POLNISCHE PRESSESCHAU 211 vom 04.05.2024
Polens Problem ist nicht die PiS,
sondern die 30 Prozent der Polen, die wie die PiS denken
Duda zum Dinner bei Trump
Przeglad, 29.4.2024
Zwischen einer Reihe von Besuchen bei den Gerichten gab Donald Trump ein Abendessen für Präsident Duda. Wie wir alle wissen, gibt es in der Politik keine Gratis-Dinner. Das bestätigte Duda in einem Interview mit SpringersFakt. Er sagte, dass „wir nichts von den USA geschenkt bekommen“.?Duda, der für seine devote Art bekannt ist, traf sich mit dem völlig prinzipienlosen Trump, der 130.000 Dollar an einen Pornostar zahlte, weil er ihr verbot zu sagen, was Trump im Bett leisten kann. Die Sache wäre im Sande verlaufen, wenn Trump dieses Schweigen nicht als juristische Dienstleistung in Rechnung gestellt hätte. Der pathologische Betrüger ändert sich nicht. Dudas Abendessen mit einem Fan von einfachem Sex war so schändlich, dass er anfing, über Atomwaffen in Polen zu schwafeln. Nichts von alledem wird geschehen, denn für Duda werden die Amerikaner nicht einmal eine alte Kanone hergeben.
Der politische Bürgerkrieg in Polenstudioopinii.pl, 27.4.2024
Noch-Präsident Duda mausert sich. Ging er bis zu den Wahlen an der Leine von Kaczynski und war von seinen Gnaden abhängig, zeigt er jetzt, wer Mann im Staate ist. Während seine Parteifreunde wegen Korruption und politischen Entscheidungen nach und nach zur Verantwortung gezogen werden, setzt er seinen Joker – sein Veto gegen die ihm verhasste Regierung. Diese Spielchen treibt er auch in der Außenpolitik, um sich als großen Staatsmann zu präsentieren. So will er seinen Traum verwirklichen, auf internationalem Parkett einen Posten zu ergattern.
Derweil wirft er dem Außenminister und dem Premier Knüppel zwischen die Beine. Dann hat er klar zu verstehen gegeben, solange das Parlament die beiden rechtskräftig verurteilten und von ihm begnadigten Abgeordneten Kaminski und Wasik nicht zulässt, werde er jedes Gesetz dem „Verfassungstribunal“ vorlegen. Da ist es ihm egal, ob es sich um ein Gesetz handelt, dass die Erkennung und Behandlung von Krebserkrankungen verbessern soll.
Könnte es etwas Skandalöseres im Verhalten eines Mannes geben, der das höchste Amt im Staat bekleidet? Meiner Meinung nach ist das der Gipfel des Übels. Paradoxerweise hat sich die Situation von Andrzej Duda, der immer noch Präsident ist, nach der Niederlage des Vorsitzenden aller Vorsitzenden und seines Teams dramatisch verbessert. Er ist der einzige PiS-Staatsfunktionär, der noch im Amt ist, er ist derjenige, der einen wirklichen Einfluss auf die staatliche Politik hat, sowohl intern als auch – was für ihn noch wichtiger ist – international. Deshalb ist Andrzej Duda auf der internationalen Bühne so aktiv. Denn jetzt soll jeder sehen, was für ein Staatsmann er ist, ein großer Politiker, der Gespräche mit den wichtigsten Politikern der Welt führt.
Das große Ego von Andrzej Duda zeigt sich überall. Wer sich die Mühe macht ihm zuzuhören, muss erkennen, dass dies nicht der Präsident Polens ist, des Polens, das die neue Regierung und die neuen Verwaltungen gewählt hat, dass er immer noch der Funktionär einer Mannschaft ist, die verloren hat, dass der politische Bürgerkrieg weitergehen wird, solange dieser Mann den Titel des Präsidenten und die damit verbundenen Attribute genießt.
Schulen dürfen keine Hausarbeiten aufgeben? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ?
Polityka, 2.4.2024
Seit dem 1.April, so hat es die Ministerin für das Schulwesen Barbara Nowacka verfügt, dürfen Lehrer keine Hausarbeiten mehr aufgeben. Dies ist eines der hundert Wahlversprechen von Tusk. Bislang haben die verschiedenen Leiter des Bildungsministeriums immer nur etwas von sich selbst hinzugefügt, ohne eine Perspektive und einen vernünftigen Plan für das gesamte System zu bieten. Das Bildungswesen muss in erster Linie unparteilich werden.
Anna Schmidt-Fic, Vorsitzende der Lehrerbewegung „Protest mit Ausrufezeichen“, schrieb in ihren sozialen Medien, dass „kein Czarnek einen solchen Schritt gewagt hat“. Sie fügt hinzu, dass es „zutiefst enttäuschend ist, dass die erste Bildungsministerin nach 1989, die beschlossen hat, die Autonomie der Lehrer einzuschränken, d.h. in die Arbeitsmethoden der Lehrer einzugreifen, eine Ministerin der demokratischen Koalition ist“. Sie erinnert an den Mangel an Konsultationen und Untersuchungen in dieser Richtung und betont, dass dies bereits „mit der Reform von Zalewska durchgespielt wurde“.
Ist dieser Vergleich von Ministerin Nowacka mit Anna Zalewska legitim? „Vor den Wahlen am 15.Oktober erwarteten wir einen echten Wechsel in der Regierungsführung und der Gesetzgebung. Wir erwarteten auch das, was in der Koalitionsvereinbarung genau festgelegt war: dass alle Änderungen, die die Schulen betreffen, mit der sozialen Seite festgelegt und vereinbart würden und dass diese Zusammenarbeit echt sein würde. Aber statt der Zusammenarbeit mit der Fachwelt und den Experten hatten wir nur gemeinsame Fototermine mit Leuten aus dem Ministerium und den Sozialpartnern. Ich würde einzelne Treffen mit Organisationen – und ich habe selbst an solchen Treffen teilgenommen – nicht als Zusammenarbeit mit der sozialen Seite bezeichnen.“
Ein anderer Vertreter der Lehrerschaft: „Als wir gegen die ‚lex Czarnek‘ protestierten, bei der es im wesentlichen um dasselbe Problem, nämlich die Autonomie der Lehrer, ging, standen die Vertreter und Vertreterinnen der derzeitigen Parlamentsmehrheit hinter uns und betonten, wie wichtig es sei, dass ein Lehrer unabhängig von den Anordnungen der Behörden arbeiten könne. Es ist daher erstaunlich, dass die erste, bisher wichtigste Änderung ein Verbot von Hausaufgaben geworden ist – ohne weitere Reformen, Diskussionen, Ideen oder einen Keim einer Vision. Die Schule mit Verboten und Geboten zu verwalten, darf nicht passieren, weil die Schule als ein Ort der ersten Begegnung mit einer demokratischen Institution systemisch gestärkt werden sollte. Und indem man etwas verbietet, was nicht illegal ist und auch eine allgemein akzeptierte Schulpraxis ist, verletzt man den Vertrag, den wir über die Jahre um die Bildung herum geschaffen haben.“
EU-Wahl: So wird der Wählerwille verraten? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ?
OKO.press.pl, 3.5.2024
Als Bürger fühlen wir uns betrogen, und dieses Sprichwort bekommt eine zusätzliche Bedeutung, weil Politiker, die für die parlamentarische Arbeit eingesetzt wurden, plötzlich den Karren verlassen, den sie eigentlich ziehen sollten. Es geht? ? darum, dass diejenigen, die in den polnischen Sejm gewählt wurden, und sogar diejenigen, die ein Ministeramt innehaben, von diesen ehrenvollen Ämtern zurücktreten und eine Kandidatur für die Europawahlen ankündigen.
Der stellvertretende Ministerpräsident Krzysztof Gawkowski betont am 2.Mai 2024 auf TVN24 stolz, dass „die Minister der Linken bei den Europawahlen nicht kandidieren, weil sie zu tun haben“, aber bei den stellvertretenden Ministern „sieht er kein Problem“. Er sieht es nicht, weil er sehen müsste, dass die linke stellvertretende Bildungsministerin Paulina Piechna-Wieckiewicz auf der Warschauer Liste der Linken für Brüssel kandidiert, während der stellvertretende Minister für Entwicklung und Technologie gerade die Bürgermeisterwahlen gewonnen hat und das Ministerium verlässt.
Nehmen wir für einen Moment an, was wahrscheinlich nicht viel Fantasie erfordert, dass es junge Wähler gibt, die ein Wohnungsproblem haben. Herr Adam, ein Wähler des Dritten Weges, glaubt an das Prinzip:“Wenn auch beengt, so doch eigen“ und war sehr erfreut über die Ankündigung des Programms „Wohnkredit #naStart“ durch die Regierung von Donald Tusk. Damit werden die Wahlversprechen der Bürgerkoalition und bis zu einem gewissen Grad auch der Polnischen Volkspartei erfüllt.
Adams Hoffnungen wurden vom PSL-Minister für Entwicklung und Technologie, Krzysztof Hetman (geb. 1974), verkörpert, der zuvor bereits zweimal Abgeordneter des Europäischen Parlaments war und in der Regierung die wichtige Rolle des stellvertretenden Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses des Ministerrats innehat. Noch am 11. April erklärte er, er sei „überrascht und sehr beunruhigt über die hysterische Atmosphäre, die dieses Programm umgibt“, versicherte aber Dutzenden von Medien, dass mit dem Programm alles gut gehen werde.
Ewa, eine Wählerin der Linken, ist davon überzeugt, dass Kredite nur die Preise in die Höhe treiben, und statt sich 30 Jahre lang mit Rückzahlungen zu quälen, zählt sie auf die Möglichkeit, dass Mietwohnungen gebaut werden. Besondere Hoffnungen setzt sie auf den Stellvertreter von Hetman, den stellvertretenden Minister Krzysztof Kukucki (geb. 1980) von der Neuen Linken. Er war bereits als stellvertretender Bürgermeister von Wloclawek an der Wohnungspolitik beteiligt. In der Regierung entwarf er eine Änderung des Gesetzes über soziale Formen des Wohnungsbaus.
Und nun erfahren Herr Adam, dass sein Minister nun für das Europäische Parlament für die Region Großpolen kandidiert (mit dem er als Lubliner übrigens nichts zu tun hat), und Frau Ewa, dass Krzysztof Kukucki hofft, am 30. April wieder in Wloclawek zu regieren, nachdem er die zweite Runde der Kommunalwahlen gewonnen hat.
Irgendetwas passt hier nichts zusammen, oder?
Wer verdiente an der Katastrophe der Oder?? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ?
Polityka, 15.4.2024
Nach der Umweltkatastrophe an der Oder hat die Regierung für Recht und Gerechtigkeit 250 Millionen PLN für die Überwachung von Flüssen und Seen bereitgestellt. Das System funktioniert immer noch nicht. Das Projekt versinkt in einem Netz aus mysteriösen Zwischenhändlern und Unternehmen.
Einen Tag nach der Veröffentlichung des Artikels „Fischen im trüben Wasser“ im Juli 2023 erreichte eine Wagenkolonne das Fischereiinstitut in Olsztyn. Der Direktor des IRS (Institut für Binnenfischerei) und ein Rechtsanwalt erklärten dem dortigen Leiter, dass er fristlos entlassen ist, weil er das Vertrauensverhältnis zerstört hätte. In dem Artikel enthülltePolityka die Hintergründe von zwei Projekten zur Überwachung polnischer Gewässer. In beiden spielt das IRS eine Schlüsselrolle, und Dr. ing. Ulikowski aus Olsztyn war einer derjenigen, der auf die Gefahren hingewiesen haben.
Im Jahr 2023 kündigte Morawieckis Team zwei Projekte an: Im März wurde das „Pilotprojekt zur kontinuierlichen Überwachung der Oder“ ins Leben gerufen, und im Juni wurde mit dem IRS ein Vertrag über 250 Mio. PLN für die Einrichtung einer „ständigen Überwachung der Gefahren für Binnengewässer mit einem Frühwarnsystem“ unterzeichnet. In der Regierungspropaganda wurde verkündet, dass die Oder bereits „der am besten überwachte Fluss in Europa“ sei, und es sollte noch besser werden, da das letztgenannte Projekt alle Flüsse und Seen in Polen umfasste.
Es wurden nur neun Kontrollpunkte errichtet und dann war Schluss. Bei der Überprüfung zu verschiedenen Zeitpunkten fehlten bei der Hälfte die aktuellen Ergebnisse. Weder das IRS noch die Hauptinspektion für Umweltschutz, die das Pilotprojekt verwaltet, können Auskunft darüber geben, warum es überhaupt ins Leben gerufen wurde, was als Pilotprojekt dienen sollte, warum es „nicht der kontinuierlichen Entwicklung unterliegt“ und ob es etwas mit dem anderen Projekt zu tun hat, das alle polnischen Binnengewässer betrifft.
Die damalige Umweltministerin Moskwa versprach, Wasseraufbereitungsanlagen von Industrieabwässern zu errichten. Dann sollten 825 Einheiten von Messstellen errichtet werden und eine Stelle, bei der die Daten analysiert und ausgewertet werden. Nach Erkenntnissen derPolityka ist bis heute keine einzige Messstelle errichtet worden.
Einfach ausgedrückt: Vermessungspunkte sind mit Kontrollinstrumenten ausgestattete Bojen. Das IRS schreibt die verschiedenen Komponenten separat aus. Einige Ausschreibungen wurden annulliert, bei anderen wurde z.B. ein Unternehmen ausgewählt, das für die Herstellung von Absätzen und Fliesen bekannt ist. Als ein Lieferant für 350 Sensoren für Mess- und Kontrollstationen zum Preis von 29,6 Mio. PLN gesucht wurde, fiel die Wahl auf die Gruppe Sour, die seit drei Jahren besteht und nur über ein Stammkapital von 5000 PLN verfügt. Pawel Piotr Piecewicz war im nationalen Gerichtsregister als ihr Präsident eingetragen. Er ist auch Vorsitzender von mehreren hundert (!) anderen Unternehmen. Es sieht so aus, als ob sie in großer Zahl gegründet wurden, um sie unter irgendeinem Namen weiterzuverkaufen. „Ja, wir gründen und verkaufen Unternehmen“, bestätigt die Dame, die bei einer dieser Firmen, Effekti Kancelaria Gospodarcza, am Telefon ist.
Wir haben festgestellt, dass die NIK (Oberste Kontrollkammer) Unregelmäßigkeiten festgestellt hat. Sie sind so schwerwiegend, dass die NIK ihre routinemäßige Inspektion des Finanzamts auf die Überprüfung der Umsetzung eines Vertrags im Wert von 250 Mio. PLN ausgeweitet hat. Eine gesonderte Inspektion wird sich auf den Auftraggeber dieses Projekts erstrecken, d.h. den Nationalen Fonds für Umweltschutz und Wasserwirtschaft, das erklärte eine mit den Hintergründen des Falls vertraute Person.
Der Fonds hat eine eigene Inspektion des IRS angekündigt, das Überwachungsprojekt wird bereits von einem interministeriellen Team analysiert, das vom Ministerium für Klima und Umwelt koordiniert wird. Ein weiteres Zeichen dafür, dass das Thema in das Bewusstsein der neuen Regierungsmannschaft vordringt, ist die Tatsache, dass das Büro von Premierminister Donald Tusk eine Antwort auf die Beschwerden der Solidarnosc des Instituts an das Landwirtschaftsministerium wegen „Unregelmäßigkeiten bei der Bewirtschaftung und Verwaltung des Eigentums“ verlangt hat.
Das Projekt zur Überwachung der polnischen Flüsse und Seen bedarf zweifelsohne einer dringenden Prüfung.
Ist die Linke vom Aussterben bedroht?Przeglad, 22.4.2024
Nach den Ergebnissen der Kommunalwahlen könnte man es meinen. Nach Auffassung der Medien, die Tusk und seiner Partei zugeneigt sind, ist die Linke am Sterben und das ist für sie eine normale Sache.
Die Linken haben 6,32 Prozent bei den Wahlen zu Wojewodschaftsparlamenten erhalten. Bei den Wahlen zum Sejm am 15.Oktober erreichten sie 8,61 Prozent und hatten somit 23 Abgeordnete weniger.
Manche erklären es damit, dass die PiS der Linken die sozialen Fragen abgenommen hat und die PO Abgeordnete, die endlich ins Parlament wollten. Dabei haben andere? ? Parteien wie der Dritte Weg bzw. die Konföderation ihren Platz gefunden, warum also die Linke nicht? Woran liegt es, dass die Linke schwächelt? An der Parteibasis kann es nicht liegen, denn die ist am Wachsen, Geld ist durch die Parteienfinanzierung auch da und ein Programm gibt es auch.
Die Linke hat, wie die übrige politische Szene ein Problem: Alfatiere, die um ihre Macht kämpfen. Bei der Linken sind sie zudem nicht in der Lage diese zu führen, weil es ihnen an Lust, Talent und Wissen fehlt.
Es kam Hoffnung auf, als Zandberg mit der ParteiRazem die politische Szene betrat. Bei einer Fernsehdiskussion 2015 mit Barbara Nowacka, damals SLD (jetzt PO) dominierte er. Ebenso 2019 in einer Debatte mit Morawiecki, die der Partei in Umfragen 15 Prozent und Hoffnung auf mehr einbrachte. Bei der Wahl 2019 erhielt Zandberg 141.000 Stimmen, 2023 waren es nur noch 64.500.
Robert Biedron, der erste schwule Bürgermeister Polens und Gründer der Partei Wiosna (Frühling) war ein weiterer Hoffnungsträger. Dann hat er sich mit der SLD zur Neuen Linken vereint und fühlt sich offensichtlich wie sein Co-Vorsitzender? ? Czarzasty von der SLD auf Lebenszeit als deren Chef.? ? Biedron ist Europaabgeordneter und will es wohl bleiben. Nach Polen kommt er nur noch besuchsweise. So hat Czarzasty die Partei in seiner Hand mit allen Konsequenzen. Er hat ein großes Talent, Intrigen zu schüren und die Leute gegeneinander auszuspielen. Andere Qualifikationen sind weitaus geringer ausgeprägt, und so konnte Tusk ihn leicht an die Wand spielen.
Während die SLD die Alten vergraulte und auf Jugend und Frauen setzte, waren die Ergebnisse nicht wie erwartet. Dabei geben 1/3 der Frauen an, linke Auffassungen zu haben. Gewählt haben die Neue Linke zum Sejm 10,1 Prozent, im April 2024 waren es nur noch 7,5 Prozent. Bei den 18-29jährigen lauteten die Zahlen zum Sejm 17,4 Prozent und im April 12,7 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag in dieser? ? Altersgruppe im Oktober 2023 bei 70,9 Prozent, im April 2024 nur noch bei 38,6 Prozent.
Nachdem am 15.Oktober die Neue Linke nur noch 8,61 Prozent erlangte, rief der Parteichef Czarzasty trotzdem aus: Wir gehen in die Regierung… Drei Viertel ihrer Abgeordneten sitzen als Minister oder Vizeminister in der Regierung. Viele nennen die Partei PPC Private Partei Czarzasty. Bei der Übernahme des Parteivorsitzes hatte er gleich mögliche Konkurrenten ausgebootet. In den Umfragen verliert die Partei jetzt immer mehr Anhänger. Die Partei hat sich gewandelt, jetzt gibt es einen Herrn, der entscheidet, wem ein Posten zusteht. Das mag in der feudalen Gesellschaft die Norm gewesen sein, passt aber nicht in das? ? Polen des 21. Jahrhunderts.
Dann kam die Debatte über den Schwangerschaftsabbruch, der Parlamentsvorsitzende hat sie verschoben. Die Frauen in der SLD haben ihn in einer Gossensprache beschimpft, anstatt mit sachlichen Argumenten für die Sache einzustehen. Das wäre der richtige Weg in der Politik, um voranzukommen. Mit dieser Art haben sie den Frauen in dieser Lage keinen Dienst erwiesen. Zudem sind ihre Wählerinnen gut ausgebildete Frauen und keine Rowdys. Einst wurde die SLD von Kwa?niewski gebildet, in der er in demokratischer Weise viele Gruppierungen und Organisationen zusammenschloss, jetzt…
Kann die Linke wieder zum Leben erweckt werden?? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ?
Przeglad, 29.4.2024
Es wäre schon banal zu sagen, dass die Linke eine Gruppierung für die Schwachen und Ausgeschlossenen ist. Davon gibt es jede Menge in Polen: Junge Leute ohne Wohnung und ohne Aussicht darauf, von ihren Töchtern in England und ihren Söhnen in Warschau verlassene Alte, Millionen von Arbeitenden, die immer weniger für ihr Geld bekommen. Dann die Provinz, aus der die Menschen flüchten, wo für die Dagebliebenen kaum Chancen auf ein soziales Fortkommen bestehen, wo kaum eine Bahn oder ein Bus verkehrt, weit und breit kein Arzt, keine Sozialstation… Frauen, die ihren Männern und Vorgesetzten ausgeliefert sind, während sie nur gleiche Rechte zu Hause, bei der Arbeit und in der Öffentlichkeit fordern.
Und welche Angebote hat die Linke für die 9,5 Millionen Rentner, deren Zahl jährlich um 500.000 wächst? Und was ist mit den 18 Millionen Beschäftigten, die oft unterbezahlt sind? Wenn nicht einmal der Staat die drei Millionen im Öffentlichen Dienst vernünftig bezahlt?
Wozu haben die Linken stellvertretende Minister bei den Finanzen und der Wirtschaft, gut – die können schon etwas alt sein. Aber schließlich haben sie viele junge Ökonomen ausgebildet, warum werden diese nicht herangezogen?
Bei den Kommunalwahlen sind die Linken kaum aufgetreten oder zu den Menschen gegangen. Warum gehen sie nicht auf die Straße und reden mit den Menschen, über deren Sorgen und Probleme? Ihre Reden will keiner hören. Wo sind die ganzen NGOs, sozialen und lokalen Bewegungen? Warum nehmen Linke nicht an deren Veranstaltungen teil?
…und schließlich: Warum hat sich die Linke zurückgezogen?? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ?
Przeglad, 6.5.2024
Dazu einige Schlagzeilen aus einem Interview mit dem Politologen Prof. Karwat der Uni Warschau:
• Wie kann ein linker Abgeordneter sozial sensibel sein, der sechs Wohnungen hat oder eine Firma als Arbeitgeber führt?
• Heutige Parteien sind Gewerkschaften für ihre Politiker und gleichzeitig Dienstleistungsunternehmen auf Abruf.
• Man amüsierte sich darüber, wie alle PiSler immer die gleiche Losung des Tages verkündeten. Macht die Gegenseite das anders? Wen auch immer du nach etwas fragst, du wirst dieselben Antworten hören.
• Wenn ich mir so die Politiker ansehe, frage ich mich, wofür sie so alles Zeit haben.
• Gibt es Anhänger der Linken, die „an der Regierung“ sind? Haben sie irgendeinen Einfluss? Sie haben keinen Einfluss, auch nicht auf ihre Vorsitzenden Czarzasty oder Biedron.
• Auf TVN den ganzen Tag lang die gleichen Beiträge, das heißt den ganzen Tag lang dieselbe Sache und auf dieselbe Weise. Es spielt keine Rolle,?welcher Kopf diese Rede hält.
• Wer setzt sich eigentlich auch für Menschen ein, die aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen diskriminiert werden und nicht nur wegen ihrer sexuellen Orientierung?
• Die Linke konzentriert sich auf weltanschauliche Fragen – das ist im Grunde genommen die Haltung von satten und rundum zufriedenen Genossen.
