politik betreiben, für die sie – wohlgemerkt – in den meisten deutschen Medien bereits kritisiert werden, weder kurzsichtig noch naiv sind. Sie sind im Gegenteil korrupt und zynisch und haben die Idee, eine besondere deutsch-russische Beziehung aufzubauen, offensichtlich noch nicht aufgegeben.“
Internetportal onet.pl,Eigentümer/W?a?ciciel: Ringier Axel Springer Polska
Biden warnt Polen
rp.pl/rzecz-w-tym/ 1.2.2023
Amerika wird einen offenen Streit zwischen seinen beiden wichtigsten Verbündeten – Polen und Deutschland – in Mitteleuropa nicht dulden. Deshalb hat es die Regierung in Warschau gezwungen, deutsche Patrioten zu akzeptieren und den Streit um Reparationen nicht ausufern zu lassen.
Um den Platz des wichtigsten Verbündeten der Vereinigten Staaten in Europa einzunehmen, müsste die Regierung von Recht und Gerechtigkeit jedoch noch viel mehr tun: Sie müsste trotz der bevorstehenden Wahlen ihre Politik der permanenten Angriffe auf den westlichen Nachbarn aufgeben und sich mit Brüssel über die Rechtsstaatlichkeit einigen. Gelingt dies nicht, wird Polen seine Chance verpassen, mit den Amerikanern in der ersten Liga zu spielen.
Heute ist für das Weiße Haus die Aufrechterhaltung der Einheit von NATO und EU eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg in der Auseinandersetzung mit Russland und China: Peking macht seine Entscheidung, in Taiwan einzumarschieren, davon abhängig, dass der Westen zeigt, dass er bereit ist, langfristig solidarische Opfer zur Verteidigung der Ukrainer zu bringen.
Opposition ohne gemeinsame Liste…? Przeglad, 13.2.2023
Ständig wird von einer gemeinsamen Liste gesprochen, aber außer der Bürger-Plattform sind die anderen Parteien abwartend, denn Tusk will ihnen die Grundlagen diktieren. In den Medien von Radio FM über TVN 24 und der Wyborcza ist immer nur die Rede von Tusk und seiner gemeinsamen Liste und über die Bürger-Plattform. Tusk scheint niemanden bei der Aufstellung einzubeziehen, denn „ich (Tusk) habe eine Verabredung mit meinem Vaterland!“ Wer also will, kann bei Tusk mitmachen. Nach Zusammenarbeit sieht das nicht aus. Dies prägt auch den Eindruck bei der Bevölkerung. Bei einer Umfrage Mitte Januar, ob die Bürger-Koalition, Polska 2050, Nowa Lewica und PSL in der Lage wären nach den Wahlen eine Regierung zu bilden, antworteten nur 30,5 Prozent mit Ja. Vor einem halben Jahr waren sogar die Hälfte der Anhänger der demokratischen Opposition der Meinung, dass diese nicht in der Lage wäre zu regieren.
„Liebe Verteidiger der Demokratie, hört auf, untereinander zu streiten und fangt an, mit den Menschen zu reden. Und bringt es auf den Punkt. Wir hören genau zu!“
Gewissensentscheidung gegen das Leben
onet.pl, 25. 01. 2023
Ärzte der Krankenhäuser in Podlasie verweigerten einem 14jährigen Mädchen mit geistiger Behinderung eine Abtreibung unter Berufung auf die so genannte Gewissensklausel. Es ging um eine Schwangerschaft infolge einer Vergewaltigung. „Das ist der größte Starrsinn, den man machen kann, und zwar nicht nur als Arzt, sondern einfach als Mensch. Wir leben in einer Welt, in der die Gewissensklausel die gesetzlich geregelte Möglichkeit für Ärzte, Krankenschwestern, Hebammen und Apotheker ist, die Erbringung von Dienstleistungen auf der Grundlage ihrer Überzeugungen zu verweigern. Sie kann unter anderem bei einem Schwangerschaftsabbruch in Anspruch genommen werden, was aber“, wie Dr.Socha betont, „nicht gleichbedeutend damit sein sollte, dass einer Patientin die Möglichkeit eines legalen Schwangerschaftsabbruchs genommen wird“.
