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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2024

Ein Anstoß zur Diskussion über Strategien gegen Rechts
von Peter Nowak

Antifa – Schulter an Schulter, wo der Staat versagte. Deutschland 2024, 92 Min. Regie und Drehbuch: Marco Heinig, Steffen Maurer; Produktion: leftvision;
www.antifa-film.de/

Es sind viele kleine Menschen, die sich den Rechten entgegenstellen.

Es ist verdächtig, dass auch Medien, die sich gegen die AfD wenden, immer wieder das Bild von der militanten Antifa heraufbeschwören, sobald Menschen bspw. durch eine Blockade Veranstaltungen der AfD und anderer Rechter real behindern. Da ist es begrüßenswert, dass es dem Filmkollektiv leftvision gelungen ist, für den Film Antifa gleich fünf Personen vor die Kamera zu bringen, die sich in den frühen 90er Jahren den Rechten entgegenstellten.
Es sind drei Frauen jeweils aus Brandenburg, Ostberlin und Schleswig-Holstein und zwei Männer
aus Göttingen und Quedlinburg. Zunächst könnten sich die, die immer das Bild von der gewaltbereiten Antifa herbeireden, bestätigt fühlen. Denn vier der Personen im Film berichten von militanten Auseinandersetzungen mit den Rechten. Aber sie gehen auf den Kontext ein.
So beginnt der Film mit Videoaufnahmen von dem Angriff, den Neonazis und die sympathisierende Nachbarschaft auf das von vietnamesischen Migrant:innen bewohnte Sonnenblumenhaus in Rostock starteten. Die Aktivistin aus Schleswig-Holstein berichtet, wie sich dann Antifaschist:innen aus dem Bundesland aufgemacht haben, um sich den Rechten entgegenzustellen, ohne Kontakte und Anlaufstellen. Es gelang schließlich doch, eine Demonstration zu organisieren und auch für Schutz zu sorgen. Der Staat sei völlig abwesend gewesen und die Polizei habe sich zurückgezogen, sagt nicht nur die Frau aus Norddeutschland. Torsten aus Quedlinburg betont, die Antifa habe da eingegriffen, wo der Staat versagte. Er berichtet über militante Auseinandersetzungen zwischen der rechten Szene und Antifaschisten.

Grenzen antifaschistischer Gewalt
Der Antifaschist, der 1996 über 80 Anzeigen bekam, ist mittlerweile selber Rechtsanwalt, auch weil es damals linken Anwält:innen gelang, ihn vor dem Gefängnis zu bewahren. Im Film betont er, er stehe zu seiner Antifageschichte, die sich aber eben nicht in Militanz gegen Rechte erschöpfte. Das wird im Film schon nach dem ersten Drittel deutlich. Dort äußern sich alle Protagonist:innen kritisch zu einer Haltung, man müsse die Rechten an Militanz übertreffen.
Die Aktivistin aus Ostberlin spricht auch über die psychologischen Folgen solcher Auseinandersetzungen. Über Traumata habe man in den 90er Jahren nicht viel geredet. Die Frau hat sich schon in jungen Jahren gegen Nazis engagiert. Ihr Großvater war jüdischer Kommunist und stand nach 1989 im Visier der Rechten. Dabei hat die Antifaschistin betont, dass es nicht darum gehe, zur Kampfmaschine zu werden, wenn man sich gegen Nazis stellt. »Wir waren viele kleine Menschen, die nicht zimperlich waren«, beschreibt sie ihre Haltung damals. Wichtig war aber, dass man sich eben auf die Menschen verlassen konnte, die neben einem standen in der Auseinandersetzung mit den Rechten.
Auch die beiden männlichen Antifaschisten haben einen sehr reflektierten Umgang mit Gewalt und sehen die Gefahr, dass auch in den eigenen Reihen vor allem manche Männer Militanz nicht als Mittel, sondern aus Prinzip anwenden. So beschreibt Torsten eine Situation, in der ein junger Rechter schon verletzt im Gleisbett liegt und einige weiter Steine auf ihn werfen. Das hätten dann andere Antifaschist:innen gestoppt. Sie hätten dafür gesorgt, dass der verletzte Nazi entfliehen konnte. »Wir wollten die Rechten auch mit Gewalt stoppen, aber sie nie so verletzen, dass sie ihr Leben nicht mehr fortführen können oder gar töten«, betont Torsten.
Der Antifaschist aus Göttingen berichtet von einem Fall, in dem ein Mitstreiter aus einer antifaschistischen Gruppe ausgeschlossen wurde, weil er einen Rechten, der schon am Boden lag, auf den Kopf schlug. Der Antifaschist betont auch, Militanz müsse einen ganz geringen Stellenwert in der antifaschistischen Arbeit haben. Zentraler seien Bildung und Aufklärung. Da ist man auch im Film ganz in der Gegenwart. Es werden Szenen von Protesten gegen die AfD Anfang 2023 gezeigt.
Es ist zu hoffen, dass der Film heute, wo die Antifabewegung angesichts des Aufstiegs der Rechten in einer Perspektivdebatte steckt, Impulse geben kann. Denn hier kommen Menschen zu Wort, die über 30 Jahre antifaschistische Praxis haben und die heute mit dem nötigen kritischen Blick darauf ihre Geschichte verteidigen.

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