POLNISCHE PRESSESCHAU 210 von 24.3.2024
Holownia ruft Koalitionäre zur Einigkeit auf
OKO.press, 23.3.2024
Auf dem Wahlkongress in Bialystok warf Szymon Holownia seinen Koalitionspartnern in aller Deutlichkeit „Politisierung“ und „Fraktionszwang“ vor und „Ausbrüche von Ehrgeiz“ vor. Er befürchte, ebenso wie sein Partner der PSL, dass die „Koalition 15. Oktober“ sich damit Chancen vergibt und dadurch die PiS in einige Landesparlamente einziehen könnte.
Er vergaß zu erwähnen, dass es zu öffentlichen Auseinandersetzungen innerhalb der Koalition kam, nachdem er als Sejm-Präsident die parlamentarische Debatte über die Abtreibungsgesetze ohne Rücksprache mit seinen Koalitionspartnern auf den 11. April verschoben hatte. Donald Tusk reagierte damals scharf, indem er am 8. März dem Dritten Weg erklärte: „Sie haben das Recht, zu Ihren Ansichten zu stehen, aber Sie werden Ihre Ansichten und die Folgen Ihrer Ansichten nicht anderen aufzwingen, die andere Ansichten haben und selbst entscheiden wollen.“ Die Reaktionen der Linken waren um ein Vielfaches schärfer – am schärfsten war die Abgeordnete Anna Maria Zukowska, die an Holownia auf der Plattform X schrieb: „Verp… dich in aller Ruhe“.
Allerdings scheinen auch in der PiS im Zusammenhang mit den anstehenden Kommunalwahlen die Nerven blank zu liegen. Es geht auf der einen Seite darum, wem am Machtverlust die Schuld zu geben ist. Aber es geht auch um die Zukunft nicht nur in den Kommunen, sondern auch um den Parteivorsitz, schwächelt doch Kaczynski und da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Minister Bodnar über Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit
Polityka, 21.3.2024
Frage: Bisher ist ein Erfolg zu verzeichnen: die Freigabe von EU-Subventionen. Und die jüngste Einschätzung der stellvertretenden EU-Kommissionschefin Vera Jourova, dass die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit trotz der mangelnden Kooperation des Präsidenten in die richtige Richtung geht. Aber der Erfolg wird viele Eltern haben, und der Misserfolg wird Ihr Gesicht haben.?
ADAM BODNAR: Es muss gelingen. Wir haben ein sehr starkes öffentliches Mandat für das, was wir tun, nämlich die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit im Einklang mit dem Gesetz. Ich kann sehen, wie sich die Realität vor meinen Augen verändert. Aber erst jetzt, nach drei Monaten, beginnen wir, die Phase der Rechenschaftspflicht zu erreichen. Wir kommen an die Dokumente heran, die Berichte bestimmter Personen tauchen auf – auch in der Öffentlichkeit, zum Beispiel bei den Sitzungen der Untersuchungsausschüsse. Es ist eine Sache zu wissen, dass beispielsweise Gelder aus dem Justizfonds falsch und zu Unrecht verteilt wurden, und eine ganz andere, Dokumente darüber zu sehen, wer welche Entscheidung getroffen hat und auf welcher Grundlage.
Das Gleiche gilt für den Fall Pegasus. Bei dem Machtsystem der letzten acht Jahre ging es nicht nur um die Aushöhlung der Institution des Rechts, sondern auch um ganz konkrete Geschäftsinteressen, Korruption und Missbrauch. Die Erforschung dieser Mechanismen und Fakten gibt neue Impulse für weitere Veränderungen.
Sie haben eine „Tour durch Staatsanwaltschaften“ angekündigt: eine Tour und Treffen mit Staatsanwälten. Wozu das??
Ich möchte den Staatsanwälten zeigen, dass es jetzt an ihnen ist, die Fälle zu bearbeiten. Ich möchte sie an die Unabhängigkeit des Staatsanwalts, an das Berufsethos und an die Notwendigkeit, sich aus der Politik herauszuhalten, erinnern.
Wie viele Staatsanwälte haben Sie bereits entlassen? Nach welchen Kriterien? „Herkunft“??
Mehr als ein Dutzend Staatsanwälte sind von ihren Führungspositionen in der Staatsanwaltschaft entbunden worden… Entscheidungen über personelle Veränderungen werden getroffen, wenn wir der Meinung sind, dass eine bestimmte Strafverfolgungseinheit die Effizienz ihrer Verfahren verbessern muss, oder wenn es Zweifel an ihrer künftigen Arbeitsweise gibt. Insbesondere – und das lässt sich nicht leugnen – im Zusammenhang mit politischen Angelegenheiten und politischen Einschränkungen der Unabhängigkeit der nachgeordneten Staatsanwälte.??
Staatsanwälte, Richter und ein Großteil der Öffentlichkeit warten darauf, dass diejenigen, die sich unethisch oder unrechtmäßig verhalten haben, zur Rechenschaft gezogen werden. Wann wird es Disziplinarverfahren geben??
Alles zu seiner Zeit. Es ist schwierig, gleichzeitig einen tiefgreifenden Wandel in der Staatsanwaltschaft herbeizuführen, die Unabhängigkeit wiederherzustellen und Personalregelungen zu treffen. Ich habe – sowohl bei Richtern als auch bei Staatsanwälten – Ad-hoc-Disziplinarbeauftragte ernannt und überlasse ihnen konkrete Entscheidungen. Die Sanierung der Staatsanwaltschaft muss in Etappen unterteilt werden. Die erste ist die Personalfrage, die zweite die Disziplinarverfahren. Ich denke, dass in Kürze sehr konkrete Fälle auftauchen werden, die eine disziplinarische oder in der dritten Stufe eine strafrechtliche Verantwortung nach sich ziehen werden.
Wie nach 1989: Werden Sie auf eine sich selbst-reinigende Struktur setzen??
Im Moment können wir auf nichts wetten, denn das müsste per Gesetz geschehen, und der Präsident hält seine Richterernennungen für unverrückbar. Das wiederum bestärkt diese Gruppe in ihrem Denken, dass ihre Beförderungen mit allen Standards übereinstimmen. Mit einer vollständigen Überprüfung müssen wir noch warten. Aber in der Zwischenzeit werden einige Dinge ans Licht kommen.
„Gerichtspräsidenten treten zurück“, meldet OKO.press am 22. März, in immer mehr Städten und Bezirken. Sie waren gesetzeswidrig vom Justizminister Ziobro ernannt worden.
Außenpolitik mit Botschaftern der PiS
Przeglad, 25.3.2024
Die PiS-Regierung hat seinerzeit ein Gesetz verabschiedet, nachdem Botschafter nicht parteiunabhängig sein können, sondern ähnlich wie Minister von der regierenden Partei ernannt werden. Darüberhinaus beträgt ihre Amtszeit vier Jahre. Der damalige Außenminister Waszczykowski erklärte, dass er mit Präses Kaczynski alle Situationen, die das Außenministerium betrafen, besprochen hat – so wurde bekannt, wer für die Kader verantwortlich war.
Nach diesen Regelungen entsendet Premier und Außenminister die Botschafter – aber der Präsident muss unterschreiben. Ein großes Problem sind auch die vielen Mitarbeiter des Außenministerium, die in die Botschaften geschickt wurden – allein deshalb, weil die PiS zu ihnen Vertrauen hatte. Viele waren inkompetent, kannten keine Fremdsprache. Bei einigen besteht der Eindruck, dass die Partei sie auf Posten gesetzt hat, um dort gemütlich als Rentner ein gutes Leben zu führen. Aber es gibt auch wichtige Posten, die Nato, die USA und andere. Dort gehören Diplomaten hin, die in der Lage sind, mit den Problemen, die durch die Krisen hervorgerufen werden, umzugehen und wo die jeweiligen Gesprächspartner sich sicher sein müssen, dass sie mit einem Vertrauten von Premier Tusk und nicht mit einem Gesandten von Duda sprechen.
Es gibt viele Beispiele von diplomatischen Vertretern Polens im westlichen Ausland, die sich mit antisemitischen und nationalistischen Äußerungen hervorgetan haben. Konsulate sind mit Amateuren besetzt, die nicht in der Lage sind, die Interessen der Polen in den USA z.B. zu regeln.
In der vor-PiS-Ära gab es diesbezüglich keine großen Probleme. Als Lech Kaczy?ski Präsident und Tusk Premier war, ging es auch zivil vonstatten. Allerdings gab es da und dort schon einen Gesandten, den der Präsident bevorzugte. Bei den Absprachen konnte es schon einmal passieren, dass die Listen lange Zeit beim Präsidenten lagen, was auch öffentlich wurde. Letzten Endes gelang es Duda, einige Leute aus seiner Kanzlei mit guten Auslandsposten zu versorgen.
40 Botschafter wären auszutauschen, es wird sich zeigen, auf welche Weise es erfolgt und welche alten Bindungen die eine oder den anderen auf seinem Posten belässt.
Bilanz von 100 Tagen Regierung
OKO.press, 24.3.2024
Die Regierungskoalition hat sich selbst in Zugzwang gebracht, indem sie vor den Wahlen „das Programm von 100 Punkten für die ersten 100 Tage“ vorstellte. Jetzt nennt sie folgende positiven Ergebnisse:
- Die Abrechnung mit der Partei Recht und Gerechtigkeit ist im Gange
- Die öffentlichen Medien wurden von der Parteipropaganda befreit
- Adam Bodnar nimmt weitere Änderungen im Justizwesen vor
- die EU-Mittel für Polen aus dem Wiederaufbaufonds wurden freigegeben
- das In-vitro-Verfahren wird aus dem Haushalt finanziert
- es gibt ein Gesetz über die Pille danach
- es gibt Gehaltserhöhungen für Lehrer, auch wenn diese nicht unproblematisch sind
- es gibt die Leistung 800+ (Kindergeld von 500 auf 800 PLN angehoben)
Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die eigentliche Bilanz noch aussteht, denn Duda bleibt noch 600 Tage Präsident. Er macht keine Anstalten, der jetzigen Regierung in irgendeiner Weise entgegenzukommen, sondern blockiert ihre Vorhaben mit seinem präsidialen Veto. Er wird auf internationalen Treffen Stellungskriege mit der Regierung führen. Mit einem Wort, er wird alles tun, was der Koalition das Regieren schwer machen kann und wofür ihm die Verfassung zumindest ein Schlupfloch gelassen hat. Das Bewusstsein dafür ist in der Koalition schon recht weit verbreitet.
Schul- und Bildungssystem in linker Hand
Przeglad, 25.3.2024
Das gab Hoffnungen, dass endlich eine breit geführte Diskussion, ein breites Forum sich bilden wird, das die Situation auf dem Gebiet der Bildung analysiert und entsprechende Weichen stellt. Zumal die Bildung nach Meinung vieler genau das Gebiet wäre, in dem die Linke etwas zu sagen hätte. Es geschah bisher nichts – oder doch?
Die letzte Amtshandlung vom Vorgänger Czarnek wurde aufgehoben. Dieser hatte für Zeitschriften ein Punktesystem eingeführt, nachdem sie Zuwendungen erhalten konnten. Dies waren natürlich vorwiegend frömmelnd daherkommende Schriften aus dem polnisch-katholischen Raum.
Nun wollen die Neuen dies neu punktieren. Die Frage ist, wie das gehen soll bei zweitausend polnischen Zeitschriften und den vielen ausländischen, dazu wird wohl kaum eine Kommission in der Lage sein. Czarnek ging es schließlich darum, kirchliche Druckerzeugnisse zu subventionieren und kritische aus dem Markt zu drängen.
Viel wichtiger wäre es jetzt, sich mit den Hochschulen zu beschäftigen und ihren Standard herauszufinden. Festzustellen, ob die vielen kleinen Hochschulen sich rentieren oder ob es nicht besser wäre, den Studenten Bildungsstätten konzentriert und mit hohem Niveau anzubieten, statt so viele kleine fragwürdige Hochschulen zu finanzieren. Eine breite Diskussion wäre notwendig.
Lohnabhängige werden zur Kasse gebete
wolnelewo.pl, 4./14.3.2024
Es soll einen reduzierten Beitrag zur Krankenversicherung für Kapitalisten geben!, fordern die Neoliberalen des Dritten Weges (TD). Die Bürger Plattform (PO) ist natürlich „dafür“, wird aber, wie bei anderen Themen, sagen können, dass es der TD war, der sie „gezwungen“ hat.
Gleichzeitig fordern die TD-Genies eine Erhöhung der Gesundheitsausgaben. Aber aus wessen Tasche? Natürlich von den Lohnempfängern, denn sie können wahllos gemolken werden und werden nicht einmal quaken, im Gegensatz zu den Unternehmern auf dem Land oder in der Stadt, die eine mächtige Lobby im Parlament haben und alles bekommen können, was sie wollen, obwohl sie eine bedeutende Minderheit der Bevölkerung darstellen.
Die Lohnabhängigen hingegen, die kein entwickeltes Bewusstsein für eine Interessengemeinschaft haben, waren, sind und bleiben “ Barzahler “ und werden für alles löhnen.
Die Umsatzsteuer für Lebensmittel soll erhöht werden. Die Linke wirbt mit dem Slogan “Wir wollen höhere Steuern immer und überall!“ Das mag für die Leistungen des Staates wichtig sein. Normalerweise zahlen die großen und kleinen Unternehmen hier kaum Steuern, aber ab dem 1.April müssen auch die Armen, die einen Pfennig fürs Brot gespart haben, Steuern zahlen. Auf diese Weise bezahlen die Armen die verschiedenen „Gründerzentren“, Steuererleichterungen und Subventionen für Unternehmen, die „Unterstützung für Start-ups“ und natürlich die Diäten für die Abgeordneten und die verschiedenen Posten in den Strukturen des Staates.
Gleichzeitig zahlt diese unterdrückte Masse der Armen insgesamt mehr Steuern als die großen und mittleren Unternehmen, die immer wieder behaupten, dass sie „Forderungen stellen dürfen, weil sie schließlich die Steuern zahlen und Arbeitsplätze schaffen“. Im Grunde genommen werden die Arbeitsplätze von den Verbrauchern „geschaffen“, die Waren und Dienstleistungen von diesen Unternehmen kaufen und gleichzeitig den Apparat finanzieren, der ihre Interessen unterstützt und schützt.
Jacek Kuron, ein unbequemer Held und Linker
Przeglad, 25.3.2024
Neben Walesa, Mazowiecki, Geremek und Michnik gehört Jacek Kuron zu einem der wichtigsten Vätern der unabhängigen 3. Republik. Aber weder in den Schulbüchern noch in aktuellen Schriften ist etwas über ihn zu finden. Dafür aber Papst JP II, Pfarrer Popieluszko, Primas Wyszynski, Lech Kaczynski und ähnliche, die in das rechte Schema passen. Aber auch den neoliberale Konservativen ebenso wie der Bürger Plattform (PO) und dem Dritten Weg (TD) passen solche Leute nicht ins Konzept. Schließlich haben diese Linken versucht, die Hoffnungen auf eine gerechtere Gesellschaft unter erschwerten Bedingungen nach dem Krieg und nach der Transformation mit Leben zu erfüllen. Aber zu beiden Zeiten scheiterten sie aus unterschiedlichen Gründen.
Jacek Kuro? kam aus der Polnischen Sozialistischen Partei (PPS), trat in die PZPR ein und hat wie kein anderer unter dem Regime der Volksrepublik gelitten, wurde vom Staatssicherheitsdienst schikaniert, saß immer wieder im Gefängnis, weil er Partei und Regierung bloßstellte. Nachdem er zweimal aus der Partei ausgeschlossen wurde, verließ er sie schließlich selbst und blieb ein Linker bis zu seinem Tod. Er unterstützte 1976 die Streikenden bei den Ursus-Werken, woraus dann das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter entstand (KOR). (90 Minuten lang wurden der Trabant und ich an der Grenze von vier Leuten auseinandergenommen. Sie hatten beim Abhören erfahren, dass ich mir Dokumente der KOR abholen sollte. Zum Glück waren sie vor meiner Abfahrt nicht eingetroffen. Ständig haben sie sich gegenseitig gefragt: Hast du gefunden? Nein! – norbert kollenda)
KOR spielte natürlich von Anfang an eine wichtige Rolle beim Entstehen der Solidarnosc. Für Kuron ging es auch immer um die Frage, wie die Arbeiter eine eigene soziale Bewegung unabhängig von der Regierung aufbauen können, und sprach sich für eine Arbeiterselbstverwaltung aus. Ihm waren auch die geopolitischen Zusammenhänge bewusst und die Abhängigkeit von Moskau. Deswegen fehlte er auch nicht am Runden Tisch und versuchte dann als Minister für Arbeit und Soziales die Schocktherapie von Balcerowicz abzufedern. Es gelang nicht, aber er blieb seinen Überzeugungen treu.
Zum 30.Jahrestag der Studentenunruhen 1968 erhielt er zusammen mir Karol Modzelewski den Orden des Weißen Adlers, die älteste und höchste staatliche Auszeichnung. Dabei zog er Bilanz: „Ja, ich bin stolz auf ein Leben voller Niederlagen, Bitterkeit und Schuld.“
Ein Gärtner von Höss in Auschwitz
Polityka, 23.3.2024
Bohdan Korzeniewski, polnischer Regisseur, Theaterkritiker und -historiker, Übersetzer, Schriftsteller und Pädagoge, war 1940 einer der Gärtner. Er schrieb für Polityka seine Erinnerungen „Es war, es ist vergangen“. Hier ein sehr kurzer Auszug:
„Wir standen auf, um beim Morgenappell über die Durchführung des Befehls informiert zu werden. Es dämmerte kaum. Ein früher Bodenfrost, wie die Gärtner so schön sagen, hatte das Gras mit Frost überzogen, und der Asphalt, auf dem wir im Marsch mit bloßen Füßen einen Takt schlugen, dampfte wie ein glühendes Blech. Jedes Schotterkorn durchdrang unsere Sohlen mit einem scharfen Stich. Der Kapo stellte uns in zwei Reihen direkt vor dem Haus des Kommandanten auf. Er warf unserer Truppe einen Blick zu, der deutlich machte, dass diesmal viel auf dem Spiel stand, nämlich zwischen einer Extraportion Suppe und dem Galgen. ‚Ruhe, meine Knechte‘, sagte er. ‚Wenn einer von Ihnen husten möchte, dann …‘.
„Der Kapo deutete mit seinen Augen auf die Schubkarren, die wir in einer gleichmäßigen Reihe am Ende der Einheit aufgereiht hatten. In jeder von ihnen standen zwei Schaufeln, die einen vollkommen gleichmäßigen Zaun bildeten. Aus den Erfahrungen der vergangenen Tage wussten wir gut, wozu man die Griffe dieser Schaufeln verwenden konnte. So wagten wir es nicht, unsere Beine zu bewegen, in denen das Gefühl schwand. Weiße Nebelwolken krochen langsam aus dem dichten Dickicht über der Sola hinter den Drähten hervor. Sie brachten eine durchdringende Morgenkühle mit sich.“
Er berichtet, wie nacheinander die Jungs aus dem Haus kamen – in ihren Uniformen, der Fünfjährige in Lederhosen und darüber SS-Uniform und ein Gewehr, das wie echt aussah. So marschierte er eins, zwei, drei, recht gut mit aufgepflanzten Gewehr. „Bald kam auch sein größerer Bruder (8.J.) in der SS-Uniform eines Rottenführers. An der Seite hatte er ein Schwert und in der Hand hielt er einen Stock, wie ihn die Offiziere im Lager trugen. Er erhob den Stock und fasste seinen kleinen Bruder und schrie ihn an. Er klemmte sich den Stock unter den Arm und verpasste seinem „Untergebenen“ ungeachtet dessen Geschicklichkeit bei der Übung gnadenlose Ohrfeigen. Der Kopf des Kleinen flog in alle Richtungen, Tränen liefen über sein geprelltes Gesicht, aber er beschwerte sich nicht. Im Gegenteil, er schien stolz zu sein, dass er an einem so schwierigen Spiel teilgenommen hatte.
Dann trat Höss aus dem Haus. Der ältere nahm Haltung an und mit dem Stock und ein paar Kommandos mit seiner piepsiger Stimme wies er seinen jüngeren Bruder an, Haltung einzunehmen. Dann ging er im Stechschritt auf seinen Vater zu, salutierte mit seinem Kornett, seine Stiefel klapperten und er brüllte, das übliche Bellen imitierend, Worte der Meldung heraus. Kommandant Höss nahm den Bericht in einer Haltung der Aufmerksamkeit entgegen. Er hob sogar die Hand an das Visier seiner Mütze.“
Neuer Vorsitzender der polnischen Bischofskonferenz gewählt
„Das neue Oberhaupt des polnischen Episkopats ist ein schlimmerer Schwulenhasser als Jedraszewski. Die Bischöfe wollen keine Veränderung, sie wollen Kontinuität. Sie sind die letzte Generation von Bischöfen, die Aussicht auf ein bequemes Leben hat. Der Rest interessiert sie nicht“, sagt Tomasz Polak, geb. Weclawski. Er hat seinerzeit dafür gekämpft, dass Erzbischof Paetz sich nicht seine Seminaristen ins Bett holt. Jedraszewski hat das als Weihbischof hintertrieben, wurde Erzbischof. Der andere trat aus der Kirche aus und hat den Namen seiner Frau angenommen.
Sie werden es der Regierung offensichtlich nicht leicht machen. Aber diese weiß auch, dass nur 2 Prozent der Bevölkerung in Polen den Bischöfen vertraut. Bei 29 Prozent praktizierenden Katholiken kann wohl auch niemand mehr von einem katholischen Polen sprechen.
Der Vorsitzende Tadeusz Wojda ist Erzbischof von Gdansk. Als Bischof von Bialystok hetzte er die Gläubigen gegen die erste CSD-Parade (2019) dort auf, es flogen Steine. Wojda hilft den Tätern und nicht den Opfern, meint ein Journalist.
Die Hoffnungen, dass etwas weltoffene Bischöfe das Ruder übernehmen, wie Kardinal Rys aus Lodz oder Erzbischof Galbas aus Katowice, lagen wohl nicht in der Zeit.
Kurzmeldungen:
Die staatliche Finanzverwaltung beschäftigt 13 Priester, die im Monat 7300 PLN erhalten neben zusätzliche Zuwendungen. Es wundert einen nur, dass es nicht mehr Priester sind.
POLNISCHE PRESSESCHAU 209 vom 10.3.2024
Zum internationalen Frauentag
Zu den Bauernprotesten und den Veränderungen im ländlichen Raum
Im sozialen Bereich gibt es noch keine Einigung über Renten für Behinderte
Das linkskatholische Magazin Kontakt beschäftigt sich mit den unmenschlichen Verhältnissen an der Grenze zu Belarus.
8. März und die Frauen müssen wieder protestieren!
Die ganzen Jahre, während die PiS regiert hat, waren es vor allen Dingen die Frauen, die auf die Straße gingen und protestiert haben. Die Frauen waren es auch, die in überwiegender Mehrheit die PiS abgewählt haben und der jetzigen Koalition zum Sieg verholfen haben. Nun müssen sie wieder auf die Straße, wer weiß wie oft noch! Mir war klar, dass nach der Euphorie der gewonnen Regierung das Erwachen kommt und sich so manche die Augen reiben, mit wem sie da im Bett gelandet sind.