Dr.Socha betont, selbst dann, „wenn ein bestimmter Arzt nicht in der Lage wäre, einen solchen medizinischen Eingriff vorzunehmen, würde ich sicherlich eine andere Person mit der Durchführung des Verfahrens beauftragen. Letztendlich hätte ich es selbst getan, und zwar nicht, weil ich kein Gewissen habe, sondern weil ich es inakzeptabel finde, jemandem seine Rechte zu nehmen. Leider kann dieser Beruf auch schwierig sein, aber das wussten alle, als sie sich für diesen Berufszweig als Gynäkologe entschieden haben“, so der Gynäkologe abschließend.
Die Taliban an der Weichsel und ihre Gewissensklausel studioopinii.pl 26.01.2023
Krzysztof Lozinski: „Ich will Ihnen sagen, was ich davon halte. Ich bin der Meinung, dass sich der Staat so wenig wie möglich in das Privatleben der Menschen einmischen sollte, am besten gar nicht, solange es keine Gewalt gibt. Ich glaube, dass die Menschen das Recht haben sollten, in der Art von Beziehungen zu leben, die sie wollen. Sie sollten die Möglichkeit haben, zu heiraten oder nicht zu heiraten, und zwar so, wie sie es wünschen, nicht unbedingt christlich. Sie sollten nicht nur in gleichgeschlechtlichen oder ganz anderen Beziehungen leben können (Dreier, Vierer…). Ich sehe keinen Grund, warum der Staat das Privatleben der Menschen von oben herab regeln sollte.
Einerseits missbrauchen Politiker die Tugend der Unfehlbarkeit, andererseits können sie gegenüber den Schwachen regelrechte Grausamkeiten an den Tag legen (lassen sie Pflegekräfte in Armut durch die Gehälter). Darüber hinaus wird all dies mit dem falschen Zuckerguss des ‚Gewissens‘ versehen. Wir haben ein solches Gesetz, dass ein Arzt, der sich hinter seinem ‚Gewissen‘ versteckt, sogar eine Frau zum Tode oder zu schwerer Behinderung verurteilen kann, und alles ist in Ordnung, wegen des ‚Gewissens‘.
Das wird alles auf den Kopf gestellt. Wenn ein Gynäkologe seinen Beruf nicht ausüben möchte, kann er zum Beispiel Internist oder Orthopäde werden. Wenn die Leute von Ordo Iuris in einem Hotel in getrennten Betten schlafen wollen, dann sollen sie schlafen, aber lassen Sie die Finger vom Leben anderer Menschen.
Es ist so weit gekommen, dass die privatesten Bereiche des Lebens der Menschen von den dümmsten, dunkelsten und geistig zurückgebliebenen Menschen entschieden werden sollen. Mit einem Wort: von Quacksalbern und Schwachköpfen.“
Studioopinii.pl,Internetportal unabhängiger Journalisten
„Wir haben eine Gewissensklausel“ Polityka, 24.01.2023
Einmal mehr sehen wir, wozu die Macht der PiS unter Ziobro, unter der Federführung von Julia Przylebska („Verfassungsgericht“) geführt hat. „Zwei Krankenhäuser in Podlasie weigerten sich unter Berufung auf die Gewissensklausel, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen“, schreibt Agata Szczerbiak.
„Man kann nicht glauben, dass es solche Situationen immer noch gibt. Ein 14jähriges Mädchen wusste nicht, dass sie schwanger war, sie lebt mit einer geistigen Behinderung. Ihr Verwandter meldete den Fall der Staatsanwaltschaft, die, da sexuelle Kontakte mit Personen unter 15 Jahren in Polen eine Straftat sind, ein Dokument ausstellte, das den Abbruch der Schwangerschaft erlaubte. Und was geschah?
