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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2019

Der Kampf um die Gesetzesvorlage der EU
von Rolf Euler

Selten schienen Fronten so klar: Zehntausende Kritiker der neuen Gesetzesvorlage des EU-Parlaments auf der Straße gegen die «Zerstörung des Internets» durch drohende Uploadfilter. Die Urheberrechtsreform spaltet aber nicht nur Parlamentarier und Internetfreaks, sondern auch die Verbände der Schriftsteller, Fotografen, Zeitungsverleger. Diese sehen einen Fortschritt darin, dass Autorenrechte (Urheberrechte) für Bild, Ton, Schrift und Film mit dem neuen Gesetz in Europa endlich auch für das Internet geregelt werden und weisen darauf hin, dass gerade die großen Internetkonzerne wie Google oder Facebook die Urheberrechtsgesetzgebung genauso, wenn auch aus völlig anderen Motiven, bekämpfen wie die Netzaktivisten. Diese wiederum sehen die Freiheit der Meinungen und des Internetzugangs für alle gefährdet.
Internetplattformen wie Google oder Amazon benutzen selbstverständlich eine künstliche Intelligenz zur Steuerung der Inhalte auf ihren Internetbereichen. Ohne Filterregeln, was wie weit vorn platziert wird, was wem als Werbung gezeigt wird, wer wieviel für ein Ranking bezahlt – ist das Geschäftsmodell dieser Plattformen nicht mehr denkbar. Der umstrittene Artikel 13 des Urheberrechtsgesetzes enthält die Bestimmung, dass urheberrechtlich geschützte Inhalte dort nicht frei erscheinen und weitergegeben werden dürfen. Es sei denn, der Rechteinhaber wird dafür bezahlt. Die Netzaktivisten lehnen Uploadfilter ab und sagen, diese Filter seien unkontrolliert und könnten nicht zwischen echten Kopien und Karikaturen, künstlerischen Verfremdungen oder Ironien unterscheiden. Sie treibt die Sorge um, dass mit einer solchen Gesetzgebung viele Inhalte vorsorglich gar nicht mehr erscheinen können, weil eine Zurückweisung für Facebook und Co. billiger ist als die Gefahr einer Urheberrechtsverletzung.
Was ist nun aber mit den Urheberrechten? Alle, die den prekären finanziellen Rücklauf für Internetzeitungen, Bildjournalisten, Videofilmer und Autoren kennen, werden diese Urheber sicher besser stellen und ihnen einen höheren Anteil an den Einnahmen zugestehen wollen, die die Plattformen mit ihren Werken erzielen. Das hieße, dass die Internetplattformen mehr an die Urheber bezahlen müssten – was sie bisher nicht nötig haben. Das Problem ist, dass sich zwischen die Millionen Urheber und das Internet die Verwertungsgesellschaften – etwa Verlage – setzen.
Netzpolitik.org schreibt dazu: «Einfach ausgedrückt stehen unabhängigen Kreativen … im Weg: die Plattformen, die Verwertungsgesellschaften und die Filtergesellschaften. Zunächst wird die künstlerische Freiheit und der Verhandlungsspielraum der einzelnen Kreativen eingeschränkt. Die großen Plattformen sind die einzigen, die in diesem rechtlichen Chaos überleben können … Diese Plattformen haben das Recht, die Arbeit von Personen zu blockieren, wenn sie das wünschen. Es steht ihnen frei, keine Lizenzvereinbarung abzuschließen und stattdessen den Inhalt zu sperren, wenn sie das wünschen. Es steht ihnen frei, Inhalte aufgrund falscher Angaben zu entfernen, wenn sie das wünschen. Bei den Verhandlungen halten sie die Karten in der Hand. Die einzige Möglichkeit für die Kreativen, sich sinnvoll mit diesem System auseinanderzusetzen, besteht also darin, sich zusammenzuschließen und mit einer Verwertungsgesellschaft … zusammenzuarbeiten. Diese Organisationen lizenzieren, identifizieren und berichten im Namen der Kreativen und nehmen dafür einen Teil der Einnahmen.»
Diese Organisationen sind es auch, die die Gesetzesnovelle mit Zeitungsanzeigen unterstützt haben. Sie bilden eine Marktmacht gegenüber den Autoren, aber die Marktmacht der Internetgiganten können sie nicht brechen.
Wenn also das Gesetz durch ist, stehen dem Upload von urheberrechtlich geschützten Inhalten mehrere Barrieren im Weg, die nicht nur technisch, sondern vor allem marktmachtpolitische Hemmnisse sind.
Martina Michels, Europaabgeordnete der LINKEN, sagt dazu:
«Mit der verbindlichen Einführung von automatischer Erkennungssoftware als Mittel der Wahl, um Urheberrechtsverletzungen schon beim Upload zu unterbinden – den sogenannten Uploadfiltern – kam dann ein Vorschlag der Kommission auf den Tisch, der das Herz der Musik- und Filmindustrie höherschlagen ließ, aber zurecht Daten- und Grundrechtsaktivistinnen auf den Plan rief. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und ein von der Kommission zurückgehaltenes Gutachten finden diesen Lösungsvorschlag zum Schließen der Einkommenslücken fatal und warnen vor der Einführung einer Zensur- und Überwachungsstruktur, die auch noch gesetzlich in die Verantwortung privater Hände gelegt werden soll. Dies ist keine Lösung des eigentlichen politischen Konflikts, der sich mit neuen Bezahl- und Lizensierungsmodellen lösen ließe, sondern eine Kanone auf die freie Kommunikation im Netz.»
Es ist sicher nicht so einfach wie der Internetaktivist Jaron Lanier in seinem satirischen Brief an die Teilnehmenden der Großdemonstration am 23.März gerichtet schrieb: «Indem Ihr gegen die EU-Urheberrechtsrichtlinie protestiert, unterstützt ihr uns [die Profiteure im Silicon Valley] dabei, die Urheber um ihre Bezahlung zu bringen.» Und vielleicht ist es auch nicht so einfach wie es auf den Plakaten heißt, dass das Internet «zerstört» würde. Es drängt sich eher der Verdacht auf, dass weder die Urheberrechtsinhaber profitieren, noch die Freiheit des Internets noch stärker bedroht wird als bisher schon durch IT-Konzerne, das Militär und die Geheimdienste. Ohne eine radikale Besteuerung der internationalen IT-Konzerne und eine politische Kontrolle ihrer Machenschaften wird die Lage nicht besser.
Die große Koalition in Berlin beruft sich darauf, dass jedes Land in der EU die Ausführungsbestimmungen zu Artikel 13 selber regeln könne – und damit die Uploadfilter nicht genehmigt würden. Das ist natürlich hochgradig albern, den international agierenden US-Konzernen damit eine politische Kontrolle anzudrohen – sie haben sich bisher schon um nationale Bestimmungen keinen Deut geschert.

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