„Streik der Frauen“ vor dem Palast des Präsidenten
wprost, 8.3.2024
Am 8. März um 18 Uhr begann vor dem Palast des Präsidenten der Protest. Die Frauen verlangten von Duda, das Gesetz bezüglich der „Pille danach“ zu unterschreiben. Dieser hatte angekündigt, es nicht unterschreiben zu wollen. Sie verlangten, dass diese Tablette für alle Frauen ab dem 15. Lebensjahr ohne Rezept erhältlich wird. Sie erinnerten Duda daran, dass sie nicht mehr im Mittelalter leben und drohten ihm: „Du kommst in Knast!“
Danach begaben sie sich zum Sitz der Partei „Polen 2050“. Dort protestieren sie, weil deren Vorsitzender Holownia die Debatte über das Gesetz zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs verschoben hat. Die 16jährige Hania vom Olsztyner Frauenstreik beschuldigte den Sejm-Präsidenten, „den Frauen ins Gesicht zu spucken, indem er Abtreibungsprojekte hinauszögert“. „Ich möchte wie die Bürgerinnen normaler, zivilisierter Länder leben, wie die Schwestern in Frankreich! Ich möchte für mich selbst verantwortlich sein, für meinen eigenen Körper“, betonte der Teenager. Nastia, eine Aktivistin aus Weißrussland, erinnerte ihrerseits daran, dass „von Liza, die brutal vergewaltigt und ermordet wurde, gerade Abschied genommen wurde“.
TVN morgens, 8.3.2024
Es waren die schwierigsten 48 Stunden für die Regierungskoalition. Die Wut, die Emotionen und die gegenseitigen Ressentiments waren so groß, dass uns Regierungspolitiker sagten: Hätte die Abstimmung heute stattgefunden, wären wahrscheinlich alle Gesetzentwürfe zur Abtreibung im Papierkorb gelandet. „Holownia führt Gespräche, sammelt Erklärungen und zählt die Stimmen“, erzählt uns ein Abgeordneter. „Und was ist das Ergebnis?“, fragen wir. Zwei Optionen liegen auf dem Tisch.
In den letzten 24 Stunden wollte Szymon Holownia eine weitere Kehrtwende vollziehen. Er versuchte, mit den Vorsitzenden und Abgeordneten der Koalitionsklubs zu verhandeln und von ihnen die Zusicherung zu erhalten, dass sie noch in dieser Sejm-Sitzung für die Überweisung aller vier Gesetzentwürfe (der Bürgerlichen Koalition, des Dritten Weges und der beiden Neuen Linken) an den Parlamentsausschuss stimmen können. Eine solche Debatte und Abstimmung müsste heute, d.h. am 8. März, dem Frauentag, stattfinden. Die Ergebnisse dieser Diskussionen sollen bis heute Mittag bekannt sein.
Aber nach unseren Informationen sind die Emotionen nach der Debatte vom Mittwoch so groß, dass insbesondere die PSL-Abgeordneten keine Möglichkeit sehen, heute für das Projekt der Linken zu stimmen, deren Abgeordnete sie noch vor zwei Tagen im Sejm angegriffen haben.
OKO.press.pl, 8.3.2024
Donald Tusk hat sehr scharf auf die Debatten über die Abtreibung reagiert: „Dies ist keine Sache der eigenen Auffassungen, das ist allein die Angelegenheit der Frauen. Ich warne unsere Partner!“ „Die Staatsanwaltschaft leitet von Amts wegen ein Verfahren ein, wenn ein legaler Schwangerschaftsabbruch abgelehnt wird. Kontrolle der Gewissensklausel. Das Urteil von Przylebska aus dem Jahr 2020 findet keine Anwendung. Das Recht auf legalen Schwangerschaftsabbruch bleibt ein Ziel.“
Die Abtreibung war das wichtigste politische Thema der letzten Tage in der Regierungskoalition. Szymon Holownia ändert seine Entscheidung jeden Tag. Am Montag, dem 4. März, kündigte er an, dass die vier Abtreibungsgesetze am 6. und 8. März im Sejm debattiert werden würden. Am Dienstag entschied er, dass dies nicht der Fall sein werde und verschob die Debatte auf den 11. April. Am Mittwoch bestätigte er seine Entscheidung und kündigte am Donnerstag an, dass er versuchen werde, die Dinge zu beschleunigen. Am Freitag verkündete er die „gute Nachricht“, dass er die Zustimmung der gesamten Koalition habe, 4 Mal mit „Ja“ zu stimmen, aber an dem Termin im April festhalten werde.
OKO.press.pl, 10.3.2024
Auf der Tagesordnung des Parlaments stand in der vergangenen Woche eine Debatte über Gesetze zur Liberalisierung der drakonischen Anti-Abtreibungsgesetze in Polen. Als alle in voller Bereitschaft waren und die Stunde Null nahte, erschien der Hüter des sozialen Friedens und des allgemeinen Einvernehmens zwischen allen und jedem auf der Bühne und sagte: Wisst ihr was, bei dieser Abtreibung müssen wir uns hinsetzen und in Ruhe darüber nachdenken und nicht sofort, denn wer braucht das schon? Der Vorsitzende von Polen 2050, der Präsident des Sejm, Szymon Holownia, spielte die Rolle des Aufpassers. Und er hat alle so sehr beruhigt, dass auf diesem Schlachtfeld kein Stein auf dem anderen blieb.
Holownia ist der Auffassung, dass das Gesetz noch nicht die Reife erreicht hat, um durch das Parlament zu kommen. Beobachter sind jedoch der Auffassung, dass es konservative Politiker zuvorderst des Dritten Weges und hier vor allen Dingen die Vorsitzenden Ho?ownia und Kosiniak-Kamysz sind. Dabei haben Umfragen bei ihren Mitgliedern ergeben, dass 54 Prozent von ihnen das Gesetz schnell verabschieden wollen, 35 Prozent haben es nicht so eilig.
Die Auswirkungen der oben genannten Berechnung des Sejm-Präsidenten sind bekannt – wir bekamen einen massiven politischen Streit. Mitglieder der Linken kamen schwarz gekleidet in den Sejm und geißelten Holownia von der Sejm-Tribüne aus „Sie haben die Sejm-Kühltruhe in eine lächelnde Kühltruhe verwandelt. (…) Dieser Blitz wird auf Sie gerichtet sein!“, sagte die Fraktionsvorsitzende Anna Maria Zukowska. Auch Donald Tusk meldete sich am Freitag in hartem Ton zu Wort: „Ich appelliere noch einmal an alle unsere Partner: (…) Sie werden Ihre Ansichten und die Folgen Ihrer Ansichten nicht anderen aufzwingen, die andere Ansichten haben und selbst entscheiden wollen.“
Studioopinii.pl, 7.3.2024
Szymon Holownia hat die erste Lesung von vier Gesetzentwürfen zur Abtreibung verschoben. Eine Angelegenheit von großer Bedeutung für die polnischen Frauen. Und sie waren eine der Hauptverantwortlichen für den Wahlsieg, der Polen verändert und Jaroslaw Kaczynski und sein Lager von der Macht entfernt hat.
Szymon Holownia hat mit Unterstützung der Konföderation die erste Lesung dieser Gesetze auf den 11. April verschoben. Die Begründung, die er dafür anführte, entbehrt jeder Logik – es könne nicht jetzt damit begonnen werden, weil „ein heißer Wahlkampf für die Kommunalwahlen“ stattfinde.
Dies ist ein schwaches Argument. Der Wahlkampf hat gerade erst begonnen. Der 11. April ist erst eine Halbzeit des Wahlkampfes. Schließlich wird es eine zweite Runde geben. Und die erste Lesung ist erst der Anfang der parlamentarischen Debatte. Das Ergebnis der Debatte kann nur sein, die Gesetzentwürfe zur weiteren Bearbeitung an die Parlamentsausschüsse zu überweisen. Die Befürchtung des Parlamentspräsidenten, die jetzt beginnende Debatte könnte dazu führen, dass alle Projekte abgelehnt werden und die Frauen am Frauentag mit leeren Händen dastehen, ist absurd. Was – wie er meint – müsste sich denn bis zum 11. April ändern, damit sie dann zur weiteren Bearbeitung in die Ausschüsse geschickt werden, während sie jetzt alle im Papierkorb landen?
Betrachtet man jedoch die politische Szene als Ganzes, so muss ich zugeben, dass die Entscheidung des Vorsitzenden Holownia, des Vorsitzenden von Polen 2050 und des Dritten Weges ihn zum ersten Mal als Politiker zeigt und nicht nur als kultivierten Mann, der das parlamentarische Geschehen lenkt, Emotionen entschärft, Konflikte moderiert und dafür sorgt, dass im polnischen Sejm ein gewisser Anschein von Kultur und Normalität erhalten bleibt. Szymon Holownia erfüllt diese Rolle hervorragend, die Einschaltquoten der Sejm-Debatten brechen alle Rekorde und seine Popularität ist sprunghaft gestiegen.
Aber er ist auch ein Politiker, der wie jeder Politiker seine politischen Ziele verfolgt. Und diese stehen im Mittelpunkt seiner Entscheidungen. Der Politiker Holownia sagte, seine Haltung zu den Rechten der Frauen in Bezug auf die Abtreibung wird durch die Tatsache bestimmt, dass er Katholik ist und dass er nicht möchte, dass Katholiken, die für die Kommunalwahlen kandidieren, Angst vor dem Pfarrer haben.
Rebellische Landwirte – wer gegen wen?
Polityka, 27.2.2024
In ganz Europa werden die Proteste der Bauern, wie auch in Polen, von rechten Populisten missbraucht. An der Grenze schreit ein Szczepan Wojcik: „Wir marschieren alle zusammen, wir lassen uns nicht spalten, ab heute sprechen wir mit einer Stimme!“ Er ist der größte Pelztierzüchter Polens. Seine Tätigkeit wurde durch ein beabsichtigtes Tierschutzgesetz von Kaczynski bedroht. Aber ihm kam der Direktor des Medienimperiums Radio Maryja zur Hilfe. Jetzt zeigt sich Wojcik als Anführer der Proteste.
Seit dem Krieg in der Ukraine fallen die Getreidepreise und Russland überschwemmt zusätzlich den Weltmarkt mit Getreide, dass wollen die Blockierer nicht sehen, für sie tragen die Ukraine und die EU die Schuld.
Die Interessen der Getreideproduzenten decken sich weder mit den Nerzzüchtern noch mit den Jägern, die sich wiederum nichts von der EU vorschreiben lassen wollen, schon gar nicht wollen sie sich in Zukunft von Heuschrecken ernähren müssen. Aber sie sind bei den Protesten willkommen. Auch die Transportfirmen schließen sich ihnen an. Ihnen fallen die vielen Fahrten nach Belarus und Russland weg und nach Kasachstan müssen sie Umwege über die Türkei machen. Tusk erklärte die Grenzzugänge zur Ukraine als wichtige Infrastruktur, um den Zugang zur Lieferung von Hilfsgütern und Waffen in die Ukraine zu gewährleisten. Der Vorsitzende der Solidarnosc für Landwirte warf Tusk vor, auf diese Weise die Proteste zu unterdrücken.
Jetzt stehen die Kommunalwahlen an und so biedern sich immer mehr Abgeordnete, Organisationen und rechte Anführer den Bauern an. Eine sachliche Auseinandersetzung ist schon lange nicht möglich.
Proletarisierung des ländlichen Raume
www.rozbrat.org, 15.2.2024
Die Zahl der polnischen Bauern ist in den letzten Jahrzehnten stark geschrumpft. Von den mehr als zwei Millionen landwirtschaftlichen Betrieben, die bei der allgemeinen Landwirtschaftszählung von 1996 erfasst wurden, sind weniger als 1,3 Millionen übrig geblieben, und ihre Zahl geht weiter dynamisch zurück. Es wird geschätzt, dass von diesen 1,3 Millionen Betrieben nur noch weniger als 400.000 tatsächlich eine marktorientierte landwirtschaftliche Produktion betreiben. Die übrigen verpachten ihr Land meist an größere Landwirte und „ergänzen“ ihr Einkommen möglicherweise durch Arbeit auf dem Land. Es ist kein Geheimnis, dass sich der polnische ländliche Raum in letzter Zeit proletarisiert hat. Die Einkommen der Familien auf dem Lande sind vielfältiger und beruhen oft hauptsächlich auf Lohnarbeit in der Industrie, dem Dienstleistungssektor oder dem Handel.
Insgesamt ist festzustellen, dass der Prozentsatz der in der polnischen Landwirtschaft (einschließlich Forstwirtschaft und Fischerei) Beschäftigten von 25,4 Prozent im Jahr 1991 auf 8,4 Prozent im Jahr 2021 gesunken ist, d.h. die überwiegende Mehrheit der Landbevölkerung lebt nicht von der landwirtschaftlichen Arbeit.
Es gibt auch eine Konzentration des Landbesitzes. Von den erwähnten 1,3 Millionen Betrieben spielen heute diejenigen mit 20 Hektar und mehr die entscheidende Rolle – sie sind eindeutig gewerblich geprägt. Insgesamt gibt es rund 146.000 von ihnen, das macht 11,3 Prozent der Gesamtfläche. Sie verfügen jedoch über 53,4 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen, und wenn man die informellen so genannten „Nachbarschaftspachten“ mitzählt vielleicht sogar über 2/3 aller landwirtschaftlichen Flächen.
Die Zahl der Viehzuchtbetriebe geht noch schneller zurück. An ihre Stelle treten große, industrielle Betriebe mit einer hohen Konzentration von Viehbeständen. Diese sind die wirtschaftlich bedeutendsten.
Die Besitzer der größten landwirtschaftlichen Betriebe berufen sich auf ihren Status als Bauern und behaupten, die Interessen des gesamten „polnischen Landlebens“ zu vertreten, was ihnen Aufmerksamkeit und die Unterstützung der größten politischen Parteien verschafft, die sich um die ländliche Wählerschaft bewerben.
Die Klassenvertretung der Landbevölkerung hat schon lange keinen eigenständigen Charakter mehr. Die PSL hat sie verloren, und die Samoobrona ist degradiert worden. Mit den oben genannten Veränderungen haben sich auch die politischen Präferenzen der Bauern geändert.
Nach dem Ergebnis einer Umfrage, die IPSOS am Tag der Parlamentswahlen am 15.Oktober 2023 durchgeführt hat, erklärten 67,4 Prozent der Landwirte, dass sie für die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gestimmt haben; für den Dritten Weg 10,6 Prozent (wobei wir davon ausgehen, dass es sich dabei zu einem erheblichen Teil um bisherige PSL-Wähler handelt); für die KO 9,7 Prozent; für die Konföderation 5 Prozent; für die Linke knapp 3 Prozent.
Wo bleibt versprochene Renten für Behinderten
OKO.press.pl, 9.3.2024
„Dank Ihnen, liebe Betreuer, liebe Eltern von Behinderten, ist Polen ein bisschen besser. Dank Ihnen ist das, was in Polen geschieht, schöner. Ich danke Ihnen noch einmal sehr, sehr herzlich“, und Tusk versprich dann am 25.Januar, dass die Regierung schnellstens ein Gesetz verabschieden wird, welches die Behinderten besserstellen soll. Die PiS hatte einen diesbezüglichen Gesetzesentwurf im März 2023 auf Eis gelegt.
Der jetzige Entwurf geht davon aus, dass die Sozialrente (heute 1.780,96 PLN brutto) auf 100 Prozent des Mindestlohns (heute 4.242 PLN brutto) angehoben werden soll.
Alle Koalitionäre haben sich dafür ausgesprochen. Die entsprechende Kommission erklärte allerdings am 5. März, dass das Projekt nicht so einfach zu realisieren sei. Die Probleme betreffen die hohen Kosten, die Verfassungsmäßigkeit und die scharfen Gegensätze in den Auffassungen der unterschiedlichen Behindertenverbänden. Dabei geht es u.a. um Behinderte, die gearbeitet haben und später erwerbsunfähig wurden, im Vergleich zu denen, die bereits vor der Aufnahme einer Arbeit behindert waren und keine Rentenpunkte sammeln konnten. Insgesamt müssen die Formen der Sozialleistungen untereinander abgewogen werden, damit es nicht zu Ungerechtigkeiten kommt.
Vergewaltigung in Belarus, Schläge in Polen
magazynkontakt.pl, 4.12.2023
Die Sicherheitsorgane behandeln Flüchtlinge zunehmend schlechter. Während es zu Beginn der Krise selten vorkam, dass Wachleute gezielt Flüchtlinge schlugen, weil dies bei der übrigen Patrouille verpönt war, begünstigt der Gruppendruck nun eher Gewalt. Von Migranten hören wir, dass praktisch jeder geschlagen wird. Das berichtet eine Aktivistin von der „Stra? Granica” (Grenzwache).
In Belarus existiert seit den Zeiten der UdSSR noch ein Sperrgebiet an der Grenze von bis zu 1,5 km, dieses darf nicht betreten werden. Es sollte verhindern, dass Menschen in den Westen flüchten. Dieses Sperrgebiet können die Geflüchteten nur mit Hilfe von Schleusern in Zusammenwirken der Grenztruppen betreten. Dort werden sie in Lagerhallen festgehalten und können nach Gutdünken der Truppe in Richtung Polen. Oder sie kaufen sich frei und können Richtung Polen oder Minsk ziehen.
Im Moment gibt es von der polnischen Seite aus gesehen zunächst etwa zwei Meter hohe Drahtrollen, dann einen Streifen der technischen Straße, die von Patrouillen benutzt wird, dann einen Zaun, an dem auf polnischer Seite eine weitere Drahtrolle liegt, damit Passanten nicht hineintreten können. Infolgedessen gibt es nicht nur viele Wunden zu versorgen, sondern es verfangen sich auch Tiere in dem Draht.
Es sieht recht unterschiedlich mit den Grenzern aus, aber vor der Wahl hat sich die Zahl der uniformierten Einsatzkräfte in den Wäldern sichtbar erhöht, mehr als verdreifacht. Zahlen sind eine Sache, eine andere ist die Brutalität der Uniformierten – hier sehen wir eine Veränderung gegenüber dem Beginn der Krise im Herbst 2021. Damals kam es selten vor, dass einer der Posten gezielt Flüchtlinge schlug, das war beim Rest der Patrouille verpönt, so eine Person wurde gestoppt. Menschen, die nicht gewalttätig waren und es auch nicht sein wollten, taten alles, um nicht mehr an die Grenze zu gehen. Sie ließen sich entlassen oder gingen in den Vorruhestand. Also blieben nur diejenigen, die die Brutalität gegenüber den Geflüchteten nicht störte. Es werden viele neue Leute in den Dienst aufgenommen. Diejenigen, die sich bewerben, wissen bereits, wofür sie sich bewerben und wie ihre Aufgabe aussehen wird. Wenn eine Gruppe von Menschen praktisch unbegrenzte Macht über eine andere erhält, fangen sie oft an, sich sadistisch zu verhalten, vor allem, wenn sie nicht miteinander auskommen, weil sie nicht die Sprache des anderen sprechen.
Darüberhinaus haben sie die reine Propaganda gehört, dass es sich um einen hybriden Angriff handelt und dass diese Migranten gekommen sind, um uns zu vergewaltigen. Sie haben also eine zunehmend negative Einstellung zu ihnen. Leider gibt es nach dem, was ich jetzt von den Wachleuten höre, einen Gruppendruck, Gewalt anzuwenden. Wir hören von den Migranten selbst, dass praktisch jeder geschlagen wird.
Ja, oft werden ihnen die Hände mit einem Dreizack auf dem Rücken gefesselt und sie werden verprügelt. Sie müssen sich zum Beispiel bis auf die Unterhose oder nackt ausziehen und erniedrigende Dinge tun: kriechen, Lieder in ihrer Sprache singen. Darüberhinaus wird ihnen vor dem Pushback auch noch das Essen und die Kleidung weggenommen. Es ist zum Standard geworden, ihnen die Schuhe wegzunehmen. Es gab einen viel beachteten Fall eines 17jährigen syrischen Mädchens, dessen Mutter in ein Krankenhaus in Hajnówka gebracht wurde. Die Tochter blieb im polnischen Wald und wollte zu ihrer Mutter, wurde aber zurückgedrängt, woraufhin die Beamten ihr die Schuhe stahlen. Wir konnten die Behörden nicht davon überzeugen, ihr die Erlaubnis zu geben, zu ihrer Mutter zu gehen. Die Wachen weigerten sich sehr lange, ihr sogar Schuhe über den Zaun zu geben. Schließlich, nach langer Zeit, stimmten sie zu.
Eine andere Situation: Anwohner der Grenze hörten, dass im Wald eine Razzia stattfand, und als sie kamen, wurden gerade sechs Männer auf einen Lastwagen geladen. Übrig blieben ihre Rucksäcke mit durchgeschnittenen Trägern, ihre Schuhe und ihre Brillen wurden zertrampelt. Das heißt, die Menschen sind ohne die grundlegenden Ressourcen, die ihnen das Überleben ermöglichen, zurückgelassen worden. Telefone wurden seit Beginn der Krise zerstört, aber die Tatsache, dass nun auch Kleidung und Lebensmittel weggenommen werden, ist eine Veränderung gegenüber dem Herbst 2021.
Nun ist eine neue Regierung und jeder hofft auf ein Ende dieses Ausmaßes an Gewalt. Von Seiten der neu gebildeten Regierung wird vor allem über die Abriegelung der Grenze gesprochen. Und die Grenze wird abgeriegelt, was implizit bedeutet, dass niemand sie überqueren wird. Wir wissen aber, dass immer Menschen die Grenze überwinden werden, weg von Krieg und Elend in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft…
Frage: Die Pläne der neuen Regierung sehen also vor, die Grenze abzuriegeln, aber wenn jemand hier ankommt…?
Antwort: Dann wird gesagt, diese Menschen human zu behandeln, Asyl- oder Abschiebeverfahren anzuwenden, je nachdem, ob die Person um Schutz gebeten hat oder nicht, gewaltfrei zu sein, humanitäre und medizinische Hilfe zu leisten. Dies ist zumindest die Idee, die derzeit immer häufiger vorgeschlagen wird. Ich kann mir vorstellen, dass diese Idee auf breite Zustimmung stoßen wird.
Frage: Aber wird es möglich sein, die Brutalität der Truppen von vornherein einzudämmen?
Antwort: Nicht so schnell, fürchte ich. Wenn sie einmal gelernt haben, andere gewalttätig zu behandeln, ist es für gewalttätige Menschen schwierig, so plötzlich damit aufzuhören.
Erinnerungen Geflüchteter ist das Ergebnis eines Projekts, bei dem die linkskatholische Internetplattform https://magazynkontakt.pl/ Flüchtlinge und Flüchtlingsfrauen eingeladen hat, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Das Ergebnis ist ein Buch mit 25 verschiedenen Geschichten auf 300 Seiten von geflüchteten Frauen und Männern, die von Erinnerungen über Kurzgeschichten bis hin zu Gedichten und sogar einem Märchen reichen. Nicht nur die literarische Form ist vielfältig, sondern auch die beschriebenen Geschichten. Was sie gemeinsam haben, ist die Erfahrung des Exils in Polen.
POLNISCHE PRESSESCHAU 208 vom 22.2.2024
Vor USA-Besuch von Tusk und Duda
OKO.press.pl, 18.2.2024
„Ich hoffe, dass der Besuch von Präsident Andrzej Duda in den Vereinigten Staaten nicht dazu genutzt wird, Donald Trump zu unterstützen“, sagt Kanzleichef des Premiers Jan Grabiec im Vorfeld der Reise von Duda und Tusk in die USA im März.
„Wir sind manchmal besorgt über Äußerungen aus dem Umfeld des Präsidenten oder aus dem Umfeld der Partei Recht und Gerechtigkeit, die den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump unterstützen“, sagte Jan Grabiec gegenüber PAP auf die Frage nach den Vorbereitungen für den Besuch des polnischen Präsidenten und des Ministerpräsidenten in den USA. Die Reise ist für den 12.März geplant, Duda und Tusk werden in den USA mit Präsident Joe Biden zusammentreffen, um die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern und die Unterstützung für die Ukraine zu besprechen.
Auf dem Weg zur Rechtsstaatlichkei
OKO.press.pl, 19.2.2024
Sieg für Richter Igor Tuleya, das Gericht in Lodz entschied, dass er nie suspendiert wurde.