Der Verband für Frauen und Familienplanung musste helfen. Die Abtreibung fand in Warschau statt; die Ärzte können das Verhalten der Menschen aus Podlasie nicht verstehen. Das Mädchen und ihre Tante wurden unmenschlich behandelt, von Menschen, die eigentlich helfen sollten und die ihre Überzeugungen nicht nur über das Wohl der Patienten, sondern auch über das Gesetz stellten.
Seit 2015 leben wir in einem Land mit einem solchen Recht und einer solchen Gerechtigkeit.“
Politykawird herausgegeben in Warschau durch eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Villa für Kampf gegen deutsche Neo-Marxisten OKO.press 5.2.2023
Die Regierung von Recht und Gerechtigkeit kämpft seit acht Jahren gegen die Vergiftung der polnischen Seelen durch den deutschen Neomarxismus, die Linke und alle anderen germanischen Unsinnigkeiten. Es ist seltsam, dass sie erst jetzt auf die Idee kommt, dass die beste Waffe in diesem Kampf eine Villa ist, die der Stiftung eines Parteikollegen gespendet wurde.
Der Gründer der Stiftung für Freiheit und Demokratie ist Michal Dworczyk, ehemaliger Leiter der Kanzlei des Ministerpräsidenten und heute Minister ohne Geschäftsbereich in der Regierung von Mateusz Morawiecki. Im Vorstand der Stiftung sitzt auch Radoslaw Poraj-Rozecki, der Ehemann der PiS-Abgeordneten Miros?awa Stachowiak-Rozecka. Diese Woche wurde bekannt, dass die Organisation – welch ein Zufall! – vom Bildungsministerium 4,5 Mio. PLN für den Kauf eines mehrere hundert Quadratmeter großen Hauses im Warschauer Stadtteil Zoliborz, unweit des Plac Wilson, einer Toplage auf der Warschauer Landkarte, erhielt.
Dies ist eine von zwölf Immobilien, die Organisationen, die der Partei Recht und Gerechtigkeit nahestehen, mit Hilfe von staatlichen Subventionen kaufen. Der Mechanismus wurde erstmals am Dienstag, dem 31.Januar, von den tvn24.pl-Journalisten Justyna Suchecka und Pawel Szostak beschrieben. Alle Gebäude, die dank der Großzügigkeit des Bildungsministers Przemyslaw Czarnek erworben wurden, müssen fünf Jahre lang „Bildungszwecken“ im weitesten Sinne des Wortes dienen; danach kann man mit ihnen machen, was man will: vermieten, verkaufen, sie als Parteizentrale oder als Motel für Abgeordnete der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ nutzen usw. Je nach Fantasie der Empfänger.
Als Minister Przemyslaw Czarnek im Parlament seine diesbezügliche „Bildungspolitik“ am 8.Februar verteidigte, riefen ihm Abgeordnete der Opposition „Dieb“ zu. Der stellvertretende Minister für Landwirtschaft ging zum Podium und mit erregter Stimme rief er den Abgeordneten zu: „Wir sind stolz auf unsere Minister. Meine Herren, lassen Sie uns jetzt aufstehen und zeigen, wie stolz wir auf unsere Minister sind. Bravo! Bravo, Herr Minister Czarnek! Bravo, Herr Minister Czarnek! Lasst uns aufstehen. Bravo!“ Er schrie und klatschte sich Beifall, bald waren die PiS-Leute dabei. Der Opposition rief er zu: „Ihr werdet niemals an die Macht kommen, egal wie ihr herumschreit, bravo! Wir werden Euch zur Rechenschaft ziehen, wir werden Trzaskowski zur Rechenschaft ziehen. Und worüber lachst du, Nitras? Lach ruhig. Bravo! Bravo, Herr Minister Czarnek!“
Die Partei Recht und Gerechtigkeit fand an diesem Abend keine Mehrheit, um ihren politischen Gegnern die Immunität zu entziehen: Die Opposition verteidigte den Abgeordneten Nitras sowie die Abgeordneten Filiks und Scheuring-Wielgus. Nitras war seinerzeit unter den Abgeordneten der Opposition, die sich gegen Kaczy?ski wegen des Urteils des „Verfassungsgerichts“ zum Verbot der Abtreibung wandten, als es zu einem Gerangel mit den Ordnungskräften des Parlamentes kam. Magdalena Filiks hatte gegen Czarnek protestiert und wird strafrechtlich verfolgt. Joanna Scheuring-Wielgus hat Richter Piebiak vorgeworfen mit verantwortlich für das Hegemonieabkommen des Justizministeriums zu sein.
