An den Rand notiert
von Rolf Euler
Dieser Herbst ist Erntezeit mit großer Fülle. Der Mensch entflieht für einige Stunden der Sorge um alles Politische und – erntet Äpfel. Und Quitten. Und Birnen.
Ich nutze die Zeit und pflücke. Bei Freunden im Tauschring gibt es Quitten. Bei Nachbarn viele Äpfel. Beim Ökovertrieb ein Geliermittel ohne Konservierungsmittel.
Die Schreie der Kraniche, die in vielförmigen Keilen nach Südwesten fliegen, begleiten die Arbeit im Garten mit den anfallenden Blättern. Mit umzusetzenden Stauden. Mit der Beobachtung von Wildbienen, die herumtanzend in den blauen Astern und der Zitronenminze noch Nahrung finden.
Kostbare Minuten der Entspannung mit Blick auf blaugrauen Himmel, rotgelbe Blattfärbung – ich denke an das »Ausspannen« aus dem Geschirr, das früher den Pferden gegönnt war. Es gibt die Geschichte von dem letzten Grubenpferd auf meiner früheren Zeche, das erst gar nicht auf den Seilfahrtskorb gehen wollte, als es endlich nach der letzten Schicht ausfahren durfte. Und dann noch einige Jahre auf der Weide eines Bergmanns verbrachte.
Ich setze mich auf die Gartenbank, den frisch gepflückten Apfel oder eine Flasche Bier genießend, das Schichtende in der Kaue erinnernd, wie es hieß: »an die Sonne« rausgefahren, noch schwarz von Untertage, eine Pause vorm Duschen einlegend.
Später am Tag die Arbeit in der Küche: gemeinsames Zubereiten des Obstes, Entsaften, Mus und Gelee kochen, Radionachrichten hörend und von Aufrüstung und »Frieden«, Wehrdienst und Autoindustrie soviel verstehend, dass die Sorgen der Menschen zunehmen müssen.
Wie dann dies Wissen und den Kontrast aushalten: die Erinnerung und der Genuss am Garten und der Arbeit in der Erde und in den Bäumen, in der Küche? Und die Vorerinnerung an kommende Krisen, deren Ursachen immer noch die gleichen sind wie vor vielen Jahren mit der Arbeiterbewegung, Frauenbewegung, Studentenbewegung, der vielen politischen Demonstrationen?
Eher nicht der Urlaub in der Ferne. Die Zeit im Garten und mit der Erde kann lehren, hoffnungsvoll, und wenn es geht ernsthaft und womöglich humorvoll zu bleiben – Resilienz zu üben – tätig bleiben. Nicht alles gelingt, aber die »Zeit der Äpfel« nutzen!
Nach dem Motto (wer immer das erfunden hat): »Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten!«
PS: Selbstverständlich ist das nicht alles, was Resilienz bewirkt – aktiv und in aktuellen Bewegungen lernend mitmachen muss sein – aber das ist ja kein »Rand«-Thema…
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