Das Gericht entschied, dass die Disziplinarkammer, die Tuleya suspendiert hatte, kein Gericht ist und dass ihre Entscheidungen nicht existieren und keine Rechtswirkung haben. Dies ist ein wichtiges Urteil, da das Gericht in Lodz die Entscheidung der ebenfalls angefochtenen neuen Kammer für berufliche Verantwortung, Tuleya zu suspendieren, missachtete und seinen richterlichen Status selbst festlegte.
Dies ist ein symbolischer, aber wichtiger Sieg für Richter Igor Tuleya vom Bezirksgericht in Warschau, der eines der Symbole der freien Gerichte ist. Seine vollen richterlichen Rechte und seine unrechtmäßige Suspendierung durch die Disziplinarkammer wurden vom Bezirksgericht für Lodz-Srodmiescie bestätigt. Das Urteil wurde am 14.Februar 2024 verkündet. Es wurde von der Richterin Dagmara Garnczarek gefällt, die entschied, dass die Disziplinarkammer kein Gericht sei.
Die Richterin verwies auf Urteile des EuGH und des Obersten Gerichtshofs – einschließlich einer historischen Entschließung des Plenums des Obersten Gerichtshofs vom Januar 2020 –, in denen die Rechtmäßigkeit der Disziplinarkammer, des Neo-Gerichtshofs und der Ernennungen von Neo-Richtern (die in der Disziplinarkammer saßen) in Frage gestellt wurde.
Justizminister Adam Bodnar reformiert die Justiz
OKO.press.pl, 18.2.2024
Bei einem Interview für das Internetportal wird der Minister nach den ersten zwei Monaten seiner Amtszeit gefragt. Schließlich gehört er zu den Politikern, die am meisten von der PiS attackiert werden. Er kennt das, als Obmann für Menschenrechte wurde er von der PiS auch heftig attackiert. Allerdings ist die Situation eine andere, da er jetzt Politiker ist und eine schwierige Aufgabe zu erfüllen hat, nämlich die Rechtsstaatlichkeit wieder herzustellen. Ihm ist bewusst, dass es noch viele schwierige Hürden zu überwinden gilt.
Er sei sehr zufrieden damit, wie der Prozess des Beitritts zur Europäischen Staatsanwaltschaft verläuft. Des weiteren sei ein Standard für die Wahl eines Gerichtspräsidenten eingeführt, indem die Versammlung der Richter diesen wählt.
„Es kommt frischer Wind in die Staatsanwaltschaft. Ich freue mich nicht nur auf die Zusammenarbeit mit der europäischen Staatsanwaltschaft, sondern auch auf die mögliche Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Auch die Ausbildung künftiger Staatsanwälte an der Nationalen Schule für Justiz und Staatsanwaltschaft wird sich ändern. Außerdem wurde ein Ermittlerteam für den Justizfonds eingerichtet, und in jeder Stadt werden regionale Staatsanwälte ernannt. Diese verschiedenen scheinbar kleinen Dinge bewirken große Veränderungen. Ich freue mich auch auf die Treffen mit Staatsanwälten und Mitarbeitern der regionalen Staatsanwaltschaften.“
Ein Durchbruch in Brüssel?
OKO.press, 20.2.2024
Nach sechs Jahren ist der erste Schritt gemacht. „Endlich ist der polnische Justizminister gekommen“, kommentieren europäische Politiker den Besuch von Adam Bodnar in Brüssel. Zbigniew Ziobro ist nicht zum Thema Rechtsstaatlichkeit nach Brüssel gefahren.
„Der Plan zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit in Polen ist realistisch. Es ist ein Jahr, das zum Ende des Artikel 7-Verfahrens gegen Polen führen könnte. Aber es gibt noch viel zu tun“, sagte die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Vera Jourova, am Dienstag. Sie reagierte damit auf den von Adam Bodnar in Brüssel vorgestellten Neun-Punkte-Plan zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit.
„Hochrangige Beamte der Europäischen Union begrüßten am Dienstag einen Plan der neuen polnischen Regierung, der die Bedenken über den Abbau der Demokratie ausräumen soll. Sie drückten ihre Hoffnung aus, dass dies jahrelange Rechtsstreitigkeiten beenden könnte“, berichtet ein Korrespondent der Associated Press über den Besuch von Bodnar.
Ist sich der Präsident bewusst, dass er die Verfassung missachtet?
Przeglad, 19.2.2024
Der Präsident hat Double-Richter für das Verfassungsgericht benannt, dabei gab es rechtskräftig gewählte Richter, und dann hat er noch zusätzlich drei Richter zu den regulären ernannt. Über Nacht wurden diese von der PiS abgesegnet und von Duda vereidigt. So hatte die PiS freie Hand, durch die Double oder Neo-Richter die Rechtsprechung zu „gestalten“. Im Grunde genommen hat der Präsident die Aufgabe, über die Einhaltung der Verfassung zu wachen, aber er hat im Gegenteil Chaos in das Rechtssystem gebracht. Von diesen Double-Richtern wurden 80 Beschlüsse gefasst. Der Obmann für Bürgerrechte hat darauf hingewiesen, dass diese Beschlüsse fehlerhaft sind und es für Polen zu Schadensersatzforderungen kommen kann. Es gab noch weitere Neo- bzw. Double-Richter, die Duda eingesetzt hat, um die regulären Richter und ihre Vorsitzenden mit PiS-hörigen Richtern auszutauschen. Er hat nach dem Sinn der PiS das Gerichtswesen zu deren Gunsten umgebaut und erklärt, das sei eine innere Angelegenheit Polens, sodass der EuGH sich nicht einzumischen hat. Das Chaos wurde dadurch vergrößert, dass der Präsident 3100 Neo-Richter berief. Viele der neu „berufenen“ haben nicht die Erfahrung und Kompetenz, um ihre Funktionen auszuüben. Das erinnert etwas an Kaiser Caligula, der auf einen Senatorenposten ein Pferd berief.
Nach Ansicht von Rechtswissenschaftlern ist die jetzige Regierung auf dem richtigen Weg, durch Beschlüsse des Parlaments diese „Neo – Double“-Reihen aufzulösen und der gesetzlichen Norm entsprechend auch das Verfassungsgericht zu besetzen.
Vorschlag der linken Partei RAZEM zur Wohnungsproblematik
Gazeta.pl, 15.2.2024
„Wir sind überzeugt, dass kosmetische Änderungen das Problem nicht lösen werden. Wir müssen strategisch auf den sozialen Wohnungsbau setzen und 1 Prozent des BIP an die Kommunen für den Bau von Mietwohnungen überweisen“, so der Abgeordnete und Ko-Vorsitzende von Razem, Adrian Zandberg gegenüber Gazeta.pl. Er schätzt, dass auf diese Weise die horrende Entwicklung der Wohnungspreise gestoppt werden können.
Der Abgeordnete der Linken sprach auch über das von der Regierung geplante neue Darlehensprogramm „Wohnen für den Anfang“, das das 2-Prozent-Sicherheitsdarlehen ersetzen soll. „Hier sind wir ganz konsequent. Wir sagen schon seit Jahren, dass die Subventionierung von Darlehen eine Subventionierung des Entwicklungssektors und der Banken bedeutet. Sie bewirken das Gegenteil“, betonte er.
Politiker und ihre Unterstützung Bedürftige
wolnolewo.pl, 19.02.2021
„Wie sollen wir helfen, wo wir doch selbst auf Hilfe angewiesen sind?“ Losung der Beschäftigten sozialer Berufe des Polnischen Verbandes der Sozial- und Wohlfahrtsgewerkschaften.
Diese Beschäftigten haben bisher keine Lohnerhöhungen erhalten. Offensichtlich werden sie nicht als Öffentlicher Dienst erachtet. Die niedrigen Löhne werden dazu führen, dass es in diesem Bereich bald keine neuen Beschäftigten geben wird und und das nicht erst in zehn, sondern schon in zwei, drei Jahren. Die Regierung versteckt sich hinter den Kommunen. Der Staat delegiert viele Aufgaben an Kommunen oder NGOs – aber mit einem viel zu geringem Etat. Irgendwo muss ja gespart werden für große Projekte der Infrastruktur oder für das Militär.
Schließlich bewegt sich solch ein Bedürftiger irgendwo im Schatten der Gesellschaft, so ein Wohnungsloser stirbt irgendwo abseits, außerhalb der Öffentlichkeit in aller Ruhe. Ganz ähnlich einsame und kranke Menschen, schließlich gehen sie nicht demonstrieren (Arme haben keine großen Traktoren, sagt DIE ANSTALT). Da es kein mediales Problem ist, ist es auch kein politisches Problem.
Geringe Bezahlung und mangelnder Respekt seitens der Öffentlichkeit führen dazu, dass Sozialarbeiter überarbeitet und müde sind und mit der Zeit „abgehärtet“ werden. Nicht alle Haltungen von Sozialarbeitern sind nachvollziehbar, und einige ihrer eher paternalistischen Ansichten sind manchmal erstaunlich. Aber von irgendwo kommt das her. Und es kommt von der herrschenden Ideologie, die viele Arbeitnehmer ebenfalls verinnerlicht haben.
Wie Tusk die Linke über den Tisch zieht
wolnolewo.pl, 16.2.2024
Tusk und seine liberalen Anhänger haben beschlossen, die Linkspartei zu zermürben. Er schlug bewusst erst eine gemeinsame Kandidatur für die Kommunalwahlen vor und zeigte ihnen dann die Tür, und so wird eine Stichwahl nicht stattfinden.
Es wiederholt sich, was in der Bürger-Plattform schon seit jeher gang und gebe ist. Linke werden mit Versprechungen angelockt, um ins Parlament zu kommen, es winken Sitze in der Regierung und dann werden sie vereinnahmt bzw. isoliert.
Nun hat die Partei RAZEM, die nicht in der Regierung ist, es gewagt, eine eigene Kandidatin für das Amt der Bürgermeisterin von Warschau aufzustellen. Und schon tönt es von PO/Tusk-nahen Medien: „Es war im voraus bekannt, dass das einzige Ziel der Kampagne des Kandidaten der Partei RAZEM darin bestehen würde, die Koalition, die Regierung, Tusk und Trzaskowski zu schlagen. Gemeinsam (Razem) und immer gemeinsam mit der PiS.“
Im Unterschied dazu sieht das Verhältnis zum „Dritten Weg“ der Herrn Ho?ownia und Kosiniak doch etwas anders aus. Diese Herren können sagen, dass es keine Abtreibung geben wird, und damit ist die Sache erledigt, und irgendwie werden die „Motoren“ von niemandem aktiviert, um gegen sie vorzugehen. Die Geschichte, dass der Dritte Weg ein Anhängsel der PiS ist, lässt sich bei ihnen nicht wochenlang wiederholen. Diese Herren sind schon in der Lage sich zu wehren.
Die Linken in der Regierungskoalition hingegen haben sich vollkommen auf die liberale Tour eingelassen und sind in nichts zu unterscheiden von der neoliberalen PO. So wird die PO auch die Wähler der Linken übernehmen.
Der Autor des Artikels, Xavier Wolinski meint:
„Für mich ist das keine Tragödie, denn die Themen, die mir wichtig sind, werden auch weiterhin von unten nach oben erkämpft, so wie wir es jetzt tun, und ich erinnere mich gut daran, dass es auch dann möglich war, für bestimmte Themen zu kämpfen, als es überhaupt keine linke Partei mehr im Parlament gab. Soziale Konflikte, auch Klassenkonflikte, gibt es unabhängig davon, wer gerade in der Regierung ist und wer im Parlament sitzt. Solange es Ursachen für Spannungen gibt, werden diese Spannungen die bestehende politische und wirtschaftliche Struktur beeinflussen und manchmal auch erschüttern. Dies wird sich nicht ändern. Es gibt immer noch Kämpfe zu verlieren und Kämpfe zu gewinnen.
Es überrascht mich als Beobachter einfach, dass sie sich so leicht von den Liberalen täuschen lassen. Aber sollte es mich wirklich überraschen, da ich die Geschichte des Niedergangs der linken Parteien in den letzten Jahrzehnten kenne?“
Zu Kommunalwahlen getrennt
www.lewica.pl, 31.1.2024
Die gestrige Pressekonferenz von Donald Tusk, auf der ein eigenständiger Start der Bürgerkoalition angekündigt wurde, hat Medienspekulationen über eine KO-Koalition mit der Neuen Linken ein jähes Ende gesetzt. Die Linke ist bereit, allein anzutreten, wie der Ko-Vorsitzende der Neuen Linken, Robert Biedron, und der Minister für Digitalisierung, Krzysztof Gawkowski, einstimmig erklärten. Sie bedauern, dass es nicht gelungen ist, eine breite Koalition für die Kommunalwahlen zu bilden. Biedron zufolge besteht der Vorteil eines Alleingangs neben den vielen Nachteilen darin, dass die Linke die Elemente hervorheben kann, die sie von den anderen Koalitionspartnern unterscheiden.
Die Wahlen finden am 7.April statt und die Wahl der Bürgermeister u.ä. zwei Wochen später.
Wohin flossen Millionen aus dem Fonds für Gerechtigkeit?
OKO.press, 20.2.2024
Dieser Fonds war dafür eingerichtet worden, um Opfern von Verbrechen und Gewalt zu helfen.
Die Profeto-Stiftung, die von Pater Michal Olszewski – einem führenden Exorzisten – geleitet wird, sollte bis 2025 fast 100 Mio. PLN aus dem Justizfonds erhalten, um ein Hilfszentrum für Verbrechensopfer aufzubauen. Obwohl die neuen Behörden des Justizministeriums die Zuschüsse gestoppt haben und den Fonds derzeit prüfen, sind auf das Konto von Profeto 66 Mio. PLN geflossen.
OKO.press hat zusammen mit TVN24 recherchiert, um die Fragen zu klären, wo all die Gelder abgeblieben sind – sie fanden z.B zwei Millionen auf dem privaten Konto einer Tochter eines Mitarbeiters…
Von Anfang an hat das Projekt der Profeto-Stiftung auch vom außerordentlichen Wohlwollen des Ministeriums von Zbigniew Ziobro und der ihm unterstellten Staatsanwaltschaft profitiert.
Die Reporter haben ein Treffen mit Olszewski vereinbart und bald kippt die herzliche Atmosphäre, als sie Fragen über die Zusammenarbeit der Stiftung mit der Firma Tiso stellen, die das Zentrum bauen sollte. Eine nervöse Grimasse erscheint auf dem Gesicht des Geistlichen. „Im neuen Justizministerium gibt es eine Menge undichter Stellen. Es gibt Medien, die sehr schnell vertrauliche Informationen erhalten, zu denen sie keinen Zugang haben sollten“, sagt ein besorgter Olszewski.
Die Umstände des größten Zuschusses aus dem Justizfonds waren von Anfang an unklar. Das Auswahlverfahren, bei dem Profeto den Zuschlag erhielt, wurde vom Obersten Rechnungshof in seinem Bericht 2021 kritisiert. Der Oberste Rechnungshof stellte fest, dass die Bedingungen des Wettbewerbs „ungenau“ und „unzuverlässig“ waren. Die Bestimmungen des Wettbewerbs und das Vorgehen des Ausschusses, der die Bewerbungen bewertete, begünstigten die Bewerbung von Profeto.
Ist es das Ende des ePiSkopats?
Przeglad, 14.2.2024
„Die letzten Wahlen haben nicht nur gezeigt, dass auch ohne Unterstützung der Kirche Wahlen zu gewinnen sind, sondern auch gegen sie“, sagt Prof. Kobylinski von der katholischen Universität Stefan Wyszynski in Warschau. „Über Jahrzehnte wurde die Kirche von der Regierung als ein wichtiger Mitspieler in der Politik gehandelt. Es ist an der Zeit sich davon zu verabschieden.“
Die Kirche hat viel dafür getan, dass dies geschah. Vor allem in den letzten acht Jahren, in denen sie ohne Scham und in einem noch nie dagewesenen Ausmaß öffentliche Gelder in Anspruch genommen hat. Und sie hat den Autoritätsverlust, der durch die Skandale und die schwindende Zahl der Gläubigen entstanden ist, dadurch kompensiert, dass sie die Regierenden unter Druck gesetzt hat, ihre ideologischen Forderungen zu erfüllen.
Zwar gab der Ständige Rat des Episkopats ein Dokument heraus, in dem er sich von der aktuellen Politik und der Unterstützung bestimmter Parteien distanzierte. Gleichzeitig hat der Episkopat ein „Wahlvademecum eines Katholiken“ veröffentlicht, in dem er argumentiert, dass es das christliche Gewissen nicht erlaubt, für politische Programme bei der Wahl zu stimmen, die gleichgeschlechtliche Beziehungen zulassen oder das Recht auf Leben „von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod“ in Frage stellen.
| Und wen und was will der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanis?aw G?decki, provozieren, der in seinem Brief an die Gläubigen zur Fastenzeit schreibt, „dass unsere Unabhängigkeit gleichermaßen durch die Aktionen von Brüssel und Moskau bedroht ist?“ „Die Herausforderungen, die sowohl aus dem Osten kommen, wo Krieg herrscht, als auch aus dem Westen, wo wir große kulturelle Veränderungen und das Bestreben erleben, die Europäische Union in einen einzigen Staat zu verwandeln, stellen heute die Frage nach der Unabhängigkeit Polens“, warnt das Oberhaupt der Bischofskonferenz. Polityka, 21.2.2024 | 
Es ist unruhig bei den hochwürdigen Herrn Bischöfen… Bereits im November hat das neue Parlament die Finanzierung von in vitro gebilligt und Duda hat es sogar unterschrieben, obwohl Gadecki an ihn appelliert hat, es nicht zu tun. Aber wenigstens haben sie Duda nicht mit einer Exkommunikation wie einst Präsident Komorowski in einem ähnlichen Fall gedroht.
Prof. Kobylinski: „Es wurde auch schnell deutlich, dass die Regierenden bei Themen wie der Liberalisierung des Abtreibungsrechts oder der Legalisierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften wirklich hart durchgreifen könnten.“
Der oberste Pharisäer Erzbischof Marek Jedraszewski rief von der Kanzel, Polen sei nicht das Eigentum von „irgendwelchen linken oder linksgerichteten Sozialtechnikern“. Es gibt nur eine Antwort: „Polen ist das Eigentum Gottes“ – und damit der Kirche.
„Ich bin seit langem der Meinung, dass die Kirche nach einer neuen Rolle und einem neuen Platz suchen sollte. Sie sollte sich in einer demokratischen, pluralistischen Gesellschaft wiederfinden, in der die Stimme jedes Einzelnen gleich wichtig ist. Aber das hat sie nicht getan. Sie hat sich in politische Konstellationen verstrickt und ist von ihnen abhängig geworden“, sagt Pater Pawel Guzynski, ein Dominikanermönch, der im Rahmen des Kongresses der Katholischen Frauen und Männer die Kampagne „Kirche frei von Politik“ leitet. „In den letzten acht Jahren war es schlichtweg unerträglich. Einige Bischöfe haben direkt die Sprache der Parteipropaganda übernommen. Heute können sie sich nicht mehr zurechtfinden und versuchen, an etablierte Denk- und Handlungsmuster zu appellieren. Man hat den Eindruck, dass ein Teil der Kirche mit der Partei Recht und Gerechtigkeit in die Opposition gegangen ist.“
Die ideologischen Konflikte mit der Koalition vom 15.Oktober werden zunehmen und die Kirche ist so schwach wie nie zuvor. Zudem kann sie sich nicht mehr darauf berufen, dass Katholiken die Mehrheit in Polen bilden. Praktizierende Katholiken sind eine Minderheit, nach dem katholischen Institut für Statistik nehmen 29,5 Prozent an den sonntäglichen Gottesdiensten teil.
„Die vorherrschende Meinung in der bürgerlichen Koalition ist derzeit, dass das, was die Kirche sagt, nicht viel zählt“, schätzt Pater Sowa ein. „Die Kirche hat das Recht auf moralische Belehrung verloren, KO wird der Kirche wahrscheinlich nicht den offenen Krieg erklären, aber den Gehorsam verweigern.“
Religion hat keinen Einfluss mehr auf Durchschnittsnoten?
Polityka, 14.2.2024
Barbara Nowacka, die Bildungsministerin, hat die Absicht, ab dem neuen Schuljahr Religion und Ethik nicht mehr in die Durchschnittsbenotung einfließen zu lassen. Die Emotionen kochen hoch. Ein Grund dafür ist, dass im allgemeinen die Bestnote bei Religion eine fünf oder gar sechs ist. Das mag auch ein Grund dafür sein, warum noch viele Schüler am Religionsunterricht teilnehmen. Dadurch verbessert sich ihr Durchschnitt und somit die Chancen, in einem guten Gymnasium aufgenommen zu werden. Bei einem guten Notenstand gibt es auf dem Zeugnis sogar ein weiß-rotes Band – und damit wächst die Chance, auf ein gutes Lyzeum zu kommen.
Die Jugend in Polen ist recht religiös, aber das heißt nicht, dass sie sich an den Religionsunterricht in der Schule bindet. Eher ist anzunehmen, dass es für viele keinen Grund mehr geben wird und die Mehrheit nicht mehr am Religionsunterricht teilnimmt. Ein Angebot an Ethikunterricht gibt es kaum, da es dafür kaum Lehrkräfte gibt.
POLNISCHE PRESSESCHAU 203 vom 19.11.2023
Eine Woche mit Parlamentspräsident Holownia
OKO.press, 17.11.2023
Das Bild der Woche war eine Nahaufnahme der Kamera der Sejm-Bank, wo Elzbieta Witek (die ehemalige Parlamentspräsidentin) und Mateusz Morawiecki Seite an Seite sitzen. Die Kamera hat die beiden am Montag bei der Bekanntgabe des Ergebnisses der Wahl eines neuen Sejm-Präsidenten eingefangen. Als der Alterspräsident Marek Sawicki von der PSL verkündete, dass der Sejm in der neuen Legislaturperiode von Szymon Holownia geführt wird, der 265 Stimmen erhielt, zeigten sich für einen Moment Überraschung und Ernüchterung in den Gesichtern von Witek und Morawiecki. Es war, als ob sie nicht ganz glauben konnten, dass sie die Macht verlieren, dass es nach den Wahlen bereits eine neue Mehrheit im Parlament gibt und dass die PiS unweigerlich in die Opposition gehen muss.
Witek hat bei der Wahl verloren: Die Opposition, die im derzeitigen Sejm die Mehrheit hat, kündigte an, dass sie Witek wegen ihrer fragwürdigen Leistungen in der vergangenen Wahlperiode nicht unterstützen werde. Die Politikerin von Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte als Präsidentin gegen die Geschäftsordnung des Sejm verstoßen. Die PiS hielt jedoch an ihrer Kandidatur fest. Noch vor der Abstimmung kündigte Jaroslaw Kaczynski an, dass seine Partei keine andere Person als stellvertretende Sprecherin nominieren werde. Anschließend verteidigte er Witek von der Sejm-Tribüne aus.
Weitere zwanzig Tage wird die Farce einer Regierungsbildung Polen begleiten. Das liegt daran, dass Duda den spätesten Termin zur Einberufung des neuen Parlaments gewählt hat. Dadurch konnte er erreichen, dass die PiS solange noch Zeit hat, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen, Gelder zu verschenken, seine Leute in staatlichen Institutionen zu etablieren und Beweise/Akten zu vernichten. Obwohl mit der Wahl des Parlamentspräsidenten klar ist, wer die Mehrheit hat, gibt Morawiecki vor, Koalitionspartner zu suchen. Damit macht er sich, sein Amt und die Regierungsbildung lächerlich. Am 17.11. erklärte er, dass er in einer Woche sein Kabinett vorstellt. Dann wird ihn Duda zum Premier ernennen und gewinnt dadurch weitere 14 Tage, um dann im Sejm eine Abstimmung zu erreichen.