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Zwischenruf:
Fragt Dariusz Zalega: Kann die offene Bereicherung des Teams Recht und Gerechtigkeit an staatlichem Eigentum (Obajtek Chef des Ölkonzerns und Aufkäufer der meisten Regionalzeitungen, verschiedene Stiftungen) ein Beweis für die Nichtexistenz Gottes sein? Nun, wenn sie „Gott nicht fürchten“, glauben sie wahrscheinlich nicht an ihn oder es ist ihnen egal.
Antwortet Zbigniew Domgala: Sie glauben nicht an die Existenz Gottes und haben dies auch nie getan. Wäre es anders, würde das “ Nadelöhr“ sie beeindrucken. Und das ,,Kamel“ würde sie aufgrund seiner Größe in diesem Glauben bestätigen. Ihr ,,angeblicher“ Glaube ist eine Fassade, hinter der sie ihr wahres Gesicht und ihre Absichten verbergen.
Vergiftete Ideen vergiften die polnische Bevölkerung schreibt zu diesem Thema Przeglad in seiner Ausgabe am 13. Januar. Es war sehenswert im Parlament, als die Opposition die Ausgaben des Bildungsministers in Höhe von 40 Millionen PLN hinterfragte. Daraufhin attackierte der Minister Czarnek die Opposition, und je schärfer er gegen die Opposition vorging, um so kräftiger klatschte der amüsierte Präses. Es konnte beobachtet werden, dass für Kaczynski die Leute wichtig sind, die ordentlich auf Tusk, die Opposition, die Deutschen, Brüssel usw. reinhauen. Und seine Speichellecker wissen, was dem Herrn Vorsitzenden gefällt. So entstehen immer neue Verschwörungen, werden neue Komplotts „entdeckt“ und das Volk, der Medienmaschine der PiS ausgesetzt, wird mit einer Sensation nach der anderen gefüttert.
Dazu sagt die Psychologin Prof. Skarzynska, die sich auf die Psychologie in Politik und Gesellschaft spezialisiert: „Heute nehmen wichtige Posten in der Politik Menschen ein, die davon überzeugt sind, dass sie von Feinden umgeben sind.“ Sie waren nicht immer so gepolt, aber es gibt gewisse Eigenschaften, die dies befördern: Machiavellismus, Narzissmus und psychopathische Tendenzen.
