Historische Bewegung mit antifeudalen Forderungen
dokumentiert
Ein halbes Jahr nach der Niederschlagung des Kemptner Aufstands 1493 wurde nördlich von Schlettstadt im Elsass eine Verschwörung unter dem Zeichen des Bundschuhs aufgedeckt.
Der Bundschuh war die Fußbekleidung des armen Mannes; durch seine langen Riemen wurde er zum Symbol des Zusammenschnürens und Verbindens. Erstmals hatten sich Bauern 1439 unter diesem Zeichen erhoben.
Diese Verschwörung ging einen Schritt weiter: Ein Kreis von Bauern um den Schultheiß Jakob Hanser musste sich durch Eid zum Schweigen verpflichten und arbeitete streng konspirativ. Das Programm ging über lokale Beschwerden hinaus und entsprach auch Teilen des Bürgertums: Beseitigung der Steuern, Zölle und Abgaben; Aufhebung der Klöster und der bischöflichen wie kaiserlichen Gerichte; Vertreibung der Wucherer.
Doch schon wenige Tage nach der ersten Versammlung wurde die Bewegung verraten.
Einen zweiten Anlauf nahm die Bundschuhbewegung im Jahr 1501, ausgehend vom Bistum Speyer, von wo aus sie sich in die Täler des nördlichen Schwarzwalds, in die Kurpfalz und nach Baden verbreitete. Auch sie war konspirativ organisiert, dennoch sollen ihr 20.000 Mitglieder angehört haben, darunter 500 Landsknechte. Ihr Anführer war Joß Fritz, ein leibeigener Bauer aus Untergrombach bei Bruchsal.
In den dichtbesiedelten südwestdeutschen Gebieten entwickelte sich früh die Abhängigkeit der Feudalherrn vom städtischen Markt, ein Druck, den der Adel mit der Steigerung der Abgabelasten an die Bauern weitergab. Hinzu kamen die Verweltlichung und sittliche Verwilderung der Geistlichkeit und eine starke Teuerung zu Anfang des 16. Jahrhunderts.
Am stärksten bekamen den feudalen Druck die mittel- und kleinbäuerlichen Schichten zu spüren, die sich ständig in der Gefahr sahen, in die Dorfarmut abzusinken und als Häusler, Büdner, Gärtner oder Köhler oder gar als Einleger ohne Haus und Land zu enden – diese waren völlig auf Lohnarbeit angewiesen.
Mittel- und Kleinbauern wurden zur Hauptkraft des bäuerlichen Widerstands, sie bildeten auch den Kern der Bundschuhanhänger.
Joß Fritz ging erneut einen Schritt weiter. Er verband die antifeudalen Forderungen mit den religiösen Empfindungen der Bauern und stellte die Bewegung unter die Parole: »Nichts denn die Gerechtigkeit Gottes.«
Damit gab er der Bewegung nur ein Programm, das auf die Beseitigung der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung zielte: Die Leibeigenschaft sollte abgeschafft, Stifte und Abteien aufgelöst und alle geistlichen Güter aufgeteilt werden. Niemand sollte mehr Zins und Zehnt, Steuern und Zölle oder andere Abgaben zahlen. Alle Obrigkeit sollte ausgetilgt, niemandes Herrschaft mehr geduldet werden. Wasser, Weide, Wald sollten wieder Gemeineigentum werden.
Durch die Berufung auf Gottes Gerechtigkeit verlieh er der Bewegung aber auch eine höhere, sozusagen göttliche Legitimität. Nicht mehr nur das »alte Recht« sollte wiederhergestellt werden, sondern ein anderes, göttliches Recht, das sich an biblischen Vorbildern orientierte.
Doch auch diese Bewegung scheiterte am Verrat eines Beteiligten. Joß Fritz entkam.
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