Einen Vorgeschmack auf die absurde Situation gab es am vergangenen Freitag, als Morawiecki sagte: „Ich habe das Wahlergebnis so interpretiert, dass die Polen eine Regierung des Gleichgewichts wollen. Die neue Regierung wird vom Programm her für die Bürger relevant sein. Wir erstellen einen Dekalog der polnischen Themen für die nächsten vier Jahre… Wir wollen ein Wachstum für Polen durch die Realisierung unseres guten Programms.“
Aber jetzt ist in das Parlament ein anderer Ton eingekehrt. Nun geht es nicht mehr darum darauf zu achten, welche Zeichen Kaczynski zur Abstimmung von sich gibt. Holownia nutzt seine rhetorischen Talente voll aus, indem er das Verfahren einerseits mit Schwung und andererseits in einer hochtrabenden Form und mit Ausschmückungen führt, die die Ernsthaftigkeit der Funktion von Holownia und des Sejm unterstreichen. Andererseits ist Holownia, wie man so schön sagt, ganz die Ruhe in Person – er erteilt Jaroslaw Kaczynski nicht das Wort, er mildert Zbigniew Ziobra ab, er polemisiert witzig mit dem aggressiven Czarnek.
Ganz interessant ist die Eidesformel. Mit dem Zusatz „so wahr mir Gott helfe“ stimmten nur 20 der 61 Frauen der KO, aber 50 der 96 Männer. Insgesamt haben 318 Abgeordnete mit dem Zusatz „so wahr mit Gott helfe“ und 141 ohne diesen Zusatz gelobt. Im Vergleich zu 2019 waren es 97 mehr, die ohne den „Glaubenszusatz“ ihren Eid gesprochen haben. Erstaunlich ist es schon, dass 72 Frauen „so wahr mir Gott helfe“ sagen und 63 ohne diesen Zusatz gelobten, aber bei den Männern beriefen sich 255 auf Gott und 69 nicht.
Übrigens: Maciej Konieczny, ein Linker von der Partei Razem, hat auch diesmal den Eid mit erhobener Faust geschworen. Sein Engagement und seine Einlassungen lassen wünschen, dass alle Linken sich mit dieser Eindeutigkeit positionieren würden.
Illusionen des Kleinen Mannes
studioopinii.pl, 12.11.2023
Und woher bezieht der kleine Mann den Saft, den er für seinen Fortbestand braucht? Er ernährt sich von Angst und Furcht. In seiner Besessenheit – denn seine obsessive Vision von einem geheimen Plan mysteriöser und finsterer Mächte, die über die Polen und ihre Existenz lauern, ist bereits jenseits der Kontrolle seines Verstandes – bemerkt er nicht einmal, wie grotesk er ist und wie sehr er mit jedem Tag kleiner wird. Er ist zu kleingeistig, um über das Stadium der Sekte, die sich offiziell als politische Partei bezeichnet, hinauszukommen; er wird es nie schaffen, über die Ebene des Mythos hinauszukommen, den er sein ganzes öffentliches Leben lang beharrlich aufgebaut hat. Er wird bereits von seinen ersten Gefolgsleuten im Stich gelassen, und dieser Riss in seinem kleinen Charakter wird jeden Tag größer werden, bis er schließlich zusammenbricht und zu Staub zerfällt. Aus den Ruinen des Schamanenkults wird keine Religion entstehen, nur eine langsam verblassende, durch Spaltungen geschwächte Sekte wird übrig bleiben. Viele werden weiterhin die Kraft des Hasses des kleinen Mannes suchen, als wären es geheime Zeichen, die auf die Heiligkeit hinweisen, aber diese Impulse werden immer schwächer werden, obwohl der kleine Mann wahrscheinlich zu immer stärker werdenden Zaubersprüchen und Hexerei greifen wird, die immer bedrohlicher klingen werden.
Hilft der Papst bei der Trennung von Kirche und Staa?
studioopinii.pl, 15.11.2023
Es stellt sich die Frage, wie sich das Verhältnis von Kirche und Staat unter der neuen Regierung entwickeln wird. Noch fühlt sich die Kirche mächtig, und inwieweit die Koalitionspartner willens sind, deren Privilegien abzuschaffen wird sich zeigen, vor allen Dingen seitens des Dritten Weges. Es sei aber auch daran erinnert, dass das „katholische“ Irland ein Konkordat abgelehnt hat.
Nach Ansicht des Theologen und Professors für Geisteswissenschaften, Stanislaw Obirek von der Uni Warschau, driftet die polnisch katholische Kirche in ein Schisma ab und das könnte der Demokratie in Polen helfen. In Polen ignorieren die Bischöfe und Theologen die Veränderungen in der römisch-katholischen Kirche. Dies zeigt sich seit dem Antritt des Papstes, der sich den Namen Franziskus gab. Bisher wurde die Kirche von einer fremdenfeindlichen, homophoben und populistischen Partei gestützt. Die zukünftige Regierung sollte bedenken, dass sie bei ihren Plänen bezüglich des Stellung der Kirche im Vatikan einen Unterstützer hat. Der Papst ist dafür, den politischen Einfluss des Klerus zu unterbinden. Er ist auch Gegner aller Feinde der Migration, LGBT und Populisten. Er ist auch Trump mit seinen Fundamentalisten nicht auf den Leim gegangen, die da meinten, sie würden das Leben von Anfang an verteidigen.
Wie immer sich der Papst auch manchmal unüberlegt und dumm geäußert hat – wie z.B. im Fall des Überfalls auf die Ukraine: Bezüglich kirchlicher Ämter vertritt er eine klare Linie. Er beruft Frauen in Ämter des Vatikans und hat einige Fundamentalisten vor Ablauf ihrer Amtszeit als Bischöfe entfernt. Ob es in den Nachrichten des Vatikans auch solche über polnische Bischöfe geben wird?
„Ich bin für die Trennung von Kirche und Staat sowie für die Wiederherstellung eines partnerschaftlichen und nicht eines unterwürfigen Verhältnisses zwischen dem Klerus (insbesondere den Bischöfen) und den Politikern. Papst Franziskus kann dabei helfen.“
PiS versucht Parlament zu sabotieren
OKO.press.pl, 14.11.2023
Die Abstimmung über die Wahl der Mitglieder des Nationalen Justizrates wurde durch Minister der PiS-Regierung unterbrochen. Sie machten von Art.186 des Sejm Gebrauch, wonach – mit den Worten eines PiS Abgeordneten – Minister bis in die frühen Morgenstunden reden und außer der Reihe an das Mikrofon treten können. Das war ihr Plan. Ziobra redete und redete, bis ein Abgeordneter der Linken meinte: „Ihre Zeit ist nicht nur am Mikrofon abgelaufen, sondern auch in der Politik!“
Der Parlamentspräsident verwies dann auf die Geschäftsordnung und schlug vor, dass jede Fraktion bzw. Gruppe 3 Minuten Redezeit erhält. Eine Mehrheit war dafür und die PiS musste es aufgeben, das Parlament zu sabotieren. Im übrigen erhielten die von ihnen für das Amt vorgeschlagenen Mitglieder keine Mehrheit.
Die Regierung kann auch Duda ein Bein stelle
Przeglad, 20.11.2023
Dieser hatte bereits angesagt, dass er mit Hilfe des Vetos „die wichtigsten Errungenschaften“ der acht Jahre der PiS Regierung verteidigen wird. Dazu zählt er wohl den Ruin des Verfassungsgerichts, die Politisierung des Nationalen Justizrates, die Produktion von Doppel-Richtern (PiS hat zusätzliche Richter in verschiedene Kammern eingesetzt, um Einfluss auf die Entscheidungen zu bekommen) und die Politisierung der Staatsanwaltschaften mit dem Justizminister als Generalstaatsanwalt. Um den Rechtsstaat wiederherzustellen müssen Gesetze her und da hat Duda sein präsidiales Vetorecht. Gleichzeitig kann er die Nominierungen von neuen Botschaftern, Vorsitzenden bzw. Direktoren von staatlichen Einrichtungen verhindern.
Der Autor Jan Widacki erinnert daran, dass General Pilsudski seinerzeit (1930) keine rechtlichen Möglichkeiten hatte, den Militärbischof aus dem Amt zu jagen. Also setzte er den Rotstift an und setzte den Etat der Bischofsverwaltung auf 0 und dieser wurde vom Vatikan abberufen.
Der Sejm kann auf Antrag der Regierung oder aus eigener Initiative den Etat des Präsidialamtes überprüfen und entsprechende Kürzungen vornehmen, zunächst um 25 oder 50 Prozent. Da würde vielleicht die Garderobe für die erste, aber schweigende Dame des Landes entfallen, Gehälter für Mitarbeiter von fraglicher Qualifikation und intellektuellem Vermögen ebenso. Dies Geld könnte für Behinderte, für die Kinderpsychiatrie ausgegeben werden. Es könnte noch viel mehr eingespart werden, sind doch dort 400 Menschen beschäftigt.
POLNISCHE PRESSESCHAU 202 vom 11.11.2023
Die ersten drei Artikel beschäftigen sich mit dem Präsidenten Duda, der nichts unterlässt, um die negativen politischen Weichenstellungen der PiS zu festigen und somit die Regierungsbildung auf die lange Bank schiebt. Dem Dritte Weg mit seinen zwei Parteien und der Partei Razem sind die anderen drei Artikel gewidmet.
Der heutige Tag der Unabhängigkeit wird wieder viele Schlagzeilen bringen, es wird sich zeigen, ob er in der Zukunft ein besonderer Feiertag für die rechten Populisten bleiben wird.
Und schließlich ein Kommentar zu den Koalitionsvereinbarungen vom 10.11. der künftigen Regierung …
Dr. Duda – genannt der Kugelschreiber Kaczynskis
Polityka, 02.11.2023
Es stellt sich die Frage, ob er in der Lage ist, auf Distanz zur PiS zu gehen. Obwohl alle wissen, dass Duda ein Mann der PiS ist und zu erwarten ist, dass er Morawiecki mit der Regierungsbildung beauftragen wird, macht er seine Spielchen. Er lädt in Manier eines Staatsmannes die Parteiführer zu Konsultationen ein. Dann erklärt er, dass es zwei mögliche Kandidaten als Premier gebe. Jetzt beruft er das Parlament zu einem möglichst späten Zeitpunkt ein – den 13.11. (der 15.11. wäre der letzte mögliche Termin gewesen). Jetzt hat die PiS noch mehr Zeit, um ihre Spuren von Unrecht und Ungerechtigkeit zu verwischen. Tusk ist jetzt noch von Duda abhängig, aber es kommt die Zeit, da wird es umgekehrt sein – es könnte ihm passieren, dass er vor das Oberste Gericht gestellt wird – allerdings steht das noch in den Sternen.
Wie wird sich Duda weiter verhalten? Bisher hat er nach den Vorgaben von Kaczynski funktioniert. Autorität hat er sich dadurch nicht erworben, nicht einmal im eigenem Kreis. Im Gegensatz zu Tusk fehlt ihm auch politische Erfahrung und Qualifikation. Wie Hohn klingt es, wenn sein neuer Kanzleichef Mastalerek im Radiointerview sagt: „Niemals in der vorhersehbaren Zukunft wird es bei den Rechten einen derart fähigen und talentierten Menschen wie Andrzej Duda geben.“
Es ist auch erstaunlich, welche Fragen Duda im Gespräch mit Tusk interessierten. Es waren nicht etwa die Ausgaben für die Sozialpolitik oder das Rentenalter, beide spielten in der Wahlkampfhetze der PiS eine große Rolle – „Tusk erhöht das Rentenalter, nimmt euch das Kindergeld weg“… Ihn interessierte es, ob seine Regierung die Waffenkäufe fortsetzen, die Atomenergie ausbauen wird. Dabei geht es ihm um die Fortführung der guten Beziehungen zur USA und wohl auch darum, dass er in dieser Richtung Perspektiven für seine Zukunft sieht.
Angeblich haben die Amerikaner ihm ein Angebot gemacht und erwarten im Gegenzug eine „gute Regierungsführung“, d.h. den Aufbau einer zivilisierten Beziehung zur neuen Regierung. Sollte sich das bestätigen, wäre das Ende der Präsidentschaft vielleicht gar nicht so zerstörerisch, wie man noch vor kurzem dachte. Statt des erwarteten Kurzschlusses können wir Dudas mehr oder weniger erfolgreiche Versuche beobachten, zwischen widersprüchlichen Erwartungen zu balancieren, seine Ausweichmanöver, seine Posen. Was für die künftige Regierung unterm Strich kein schlechtes Szenario wäre.
Dudas Unverschämtheit, von Stanislaw Obirek
www.studioopinii.pl, 8.11.2023
Wenn es stimmt, was die Medien über die Gespräche von Präsident Andrzej Duda mit dem Vorsitzenden der PSL berichten, dann haben wir es mit mehr als nur Korruption zu tun. Was Duda begangen hat, ist Erpressung in ihrer reinsten Form. In dem Bestreben, seinem Kollegen Morawiecki zu helfen, die Macht zu erhalten, die ihm die Wähler genommen haben, nutzt Duda das Amt des Präsidenten, um den Willen der Wähler zu untergraben, der in den freien und demokratischen Wahlen vom 15.10.2023 zum Ausdruck kam.
Und so war es auch. Das Portal onet.pl schrieb unter Berufung auf einen PSL-Politiker: „Präsident Duda fragte Wladek während dieses Gesprächs gleich dreimal, ob er vielleicht bereit wäre, diese Aufgabe zu übernehmen. Er kam immer wieder auf dieses Thema zurück, obwohl er jedes Mal ein klares Dementi hörte. Aber er hat es nicht auf sich beruhen lassen. Ich verschweige, dass dies im Beisein von Szymon Holownia (Dritter Weg, im Wahlbündnis mit der PSL) geschah, was die ganze Situation für W?adek selbst peinlich machte.“ Hier geht es nicht um eine „peinliche Situation“, sondern um einen Verrat am elementaren Gefühl für Anstand, ganz zu schweigen von Ethik. Diese wirklich unanständigen Vorschläge kamen von einem Mann, der keine Gelegenheit auslässt, sich auf seinen Glauben und sein Bekenntnis zum Katholizismus zu berufen.
Folgen wir der Spur, die der onet.pl-Journalist Kamil Dziubka gelegt hat: „Wladys?aw Kosiniak-Kamysz würde Premierminister werden, seine Parteikollegen würden bis zur Hälfte der Ministerien besetzen und die Kandidaten der Partei könnten in den Vorständen der wichtigsten Unternehmen des Staatsfonds sitzen. In der Partei Recht und Gerechtigkeit kursierte sogar ein Szenario, das die Möglichkeit vorsah, den Kandidaten der PSL bei den Präsidentschaftswahlen 2025 zu unterstützen.“
Sollte dies zutreffen, hätten wir es mit einer Rückkehr zu den schlimmsten Traditionen des polnischen Parlamentarismus aus der Zeit der Ersten Republik zu tun, die unter anderem deshalb zusammenbrach, weil die Mehrheit der damaligen Parlamentarier den Einflüsterungen ähnlicher „unbedenklicher“ Vorschläge erlag. Es ist gut, dass der PSL-Vorsitzende Wladys?aw Kosiniak-Kamysz diesmal nicht den Einflüsterungen von A. (Vorname kann frei entwickelt werden) Duda erlegen ist. Damit hat er nicht nur die Ehre seiner Partei, sondern auch die der noch kaum gebildeten Koalition der Oppositionsparteien gerettet.
Indem Andrzej Duda Premierminister Mateusz Morawiecki mit der Bildung der künftigen Regierung beauftragt hat, hat er das Amt des Präsidenten lächerlich gemacht und seinen Kollegen zu einer demütigenden Niederlage verurteilt. Zu sagen, es sei eine unmögliche Aufgabe, heißt nichts zu sagen. Morawiecki wird die politische Bühne ohnehin in Schande verlassen. Zu der Schande kommt nun die Blamage hinzu.
Dudas Angriff auf die Unabhängigkeit des Obersten Gerichtshofs
Eine feindselige Geste, ein satanischer Plan
Polityka, 07.11.2023
Präsident Andrzej Duda unternimmt wieder einmal einen Angriff auf die Justiz in Polen. Der Fall hat es in sich: Es geht darum, die Überprüfung der Ernennungen von Neo-Richtern zu verhindern. Duda hatte zugelassen, dass entgegen der Verfassung Richter, die durch den Nationalen Rat für das Gerichtswesen ernannt wurden, am Obersten Gericht eingesetzt werden. Von den 90 Richtern gehören dem Obersten Gericht 47 Neo-Richter an, die die Auslegung des Rechts übernehmen. Für dessen Beschlüsse wird nun laut Duda eine einfache Mehrheit und nicht ein Zweidrittel-Mehrheit notwendig sein. Was Andrzej Duda gerade getan hat, ist nicht nur die Konkretisierung der präsidialen Ernennung von Neorichtern, sondern auch, den Obersten Gerichtshof – nach dem Vorbild des einstigen Verfassungsgerichts – zu einem Hüter der Unantastbarkeit der PiS-Vision von Staat und Justiz zu machen. Zumindest bis zum Ende von Dudas Amtszeit. Ein teuflischer Plan.
An dem Tag, an dem er seine Absicht bekannt gab, den amtierenden PiS-Regierungschef Mateusz Morawiecki zum Ministerpräsidenten zu ernennen, übermittelte der Präsident dem Obersten Gerichtshof eine Änderung seiner Geschäftsordnung. Eine solche Änderung muss vom Ministerpräsidenten gegengezeichnet werden, was eine zusätzliche Erklärung dafür ist, warum der Präsident die Ernennung von Morawiecki ankündigte, obwohl er keine Chance hat, im Sejm eine Mehrheit für die Regierung zu erlangen. Die neue Geschäftsordnung des Obersten Gerichtshofs soll das Quorum, das erforderlich ist, um Beschlüsse seines so genannten Plenums zu fassen, von drei Viertel auf eine einfache Mehrheit senken.
Der Dritte Weg am Scheideweg?
Polityka, 10.11.2023
Der Dritte Weg hatte guten Grund, das Ergebnis für das Wahlbündnis euphorisch zu feiern. Hatten doch im Vorfeld Medien und Umfragen diesem Bündnis nicht solch einen Erfolg zugetraut – im Gegenteil, es handelte sich schließlich um ein Bündnis oppositioneller Außenseiter. Nun versucht jeder der Partner auf seine Weise damit umzugehen. Dabei gehen viele Beobachter davon aus, dass bei dieser hohen Wahlbeteiligung viele taktisch gestimmt haben. Da der Dritte Weg recht schwach aussah und die Gefahr bestand, dass die 8 Prozent (für ein Wahlbündnis) gar nicht erreicht werden, haben lt. Umfrage der Polityka ein Viertel ihrer Wähler sie aus taktischen Gründen gewählt.
Holownia selbst hat immer behauptet, dass die Vorhersagen nicht stimmen würden und seine eignen Prognosen ein ganz anderes Ergebnis zeigen würden. So hat er sogar seinen demokratischen Partnern vorgeworfen, sie würden sich gegen Polska 2050 heimtückisch verhalten. Nun wird sich zeigen, wie sich dies für die künftige Koalition auswirken wird.
Die Koalitionsverhandlungen werden die PSL (Volkspartei) und Polska 2050 gemeinsam führen, weil sie mit ihren 65 Sitzen eine stärkere Kraft sind. Sonst hätten auch sie nur so einen schwachen Einfluss wie die Linken, die sie versuchen, ganz an den Rand zu drängen. Wobei die beiden Parteien ganz unterschiedlich Milieus vertreten aus denen sie auch selbst kommen. Es wird sich in Zukunft zeigen, ob diese Gemeinschaft, aus der Not geboren, auch in der Praxis Bestand haben wird.
Holownia erweckt nach der Wahl ganz den Eindruck, dass es ihm nicht um sein versprochenes „Polen verändern“ geht, sondern um einen Posten. Bevor überhaupt Gespräche begonnen haben, forderte Polska 2050 den Posten als Parlamentspräsidenten für ihren Parteiführer. Dabei hat diese Partei sich immer als aktivistisch dargestellt und nun das, zumal Holownia keine parlamentarische Erfahrung hat, ist er doch ein Neuling im Parlament. Es ist kein Geheimnis, dass er denkt, er hätte in drei Jahren Chancen, zum Präsidenten gewählt zu werden, und als Parlamentspräsident bessere Chancen hätte.
Der Wirtschaftsliberalismus des Dritten Weges und der offene Katholizismus von Ho?ownia wird zu Auseinandersetzungen vor allem mit den Linken führen. Eine der ersten Bewährungsproben für die tatsächliche Widerstandsfähigkeit der Koalition gegenüber Meinungsverschiedenheiten wird wahrscheinlich die Abstimmung über das so genannte „Rettungsgesetz“ sein (d.h. zunächst die Entkriminalisierung der Abtreibung, ohne sie formal zu legalisieren), das eines der dringlichsten parlamentarischen Projekte dieser Wahlperiode sein wird.
Razem ohne Regierungsbeteiligung
Przeglad, 13.11.2023
Der linken Partei RAZEM sind ihre Wahlversprechen wichtiger als Absprachen in einer Koalition.
In all den Jahren haben sich Linke unter das Dach der etablierten, teils konservativen teils neoliberalen Parteien begeben, um ins Parlament zu kommen. Sie hatten die Hoffnung, dort vor den versammelten Abgeordneten ihre Stimme zu erheben und etwas zu erreichen. Sie wollten nicht warten, bis sie als Partei die Chance bekommen, ins Parlament einzuziehen. Dabei gab es genug linke Wähler. Aber es gab keine Einigkeit der unterschiedlichen Linken – „Wo zwei Polen sind, gibt es drei Meinungen“, hörte ich aus solchen linken Mündern immer wieder.
Der Linke Block verlor im Vergleich zu 2019 die Hälfte der Mandate, allerdings gewann Razem ein Abgeordnetenmandat und zwei Senatsposten. Razem entstand 2015 als Gegengewicht zur SLD, der Nachfolgepartei der Polnischen Vereinigten Arbeiter Partei (PZPR). Die SLD hat sich in ihrer Regierungszeit für die gesellschaftlichen und sozialen Probleme gar nicht interessiert und flog aus dem Parlament. Bei der jetzigen Wahl hat Razem gezeigt, dass sie in der Lage ist, die etablierten anderen Linken zu überbieten. Schließlich haben sich die alten Kader der SLD andere Parteien gesucht – die einen mit einer sozialen Ader die PiS, andere als Gegner der PiS die BürgerPlattform. Nicht zu vergessen ist die biologische Uhr, die der SLD bald den letzten Stoß versetzen wird. So sind die Chefs von SLD und Wiosna gegenüber der BürgerPlattform sehr „aufgeschlossen“, schließlich könnten sie dort ihre Zukunft finden.
Ganz anders scheint die Zukunft von Razem auszusehen. Sie hat ein klares sozialdemokratisches Programm, das wohl (kaum) der neoliberalen BürgerPlattform auf den Leim gehen wird. Aber ihre Losungen werden von der PO übernommen, wie „Wohnen ist ein Recht und keine Ware“. Sie könnten in der Regierung gute Weichen für das Gesundheits- und Sozialwesen stellen. Aber ihnen sind ihre Überzeugungen wichtiger. Schließlich wurden sie von den etablierten Parteien und auch von Tusk in die Ecke gedrängt. Jetzt gibt es aber eine junge Wählerschaft, der die Grundsätze von Razem wichtig sind. Ob Razem in einer Tusk-Regierung überhaupt eine Chance hätte, ihre Ambitionen für Gesundheit und Soziales durchzusetzen?