Die PiS sieht es so: „Deswegen müssen wir uns vor ihnen schützen, denn wir haben die Regierung, weil allein wir die Bedürfnisse des Landes erkannt haben. Denn die aus der Opposition sind moralisch viel schlechtere Menschen, Egoisten, die sich mit den Feinden gegen uns verschwören, nach Brüssel fahren…“ Prof. Skarzynska: „Sehen wir uns einmal die Liste ihrer Feinde an, die sich immer mehr erweitert um diese moralisch Minderwertigen, die Polen schaden: die ganze Opposition und ihre Anhänger, Ärzte, Richter, Krankenschwestern, Lehrer, Aktivistinnen vom Frauen Streik… Wir haben eine lange Liste von Verrätern!“
Allerdings darf nicht vergessen werden, dass nach 1989 die neoliberalen Regierungen das Volk, das Los der Menschen nicht interessiert hat. Dann kam die PiS und es gab Kindergeld und 500+ und die vergessenen Menschen fühlten sich ernst genommen von Kaczynski, der selbst ein Opfer war, er hatte ja seinen Bruder verloren, pflegte seine alte Mutter… Und so haben sie ihn gesehen und unterstützten ihn in „blindem Vertrauen“, obwohl viele politische Fehler gemacht wurden.
Jaroslaw Kaczynski „Preisträger“ des Klima-Bullshit 2022
wyborcza.pl, 31.1.2023
„Unter seriösen Wissenschaftlern gibt es sehr unterschiedliche Meinungen über die Ursachen des Klimawandels“, sagte Jaroslaw Kaczynski, Vorsitzender der Partei Recht und Gerechtigkeit, im vergangenen Jahr.
Für diese Äußerung wurde Kaczynski mit dem Preis für den Klimaschwindel des Jahres „ausgezeichnet“ – ein Anti-Preis, der von der Website Wissenschaft zum Klima vergeben wird. Dabei handelt es sich um ein Plebiszit, bei dem Internetnutzer die absurdeste Aussage zum Klimawandel wählen, die im vergangenen Jahr in den polnischen Medien gemacht wurde.
„Jaroslaw Kaczynski griff in seiner Erklärung zu einer klassischen Methode, um Zweifel zu wecken. Wenn wir hören, dass Wissenschaftler unterschiedliche Meinungen zu einem Thema haben, halten wir uns nicht an das, was sie sagen. Wir wollen keine Anstrengungen unternehmen – zum Beispiel die Art der Energieerzeugung ändern –, die sich als unnötig erweisen könnten“, so Aleksandra Karda? von der Organisation Klimaforschung.
Kaczynski und seine Phobien gegen Deutschland
Przeglad, 13.2.2023
Da wird Deutschland vorgeworfen für die Russen zu sein, sie durch Handel zu unterstützen. Dass Deutschland für Russland ist, gehört zu den Märchen, schließlich gibt es einen großen Unterschied zwischen dem demokratischen, toleranten und pluralistischen Deutschland und dem autokratischen, fremdenfeindlichen und antiliberalen Russland. Allerdings ist der Vorwurf des Pazifismus in Deutschland wahr. Schließlich hieß es nach dem 2.Weltkrieg „Nie wieder Krieg“ und so wurden die Generationen nach dem 2. Weltkrieg sowohl in der DDR als auch in der BRD erzogen. Sollten gerade wir Polen es ihnen übel nehmen? Ist das nicht eher eine Form eines historischen Wunders, dass unser westlicher Nachbar nach Jahrhunderten des Militarismus, diesen über Bord warf, um auf andere Weise mit seinen Nachbarn umzugehen? Sollten wir es den Deutschen wirklich übel nehmen, dass sie nicht wieder ihre Soldaten oder zumindest ihre Waffen gen Osten senden wollen, wo sie erkannt haben, dass ein gemeinsamer Handel eine bessere Form zum Aufbau einer stabilen Welt ist? Das Beispiel Deutschlands zeigt der Vereinigten Rechten, dass es möglich ist einen demokratischen Staat ohne Nationalismus, Klerikalismus, Antikommunismus und rechter Ideologien aufzubauen. Dies wäre auch in Polen möglich und davor fürchten sie sich.
POLNISCHE PRESSESCHAU 187, 22.01.2023">POLNISCHE PRESSESCHAU 187, 22.01.2023
Tusk und Kaczynski in Rente? Onet.pl 21. 01. 2023
Eine von SW Research im Auftrag von rp.pl durchgeführte Umfrage zeigt, dass die Mehrheit der Befragten den politischen Rückzug der beiden bekanntesten (und aktivsten) Parteichefs unterstützt.
