An den Rand notiert
von Rolf Euler
Diese Kolumne wird an einem dieser schönen Sommerabende im Garten geschrieben. Eine Leuchte erhellt den Tisch, in der Dunkelheit drumherum fliegen Glühwürmchen. Ein Igel schleicht durchs Gebüsch und über den Rasen. Idylle pur, denkt man.
Aber etwas fehlt. Keine Motten und Nachtfalter tanzen ums Licht. Keine Mücke summt und sticht. Abends sieht man wenige Mauersegler, wo früher ein Schwarm über den Häusern Kreise zog.
Viele werden bemerken, dass nach längerer Autotour in diesem Jahr fast keine Insekten auf der Frontscheibe kleben. Insekten fehlen – na und?
Es gibt nicht nur ein Bienensterben, die Zahl der Insekten insgesamt ist rückläufig, und dies ist besonders in den Städten und auf freien Feldern spürbar – weniger in Fluss- und Bachtälern, solange sie einigermaßen natürlich verlaufen.
Das ist nicht nur ein Problem für die Insekten selber und ihre Lebensräume, sondern vor allem für die Vogelwelt. Der Naturschutzbund NABU führt regelmäßig mit Tausenden von freiwilligen Teilnehmern eine Vogelzählung durch. Deren Ergebnisse sind vor allem im Bereich der offenen Landschaften so deutlich, wie die «saubere» Frontscheibe: die Population vieler Vogelarten geht zurück.
Die der Mauersegler erreicht heute nur noch 70 Prozent der Zahlen von 2006. «Der Verlust von Nistplätzen an Gebäuden und ein starker Rückgang ihrer Fluginsektennahrung macht ihnen zu schaffen», sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Amsel, Grünfink und Hausrotschwanz nehmen kontinuierlich ab.
«Während sich bei den Vögeln unserer Dörfer und Städte über die Jahre Zu- und Abnahmen unter den Vögeln die Waage halten, gibt es auf den Wiesen und Feldern fast nur Verlierer. In den vergangenen 25 Jahren brechen dort die Bestände typischer Vogelarten der Agrarlandschaft, wie Feldlerche, Kiebitz oder Rebhuhn regelrecht zusammen», informiert der NABU.
BUND und NABU informieren über diese Entwicklung ausführlich auf ihren Internetseiten und in deutlichen Worten. Sie werden noch unterstrichen von der Mitteilung der Wasserverbände, dass sich das Trinkwasser erheblich verteuern wird, weil der Eintrag von Nitrat aus Gülledüngung in den letzten Jahrzehnten so gestiegen ist, dass zusätzliche Reinigungsmaßnahmen notwendig werden, um die Grenzwerte einzuhalten. Ein Viertel der Grundwassereinzugsgebiete in der Bundesrepublik zeigt zu hohe Nitratwerte. Die intensive Landwirtschaft mit Massentierhaltung, riesigen Monokulturen wie beim Maisanbau, ohne Wegränder und Hecken, und der Einsatz von Pflanzengiften und «Schädlingsbekämpfungsmitteln» haben Folgen, die man «übersieht», wenn das Billigfleisch aus der Theke auf dem Grill landet.
Und der Blick in manche Vorgärten unserer Dörfer und Vorstädte lehrt einen das Grau(s)en: es wird geschottert was der Steinbruch hergibt. Die Agenda der offiziellen Politik umfasst große Worte, aber sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Energiepolitik werden andere Prioritäten gesetzt. Die Agrar- und Chemielobby tut das ihrige.
Was können wir tun? Vogelfreundliche Hecken und Büsche pflanzen, Vogelfütterung nicht nur bei Frost, Stadtbegrünung, wo es geht, fordern und betreiben. Nicht nur an den Rändern.
Siehe auch den lesenswerten Kommentar des ehemaligen Datenschutzbeauftragten Peter Schaar auf www.heise.de/newsticker/meldung/Peter-Schaar-Der-Staat-ist-ein-feiger-Leviathan-3755246.html.
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