Razem sagt Teilnahme an der Regierung ab
www.wiadomosci.wp.pl, 10.11.2023
Der Landesrat der Partei RAZEM hat beschlossen, nicht an der Regierung teilzunehmen. Dies ergibt sich für sie aus dem Programm der Koalitionsvereinbarungen. Die Mitglieder sind ermächtigt, ihr Votum für die neue Regierung abzugeben.
Adrian Zandberg, der Ko-Vorsitzende von Razem, erklärte, die wichtigsten Postulate seiner Partei seien eine Garantie der Finanzierung des öffentlichen Wohnungsbauprogramms, die Erhöhung der Ausgaben für das Gesundheitswesen ebenso wie für die Forschung und das Schulwesen. Auch eine Einigung darüber, den Schwangerschaftsabbruch zu entkriminalisieren. Es nicht möglich gewesen, die Partner zu diesen Schritten zu überzeugen. „Um das Ministerium verantwortlich zu übernehmen, brauchen wir die Mittel dazu“, erklärte Zandberg.
Wenn sie auch nicht in die Regierung gehen werden, werden sie der neuen Regierung ihr Vertrauen aussprechen, weil es wichtig ist, schnellstens eine neue Regierung zu bilden. Im Parlament werden sie um Unterstützung für die Programme werben, die sie wichtig finden. Wenn auch die Gespräche der Koalition in guter Atmosphäre verliefen, so konnten sie sich z.B. was das Wohnungsprogramm anbelangt nicht einigen, es ging um ein Prozent des BIP.
Koalitionsvertrag OKO.press, 12.11.2023
Kein Wort zu einem der wichtigsten Probleme des 21.Jahrhunderts. Und über Pushback an der Grenze
Nicht ein einziges Mal taucht das Wort ‚Migration‘ oder ‚Grenze‘ oder ‚Flüchtlinge aus der Ukraine‘ in der Vereinbarung auf. Natürlich hat niemand Details in einem solchen Rahmendokument erwartet, aber das Fehlen auch nur der Ankündigung einer Migrationspolitik oder eines Endes der humanitären Krise an der Grenze ist ein beunruhigendes Signal.
Man kann darüber diskutieren, wie detailliert die Koalitionsvereinbarung sein sollte, wenn der zukünftige Premierminister noch nicht einmal den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten hat. Man kann auch darüber debattieren, wie viele Dinge in dieser Vereinbarung stehen sollten – wenn sie alle enthalten wären, würde die Vereinbarung nicht auf die Server passen.
Das ist alles klar und verständlich. Aber ein solches Abkommen gibt die Richtung und die Interessen der künftigen Regierung vor. In der Vereinbarung, die am 10. November von den fünf Vorsitzende feierlich unterzeichnet wurde, geht es beispielsweise um den Klimawandel, die polnische Landwirtschaft, die Kultur und die öffentlichen Medien, und das ist gut so. Lassen wir den Schleier des Schweigens über Punkt 6 fallen, der wahrscheinlich betonen sollte, dass die Rechte der Frauen wichtig sind, uns aber in Wirklichkeit ins neunzehnte Jahrhundert zurückführt.
Zum Recht auf Abtreibung finden sich im sechsten Punkt des Koalitionsvertrags drei sehr metaphorische Sätze (weil das Wort „Abtreibung“ nicht fällt):?“Wir werden die Rechte der Frauen stärken, das wird ein zentrales Handlungsfeld der Koalition sein. Wir werden das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2020 kippen. Frauen haben das Recht, selbst zu entscheiden.“
„Im Koalitionsvertrag stand das Wort Abtreibung nicht drin, weil sich die Koalitionspartner nicht einigen konnten. Stattdessen haben wir ein gnädiges Eingeständnis von fünf Männern, dass ‚Frauen das Recht haben, selbst zu entscheiden‘. Sie sind also Menschen, erstaunlich!“, – kommentierte unsere stellvertretende Redakteurin Magdalena Chrzczonowicz in OKO.press.
Sie fügte hinzu: „Es gibt aber noch eine zweite Chance, nämlich die Verabschiedung von zwei Gesetzen zur Abtreibung so schnell wie möglich. Aus den parlamentarischen Diskussionen wissen wir, dass die KO und die Linke in der neuen Legislaturperiode des Sejm ein Gesetz vorlegen wollen, das die Abtreibung bis zur 12. Woche legalisiert, und die Linke zusätzlich ein Rettungsgesetz. Wann das sein wird? Unbekannt, aber je früher, desto besser. Bevor das Vertrauen der Wählerinnen dahinschmilzt.“
Natürlich kann man einwenden, dass Präsident Andrzej Duda gegen jeden Gesetzentwurf zur Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes sein Veto einlegen wird, so dass sich die Mühe vorerst nicht lohnt. In der Politik geht es jedoch auch um Symbole, Emotionen und die Entschlossenheit, Veränderungen herbeizuführen – diese Faktoren zu ignorieren, kann ein sehr großer Fehler sein.
Unter diesen Punkten, von denen einige sehr spezifisch sind, wurde die Frage der Migration nicht erwähnt. Weder im Hinblick auf die Flüchtlinge aus der Ukraine, noch auf die polnisch-weißrussische Grenze und die dortige humanitäre Krise. Das Wort „Migration“, „Migranten“, „Flüchtlinge“, „polnisch-weißrussische Grenze“ wird in dem gesamten Dokument nicht erwähnt.
Wir wissen also nicht, was die Regierung nicht nur mit den Menschen zu tun gedenkt, die die grüne Grenze überschreiten und illegal auf die weißrussische Seite abgeschoben werden. Und, was ebenso wichtig ist, wir haben keine Ahnung, ob die verantwortlichen Politiker bemerkt haben, dass eines der wichtigsten Themen des 21. Jahrhunderts in Polen die Migration ist und zunehmend sein wird. Wenn sie es nicht bemerkt haben, dann haben wir ein Problem.
Polnisch-weißrussische Grenze
Seit August 2021 herrscht an der polnisch-weißrussischen Grenze eine humanitäre Krise. Flüchtlinge oder Migranten überqueren die grüne Grenze zu Weißrussland, werden von Grenzschützern auf die polnische Seite gedrängt und dann vom polnischen Grenzschutz zurückgeschickt.?Im August 2021 erschien ein Erlass des Ministeriums für innere Angelegenheiten und Verwaltung, der die gesetzwidrige Abschiebung genehmigte, und im November 2021 trat eine Gesetzesänderung in Kraft, die ebenfalls eine solche Bestimmung enthielt. Bis Juli 2022 war das Grenzgebiet abgesperrt (auch für Journalisten), zahlreiche Kontrollpunkte erschwerten den Bewohnern das Leben, und Panzer und die Armee fuhren in der Sperrzone herum.
Nach zwei Jahren Krise liegt die Zahl der dokumentierten Todesopfer jetzt bei 55. Währenddessen arbeiten Aktivisten und Aktivistinnen an der Grenze und retten Menschenleben.?KO hat nie versprochen, Pushbacks zu beenden, sondern erklärt, dass die Menschenrechte an der Grenze wichtig seien. Aber ein Verbot von Pushbacks kam nicht in Frage.?Donald Tusk sagte in Brüssel, kurz nach den Wahlen, auf die Frage nach Pushbacks: „Es dürfen keine Menschen in Polen sterben, in den Wäldern, Frauen, Kinder. Wir werden gemeinsam mit Europa einen guten Weg finden, damit die Grenze gut bewacht wird, damit illegale Migranten nicht durchkommen und es im Extremfall nicht zu diesen dramatischen Zwischenfällen kommt.“ So viel zu den Abschiebungen.
Unterdessen fordern Nichtregierungsorganisationen, Aktivisten und Menschenrechtsexperten: Lasst uns den Pushback beenden. Der Koalitionsvertrag enthält keinen solchen Punkt.
In OKO.press haben wir auch andere Teile der Vereinbarung besprochen:
Im Koalitionsvertrag werden Gehaltserhöhungen sowohl für die Lehrkräfte als auch für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst versprochen. Das ist gut. Allerdings fehlen Beträge und Termine. „Es gibt zu wenig Konkretes“, sagt Chef der Gewerkschaft OPZZ Piotr Ostrowski.
Wird es der neuen Regierung gelingen, die Autonomie der lokalen Regierungen wiederherzustellen? So lautet das Versprechen im Koalitionsvertrag. Und eines der wichtigsten Ziele, die sie sich zu Recht gesetzt hat.
Die Einschränkung des Holzeinschlags, der Schutz wertvoller Wälder, die Vergrößerung von Nationalparks, die soziale Betreuung der Wälder oder die Wiederherstellung von Mooren sind gute, richtige und notwendige Forderungen. Doch was fehlt in dem Abkommen??Steht uns eine kopernikanische Wende in der Wohnungspolitik bevor? Nach dem Wortlaut des Koalitionsvertrages scheint das eher unwahrscheinlich. Zwar hat sich die neue Regierung als übergeordnetes Ziel gesetzt, die Verfügbarkeit von Wohnraum zu erhöhen, aber der Teufel steckt im Detail.
In der neuen Legislaturperiode soll die Änderung des Strafgesetzbuches der Ausgangspunkt für den Kampf um gleiche Rechte für LGBT+ Menschen in Polen sein. Und was ist mit den Lebenspartnerschaften?
Er starb, weil er eine bessere Zukunft suchte
Am 10.November 2023, um 15 Uhr, kurz vor Sonnenuntergang, wurde ein weiterer Syrer, der an der polnisch-weißrussischen Grenze sein Leben verloren hatte, auf dem Mizar in Bohoniki beigesetzt. Diesmal waren keine Journalisten, Vertreter der örtlichen Religionsgemeinschaft oder Einwohner von Bohoniki anwesend.
Zwei entfernte Verwandte des Verstorbenen kamen aus dem Ausland, wollten aber ihre Identität nicht preisgeben. Sie baten auch darum, keine weiteren Informationen über den Verstorbenen zu geben. Der Syrer wurde von Aktivisten des Podlasie Freiwilligen Humanitären Dienstes und der Stiftung Rettung verabschiedet. Der Pastor Krzysztof Flasza der Pfingstkirche war ebenfalls anwesend. Die Zeremonie wurde von Imam Aleksander Bazarewicz geleitet.
Die POPH-Aktivistin Karolina Mazurkiewicz ergriff zum Schluss das Wort: „Unser Bruder, unser Mann auf dem Weg, ist auf unserem Land gestorben, weil er nach etwas Besserem für sich und seine Familie suchte, er wollte ihnen helfen.“
Und Kaczynski…
Am Freitagabend, dem 10. November, zeigte sich auch der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski, der sich wegen einer Grippe aus dem politischen Leben zurückgezogen hatte, der Öffentlichkeit. Wie sich herausstellte, ging durch die Abwesenheit des Vorsitzenden nicht viel verloren, denn das Lied des Führers der Vereinigten Rechten ist immer noch dasselbe, nur dass er sich zunehmend schal anhört.
Auf dem Warschauer Pilsudski-Platz teilte Kaczynski den Zuhörern die folgenden Überlegungen mit: „In ein oder zwei Jahren wird die Vernichtung des polnischen Staates stattfinden, weil die Koalition von einer Partei angeführt wird, die nicht polnisch, sondern deutsch ist.“
Wahlen in Polen
Die demokratische Opposition hat gewonnen
von Oko.press
Nachstehend bringen wir einen Kommentar zum Wahlausgang in Polen vom polnischen Online-Portal Oko.press.
weiterlesenDer Alltag wird zeigen, wo es langgeht
Es war Tusk, der den Weg für Kaczynski freigemacht hat
von Norbert Kollenda
Die Euphorie ist groß, endlich wurde die PiS entmachtet und die Menschen in Polen haben durch ihre hohe Wahlbeteiligung bewiesen, dass sie politisch wach geworden sind. Und das nach all den Enttäuschungen der letzten 34 Jahre.
weiterlesenEin Kampf an zwei Fronten
Die polnische Linke und der Krieg in der Ukraine
von Dariusz Zalega
Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine schockierte der gesamte polnische Öffentlichkeit. Eine große Welle der Solidarität und Hilfe für die geflüchteten Ukrainer durchzog ganz Polen, dies vor allem auch deshalb, weil die polnische Regierung die ganze Zeit in ihrer Propaganda eine Rhetorik gegen Geflüchtete bemühte. Allerdings richtete sich diese vorwiegend gegen Geflüchtete aus dem globalen Süden, die über die polnisch-belorussische Grenze kamen.
weiterlesenPOLNISCHE PRESSESCHAU 197 vom 28.7.2023
Die Themen: Eine Frau wird wegen Abtreibung wie eine Verbrecherin behandelt; Ukraine und NATO, Getreide und Polen
„Sexualisierung“ an Schulen; Christlicher Sozialismus; ab S. 3 Thron und Altar vereint
Marcin Duma, Chef des Meinungsforschungsinstituts IBRiS: Die Politik kommt bei den Menschen nicht gut an. „Für 70 Prozent der Polen ist die Politik kein interessantes Gesprächsthema. Menschen, die sich sehr für dieses Thema interessieren, sind zwischen 5 und 10 Prozent. Wenn wir über Menschen sprechen, die sich etwas dafür interessieren, dann wächst dieser Pool auf etwa 30 Prozent an.“
Eine Woche, in der die Obrigkeit eine Frau an den Pranger stellte
OKO.press.pl, 23.7.2023
Wieder geht es um die intime Geschichte einer konkreten Frau. Wieder um Abtreibung. Wieder um Gewalt. Und wieder fragen wir uns, in was für einem Land wir leben und ob man es ändern kann.
Frau Joanna beschloss im April 2023 ihre Schwangerschaft abzubrechen, die ihr Leben bedrohte. Sie bestellte über das Internet eine Abtreibungspille. Nach der Einnahme der Pille fühlte sie sich unwohl und meldete dies ihrem Arzt, der wiederum die Polizei verständigte. Als die Frau in der Notaufnahme des Krakauer Krankenhauses eintraf, wurde sie von der Polizei vor Ort befragt – während einer Untersuchung. Die Beamten befahlen Joanna, sich auszuziehen, Kniebeugen zu machen und zu husten. ?Die Geschichte der Frau wurde am Dienstag, dem 18.Juli, von TVN24 veröffentlicht. „Ich habe mich ausgezogen. Ich habe mein Höschen nicht ausgezogen, weil ich immer noch blutete und es für mich zu demütigend und erniedrigend war, und da bin ich geplatzt, da habe ich ihnen ins Gesicht geschrien: „Was wollt ihr von mir!“, sagt Joanna in dem TVN-Bericht.
Joannas Geschichte ist eine weitere ernüchternde Folge der drakonischen Anti-Abtreibungsgesetze in Polen. „Als ich in den Krankenwagen stieg, sagte einer der Polizisten, er würde mir verbieten, mein Telefon zu benutzen. Ich kann mich nicht erinnern, ob er mit mir zum Krankenhaus fuhr oder ob er das beim Schließen der Autotür einwarf. Der Krankenwagen, in dem ich zum Krankenhaus fuhr, wurde von zwei Polizeiautos mit Blaulicht eskortiert. Dann kamen weitere hinzu. Insgesamt kamen während der ganzen Situation etwa sechs bis acht Polizeibeamte vorbei“, erzählte Frau Joanna in einem Interview mit OKO.press.
Nachdem ihre Geschichte von TVN aufgedeckt wurde, geriet Joanna ins Visier von Politikern des Regierungslagers und Internet-Trollen, die die Glaubwürdigkeit der Frau aggressiv untergruben und sie der Lüge und Konfabulation bezichtigten. Trotz der Beweise in Form von Joannas Schilderungen, Aufnahmen aus dem Krankenhaus und sogar eines Gerichtsbeschlusses (!), die eindeutig belegen, dass das Vorgehen der Polizei rechtswidrig und erniedrigend war und sich auf die Abtreibungsfrage und nicht auf ihre psychische Krise bezog, leugneten die Rechtspolitiker dies und lobten die Dienste für ihr vorbildliches Verhalten. Wir hatten ihre Manipulationstechniken in OKO.press ausführlich beschrieben.
Wie werden polnische Frauen wählen?
Dazu schreibt Polityka:
In den letzten Tagen haben die Medien die Geschichte von Frau Joanna aufgegriffen, die eine Abtreibungspille genommen hat, weil ihre Schwangerschaft ihr Leben zu gefährden drohte. Ihr Arzt, der sich Sorgen um den psychischen Zustand der Patientin machte, wählte die Nummer 112, woraufhin die Polizei zusammen mit dem Rettungsdienst eintraf und Frau Joanna von einer Person, die medizinische Hilfe benötigte, zu einer kriminellen Verdächtigen wurde. Sie wurde verhört und einer Leibesvisitation unterzogen.
Dieses der Situation völlig unangemessene Verhalten der Ordnungshüte –, denn die Einnahme der Abtreibungspille ist (noch) keine Straftat – hat ein Wort ausgelöst: Schwangerschaftsabbruch.
Dies ist ein weiteres Beispiel – nach den Tragödien, bei denen schwangere Frauen unter den restriktiven Gesetzen mit ihrem Leben bezahlten, weil die Ärzte warteten, bis der Fötus starb, und infolgedessen sowohl der Fötus als auch die Mutter starben – dafür, wie sich die polnische Realität durch das Urteil des Verfassungsgerichts von Julia Przylebska verändert hat, das die Bestimmung für verfassungswidrig erklärt hat, die eine Abtreibung im Falle einer hohen Wahrscheinlichkeit einer schweren und irreversiblen Behinderung des Fötus erlaubt. Wird das Recht auf Abtreibung eines der Themen im kommenden Wahlkampf sein?
Agata Szczerbiak und Aleksandra Zelazinska gehen in ihrem Artikel „Wahlen der polnischen Frauen“ der Frage nach, ob und wie Frauen wählen werden. Was bringt immerhin 7 Prozent der Frauen dazu, für die Konföderation zu stimmen – die Partei von Mentzen, der ein totales Abtreibungsverbot will, und Kai Godek, der Frauen für einen Schwangerschaftsabbruch ins Gefängnis schicken will?
NATO und Ukraine
„Die NATO soll nicht die Ukraine aufnehmen“, sagt im Przeglad Stephen Wertheim von der Carnegie Stiftung für Internationalen Frieden, „Europa muss sich von den USA unabhängig machen und der Ukraine eine glaubwürdige Garantie geben anstatt des Traum einer Mitgliedschaft!“
Jetzt wird Angst geerntet Polityka, 20.7.2023
Morawiecki warnt die EU, wenn sie nicht die Einfuhr von ukrainischem Getreide in fünf EU Länder stoppt, wird Polen die Grenze schließen. Putin will nicht die Vereinbarungen zum Export des ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer verlängern. Die polnischen Bauern fürchten nun, dass wieder ukrainisches Getreide den Markt in Polen kaputt macht und sie keine vernünftigen Preise erzielen können, zumal in den Silos noch genug Getreide des vergangenen Jahres lagert.
Auch die Politiker von Recht und Gerechtigkeit haben Angst, dass aufgrund der berechtigten Angst der Bauern und ihrer Wut gegen die Regierung vor den Wahlen die Chancen von Recht und Gerechtigkeit auf eine dritte Amtszeit sinken und die Macht abgegeben werden muss.
Doch die Partei Recht und Gerechtigkeit will sie um jeden Preis aufrechterhalten. So erpresst Ministerpräsident Mateusz Morawiecki die Europäische Kommission damit, dass Polen, Ungarn, Bulgarien, die Slowakei und Rumänien ihre Grenzen wieder schließen werden, wenn sie das Einfuhrverbot für ukrainisches Getreide in fünf EU-Länder nicht verlängert. So haben wir es vereinbart. Der Stichtag für das Verbot ist der 15.September. Wir setzen Putins Plan widerwillig um.
Parlament diskutiert Absichten des Schulministers OKO.press, 28.7.2023
Einige Abgeordnete der PiS verteidigen den Entwurf zur Änderung des Bildungsgesetzes mit dem Hinweis auf die Bedürfnisse der besorgten Bürger. Es gibt aber auch diejenigen, die keinen Hehl daraus machen, dass es immer noch um das Gleiche geht: „Schützen wir die Kinder vor Abtreibung auf Verlangen. Schützen wir sie vor In-vitro-Genmanipulationen. Schützen wir uns vor der Regenbogenrevolution, die die Welt überflutet. Schützen wir uns vor solchen Phänomenen wie dem nackten Mann, der sein Kind als Beispiel für die sexuelle Revolution vor dem Gender-Museum in Dänemark nackt füttert. Werden wir es schaffen, die polnische Familie zu schützen?“ Das ist die Stimme von Elzbieta Plonka von der Partei Recht und Gerechtigkeit.
Die Opposition zu Recht und Gerechtigkeit sagt: Eure Obsessionen gefährden die Sicherheit von Kindern.
„Die sexuellen Obsessionen und geheimen Fantasien rechter Politiker sollten nicht die Sicherheit von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigen.“ Die hitzige Diskussion über die Lex Czarnek 3.0 endete im Sejm damit, dass der Bildungsminister weibliche Oppositionsabgeordnete zu einem Psychiater schickte.
Und wann geht es weiter im Parlament? Das sagte der Abgeordnete Adrian Zandberg (Linke/Razem) über die PiS-Abgeordneten: „Sie sind ‚geheimnisvoll‘, d.h. sie geben keine Informationen darüber weiter, was passieren wird – wann die nächste Sitzung des Sejm sein wird und welche Abstimmungen später am Tag stattfinden werden.“ Am Morgen wurde den Abgeordneten mitgeteilt, dass die nächste Sitzung bereits am 2.August (nächsten Mittwoch) stattfinden wird. Parlamentspräsidentin Elzbieta Witek gab jedoch später bekannt, dass die Sitzung am 16. und 17.August stattfinden wird. Dies ist jedoch noch ein informeller Termin.
Christlicher Sozialismus www.lewica.pl, 25.7.2023
Es mangelt nicht an Beispielen dafür, wie das Christentum zu einem Motiv für den Widerstand gegen den Faschismus, wie in Deutschland, oder für die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit, einer Veränderung des Status quo und dem schrittweisen Aufbau einer sozialistischen Weltordnung werden konnte. Diese Verschmelzung des Christentums mit progressiven oder linken Ideen war in zahlreichen sozialen und politischen Bewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts deutlich sichtbar. Oder in der Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei in den USA, oder in der Bewegung des 20.Jahrhunderts, die für die Bürgerrechte der schwarzen Bevölkerung in diesem Land kämpfte; in der sozialistischen Fabian Society in Großbritannien, im christlichen Personalismus des bedeutenden französischen Denkers Emmanuel Mounier, der versuchte, marxistische und katholische Themen zu verbinden; in der Bewegung der Arbeiterpriester in Frankreich oder schließlich in der Befreiungstheologie in Südamerika. Es gab auch relativ sozial fortschrittliche päpstliche Enzykliken, wie Rerum novarum (1891) von Leo XIII.
Auch in Polen verbanden sich christliche Impulse mit der Hoffnung, eine bessere Welt als den Kapitalismus zu schaffen, um nur die Kreise der Krakauer Znak und Tygodnik Powszechny zu nennen. Ein würdiger Erbe dieser Sehnsüchte ist heute die Gruppe um die Zeitschrift Kontakt, die in hervorragender Weise die Notwendigkeit einer Kritik des zeitgenössischen Kapitalismus durch diejenigen demonstriert, die religiöse Ideale ernst nehmen.
Alle diese Bewegungen beweisen, dass es möglich ist, das Christentum mit einer linken Orientierung zu verbinden. Das ist nicht überraschend. Denn der Inhalt der christlichen Religion kann und ist Gegenstand zahlreicher philosophischer und politischer Interpretationen, die, wie wir gesehen haben, sogar widersprüchlich sein können. Zweifellos kann und sollte ein großer Teil der Lehren Christi in einem linken Geist interpretiert werden, um nur seine berühmten Worte über den reichen Mann und das Nadelöhr zu erwähnen („Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein reicher Mann ins Himmelreich kommt“).
