Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
Kunst 1. Dezember 2025

Eine Ausstellung im Museum Folkwang in Essen
von Rolf Euler

»Hört auf das Echo!« nennt der südafrikanische Künstler William Kentridge eine Ausstellung über Jahrzehnte seines umfangreichen und vielseitigen Schaffens anlässlich seines 70.Geburtstags. Das Museum Folkwang in Essen erinnert an ihn mit Bildern, Grafiken, Tapisserien, vor allem mit Videos aus der Zeit der Apartheid in Südafrika und der Zeit danach.

Auf großen Leinwänden wechseln die Bilder zwischen Fotos, verfremdeten Situationen, blitzartigen, gemalten und gestrichelten Einsprengseln und abfotografierten Bildern.
Einige der für die Videos verwendeten Bilder des Kontrasts zwischen Unternehmern und Arbeitern in den Goldminen hängen an der Wand und ermöglichen, die Entstehung der Videos nachzuvollziehen. Das Geratter der Abbauhämmer kontrastiert mit dem Klingeln der Registrierkasse, aus der die goldenen Nuggets fallen.
Das Motto der Ausstellung ermahnt die Besucher:innen, auf das Echo der damaligen Zeit der Ausbeutung und des Lebens der Bergleute in den Compounds genannten Unterkünften zu hören.
In anderen Räumen geht es um die Ausbeutung Afrikas während der Kolonialzeit. Verfremdete Szenen aus Polizeifahrzeugen und Folterzellen – oft wie Comics gezeichnet und dann verfilmt, dann wieder großformatige, in Südafrika gefertigte Wandteppiche, unterlegt mit den »eroberten« Landkarten, mit Ausrissen von schwarzem Papier und dunklem Webstoff erinnern an die Last der Kolonialzeit und ihre Fortdauer bei der Ausbeutung der Bodenschätze in Afrika und Lateinamerika.
In einer »Black Box« genannten Kammer entsteht ein »Puppentheater«, eine Bühne mit Szenen aus dem Genozid an den Herero durch die deutschen Kolonialtruppen: Mit mechanischen und Lichteffekten verwandelt sich die Erzählung in eine Anklage gegen die deutsche Kolonialherrschaft im heutigen Namibia. Auch in dieser Installation zeigt sich die außerordentliche Vielseitigkeit des Schaffens von William Kentridge, der ja auch Theaterstücke inszeniert.

Die Videos
Kentridges Fähigkeit, aus einzelnen gezeichneten Bildern und eingefügten gedruckten Worten, aus Blättern und Zweigen und unterlegter Musik eindrucksvolle Videos zu produzieren, verblüfft immer wieder und hält die Betrachter:innen gefesselt.
So bei der Umsetzung der »Prophezeiungen« der alten griechischen Weissagerin Sibyl, deren Worte auf Blättern erscheinen, die, alle durcheinandergewirbelt, eindeutige Zuweisungen nicht mehr zulassen, dadurch aber umso nachdrücklicher zum Nachdenken anregen.
Zum Beispiel: »Wait for better Gods – wait for better people«. Oder »Resist« und »Where shall we put our hope« – ohne Fragezeichen. »Oh to believe in another world« und »In defence of OPTIMISM« weisen auf Doppelbödigkeit der »Weissagungen« hin.
Das politisch-kritische künstlerische Werk von Kentridge wird ergänzt durch längere Videos aus seinem Atelier. Er tritt im Doppel oder sogar dreifach in derselben Szene auf, diskutiert mit »sich selber« über das, was dort gerade produziert wird. Mit Selbstironie und philosophischem Tiefgang bewerten die »beiden Kentridges« sich und uns ihre Arbeit – dieser Teil der Ausstellung heißt: »Selfportrait as a Coffee-Pot« und man sollte viel Zeit mitbringen: neun rund halbstündige Videos warten auf euch.
Große Empfehlung, bis spätestens 18.Januar einen Tag nach Essen ins Museum Folkwang zu gehen und sich von der Vielfalt und Aussagekraft von William Kentridge fesseln zu lassen.

www.museum-folkwang.de

Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Folgende HTML-Tags sind erlaubt:
<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>


Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.


Kommentare als RSS Feed abonnieren