66 Prozent der Befragten antworteten mit „Ja“, während nur 14,8 Prozent der Befragten mit „Nein“ antworteten. 19,2 Prozent der Befragten haben keine Meinung zu diesem Thema.
POLNISCHE PRESSESCHAU 186, 10.01.2023
PiS Anhänger vom Aussterben bedroht ? OKO.press, 09. 01.2023
Hier werden die Unterstützer der PiS nach dem Alter bei den beiden Wahlen und heute verglichen, der Reihenfolge nach Wahlen 2015, 2019 und Umfragen Dezember 2022:
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Was blockiert die Linke? Przeglad, 05. 12. 2022
In einem Interview wird die Frage aufgeworfen, warum die Linke so dahin dümpelt. Ihre Führer sind nicht in der Lage emotional die Menschen anzusprechen, sind kaum bekannt und zudem wenig überzeugend. So wie die politische Lage in Polen sich zeigt, könnte man meinen 20% der Menschen würden die Linke unterstützen, dabei liegt sie zwischen 4..10%. Was in Polen als progressiv oder gar als links gesehen wird gehört in vielen westlichen Ländern und sogar Tschechien zur Normalität – zum Mainstream. Jetzt springt sogar die neoliberale PO (Bürger Plattform) auf den Zug.
weiterlesenPOLNISCHE PRESSESCHAU 184, 27.11.2022
Steigernde Unterstützung für Schwangerschaftsabbruch OKO.press 15. 11. 2022
Bei der neusten Umfrage von Ipsos haben sich über 70% der Befragten gegen das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs bis zur 12 Woche ausgesprochen. Schon nach dem Verbot durch das „Verfassungsgericht“ im Oktober 2020 wuchs die Anzahl der Gegner kontinuierlich.
weiterlesenPOLNISCHE PRESSESCHAU 183, 06.11.2022
Hilft die PiS Regierung der Ukraine? oko.press.pl 30.10. 2022
Wie hat der Staat für Recht und Gerechtigkeit den Flüchtlingen aus der Ukraine geholfen? Durch die Verfolgung und das Schikanieren von AktivistenInnen, die sich für Geflüchtete eingesetzt haben. Dieser Druck hat das zivilgesellschaftliche Netzwerk gestärkt, das sich am 24. Februar aufmachte, der Ukraine zu helfen.
weiterlesenPOLNISCHE PRESSESCHAU 182, 15.10.2022
Die Linke muss sich neu aufstellen Przeglad, 17.10.2022
Entsprechend dem Mehrheitswahlrecht stellt sich immer wieder die Frage, ob Parteien einzeln oder in einer Wahlliste sich aufstellen lassen. Bei 5% liegt die Hürde bei Parteien und bei 8% bei Bündnissen. Dies kann bei kleinen linken Parteien aber bedeuten, dass sie als Bündnis keine 8% erreichen. Das führte und führt nicht selten dazu, dass sich diese linken Parteien oder einzelne Personen einer großen Partei – der PO/KO (Bürger Plattform/Bürger Koalition) anschließen.
weiterlesenDas Fischesterben in der Oder kommt nicht überraschend
›Die Einleitung von Grubenabwässern erfolgt praktisch ohne jegliche Kontrolle‹
Gespräch mit Dominik Dobrowolski
Die Vergiftung der Oder im Juli und August führte möglicherweise zu über tausend Tonnen getöteter Fische. Die langfristigen und weiträumigen Folgen für Ökosysteme und menschliche Nutzer:innen sind noch gar nicht abzusehen. Das war eine »Katastrophe mit Ansage«, sagen polnische Umweltschützer. Die Aufsichtsbehörden seien unterfinanziert oder nicht daran interessiert, die giftigen Einleitungen zu unterbinden.
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