Aber es geht auch um die Idee der Gleichheit und Brüderlichkeit aller Menschen, um die Forderung nach Gerechtigkeit, um die Verurteilung der Herrschaft der einen über die anderen, die ja im Evangelium enthalten ist. Das Unglück des polnischen Katholizismus ist seine fast vollständige Beherrschung durch diejenigen, die die christliche Botschaft in einem rechtsextremen Geist interpretieren. Dies führt dazu, dass die Gläubigen nur eine ideologische Botschaft erhalten, die das komplexe und mehrdeutige Lehrbild der Religion verzerrt.
Diese rechte Monopolisierung des Glaubens trägt dazu bei, dass Anhänger der sozialen und politischen Linken die Religion bisweilen gleichsam pauschal als Quelle des Übels behandeln. Beide Seiten tragen dazu bei, ein Schwarz-Weiß-Bild eines ideologischen Phänomens zu konstruieren, dessen philosophischer Inhalt oder historische Artikulation keineswegs eindeutig ist. Denn die Religion hat sowohl als Legitimation für das soziale und politische Böse gedient als auch eine ideologische Basis für das Gute geschaffen. Ich bin der Überzeugung, dass die Linke in Polen zu wenig Anstrengungen unternimmt, um den Katholizismus aus den Händen der Rechten zu befreien und aufzuzeigen, dass es in ihm Fäden gibt, die eine linke Interpretation zulassen. Solche Aktionen könnten diejenigen überzeugen, die sich heute sozusagen automatisch von der Religion abwenden, nur weil sie fälschlicherweise die Linke mit der Anti-Religion identifizieren.
Die Ehe PiS und polnisch-katholische Kirche Polityka, 18.7.2023
Die Kirche setzte auf die PiS und die PiS auf die Kirche.
Das Angebot Kaczynskis war verlockend.
Für wen hat es sich gelohnt?
Jaroslaw Kaczynski versprach der katholischen Kirche Zurückhaltung gegenüber dem liberalen Westen und einen endgültigen politisch-religiösen Triumph. Die Bischöfe glaubten an dieses Wunder und setzten fast alles auf ein Bündnis mit der PiS.
Die 32.Wallfahrt von Radio Maryja, die in der Rede Kaczynskis im Kloster Jasna Gora (Tschenstochau) und der anschließenden Ehrung von Tadeusz Rydzyk durch Minister und führende Vertreter der Partei Recht und Gerechtigkeit gipfelte, war natürlich nicht die erste derartige Veranstaltung. Man kann jedoch sagen, dass das jüngste Spektakel wie in einem Vergrößerungsglas alle Pathologien der Allianz zwischen Kaczynskis Thron und Rydzyks Altar fokussierte.
Das wichtigste Heiligtum des polnischen Katholizismus, das vielleicht für alle Polen und sicherlich für alle polnischen Katholiken wichtig ist, ist zu dem Ort geworden, von dem aus Kaczynski und Rydzyk die Polen und die polnischen Katholiken wieder einmal am meisten gespalten haben. Wieder einmal wird eine Liste mit allen Feinden der Kirche und der Partei rezitiert. Auch das „Ritterschwert aus der Zeit von Mieszko I.“, das Rydzyk vom Minister für Staatsvermögen Jacek Sasin überreicht wurde und für das die PiS Regierung laut WP-Portal eine Viertelmillion Zloty aus dem Budget der Staatskasse, d.h. aus den Taschen aller Polen, bezahlt hat, war ein Symbol für die Geschenke des Staates PiS an den Gründer von Radio Maryja. Deren Wert dürfte bereits eine halbe Milliarde Zloty überschritten haben (sehr konservative Schätzungen von Anfang 2021 sprachen von 325 Millionen Zloty, die allein aus dem Haushalt der Ministerien an Rydzyk überwiesen wurden, ohne die „Geschenke“ der Unternehmen der Staatskasse mit einzubeziehen).
Das Tüpfelchen auf dem i war ein grotesker Tanz von Rechts- und Justizpolitikern, um ihr Verhalten bei Veranstaltungen von Radio Maryja in Torun zu kopieren.
Die Ohnmacht der polnischen institutionellen Kirche angesichts dieser Pathologien, die in ihrem Namen und unter ihrem Banner betrieben werden, kam am peinlichsten durch den Sprecher des Klosters Jasna Gora, Pater Michal Bortnik, zum Ausdruck, der angesichts der weit verbreiteten Aufregung über die „Predigt“ Kaczynskis einfach eine Pilatus-Geste machte. In seiner Erklärung sagte er, dass „der Ort, an dem die Ansprache gehalten wurde, nicht mit einem rein liturgischen Raum zusammenhängt, sondern ein Ort für den Kantor oder den Animateur der Veranstaltung ist, und dass es im alleinigen Ermessen des Organisators der Wallfahrt liegt, den geladenen Gästen das Wort zu erteilen“.
Rydzyk nimmt alles
Pater Tadeusz Rydzyk war nicht immer so allmächtig und so unangefochten. Der ehemalige Primas von Polen, Jozef Glemp, den niemand, der bei Verstand ist, für einen „Linken“ oder „Liberalen“ halten würde, hat sehr wohl verstanden, dass Rydzyk in der polnischen Kirche Gift ist, und er hatte vor allem den Mut, dies laut zu sagen. In einem berühmten Brief aus dem Jahr 1997 an den Provinzial der Redemptoristen, der der offizielle Vorgesetzte von Tadeusz Rydzyk war, schrieb Primas Glemp unverblümt: „Pater Rydzyk kann trotz seiner Popularität und der Unterstützung großer Menschenmengen nicht Privilegien für sich beanspruchen und sich über das Gesetz stellen…“, „man kann nicht die Überzeugung verbreiten, dass jetzt, wo wir die schwierigsten Zeiten durchleben, der Grundsatz: wer nicht für uns ist, ist gegen uns, ein evangelischer Grundsatz ist“. Und er fügte hinzu: „Ich selbst habe Pater Rydzyk zugehört und wurde durch seine Hybris gedemütigt.“
Es war eine Zeit, in der man Radio Maryja lautstark kritisieren konnte. Dies geschah damals durch Pater Adam Boniecki, ohne eine kirchliche Strafe zu riskieren. Kritische Bischöfe wie Jozef Zycinski und Tadeusz Pieronek spielten noch immer eine wichtige Rolle in der polnischen Kirche.
Was sicherte Rydzyks Triumph? Ein Grund war die Verschärfung des „Kulturkampfes“. Und die damit einhergehende Angst vor der Säkularisierung, die einen Großteil der polnischen Kirche ergriffen hatte. Die Lehre von Johannes Paul II. spielte in diesem Prozess eine nicht offensichtliche und zweideutige Rolle. Tadeusz Rydzyk hörte nicht auf den Papst, als dieser den Beitritt Polens zur EU unterstützte oder zum Dialog mit anderen Religionen oder gar mit Nichtgläubigen aufrief. Aber jedes Mal, wenn der Papst den westlichen Liberalismus als „Zivilisation des Todes“ bezeichnete oder davor warnte, dass „Demokratie ohne Werte (und damit auch religiöse Werte) zu offenem oder verdecktem Totalitarismus wird“, wurde er von Radio Maryja zur Kenntnis genommen. Nach dem Tod des „polnischen Papstes“ kann Rydzyk nun völlig ungestraft aus der gesamten Lehre von Karol Wojtyla alle Motive herausschneiden, die von der Angst vor der Säkularisierung „aus dem Westen“ sprechen. Auf diese Weise ist Radio Maryja zu einer wirksamen Waffe im „Kulturkampf“ und zu einem willkommenen Verbündeten für alle Strömungen der antiliberalen Rechten geworden.
Rydzyks endgültiger Triumph wird jedoch nicht durch einen subtilen „Kulturkrieg“, sondern durch den üblichen polnischen Kampf gegen Messer bestimmt werden. Die Zeit nach 1989 ist eine Zeit des Triumphs für die polnische Kirche, die immer neue Positionen, Einfluss auf die Macht und das Eigentum erlangt. Je stärker die Institution wird, desto mehr fühlen sich ihre schwächsten und korruptesten Vertreter ungestraft. Es kommt zu Skandalen, die die Kirche gefährden.
Im Jahr 2001 kam es in Tylawa zu einem berüchtigten Pädophilie-Skandal, dessen wichtiges Element die öffentliche Verteidigung eines pädophilen Priesters durch den Leiter der Erzdiözese Przemysl, Erzbischof Jozef Michalik, war.
Im Jahr 2002 deckten die (auch katholischen) Medien einen Skandal auf, bei dem es um den Missbrauch junger Seminaristen des Posener Priesterseminars durch den Metropoliten Erzbischof Juliusz Paetz ging. Im Jahr 2005 enthüllte das Institut des Nationalen Gedenkens (IPN) Dokumente, aus denen hervorging, dass der Dominikanerpater Konrad Hejmo jahrelang mit den kommunistischen Diensten der Volksrepublik Polen zusammenarbeitete, Johannes Paul II. anprangerte und Informationen lieferte, die dem SB bei der Ermordung von Pater Jerzy Popie?uszko hätten helfen können.
In jedem dieser Fälle stellten sich Tadeusz Rydzyk und Radio Maryja eindeutig auf die Seite derjenigen, die der Pädophilie, des Missbrauchs oder des Agententätigkeit beschuldigt wurden, und zeigten damit, dass sie die Hierarchie und die Priester gegen alle Anschuldigungen und Kritiken verteidigen würden – unabhängig davon, ob diese von außerhalb oder innerhalb der Kirche formuliert wurden.
Wahrscheinlich flüchtete sich ein ehemaliger Freund von mir, der als Bischof in seinen Diözesen kirchliche Radiosender errichtete, um ein Gegenpol zu Radio Maryja zu sein, dann unter dessen Fittiche, nachdem seine Vertuschungen von Missbrauch bekannt wurden – und beendete unsere seit 1972 bestehende Freundschaft.
Der Fall des Erzbischofs Stanislaw Wielgosz stellte jedoch einen Wendepunkt in der Geschichte von Radio Maryja dar. Als er 2006 das Amt des Warschauer Metropoliten antreten sollte, kamen Informationen über seine langjährige Zusammenarbeit mit der Vierten Abteilung des kommunistischen Innenministeriums ans Licht, die mit der Bekämpfung der Kirche beschäftigt war. Daraufhin brach ein Streit über die Vergangenheit aus, der die gesamte polnische Kirche tief gespalten hat. Die Bischöfe verschiedener Richtungen, die selbst Probleme mit Moral oder Agententätigkeit hatten, haben sich damals solidarisch für Wielgosz eingesetzt oder zumindest beredt geschwiegen.
Erzbischof Tadeusz Goclowski war einer der wenigen, die öffentlich dazu aufriefen, diese Ernennung zu blockieren. Die Diözesen und Orden waren daraufhin gespalten, Dominikaner und Jesuiten stritten sich untereinander. Nur Tadeusz Rydzyk und sein Radio erwiesen sich einmal mehr als loyale und bedingungslose Verteidiger, als Bollwerk der polnischen Amtskirche.
Schließlich wandte Pater Rydzyk die Methode an, die Jaroslaw Kaczynski später von ihm lernen sollte. Er begann, Sünden zu vergeben, indem er ein sehr einfaches Kriterium anwandte: Du konntest in der Vergangenheit tun und kannst heute tun, was du willst, aber ich werde dich von deinen Sünden und sogar von deiner Schuld reinwaschen, wenn du mir Tribut zollst. Tadeusz Rydzyk hat niemanden nach der Moral gefragt. Er erwartete nur Gehorsam.
Kaczynski träumt von einer orthodoxen Kirche
Jaros?aw Kaczy?ski hat die Religion immer instrumentalisiert. In der Anfangszeit des Porozumienie Centrum (Centrum Verständigung) distanzierte er sich von der fundamentalistischen Rechten und betrachtete die konkurrierende ZChN (Christlich Nationale Vereinigung) als „den kürzesten Weg zur Entchristlichung Polens“. Als Marek Jurek, der vor 2005 einen großen Teil der fundamentalistischen Rechten in die Partei Recht und Gerechtigkeit eingeschleust hatte, sich nach Kaczynskis erstem Wahlsieg zu Wort meldete und 2006 die Aufnahme des „Schutzes des Lebens“ in die Verfassung forderte (was es dann ermöglichen würde, eine Änderung des für die Fundamentalisten zu milden Anti-Abtreibungsgesetzes als „verfassungswidrig“ zu erzwingen), wurde er von Kaczynski aus dem Regierungslager „hinausgeworfen“. Er verabschiedete sich von ihm mit den Worten: „Idiot oder Agent!“
Es war ein pragmatischer Wunsch Kaczynskis, zu verhindern, dass ein Konflikt den Staat, in dem er damals Premierminister war, weiter destabilisiert. Denn als er nach den Wahlen 2007 die Macht verlor, brauchte er selbst einen Kulturkrieg mit Hilfe der Religion. Es ging ihm nicht mehr um die Übernahme des Zentrums, sondern darum, einen harten Kern von Wählern um sich zu scharen, in dem das radikalste moralische Gewissen die Mehrheit bildet. Kaczynski verfasste daraufhin einen Verfassungsentwurf, der die Bestimmungen über den Schutz des gezeugten Lebens völlig veränderte. Dabei erwies er sich wie üblich als Zyniker ohne jede Hemmung. In seinem Verfassungsentwurf von 2010 waren die Garantien für das „Leben vom Augenblick der Empfängnis an“ viel strenger und die Anrufungen Gottes unvergleichlich häufiger, als Marek Jurek es sich je hätte träumen lassen.
Jaroslaw Kaczynski hatte jedoch ernstere Pläne für die polnische Kirche. Nach 2015 unterbreitete er Rydzyk, Jedraszewski, Mering und anderen „Smolensker“ Bischöfen (die oft in Überprüfungs- oder Moralskandale verwickelt waren) einen Vorschlag, der dem ähnelte, den Putin der orthodoxen Kirche in Russland machte. Putin, der Russland ideologisch vom liberalen Westen abgrenzen wollte, konnte nur auf die orthodoxe Kirche setzen. Das lag keineswegs daran, dass dieser ehemalige KGB-Funktionär eine glühende religiöse Konversion durchgemacht hätte. Er hatte einfach keine andere Ideologie oder gar Idee zur Hand.
Das säkulare Versprechen des Kommunismus hat sich in den Augen der Russen fast vollständig diskreditiert. Die Versuche einer Gruppe von Kreml-nahen „Machttechnologen“, zynisch eine neue imperiale säkulare Ideologie zu konstruieren, sind ebenfalls gescheitert. Putin brauchte eine Ideologie, die den Menschen einen Sinn gibt, ihr tägliches Leben diszipliniert und sie auf die Seite der Macht und des Staates mobilisiert. Und die vor allem nicht „westlicher Liberalismus“ oder irgendeine „westliche“, „europäische“, „säkulare“ Vorstellung von persönlicher oder politischer Freiheit ist. Für ihn ist die orthodoxe Kirche „das moderne Äquivalent der Agitations- und Propagandaabteilung der alten Partei“ geworden, wie der bekannte russische Historiker Andrej Zorin einmal sagte, ohne mit diesen Worten die Sympathien Putins und der orthodoxen Kirche zu gewinnen.
Jaroslaw Kaczynski als polnischer Ideologe der „illiberalen Demokratie“, der Polen ideologisch vom liberalen Westen trennen wollte, nahm die Kirche ins Visier. Die Priester sollten die Partei, die an der Macht war, ideologisch salben, um dafür Geld, Eigentum und eine Garantie der Straffreiheit zu erhalten.
Ein Rezept zur Säkularisierung
Das Angebot Kaczynskis war für die Kirche verlockend. Nur ein Zyniker oder ein Idiot kann die Behauptungen rechter Kolumnisten wiederholen, dass in der Dritten Republik, unter PO und PSL, ja sogar SLD, die Kirche verfolgt wurde. Im Gegenzug für die ideologische Salbung seiner Macht überbot Kaczynski jedoch alle bisherigen Angebote. Er gab das Thema der Abschaffung des Kirchenfonds (Haushaltszuschüsse für die Kirche) auf und stellte die Arbeit an dessen Ersetzung durch eine Kirchensteuer ein, die sie in den Augen vieler polnischer Bischöfe und Priester von der Einschätzung der Gläubigen abhängig gemacht hätte. Er verschärfte die Gesetzgebung und die Praxis in den Bereichen Abtreibung und künstliche Befruchtung. Die aufeinanderfolgenden PiS-Minister und -Kuratoren haben die Monopolstellung der Kirche als „einzige Wertequelle“ in den polnischen Schulen garantiert.
Die naivsten polnischen Kirchengegner sind sich sicher, dass diese Allianz von Thron und Altar die Säkularisierung Polens beschleunigen, ja sogar garantieren wird. In der Tat nimmt die Zahl der Gläubigen, die an der vollen katholischen Liturgie teilnehmen, langsam aber stetig ab, die Seminare leeren sich. Weder Kaczynski noch die mit der Partei Recht und Gerechtigkeit verbundenen Bischöfe scheint das irgendwie zu stören. Jedraszewski oder Rydzyk selbst bedienen sich bereitwillig apokalyptischer Worte und verbreiten vor den Gläubigen die Vision einer immer noch unterdrückten und vom Aussterben bedrohten polnischen Kirche.
Ihre Hoffnungen auf Kaczynski gründeten sich lange Zeit auf sein Versprechen, die Säkularisierung zu „verzögern“, sowie auf die „Verzögerung“ der Abrechnung des PiS-Staates mit der Pädophilie oder anderen Pathologien der polnischen Kirche. Und das ist ein nicht unerhebliches Versprechen, wenn man bedenkt, welche Folgen ähnliche Abrechnungen für die Stellung der katholischen Kirche in den USA oder Irland hatten.
In letzter Zeit hat sich das Versprechen Kaczynskis jedoch radikalisiert, und die Hoffnungen von Rydzyk oder Jedraszewski auf die Partei Recht und Gerechtigkeit sind größer geworden. Kaczynski (wie übrigens auch Putin) hat sich politisch von der realen Krise im Westen (Einwanderung, Legitimationskrise der EU, „Kulturkampf“ zwischen extremer Linker und extremer Rechter, Schwächung der liberalen Universitäten, Medien, Kultur) kaum unterschieden. Die PiS-Medien zeigen mit Vorliebe alle Erscheinungsformen dieser Krise, damit die Polen den liberalen Westen nicht mehr als Quelle der „Normalität“ ansehen. Und damit Kaczynski endlich das Korsett der westlichen Institutionen und Normen ablegen kann. Dieselbe Krise, die es Kaczynski ermöglicht, die PiS-Wählerschaft zu verbreitern und zu verhärten, hat er auch in seinen Beziehungen zur Kirche ausgenutzt. Kaczynski, Ziobro und die ideologisierten „Theologen“ von „Uwazam Rze“, „Fronda“ oder „Sieci“ begnügen sich nicht mehr mit dem Versprechen, die Säkularisierung zu verzögern, sondern versprechen heute etwas Radikaleres. Es ist ein Versprechen, die polnische Kirche durch den PiS-Staat zu schützen, solange der liberale Westen nicht zusammenbricht; sie muss nur abwarten, und dann sollen die guten konservativen Zeiten wieder kommen. Es ist ein Versprechen, der polnischen Kirche eine Chance zu geben, aus den Trümmern der Aufklärung, aus den Trümmern der EU, des liberalen Westens herauszukriechen, so wie die Kirche in ihren Anfängen triumphierend aus den Trümmern des heidnischen Roms hervorgegangen ist.
Das Zögern der Kirche
In einem Land wie Polen, in dem es immer noch schwierig ist, eine Alternative zur Kirche zu finden, weil die säkulare Zivilgesellschaft schwach und die säkulare Weltanschauung tief verwurzelt ist, sind es nicht die Kirchengegner, sondern die letzten Christen in der Kirche, die darüber entscheiden können, ob das Angebot Kaczynskis angenommen werden wird. Auch unter dem polnischen Klerus und Episkopat.
Primas Wojciech Polak und Erzbischof Kazimierz Nycz gehören seit langem zu den gemäßigten Bischöfen, was die Beteiligung an Parteien angeht. Nach der jüngsten päpstlichen Ernennung schloss sich der neue Leiter der Erzdiözese Kattowitz, Erzbischof Adrian Galbas, dieser Gruppe mit großem Elan an. Bei seinem Einzug in die Kathedrale von Kattowitz sagte er: „Wir alle trauern um die beiden Polen in Polen. Sie entfernen sich immer mehr voneinander, werden immer angespannter…“.
Nach dieser eher banalen Diagnose fügte er jedoch Worte hinzu, die wir von Rydzyk oder Jedraszewski nicht gehört hätten: „Vor Jahren hat die Kirche geholfen, ein rundes Möbelstück zu bauen, an dem Menschen aus ideologisch noch weiter entfernten Welten Platz nahmen. Ich weiß nicht, ob die Kirche in Polen heute dazu in der Lage wäre – sie hat nicht mehr diese Autorität und diese Kraft. Außerdem wird sie von vielen nur mit einem dieser Polen in Verbindung gebracht.“
Das überparteiliche Kirchenlager wurde durch die Ernennung von Bischof Grzegorz Rys zum Kardinal gestärkt. Dieser Bischof arbeitete noch mit Erzbischof Nycz an dem Projekt, den Kirchenfonds durch eine Kirchensteuer zu ersetzen. Und in eher geschlossenen Sitzungen kann er das Prinzip der „freundlichen Trennung von Kirche und Staat“ loben. Für Kirchengegner ist er eine Enttäuschung, weil er die Institution, die er zu reformieren versucht, nicht öffentlich tritt. Aber gerade das macht ihn zu einer potenziellen Chance, die polnische Kirche zu entpolitisieren.
Aber das sind alles nur Hoffnungen, manchmal sehr schwache Hoffnungen. Nichts von dieser Argumentation dringt in die ländlichen (und auch viele städtische) Gemeinden vor, wo dank der zynischen pissowschen „Wahlrechtsreform“ schon bei diesen Wahlen nicht nur Parteipropaganda betrieben, sondern auch Stimmen gezählt werden.
Der beste Teil der polnischen Kirche hat Angst vor Rydzyk und Kaczynski, der schlechteste Teil hat sich längst vom Christentum verabschiedet und ist Anhänger des neuen Cäsaropapismus geworden. Deshalb ist es die schwarze Botschaft aus Jasna Gora und nicht die Worte (oder gar das vielsagende Schweigen) der Bischöfe Polak, Galbas, Nycz oder Rys, die einen Vorgeschmack darauf geben, wie der kommende Wahlkampf aussehen wird. Die Partei hat auf die Kirche gesetzt und die Kirche auf die Partei.
Fischsterben
Die Oder hat sich nicht erholt
dokumentiert
Schon wieder sterben Fische in der Oder. Am 10.Juni holten Mitarbeiter der polnischen Wasserbehörde Body Polskie 450 Kilogramm Totfisch aus dem Gleiwitzer Kanal; schon am 20. und am 30.April waren tote Fische unterhalb der Mündung des Kanals in die Oder gemeldet worden.
Im vergangenen Sommer sind 50 Prozent der Fische, 85 Prozent der geschützten Arten und etwa 90 Prozent der Weichtiere in dem vergifteten Fluss gestorben.
