Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Violetta Bock schreibt aus dem Bundestag
von Violetta Bock

Da standen sie, Anfang April: CDU, SPD und CSU verkündeten den Koalitionsvertrag. Es wurde gelacht und geduzt. Wer wenig hat, geflohen ist, arbeitet, zur Miete wohnt oder die Klimakatastrophe fürchtet, hat erstmal nichts zu lachen.

Mindestlohn? Das entscheidet die Mindestlohnkommission. Mietwucher? Eine Expertengruppe. Expertenkommissionen sollen einiges (nicht) schaffen – »De-Risking« der China-Strategie, künstliche Intelligenz, eine Sozialstaatsreform mit dem Ziel, die Wirksamkeit und Effizienz sozialstaatlicher Leistungen zu prüfen, Reform der Schuldenbremse, Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie, eine Wahlrechtskommission, um nur ein paar zu nennen. Experten einzubeziehen, klingt erstmal gut, vor allem wenn sich die Verhandler nicht selbst für welche halten bzw. nicht einig werden. Aber bekanntlich ist es eine Methode, um Dinge in die Zukunft zu verschieben. Wenn du nicht mehr weiter weißt…
Aber: sie wissen, was sie wollen. Das Asylrecht soll gelten. Die sog. »irreguläre Migration« aber begrenzt, eine Rückführungsoffensive gestartet und freiwillige Aufnahmeprogramme beendet werden. Familiennachzug? Erstmal nicht. Sichere Herkunftsstaaten? Plötzlich gibt es so viele. Die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, etwa wegen tätlichem Angriff gegen Vollstreckungsbeamte, soll zur Regelausweisung führen.
Zweifelhaft, ob sich diese Koalition auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt. Der republikanische Anwaltsverein kommt zum Urteil, dass der Koalitionsvertrag den Rechtsstaat gefährdet: »Durch diesen Koalitionsvertrag zieht sich ein roter Faden: Freiheitsrechte werden beschränkt und rechtsstaatliche Errungenschaften abgebaut«, sagt RAV-Geschäftsführer Lukas Theune. Eine Regierung unter dem Blackrot-Kanzler will Untertanen, keine Bürger.
80 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus sprechen viele vom »Nie wieder«. Angesichts des Wachstums der AfD sollte – auch mit Blick auf zukünftige Wahlen – die neue Regierung den Spielraum für Gegenmacht von unten erweitern. Diesen Weg geht sie aber nicht. Im Gegenteil: Die Befugnisse der Sicherheitsbehörden werden ausgeweitet und dank der Grünen noch mit Sondermitteln unterfüttert.
Inklusive Totalitarismustheorie: Links- und Rechtsextremismus trete man mit derselben Entschlossenheit und Konsequenz entgegen. Im Bundestag sehen wir gerade der Herausbildung eines autoritären Staates zu. Weniger Bürgerrechte, aber ausgestattet mit einer starken Armee und (Un-)Sicherheitsbehörden, mit guter Verbindung zu den europäischen Nachbarn von Meloni bis Orbán. Um es mit Gramsci zu sagen: Wenn die Hegemonie bröckelt, nimmt die Rolle des Zwangs zu.
Die Linke wächst unterdessen weiter, formiert sich neu – in der Gesellschaft und im Parlament. Bundestagssitzungen beginnen im Mai. Bis dahin war vor allem Aufbau angesagt, Austausch und Stärkung von Sozialsprechstunden und Wahlkreisbüros zur Herausbildung der umso notwendigeren linken Daseinsfürsorge. Es gärt – das müssen wir verstehen und nutzen.

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