Polnische Presseschau Nr.193, vom 11.5.2023
Eine abscheuliche Politik der Geschichtsfälschung
Przeglad, 8.5.2023
Im Mai wird ein weiteres Mal des tragischsten Krieges gedacht. Jede polnische Familie hat Opfer zu beklagen. Wir pflegen die Erinnerungen an unsere Lieben, die in Uniformen kämpften, die für Polen im Osten und im Westen kämpften. Aber in welcher Armee sie kämpften, bestimmten andere. Nach 78 Jahren werden diejenigen, die aus dem Osten kamen, als Okkupanten beschimpft und für alles, was das Schlechteste war, verantwortlich gemacht. Zum Glück nehmen das die wenigsten Polen ernst. Erinnert sei aber an den jungen polnischen Soldaten Wojciech Jaruzelski, der 1945 mit der Waffe in der Hand heldenhaft gegen die deutschen Okkupanten kämpfte, am Pommernwall, Kolberg, bei der Eroberung der Oder und im Kampf um Berlin. Schwer verletzt bekam er einen Tapferkeitsorden.
So einen wie ihn gab es Tausende. Und nicht genug damit, dass sie aus der Geschichte getilgt werden, werden sie noch auf das übelste verdächtigt und beschimpft. Während jedwede Vorwürfe gegenüber Priestern abgewehrt werden, werden weitere Denkmäler des 2.Weltkrieges liquidiert. Was soll das, dass sich Politiker damit beschäftigen, die Denkmäler zertrümmern, die der Roten Armee gewidmet sind, die die Deutschen nach Berlin zurückjagte?
Was soll mit den Gräbern geschehen von über 600.000 Soldaten und Offizieren – Russen, Ukrainer, Weißrussen, Georgier und aus Dutzenden anderer Nationen? Mit Recht wird das Gedenken der Opfer des Völkermords von Wo?y? gefordert. Aber diese gefallenen Soldaten und Offiziere waren nicht Anhänger von Stalin. Sie wollten nach Hause zu ihrer Familie zurück, in Orte, von denen noch niemand gehört hat. Aber sie blieben in Polen für immer. Es ist eine Schande, ihnen ein Gedenken zu verwehren. Dies ist ein weiterer Beweis, wie diese Politiker die Geschichte verfälschen, die sie den jungen Menschen in Polen aufdrücken wollen. Die Alten wissen, wie es war. Aber darüber wird nur mit der entsprechenden Vorsicht unter Vertrauten gesprochen.
Anstatt die Fakten kennenzulernen und entsprechende Schlüsse aus der Geschichte zu ziehen, werden weitere Generationen im Geiste des Marschierens im Takt erzogen. So manche marschieren schon wieder. Wenn wir sie nicht rechtzeitig aufhalten, gibt es wieder Gräber- und Gedenksteine, die irgendwann wieder jemand zerstört.
Ruhm und Ehre allen, die für Polen an allen Fronten des 2.Weltkrieges gekämpft haben.
(Jerzy Domanski, Chefredakteur)
Linke in Polen ein Schritt vor, einen zurück
Polityka, 9.5.2023
Die Linken in Polen haben zwar eine gute Organisationsstruktur, stagnieren allerdings, was Mitglieder und Wähler anbelangt, seit Jahren. Mit 10 Prozent Unterstützung können sie rechnen. Die Szene hat sich beruhigt, nachdem Czarzasty als Chef der SLD sich mit der Wiosna (Frühling) zur Neuen Linken – Nowa Lewica vereinigte. Zwar hat er sich bei der Übernahme der Partei als Tyrann entpuppt, der gnadenlos mit seinen Konkurrenten umgeht. Nach dem Einigungspaket mit der Wiosna scheint sich die Situation entschärft zu haben.
Mit Tusk und der Bürger Plattform gibt es allerdings Probleme, das mag auch daran liegen, dass Tusk die kleineren Parteien zu einer gemeinsamen Liste unter seiner Führung vereinen will. Da die Linke sich nicht sofort entschied, dem Drängen von Tusk nachzukommen, warf er ihr vor, mit der PiS zu mauscheln. Einige Aussagen von Czarzasty lassen vermuten, dass er eher daran denkt, die Linke in jüngere Hände zu geben und im Abgang einen guten Eindruck zu hinterlassen.
Robert Biedron, Chef der Wiosna, galt einst als charismatischer Führer zu einem grundlegenden Wandel in der Politik, allerdings zeigte spätestens die Präsidentschaftswahl mit ihrem schlechten Ergebnis, dass er dafür nicht in Frage kommt. Nun integriert er sich besser ins Team und bringt sich mit emanzipatorischen Themen ein.
Der Fall von Adrian Zandberg (Razem) liegt etwas anders. Mit seiner denkwürdigen Polemik gegen Premierminister Morawiecki bei seinem Debüt im Parlament weckte er sofort Erwartungen, die später zu seinem Fluch wurden. Die Öffentlichkeit sah in ihm einen linken Charismatiker und eine natürliche Führungspersönlichkeit, nicht nur für das ohnehin fragile Razem-Milieu, sondern für die gesamte Linke. Doch hinter seinem brillanten Intellekt, der durch seine bärige Statur und seine dröhnende Stimme noch unterstützt wird, verbarg er von Anfang an eine zerbrechliche Natur, die eher unfähig war, es mit der harten politischen Konkurrenz aufzunehmen. Er zog sich zurück, wohl um klar zu machen, dass er keine Führungspersönlichkeit ist. Das scheint ihm endlich gelungen zu sein, denn seit der Druck nachgelassen hat, hat er sich etwas erholt.
Jetzt teilt er sich die Bühne am liebsten mit der Ko-Vorsitzenden Magdalena Biejat und schenkt der Politik als Machtspielchen wenig Beachtung. Stattdessen zieht er es vor, sich mit fragmentierten Politikbereichen (Soziales, Wohnungsbau usw.) zu befassen und dabei seine Lieblingsrollen als Ideologe und Experte zu kombinieren. Nicht nur auf der parlamentarischen Tribüne, bei Pressekonferenzen und in seriösen Interviews, sondern auch in den sozialen Medien, wo er in letzter Zeit vor allem auf TikTok experimentiert. Die kurzen Videos mit Zandberg (aber auch mit vielen anderen Gesichtern der Linken) sind in erster Linie als Gegengewicht zur Offensive der Konfederacja gedacht, die auf dem chinesischen Portal eine enorme Reichweite hat und als einzige in der Lage ist, ihre politische Botschaft geschickt in der Ästhetik von Memes und jugendlichen Späßen zu verankern. So bemühen sich Razem und Konfederacja um die Stimmen der jungen Leute, was bei den Wahlen ausschlaggebend werden könnte, wenn die Konferderacja der PiS zur Regierung verhilft.
Und am 10. Mai ist in der nächsten Ausgabe dieser Wochenzeitung zu lesen:
Sie sollten die polnische Politik verändern, aber es war die Politik, die sie veränderte und absorbierte. Die dritten Kräfte, die Protestparteien, die Antisystemler, die Libertären lösten erst Begeisterung aus, dann Achselzucken und schließlich oft leeres Gelächter. Andere Formationen stehen Schlange, um den Sumpf im Parlament trockenzulegen. Wird sie das gleiche Schicksal ereilen?
Alle politischen Parteien der Erneuerung, des Protests und der Systemfeindlichkeit erreichen bei Wahlen plus oder minus 10 Prozent, das ist sogar die Regel, und dann wird es meist noch schlimmer, und dann noch viel schlimmer. Der Politikwissenschaftler Jaroslaw Flis hat einen eigenen Begriff für solche Kreationen – TUP: Temporäre Protestpartei. Jedes Mal wird das Ergebnis der TUP als ein großes Ereignis betrachtet, obwohl diese Parteien nicht an der Regierung beteiligt sind und keinen Einfluss auf die Gestaltung der Gesetzgebung haben.
Die dritte (in Wirklichkeit meist die vierte und fünfte) Kraft leistet einen bescheidenen Beitrag zum öffentlichen Leben, einige neue Gesichter tauchen auf, einige verdienstvolle Personen lassen sich für längere Zeit in der Politik nieder. Das Auftauchen neuer Gruppierungen beeinflusst manchmal die Programme und Strategien der bestehenden Gruppierungen (nicht immer positiv), und es werden neue Themen eingebracht (z.B. LGBT). Aber die Gesamtbilanz scheint sehr enttäuschend zu sein. Woran liegt es also, dass politische Neugründungen scheitern, verlieren und der polnischen Politik eher schaden als nützen?
Berufspolitiker erscheinen der Öffentlichkeit von außen oft als ahnungslos, griesgrämig, nicht allzu klug, böswillig, unsinnig. In diese Welt einzutreten und dort „Ordnung“ zu schaffen, erscheint daher in den Augen der Wichtigtuer geradezu kinderleicht, nach dem Motto, das kann ja jeder machen. Aber das ist nur ein Schein, eine „volkstümliche“ Sichtweise dieser Realität. Die polnische Politik hat sich trotz ihrer Schwächen, ihrer Lächerlichkeit und manchmal auch ihrer Gemeinheit im Laufe der Jahre hochgradig professionalisiert, ihre Akteure sind erfahren in den Techniken der Beeinflussung, beherrschen die parlamentarischen Täuschungsmanöver und die Propaganda, und sie zahlen viel Geld für Berater und Forschungsabteilungen. Politische Neulinge lernen schnell, dass sie es selbst sind, die „nichts kapieren“, die reingelegt, manipuliert und ausgespielt werden.
Es stimmt, dass es die Neulinge jetzt schwerer haben, weil die älteren Parteien bereits über Geld und Strukturen verfügen. Aber auch die neuen Kräfte haben nach ihrem Einzug in den Sejm Millionen an Zuschüssen und Subventionen aus dem Haushalt erhalten. Nur, dass sie später trotz dieser finanziellen Unterstützung nicht in der Lage waren, zu bestehen.
Das heißt, es geht um die Authentizität der Vertretung breiterer gesellschaftlicher Interessen, um die Beschäftigung mit der Gesamtheit der staatlichen Angelegenheiten, um die Wahrnehmung bestimmter kultureller Codes und der Bedürfnisse der Menschen. Es geht darum, die Parteien eines echten politischen und ideologischen Konflikts zu vertreten, auch wenn vielen diese Spaltung nicht gefällt und sie davon gelangweilt sind. Die Gruppierungen, die das PiS-PO-Duopol bekämpfen, würden in der Tat gerne in die Rolle eines der beiden Hauptgegner schlüpfen, weil es in Polen keinen anderen politisch gleichermaßen produktiven Konflikt gibt. Es sei denn, sie schaffen ein neues Spielfeld, setzen eine andere Trennungsachse durch und finden sich im Zentrum des Spiels wieder. Dann wird sich vielleicht eine Formation herausbilden, die den Fluch der 10 Prozent brechen wird.
Gemeinsame Liste macht kleine Parteien zu Vasallen
magazynkontakt.pl, 24.4.2023
„Wir brauchen eine linke, sozialdemokratische Perspektive, denn wir brauchen einen anderen Blick auf den Wirtschaftsliberalismus und den Kapitalismus“. Das ist das Fazit eines Artikels der links-katholischen Internetseite.
Durch die gemeinsamen Listen, die so gerne von der PO/KO propagiert werden, sieht der Autor die Gefahr, dass der Pluralismus verschwindet. Schließlich werden die großen Parteien die kleinen unterbuttern. Schon jetzt ist abzusehen, dass dies droht. Da wird einfach appelliert „Gemeinsame Liste – oder Fortsetzung der PiS Regierung!“ Anstatt sich an einen Tisch zu setzen und über ein Programm zu verhandeln, meint die PO, dass man sich nach der Wahl schon einig würde. Dabei ist zu befürchten, dass den Kleinen je nach Mandaten ein Zugzwang drohen wird.
Dabei sollten die Wurzeln der Entstehung der etablierten Parteien nicht vergessen werden, die sich im Grunde genommen ähnlich sind. Schon Anfang der achtziger Jahre haben Tusk und andere von einem wirtschaftsliberalen Polen nach dem Vorbild von Reagan und Thatcher Ideen entwickelt. Ihnen ging es nicht um ein freies Polen, sondern um einen freien Markt, ein kapitalistisches Polen. Die Interessen der Arbeiter – der Solidarnosc – waren ihnen ein Dorn im Auge, denn ihre Forderungen an der Teilhabe an Entscheidungen behinderten den schnellen Aufbau des Kapitalismus. Auch der ultraliberale Janusz Korwin-Mikke und Lech Kaczynski entwickelten ähnliche Gedanken. Sie waren also weit entfernt von den Kämpfen der Arbeiter in der Solidarnosc.
Jenseits von aktuellen „Problemen“ wie LGBT+, Gender, Deutschen u.ä., die die Gemüter bewegen, ziehen im Grunde genommen alle an einem Strang – einen neoliberalen Kapitalismus auf allen Ebenen aufzubauen und den Beschäftigten so wenig Spielraum wie möglich zu belassen.
(Der gesamte Artikel scheint mir einen guten Abriss der Entwicklung von 1980 an zu geben – und kann bestellt werden: norbert@europa-von-unten.org)
Zwei Parteien vereinen sich, Polska 2050 und PSL Polityka, 20.4.2023
Die PSL – Polnische Volkspartei wurde 1990 gegründet und gilt im weitesten Sinne als „Bauernpartei“. Die Polska 2050 wurde im April 2021 gegründet und unterstützt ideologisch grüne Politik und christdemokratische Prinzipien und kombiniert auch einige Elemente des Liberalismus, der Sozialdemokratie und des Konservatismus. Beide Parteien sind überzeugt, dass sie sich verständigen werden und gemeinsam zur Wahl antreten werden. Es kreisten während der Gespräche verschiedene Gerüchte, dass Polska 2050 in allen 41 Wahlbezirken die erste Stelle auf der Liste einnehmen wolle. Beide Parteien suggerieren allerdings, dass dies eine Desinformation von Tusk sei, der darum kämpft, alle Parteien unter seinen Schild zu bekommen. Dieses und viele andere Gerüchte spiegeln schließlich die allgemeine Lage nicht schlecht wieder: Niemand weiß etwas, niemand vertraut jemandem, niemand weiß, wem er glauben soll. Die Volkspartei bemüht sich immer wieder, mit Polska 2050 ins Gespräch zu kommen, aber die scheint es nicht bemerkt zu haben.
Die Unterstützung für Polska 2050 wird immer schwächer, ob eine Vereinigung mit der PSL helfen wird? Die Volkspartei verliert auch immer weiter an Gefolgschaft, das mag auch daran liegen, dass ihre potenziellen Wähler – die Einzelbauern – immer weniger werden und große Betriebe die Dörfer übernehmen.
Es ist also noch recht ungewiss, was bei diesem Manöver herauskommen wird oder kann.
Unsere und eure Oligarchen – Ukrainer in Polen Przeglad, 8.5.2023
Während in Russland Putin darüber entscheidet, wer reich wird, entscheiden in der Ukraine die Reichen, wer Präsident wird.
Nach und nach fassen die Ukrainer in Polen Fuß, sie schicken ihre Kinder in die Schule, können die Sozialleistungen ausschöpfen, gründen Firmen und werden mit der Zeit auch EU-Gelder nutzen. Es ist also abzusehen, dass sie auch im Parlament präsent sein werden. Das ist der normale Lauf der Dinge.
Aber so manche ukrainischen Oligarchen haben auch ihre eigenen Interessen an die Weichsel gebracht. Und das ist ein recht buntes und kontroverses Völkchen, das brutal untereinander um Geld und Einfluss kämpft. Anders Äslund, einer der führenden Experten in Studien über Osteuropa, hat festgestellt: Während in Russland der Business verschiedene Parteien und die Regierung finanziert, sind diese Business Leute in der Ukraine dabei, ihre eigenen Parteien zu bilden, die dann ihre Interessen im Parlament vertreten, wie z.B. Timoschenko die Hromoda, die den Vereinigten Energiebereich abdeckt. „Bataillon Monako“ ist der Name einer elitären Gruppe ukrainischer Oligarchen, von Beamten in hohen Positionen, Parlamentariern des Obersten Rates der Ukraine und Politikern, die nach der Invasion Russlands ein luxuriöses Leben im südlichen Frankreich vorzogen.
Am 7.Juni 2022 wurde an der Grenze zwischen Serbien und Mazedonien Brigadegeneral Andrij Naumow, ehemaliger Chef des Inland-Geheimdienstes, festgenommen. Er verließ die Ukraine kurz vor der Invasion. In seinem Auto wurden gefunden: 600.000 Euro, eine hohe Summe Dollar und Edelsteine. Ihm drohen 12 Jahre Gefängnis, allerdings hat ihm Russland Asyl angeboten, wenn er belastende Aussagen gegen Selenskyj macht.
Viele Funktionäre der Regierung mussten wegen Unterschlagung und Korruption auf Druck der USA ihre Posten verlassen, weil die USA erfahren hatten, dass Hilfsgüter und -gelder von diesen Funktionären beiseite geschafft wurden. Die Amerikaner wissen, dass die Kontrolle über Waffen und Hilfsgüter an der polnischen Grenze endet und diese oft auf dem Schwarzmarkt in der Ukraine landen. Es war schon immer so, dass es Gewinner bei Kriegen gibt. Manche ukrainische Militärs werden nach dem Krieg in die Politik wollen, aber dazu brauchen sie viel Geld. Es stellt sich die Frage, ob diese Menschen später ihre Karriere am Dnjepr oder an der Weichsel machen wollen. Die Probleme der Ukraine gibt es schon in Polen und sie werden zunehmen und die ukrainischen werden zu polnischen Oligarchen.
PiS Programm gegen die Sexualisierung von Kindern Polityka, 5.5.2023
Bei einer außerordentlichen Pressekonferenz hat Jaroslaw Kaczynski seine Unterstützung für das Projekt: „Beschützt die Kinder, unterstützt die Eltern“ bekannt gegeben. Die Idee ist, dass Kinder „nicht Praktiken ausgesetzt werden sollten, die mit Sicherheit schädlich für sie sind und die zu weitreichenden psychologischen Veränderungen, zu Schwierigkeiten verschiedener Art führen können, wenn sie älter sind und sogar bis ins Erwachsenenalter“.
Was beinhaltet das Projekt konkret? Mehr oder weniger das, was bereits in früheren Projekten dieser Art geschehen ist, d.h. die Verpflichtung zur Weiterleitung detaillierter Informationen über die geplanten Aktivitäten auf dem Schulgelände über den Schulleiter an die Schulaufsicht, die Möglichkeit der Kontrolle der Organisation durch den Elternbeirat, die schriftliche Zustimmung der Eltern zur Teilnahme des Kindes an den Aktivitäten (die bereits in Kraft ist). Dem Plan zufolge wären es Organisationen, die „Themen im Zusammenhang mit der Sexualisierung von Kindern“ fördern wollen; auf dem Gelände von Schulen und Kindergärten soll das unmöglich sein. „Elemente der Sexualerziehung“ sollen nur von „qualifiziertem Lehrpersonal, ohne Beteiligung externer Stellen“ unterrichtet werden.
Dies ist das vierte Projekt mit ähnlichen Prämissen, das von der Partei Recht und Gerechtigkeit in weniger als drei Jahren auf den Weg gebracht wurde, und das Schicksal dieser Initiativen grenzt bereits an Lächerlichkeit. Denn die Praxis zeigt, dass weder der Sejm noch der Präsident tatsächlich „Anti-Sexualisierungs“-Änderungen verabschieden wollen.
Eine Abgeordnete der PiS ließ sich mit einer Menge von Kartons ablichten, über die sie sagte, sie enthielten Eingaben von Eltern enthalten, die sich gegen die Sexualisierung der Kinder in Schulen beschwerten. Eine Abgeordnete der Opposition wollte sich die Beschwerden ansehen, aber es waren nur leere Kartons.
Privilegiert
Wie beim Pfarrer hinterm Ofen: Die Kirche erhielt 867 Millionen PLN aus staatlichen Mitteln für den Kampf gegen den Smog, um die Bischofssitze, ihre Verwaltungen, die Kirchen und Pfarrhäuser gut zu heizen. Das sind 62 Prozent der Mittel, die gegen die Bekämpfung von Smog vorgesehen waren. Mit diesem Geld hätten drei Millionen Herde in den Haushalten ausgetauscht werden können. Auch Eigentümer von Einfamilienhäusern konnten diese Zuschüsse nicht beantragen…
Die Stadtpräsidentin und ihre Vorlieben. In einer Stadt von ca. 170.000 Einwohnern meldete die Stadtpräsidentin ihre Teilnahme an der festlichen Veranstaltung einer Schule an. Die Schule hatte einen Preis gewonnen. Sie hatte ein Programm erarbeitet, wie mit der steigenden Aggressivität der Schüler umzugehen sei. Im Grunde genommen war nur vorgesehen, dass das prämierte Projekt anschaulich dargestellt wird. Nun aber hatte sich die Frau Bürgermeisterin angemeldet. Das Telefon in der Schule glühte: „Kommt die Frau Stadtpräsidentin persönlich oder ihr Vertreter?“ Als klar war, dass sie persönlich kommt, meldeten sich gleich einige honorige Personen aus der Stadtverwaltung an, etwas verwirrend vier mit dem gleichen Namen. Dann rief das Büro der Stadtpräsidentin an, um der Direktorin mitzuteilen, dass die Dame gewöhnlich gegen 11 Uhr einen Imbiss zu sich nimmt und welchen Catering sie bevorzugt und, vollständigkeitshalber, aus welcher Gärtnerei sie sich zur Begrüßung Blumen wünscht. Die Schule verfügt nicht über derartige Mittel. Die Direktorin hat zähneknirschend einen Blumenstrauß für ca. 50 Euro aus eigener Tasche bezahlt und das übrige Personal brachte etwas zu Essen. Die Frau Stadtpräsidentin soll sich anscheinend dennoch nett unterhalten haben.
Bischof Slawomir Order verdient leicht Geld, weil er sich um die Heiligsprechung von Karol Wojty?a verdient gemacht hat, und nun stehen noch dessen Eltern und der Bruder an. Jetzt wurde er Bischof in Gliwice, wohl ein Sprungbrett für höhere Aufgaben. Nach seiner Weihe zum Bischof versammelte er zu einem Gottesdienst die Priester seiner Diözese. Den Gepflogenheiten in der polnischen katholischen Kirche entsprechend gab es Quoten gemäß der Stellung: Pfarrer sollten 200 PLN, Vikare 100 PLN in einem Briefumschlag geben. Dabei kamen 40.000 PLN zusammen, recht wenig für ein solches Event, aber leicht verdient vom Bischof.
Julia Przylebska, ehemalige Vorsitzende des Verfassungsgerichts von Kaczynskis Gnaden, weil sie für ihn gut gekocht hat, amtiert weiter. Ihre Amtszeit ist längst abgelaufen. Allerdings müssen die von ihr einberufenen Sitzungen wieder auseinander gehen, weil nur 10 der 15 Mitglieder anwesend sind. Fünf Mitglieder sind nicht damit einverstanden, dass Przylebska nach dem Ablauf ihrer Amtszeit einfach weitermacht, nur weil ein Nicht-Regierungsmitglied ihre Kochkünste lobt. Nun scheint der Widerstand zu bröckeln. Ein Richter, der mit dem Justizminister Bindungen hat, wird wohl dazu stoßen. Es fehlt nur noch ein zweiter, der schwach wird, dann kann sie ihre Süppchen wieder kochen.
Oskar Szafarowicz bekam einen Job bei der Nationalen Eigentumsressource, eine Sendung bei TV Republika und vor kurzem eine Stelle bei der Bank PKO BP. Der 22jähriger Aktivist der PiS-Jugendgruppe ist sehr aktiv auf Twitter, um jungen Leuten die Politik der PiS nahezubringen. Er warf der PO-Abgeordneten Magdalena Filiks vor, dass sie „auf Druck der Parteibehörden“ zu den Übergriffe auf ihren Sohn durch eine Person mit Verbindungen zum Umfeld der PO Westpommern geschwiegen hat. Sein Eifer gegen die Opposition kostete den Sohn der Abgeordneten das Leben, der Täter konnte somit identifiziert und an den Pranger gestellt und nahm sich das Leben.